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Vollständige Version anzeigen : Rainer M. Rilke - Gedichtesammlung



Apotheos
03.02.2010, 00:32
Diesen Thread widme ich Rilke.

Die erste Duineser Elegie


Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel
Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme
einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem
stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts
als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen,
und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,
uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich.
Und so verhalt ich mich denn und verschlucke den Lockruf
dunkelen Schluchzens. Ach, wen vermögen
wir denn zu brauchen? Engel nicht, Menschen nicht,
und die findigen Tiere merken es schon,
daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind
in der gedeuteten Welt. Es bleibt uns vielleicht
irgend ein Baum an dem Abhang, daß wir ihn täglich
wiedersähen; es bleibt uns die Straße von gestern
und das verzogene Treusein einer Gewohnheit,
der es bei uns gefiel, und so blieb sie und ging nicht.
O und die Nacht, die Nacht, wenn der Wind voller Weltraum
uns am Angesicht zehrt -, wem bliebe sie nicht, die ersehnte,
sanft enttäuschende, welche dem einzelnen Herzen
mühsam bevorsteht. Ist sie den Liebenden leichter?
Ach, sie verdecken sich nur mit einander ihr Los.
Weißt du's noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere
zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht daß die Vögel
die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug.


Ja, die Frühlinge brauchten dich wohl. Es muteten manche
Sterne dir zu, daß du sie spürtest. Es hob
sich eine Woge heran im Vergangenen, oder
da du vorüberkamst am geöffneten Fenster,
gab eine Geige sich hin. Das alles war Auftrag.
Aber bewältigtest du's? Warst du nicht immer
noch von Erwartung zerstreut, als kündigte alles
eine Geliebte dir an? (Wo willst du sie bergen,
da doch die großen fremden Gedanken bei dir
aus und ein gehn und öfters bleiben bei Nacht.)
Sehnt es dich aber, so singe die Liebenden; lange
noch nicht unsterblich genug ist ihr berühmtes Gefühl.
Jene, du neidest sie fast, Verlassenen, die du
so viel liebender fandst als die Gestillten. Beginn
immer von neuem die nie zu erreichende Preisung;
denk: es erhält sich der Held, selbst der Untergang war ihm
nur ein Vorwand, zu sein: seine letzte Geburt.
Aber die Liebenden nimmt die erschöpfte Natur
in sich zurück, als wären nicht zweimal die Kräfte,
dieses zu leisten. Hast du der Gaspara Stampa
denn genügend gedacht, daß irgend ein Mädchen,
dem der Geliebte entging, am gesteigerten Beispiel
dieser Liebenden fühlt: daß ich würde wie sie?
Sollen nicht endlich uns diese ältesten Schmerzen
fruchtbarer werden? Ist es nicht Zeit, daß wir liebend
uns vom Geliebten befrein und es bebend bestehn:
wie der Pfeil die Sehne besteht, um gesammelt im Absprung
mehr zu sein als er selbst. Denn Bleiben ist nirgends.


Stimmen, Stimmen. Höre, mein Herz, wie sonst nur
Heilige hörten: daß sie der riesige Ruf
aufhob vom Boden; sie aber knieten,
Unmögliche, weiter und achtetens nicht:
So waren sie hörend. Nicht, daß du Gottes ertrügest
die Stimme, bei weitem. Aber das Wehende höre,
die ununterbrochene Nachricht, die aus Stille sich bildet.
Es rauscht jetzt von jenen jungen Toten zu dir.
Wo immer du eintratst, redete nicht in Kirchen
zu Rom und Neapel ruhig ihr Schicksal dich an?
Oder es trug eine Inschrift sich erhaben dir auf,
wie neulich die Tafel in Santa Maria Formosa.
Was sie mir wollen? leise soll ich des Unrechts
Anschein abtun, der ihrer Geister
reine Bewegung manchmal ein wenig behindert.


