PDA

Vollständige Version anzeigen : Der Kontrast des Seins und dessen Bedeutung



Gryphus
03.02.2010, 21:12
Ich habe mir in letzter Zeit verstärkt Gedanken über die menschliche Psychologie gemacht und über die Prägung des Menschen zu dem was er einmal wird. Ich wollte hier kurz ausschreiben zu welchem Schluß ich gekommen bin und ihn mit euch teilen. Anlass war die Idee vom sog. "Neuen Menschen" wie sie beispielsweise in der UdSSR verfolgt wurde, dessen Wertesystem und dessen grundcharakterliche Möglichkeit zur Änderung seiner Verhaltensweise, insbesondere bewegte mich das Thema im Zusammenhang mit der kapitalistischen und liberalen These davon, der Mensch wäre ein prinzipiell egoistisches Konstrukt und könne nur in entsprechenden Strukturen funktionieren. Das Bauen auf der inneren Bosheit und dem schlechten im Menschen halte ich für falsch, doch wie soll es anders gehen wenn alles andere angeblich gegen die menschliche Natur wäre?

Ich stelle einmal die These auf, der Mensch hätte keine grundcharakterlichen Züge und wäre veränderbar. Hierzu möchte ich die marxsche These von der Bestimmung des Seins durch das Bewusstsein aufgreifen, möchte allerdings kommunistische Gedankenbilder wie die Schilderung Brechts in seinem Buch/Theaterstück "Der gute Mensch von Sezuan" verneinen. Zweiteres hat für mich einen einfachen Grund - ich glaube nicht, dass ein guter Mensch der nicht egoistisch sondern kollektivistisch handelt die Möglichkeit des Daseins durch eine ebenso gute Umgebung die sein Bewusstsein bestimmt bekommt, sondern erst praktisch aus der Dunkelheit geboren wird.

Kurze Erklärung: Bestünde eine Idealgesellschaft wie Brecht sie andeutet aus einer Masse von Menschen die alle prinzipiell "gut" (uneigennützig) wären, so würde es das Bewusstsein bestimmter Glieder nicht an die selben Eigenschaften anpassen, sondern würde sie darin Möglichkeiten erkennen lassen diese Strukturen auszunutzen und durch das Einbringen von Eigennutz in eine uneigennützige Gesellschaft Vorteile zu verschaffen, was das ganze Modell scheitern lässt. Je mehr das "Gute" sich durchsetzt, desto mehr werden "böse" Energien freigesetzt, da die bereits bestehende Struktur des Guten schutzlos sind.

Das ließe darauf schließen, dass selbst in einer uneigennützigen Gesellschaft Eigennutz eine treibende Kraft bleibt und somit dem Menschen zu Grunde liegt. Dennoch verneine ich das.

Das Problem bei der Sache ist, dass eine Gesellschaft aus mehr oder minder guten und uneigennützigen Menschen das Bewusstsein anderer Menschen nicht so verändert, dass sie die eigennützigen Tendenzen ablegen, sondern so, dass sie diese umso mehr entwickeln.

Andersherum wird aber ein Schuh daraus. Bevor ich darauf näher eingehe aber eine kleine Theorie die mich zu meinem folgenden Denkansatz bewegt:

Wieso kennen wir den Wert von Liebe und schätzen ihn hoch?
Weil wir sie vor dem Kontrasst von Hass sehen können.

Wieso kennen wir den Wert von Blüte?
Weil wir sie vor dem Kontrast des modernden Verfalls betrachten können.

Wieso kennen wir den Wert von Sättigkeit?
Weil wir sie vor dem Kontrast des Hungerleidens sehen können.

Wir haben Werte entwickelt die uns wichtig sind, weil uns bewusst ist was passiert wenn sie verloren gehen. Gäbe es keinen Hass könnte es auch keine Liebe geben, sie hätte keinen Wert, weil man ihr keinen beimessen könnte. Wir stehen überall vor Kontrast, gut auf dem Kontrast von schlecht, schlecht auf dem Kontrast von gut. Nur so entsteht die Wertbeimessung.

Je besser es dem Menschen aber geht, je uneigennütziger die Gesellschaft wird, je weniger Not, Leid, Hass, Mord usw. er kennt, umso mehr verlieren Werte wie Liebe, Ehrlichkeit, Selbstlosigkeit ihren Wert, weil ihnen immer mehr der Kontrast fehlt auf dem sie diesen Wert erhalten.