Freilich ist es seltsam, die Erde nicht mehr zu bewohnen,
kaum erlernte Gebräuche nicht mehr zu üben,
Rosen, und andern eigens versprechenden Dingen
nicht die Bedeutung menschlicher Zukunft zu geben;
das, was man war in unendlich ängstlichen Händen,
nicht mehr zu sein, und selbst den eigenen Namen
wegzulassen wie ein zerbrochenes Spielzeug.
Seltsam, die Wünsche nicht weiter zu wünschen. Seltsam,
alles, was sich bezog, so lose im Raume
flattern zu sehen. Und das Totsein ist mühsam
und voller Nachholn, daß man allmählich ein wenig
Ewigkeit spürt. - Aber Lebendige machen
alle den Fehler, daß sie zu stark unterscheiden.
Engel (sagt man) wüßten oft nicht, ob sie unter
Lebenden gehn oder Toten. Die ewige Strömung
reißt durch beide Bereiche alle Alter
immer mit sich und übertönt sie in beiden.


Schließlich brauchen sie uns nicht mehr, die Früheentrückten,
man entwöhnt sich des Irdischen sanft, wie man den Brüsten
milde der Mutter entwächst. Aber wir, die so große
Geheimnisse brauchen, denen aus Trauer so oft
seliger Fortschritt entspringt -: könnten wir sein ohne sie?
Ist die Sage umsonst, daß einst in der Klage um Linos
wagende erste Musik dürre Erstarrung durchdrang;
daß erst im erschrockenen Raum, dem ein beinah göttlicher Jüngling
plötzlich für immer enttrat, das Leere in jene
Schwingung geriet, die uns jetzt hinreißt und tröstet und hilft.



Aus: Duineser Elegien

http://www.reproarte.com/files/images/B/brullow_karl/0158-0107_untergang_von_pompeji.jpg
[ Karl Brullow - Untergang von Pompeji ]

carpe diem
03.02.2010, 00:52
Erst mal Danke für diesen Thread


Mein Leben ist

Mein Leben ist nicht diese steile Stunde,
darin du mich so eilen siehst.
Ich bin ein Baum vor meinem Hintergrunde,
ich bin nur einer meiner vielen Munde
und jener, welcher sich am frühsten schließt.

Ich bin die Ruhe zwischen zweien Tönen,
die sich nur schlecht aneinander gewöhnen:
denn der Ton Tod will sich erhöhn -

Aber im dunklen Intervall versöhnen
sich beide zitternd.
Und das Lied bleibt schön.



Rainer Maria Rilke, 24.9.1899, Berlin-Schmargendorf

Apotheos
03.02.2010, 19:31
Vor lauter Lauschen und Staunen sei still,
du mein tieftiefes Leben;
dass du weisst, was der Wind dir will,
eh noch die Birken beben.

Und wenn dir einmal das Schweigen sprach,
lass deine Sinne besiegen.
Jedem Hauche gieb dich, gieb nach,
er wird dich lieben und wiegen.

Und dann meine Seele sei weit, sei weit,
dass dir das Leben gelinge,
breite dich wie ein Federkleid
über die sinnenden Dinge.


Aus: Frühe Gedichte

Apotheos
03.02.2010, 19:39
Weißt du, ich will mich schleichen
leise aus lautem Kreis,
wenn ich erst die bleichen
Sterne über den Eichen
blühen weiß.

Wege will ich erkiesen,
die selten wer betritt
in blassen Abendwiesen?
und keinen Traum, als diesen:
Du gehst mit.


Aus: Advent, 1898

carpe diem
03.02.2010, 21:32
Rainer Maria Rilke

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie



http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/8b/Rilke%2C_1900.jpg/180px-Rilke%2C_1900.jpg (http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Rilke,_1900.jpg) http://bits.wikimedia.org/skins-1.5/common/images/magnify-clip.png (http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Rilke,_1900.jpg)
Rainer Maria Rilke, Foto, um 1900





Rainer Maria Rilke (* 4. Dezember (http://de.wikipedia.org/wiki/4._Dezember) 1875 (http://de.wikipedia.org/wiki/1875) in Prag (http://de.wikipedia.org/wiki/Prag); † 29. Dezember (http://de.wikipedia.org/wiki/29._Dezember) 1926 (http://de.wikipedia.org/wiki/1926) im Sanatorium (http://de.wikipedia.org/wiki/Sanatorium) Valmont bei Montreux (http://de.wikipedia.org/wiki/Montreux), Schweiz (http://de.wikipedia.org/wiki/Schweiz); eigentlich René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke) war einer der bedeutendsten Lyriker (http://de.wikipedia.org/wiki/Lyriker) deutscher Sprache (http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Sprache). Daneben verfasste er Erzählungen, einen Roman und Aufsätze zu Kunst und Kultur sowie zahlreiche Übersetzungen von Literatur und Lyrik unter anderem aus der französischen Sprache (http://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sische_Sprache). Sein umfangreicher Briefwechsel bildet einen wichtigen Bestandteil seines literarischen Schaffens.