Im gegenteiligen Fall aber, wenn das Leben des Menschen von Hunger, Leid, Hass, Krieg und Mord dominiert ist werden "gute" Energien frei, der Wert des Guten steigt in seinen Augen, da er dessen Verlust direkt vor Augen hat. Er lernt seinen Wert zu schätzen und verinnerlicht diesen, manchmal wird dieser Wert für ihn sogar größer als der seines eigenen Lebens. Dadurch entstehen die guten, die "Neuen Menschen".

Von hier aus lässt sich noch viel weiter denken:

Das Vergessen schlechter Erfahrungen verschafft diesen nach einer gewissen Zeit einen neuen Nährboden, wird dieser irgendwann gesellschaftlich dominierend, so beginnen sich auf dessen Kontrast die "guten" Werte wieder zu stärken. Es scheint ein ewiger Kreislauf von Edelmut und Dekadenz zu sein. Aber schlußendlich heißt es doch nur, dass man dem Menschen Tod, Verfall, Krieg und Moder andauernd vor Augen halten müsste um ihn nicht dem "Bösen" preiszugeben?

Gryphus
03.02.2010, 21:22
... oder habe ich in letzter Zeit einfach nur zu viel Mist gelesen? :D

Wolf
03.02.2010, 21:24
Liebe ist nur ein Trick der Evolution.

Lichtblau
04.02.2010, 10:05
... oder habe ich in letzter Zeit einfach nur zu viel Mist gelesen? :D

Nö, ist ein alter Gedanke, über den ich auch öfters nachdenke.
Das Gute gibts nicht ohne das Böse.

Es gibt auch kein politisches Links ohne ein politisches Rechts.
usw.

Unschlagbarer
04.02.2010, 10:19
Man muss sich den Menschen genauer betrachten, will man ihm und damit der Gesellschaft "auf die Schliche" kommen.

Tschuikow schreibt richtig, dass es "das Gute" nicht ohne "das Böse" gibt. Zunächst ist der Mensch ein Naturwesen, entstanden im Kampf ums Dasein, gewonnen hat der homo sapiens, alle anderen Menschenarten sind ausgestorben, weil sie letztlich unterlegen waren. Bsp. Neandertaler, aber auch andere. Übrig geblieben sind noch ein paar aus einer Seitenlinie, nämlich die Menschenaffen. Auch die werden es im Kampf Mensch gegen Menschenaffe nicht mehr lange machen.

Das Verhalten ist daraus erklärbar. Es siegt "der Stärkere", vor allem ist der hoch entwickelte menschliche Geist, seine Fähigkeit zum Denken, Sprechen und im Austauschen von Informationen "dran schuld".

Der "bessere Mensch", den der Kommunismus wollte, ist nur eine Variante des christlichen Menschen, den die Religion wollte. Geschafft haben es beide nicht, die Natur des Menschen setzt sich immer durch. Gegen seine Triebe kann man nichts tun.

Die Angelegenheit philosophisch zu betrachten, macht zwar Spaß, führt aber kaum zum richtigen Ergebnis. Die Philosophie hat sich - wie ihre Verwandte, die Religion - allzuoft schon geirrt. Beide können letztlich keine Antworten geben. Betrachte es aus der Sicht der Natur, der Evolution in der Natur, dann kommst du vielleicht eher zu richtigen Schlüssen.

_

Lichtblau
04.02.2010, 10:29
Gegen seine Triebe kann man nichts tun.

Doch, wir fallen nicht sexuell über die nächst beste Frau her.

Wenn man z.B. Kühe beobachtet, springen die Männchen einfach hintendrauf.

derRevisor
04.02.2010, 10:32
Doch, wir fallen nicht sexuell über die nächst beste Frau her.

Wenn man z.B. Kühe beobachtet, springen die Männchen einfach hintendrauf.

Das liegt daran, dass unsere Paarungsrituale leider etwas komplizierter und für den Mann deutlich teurer und aufwendiger sind.

Einen prinzipiellen Unterscheid sehe ich aber nicht.

Lichtblau
04.02.2010, 10:38
Das liegt daran, dass unsere Paarungsrituale leider etwas komplizierter und für den Mann deutlich teurer und aufwendiger sind.

Einen prinzipiellen Unterscheid sehe ich aber nicht.

Richtig. Trotzdem kann man seine Triebe kontrollieren.

derRevisor
04.02.2010, 10:39
Richtig. Trotzdem kann man seine Triebe kontrollieren.