http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.r/r667820.htm


Der Panther


Im Jardin des Plantes, Paris
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt. </SPAN>
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.
(aus: Neue Gedichte, 1907)

Leila
04.02.2010, 12:47
Erst mal Danke für diesen Thread […]

Deinem Dank wollte ich mich anschließen, um ihn zu verdoppeln; doch dann kam mir die Frage, was solche Stränge überhaupt bezwecken sollen? Mich daran erinnern, die Bücherregale abzustauben? – Je älter ich werde, um so schwerer fällt mir das Abstauben, um so leichter aber entdecke ich in Rilkes Gedichten sprachliche Schnitzer. Es ist Dörrobstzeit.

Gruß von Leila

carpe diem
04.02.2010, 16:18
Deinem Dank wollte ich mich anschließen, um ihn zu verdoppeln; doch dann kam mir die Frage, was solche Stränge überhaupt bezwecken sollen? Mich daran erinnern, die Bücherregale abzustauben? – Je älter ich werde, um so schwerer fällt mir das Abstauben, um so leichter aber entdecke ich in Rilkes Gedichten sprachliche Schnitzer. Es ist Dörrobstzeit.

Gruß von Leila

Das mit den Schnitzern stimmt, ich übersehe sie großzügig, die Leitgedanken sind es aber, die zählen.
Man erinnert sich durch solche Threads wieder an Dichter und schafft sich ein schönes Gefühl mit dem Lesen.
Mir zumindest geht es so.

Leila
04.02.2010, 16:27
Das mit den Schnitzern stimmt, ich übersehe sie großzügig, die Leitgedanken sind es aber, die zählen.
Man erinnert sich durch solche Threads wieder an Dichter und schafft sich ein schönes Gefühl mit dem Lesen.
Mir zumindest geht es so.

Wenn Du nicht in meinem Alter bist, dann bist Du altklug. Ich halte Dich aber für älter und klüger als mich.

Gruß von Leila

Maxvorstadt
04.02.2010, 16:49
Wenn Du nicht in meinem Alter bist, dann bist Du altklug. Ich halte Dich aber für älter und klüger als mich.

Gruß von Leila

Carpe diem ist nicht dumm. Das sollte schon aufgefallen sein. Manchmal etwas seltsam, aber wer ist das nicht. :)):))

carpe diem
04.02.2010, 17:20
Wenn Du nicht in meinem Alter bist, dann bist Du altklug. Ich halte Dich aber für älter und klüger als mich.

Gruß von Leila

Für manche bin ich alt, für manche bin ich jung, das sollte aber in einem Rilkethread keine Rolle spielen.
Ich brauche nicht allzuviel abzustauben, meine Bibliothek ist großteils hinter Glas.

carpe diem
04.02.2010, 17:24
Carpe diem ist nicht dumm. Das sollte schon aufgefallen sein. Manchmal etwas seltsam, aber wer ist das nicht. :)):))

Lieber Dr. Max, schau mal!


http://www.moviereporter.net/posters/0000/2669/DrSeltsam_Poster.jpg

Leila
04.02.2010, 17:28
Carpe diem ist nicht dumm. Das sollte schon aufgefallen sein. Manchmal etwas seltsam, aber wer ist das nicht. :)):))

Zu keiner Zeit und mit keiner Zeile bezichtigte ich Carpe diem der Dummheit.


Für manche bin ich alt, für manche bin ich jung, das sollte aber in einem Rilkethread keine Rolle spielen.

Warum nicht? Sage ich den Namen „John F. Kennedy“ – was fällt Dir dazu ein? Wohl etwas anderes als einer, die heute als Backfisch in den trüben Gewässern der Geschichte schwimmt.

Gruß von Leila

carpe diem
04.02.2010, 17:35
Zu keiner Zeit und mit keiner Zeile bezichtigte ich Carpe diem der Dummheit.



Warum nicht? Sage ich den Namen „John F. Kennedy“ – was fällt Dir dazu ein? Wohl etwas anderes als einer, die heute als Backfisch in den trüben Gewässern der Geschichte schwimmt.

Gruß von Leila

Das Wort Backfisch kenne ich sogar nicht mehr, ich war ein Teenager!

Leila
04.02.2010, 17:40
Das Wort Backfisch kenne ich sogar nicht mehr, ich war ein Teenager!

Dann bin ich vielleicht die Ältere von uns beiden.

Gruß von Leila

Leila
04.02.2010, 18:46
Ein Großteil der Werke Rilkes wurde im Verlauf des „Projekts Gutenberg“ (http://gutenberg.spiegel.de/?id=19&autor=Rilke,%20%20Rainer%20Maria&autor_vorname=%20Rainer%20Maria&autor_nachname=Rilke) zu erbaulichen Lektüre erfaßt (und ebenso bei anderer Gelegenheit an andern Orten); doch leider, wie alles andere, was dort zu lesen steht, ohne Quellenangabe. Wer was wann aus welcher Werksausgabe abschrieb, wurde geflissentlich verschleiert.

Zu was ein Strang wie dieser hier dienen könnte? dies frage ich mich. Warum sollte ich nicht einen Strang zu Ehren Eduard Mörikes (http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_M%C3%B6rike) eröffnen und einige seiner Gedichte anführen? Wer oder was würde mich daran hindern? Und falls es hier nur ums abermalige zusammenhanglose Veröffentlichen von beliebigen Texten geht, dann könnte ich doch die ersten Seiten des Telephonbuchs des Kantons Basel-Stadt zitieren …

Apotheos
04.02.2010, 23:35
Zu was ein Strang wie dieser hier dienen könnte? dies frage ich mich. Warum sollte ich nicht einen Strang zu Ehren Eduard Mörikes (http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_M%C3%B6rike) eröffnen und einige seiner Gedichte anführen? Wer oder was würde mich daran hindern? Und falls es hier nur ums abermalige zusammenhanglose Veröffentlichen von beliebigen Texten geht, dann könnte ich doch die ersten Seiten des Telephonbuchs des Kantons Basel-Stadt zitieren …

Das könntest du tun. Schließlich hindert - im grunde - uns auch niemand, uns in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen. Deshalb glaube ich auch nicht, dass du die ersten Seiten des besagten Telephonbuchs zitieren wirst, ich glaube auch nicht, dass jemand daran gefallen finden könnte; auch glaube ich, dass Rilke mehr hergibt. Er ist einer meiner Lieblingsdichter und darum habe ich einen Thread eröffnet. Sicher, in einem Politikforum spielt das keine große Rolle, aber wie viele unredliche Threads spielen hier überhaupt eine Rolle, außer ein Pfurz in der Unendlichkeit zu sein, der in seiner Anmaßung auch noch davon ausgeht, man könnte ihn wertschätzen? Da eröffne ich lieber einen unbedeutenden Rilkethread.

Leila
05.02.2010, 01:01
[…] Deshalb glaube ich auch nicht, dass […] ich glaube auch nicht, dass […] auch glaube ich, dass […]

Höre, Apotheos, was ich Dir sage: Ich glaube nichts; ich weiß aber, daß Du der Klügsten einer hier bist. Du führtest Gedichte Rilkes an. Ich hätte sie lesen sollen und danach schweigen. Das wäre das Beste gewesen.

Gruß von Leila

Apotheos
05.02.2010, 17:55
Höre, Apotheos, was ich Dir sage: Ich glaube nichts; ich weiß aber, daß Du der Klügsten einer hier bist. Du führtest Gedichte Rilkes an. Ich hätte sie lesen sollen und danach schweigen. Das wäre das Beste gewesen.

Gruß von Leila

Man, ich glaube wirklich viel. :)

Nein, egal. Keine Sache meine Liebe ;)

Nur sollte es jetzt wieder um Rilke gehen.

Liebe Grüße

Esteban
05.02.2010, 18:38
Im Jardin des Plantes, Paris
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt. </SPAN>
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.
(aus: Neue Gedichte, 1907)

Ja, der Panther
Wohl das beste Gedicht

carpe diem
05.02.2010, 21:41
Der Panther ist genauso beobachtet, wie es ist.
Wenn die Raubtiere in kleinen Käfigen die Köpfe hin-und her bewegen , stundenlang aus Verzweiflung.
Es ist herzzerreißend.
Dass Rilke, das auch so empfunden hat, zeugt davon welch gefühlvoller Mensch er war.