Du könntest Dich zu Tode hungern oder einfach aufhören zu atmen?

Lichtblau
04.02.2010, 10:42
Du könntest Dich zu Tode hungern oder einfach aufhören zu atmen?

Auch das geht mit Willenskraft. Es gibt genug Hungerstreikende die sich zu Tode gehungert haben.

Leila
04.02.2010, 11:23
Wäre ich Laila Ali (http://de.wikipedia.org/wiki/Laila_Ali), dann würde ich mich mit Nachdruck für das Faustrecht einsetzen.

Gryphus
04.02.2010, 12:21
Liebe ist nur ein Trick der Evolution.

Es gibt Liebe zu vielen Dingen, man muss das nicht unbedingt romantisch sehen.

Gryphus
04.02.2010, 12:26
Nö, ist ein alter Gedanke, über den ich auch öfters nachdenke.
Das Gute gibts nicht ohne das Böse.

Es gibt auch kein politisches Links ohne ein politisches Rechts.
usw.

Das Prinzip ist beispielsweise für die Chinesen nichts neues, Ying und Yang sind ein uraltes Konzept. Aber auch in bestimmten Kreisen Europas ist man schon zum Schluß gekommen, dass Stahl und Blut den besten Menschen schmieden - auch wenn das nicht ganz so tiefsinnig ist.

Aber das Prinzip lässt eben verstehen, dass es keine Idealgesellschaft gibt, sondern wir uns de facto nur im Kreis drehen. Würde man das ändern wollen, müsste man anfangen Weltkriege und Hungersnöte als Goldenes Zeitalter zu sehen - das ist aber nur schwer vorstellbar.

Unschlagbarer
04.02.2010, 13:29
Doch, wir fallen nicht sexuell über die nächst beste Frau her.
Wenn man z.B. Kühe beobachtet, springen die Männchen einfach hintendrauf.Aber eigentlich täten wirs schon wollen, du etwa nicht? Wir haben nur gelernt, bzw. die Gesellschaft zwingt uns, es nicht zu tun, jedenfalls nicht öffentlich und nicht ohne das Einverständnis der "Kühe".

_

Lichtblau
04.02.2010, 14:19
Aber eigentlich täten wirs schon wollen, du etwa nicht? Wir haben nur gelernt, bzw. die Gesellschaft zwingt uns, es nicht zu tun, jedenfalls nicht öffentlich und nicht ohne das Einverständnis der "Kühe".

_

Ja, na klar. Wer will das nicht?

Deswegen unterscheidet Freud die Persönlichkeit in Es (Trieb), Ich und Über-Ich (Erziehung).

Das Ich lebt im Spannungsfeld zwischen dem Es und dem Über-Ich.

Der eine Mensch, neigt mehr dem Es zu (Triebtäter), der andere dem Über-Ich (Fakir).

Unschlagbarer
04.02.2010, 17:41
Richtig. Trotzdem kann man seine Triebe kontrollieren.Dann sag das mal z.B. einem Triebtäter.

_

Lichtblau
04.02.2010, 18:20
Dann sag das mal z.B. einem Triebtäter.

_

Der ist ja auch gestört, deswegen gibts da eine eigenständige Bezeichnung für.

Unschlagbarer
04.02.2010, 18:24
Der ist ja auch gestört, deswegen gibts da eine eigenständige Bezeichnung für.Ja schon, man sagt das so, nur stimmt es eben nicht durchgängig, dass man seine Triebe kontrollieren könne.

Bin ich dann auch "gestört", wenn ich in Abständen auf Sex dringe?

_

Lichtblau
04.02.2010, 20:15
Bin ich dann auch "gestört", wenn ich in Abständen auf Sex dringe?

_

Dein Trieb sagt dann: "ich will", dein Über-ich sagt: "du darfst"

Wolf
04.02.2010, 23:49
Es gibt Liebe zu vielen Dingen, man muss das nicht unbedingt romantisch sehen.

Liebe zu was? Zu Tönen? Zu materiellen Dingen? Das ist keine Liebe sondern sinnfreies Geschwafel von irgendwelchen Postphilosophen.

Gryphus
05.02.2010, 13:29
Liebe zu was? Zu Tönen? Zu materiellen Dingen? Das ist keine Liebe sondern sinnfreies Geschwafel von irgendwelchen Postphilosophen.

Vaterland, Volk, Natur, Gott usw.