Apotheos
06.02.2010, 13:58
Ja, der Panther
Wohl das beste Gedicht

Eines der einfachsten-besten Gedichte.
Aber meiner Meinung nach nicht das Beste.
Für die Schule sehr nützlich im Deutschunterricht.
Aber Rilke hat noch viel, viel mehr zu bieten. :]

Apotheos
06.02.2010, 14:03
Meine Stube und diese Weite,
wach über nachbetendem Land, -
ist Eines. Ich bin eine Saite,
über rauschende breite
Resonanzen gespannt.

Die Dinge sind Geigenleiber,
von murrendem Dunkel voll;
drin träumt das Weinen der Weiber,
drin rührt sich im Schlafe der Groll
ganzer Geschlechter.....

Ich soll
silbern erzittern: dann wird
Alles unter mir leben,
und was in den Dingen irrt,
wird nach dem Lichte streben,
das von meinem tanzenden Tone,
um welchen der Himmel wellt,
durch schmale, schmachtende Spalten
in die alten
Abgründe ohne
Ende fällt...

Aus: Das Buch der Bilder

Octopus
07.02.2010, 23:26
Deinem Dank wollte ich mich anschließen, um ihn zu verdoppeln; doch dann kam mir die Frage, was solche Stränge überhaupt bezwecken sollen? Mich daran erinnern, die Bücherregale abzustauben? – Je älter ich werde, um so schwerer fällt mir das Abstauben, um so leichter aber entdecke ich in Rilkes Gedichten sprachliche Schnitzer. Es ist Dörrobstzeit.

Gruß von Leila

Liebe Peel !

das mag ja alles richtig sein.
doch die stimmungsbilder, die tiefe ausdrucksstärke, die faszination die dieses genie mit seiner lyrik erzeugte entschädigt für alles.

mir ist und war der inhalt immer wichtiger als die verpackung.
was nützt eine perfekte sprachgestaltung wenn sie einen "seelisch" völlig unberührt lässt ??
und beides perfekt zu beherrschen ist wohl nur ganz wenigen menschen eigen.

Octopus
07.02.2010, 23:39
ich danke dem stranghersteller !

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke

und wenn ein meister den anderen rezitiert klingt dies so:

http://www.youtube.com/watch?v=DWk5ZP4xrvQ&feature=related

Octopus
07.02.2010, 23:42
Rainer Maria Rilke

Die Dinge singen hör ich so gern
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott.
Sie wissen alles, was wird und war,
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt gerade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.



meiner bescheidenen meinung nach eines der ausdruckstärksten gedichte von rilke, welches mich immer wieder ergreift.

und wenn ein meister den anderen rezitiert klingt das so:

http://www.youtube.com/watch?v=fdP9FnrCGVs

Octopus
07.02.2010, 23:49
Rainer Maria Rilke

In tiefen Nächten grab ich dich, du Schatz.
Denn alle Überflüsse, die ich sah,
sind Armut und armsäliger Ersatz
für deine Schönheit, die noch nie geschah.

Aber der Weg zu dir ist furchtbar weit
und, weil ihn lange keiner ging, verweht.
O du bist einsam. Du bist Einsamkeit,
du Herz, das zu entfernten Talen geht.

Und meine Hände, welche blutig sind
vom Graben, heb ich offen in den Wind,
so dass sie sich verzweigen wie ein Baum.
Ich sauge dich mit ihnen aus dem Raum

als hättest du dich einmal dort zerschellt
in einer ungeduldigen Gebärde,
und fielest jetzt, eine zerstäubte Welt,
aus fernen Sternen wieder auf die Erde
sanft wie ein Frühlingsregen fällt.

P.S.
poesie und lyrik in höchster vollendung hat einen namen:
rainer maria rilke

carpe diem
08.02.2010, 00:09
@octopus

danke für die Rezitation des großen Oskar Werner

Octopus
08.02.2010, 03:16
@octopus

danke für die Rezitation des großen Oskar Werner

Bitte, gerne geschehen, war er doch ein Ausnahmekünstler !
Ich kenne im deutschsprachigen raum keinen besseren Schauspieler den ich bisher selbst erleben durfte.