Wolf
05.02.2010, 17:31
Vaterland, Volk, Natur, Gott usw.

Alles nur vom Menschen geschaffene Dinge. Alles nur Psychologie. Selbst die "Natur". Ein sehr schwammiger Begriff.

Gryphus
05.02.2010, 17:37
Alles nur vom Menschen geschaffene Dinge. Alles nur Psychologie. Selbst die "Natur". Ein sehr schwammiger Begriff.

Nun, Liebe ist auch nur Psychologie. Rein evolutionär würde schon viel weniger genügen ... :D

Unschlagbarer
05.02.2010, 18:10
Alles nur vom Menschen geschaffene Dinge. Alles nur Psychologie. Selbst die "Natur". Ein sehr schwammiger Begriff.Kommt drauf an, was man unter Natur versteht. Wenn man Natur einerseits als Gegensatz zum Übernatürlichen (als Gegenstand religiösen Glaubens) und andererseits zur Kultur (als Inbegriff des vom Menschen Geschaffenen) (MEYERS) betrachtet, ist nichts von Schwammigkeit mehr übrig.

_

Klopperhorst
05.02.2010, 21:29
Alles nur vom Menschen geschaffene Dinge. Alles nur Psychologie. Selbst die "Natur". Ein sehr schwammiger Begriff.

Als Mensch interessiert mich vornehmlich die Befriedigung meiner Bedürfnisse. Diese Reduzierung ist zwar marxistisch und universalistisch, aber wahr.

Man muss atmen, essen, trinken, furzen und scheissen, um zu leben.


---

Odin
05.02.2010, 21:55
Erst gestern Abend habe ich eine hilflose Seele errettet und mit neuem Sinn erfüllt. Der verzweifelt Suchende hat mich gefunden und weiß nun auch fest um die großartige Wiedergeburt unseres herrlichen Reiches.

Wolf
06.02.2010, 03:59
Als Mensch interessiert mich vornehmlich die Befriedigung meiner Bedürfnisse. Diese Reduzierung ist zwar marxistisch und universalistisch, aber wahr.

Man muss atmen, essen, trinken, furzen und scheissen, um zu leben.


---

Richtig. Da stimme ich dir zu. Aber all diese Bedürfnisse sind durch den Menschen geschaffen. Sie basieren auf der mensch. Psychologie. Sie haben nichts mit dem realen Kosmos zu tun. Und das muss der Mensch lernen. Vorallem, dass der Mensch das Ende der Nahrungskette ist.

Klopperhorst
10.02.2010, 21:23
Diese Dialektik ist eine zutiefst pessimistische aber richtige Weltsicht.

Sie bedeutet nämlich, dass es kein Glück ohne Unglück gibt, da Glück sich nur im Gegensatz zum Unglück zeigen kann.

Jeder Mensch bedarf eines Unglücks, um glücklich zu sein. Ebenso ist nach langer Abwesenheit von Unglück, das Glück nicht mehr spürbar. Sättigung und Langeweile treten notwendig an seine Stelle.

---

Humer
12.02.2010, 13:39
Diese Dialektik ist eine zutiefst pessimistische aber richtige Weltsicht.

Sie bedeutet nämlich, dass es kein Glück ohne Unglück gibt, da Glück sich nur im Gegensatz zum Unglück zeigen kann.

Jeder Mensch bedarf eines Unglücks, um glücklich zu sein. Ebenso ist nach langer Abwesenheit von Unglück, das Glück nicht mehr spürbar. Sättigung und Langeweile treten notwendig an seine Stelle.

---

Das stimmt. Blöd ist nur, dass das Unglück von ganz alleine kommt und das Glück eine flüchtige Fee ist. Es erübrigt sich also, Gedanken daran zu verschwenden, Unglück würde zur Mangelware und deshalb das Glück ebenso. Deshalb bin ich sehr skeptisch, wenn das hohe Lied auf die schlechten Zeiten gesungen wird. Auf menschliche Irrtümer und allgemeine Unzulänglichkeit ist Verlass.

Ein Dichter (Goethe ??)sagte: Nichts ist für einen Menschen so schwer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen "- oder so ähnlich.

Unschlagbarer
13.02.2010, 13:00
Ich habe mir in letzter Zeit verstärkt Gedanken über die menschliche Psychologie gemacht und über die Prägung des Menschen zu dem was er einmal wird.Neigung zum Hellsehn?

Sach mal, hast du auch was Vernünftiges gelernt?

_