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Vollständige Version anzeigen : Heinrich Heine der Revolutionär



Apotheos
09.01.2010, 15:05
Da ich selbst ein Heineverehrer bin, möchte ich euch folgenden Artikel nicht vorenthalten. Wie könnte man das Werk eines Dichters oder jedes anderen schaffenden Künstlers verstehen, wenn man nicht auch sein Leben, seine Lebensphilosphie, begreift? Der folgende Text zeigt Heinrich Heines Lebensphilosphie auf, er zeigt auf, dass er nicht nur ein Dichter war, sondern mehr als das: Ein Revolutionär.

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Anlässlich seines hundertfünfzigsten Todestages wurde im Verlauf des Jahres 2006 Heinrich Heine als großer Dichter der deutschen Romantik gefeiert. Heine: Ist das nicht der Schöpfer des Loreleyliedes, das so volkstümlich klingt, dass auch die Nationalsozialisten nicht darauf verzichten wollten? Die Romantik: War das nicht eine Flucht vor der Realität in die Vergangenheit, in die Religion bzw. in die Welt der Märchen und Mythen? Und wenn ja, was hat eine revolutionäre marxistische Zeitschrift von heute mit Heine zu schaffen?Ja, Heine schrieb das Loreleylied. Die Nazis sangen es. Sie setzten darunter: Autor unbekannt.

Ja, Heine war der große Dichter der deutschen Romantik. Ja, die Stimmung dieser Zeit war reaktionär und rückwärtsgewandt. Das Mittelalter, der Adel und die katholische Kirche wurden verherrlicht. Am Rhein und anderswo wurden Burgruinen wiederaufgebaut und brachliegende gotische Kathedralen wie in Köln vollendet. Alte Mythen und Volksmärchen wurden wiederentdeckt. Aber Heine war ein Revolutionär. Er war es zum Teil in der Politik. Er war es in seiner Kunst ganz und gar. So sehr, dass das revolutionäre Proletariat Heine einiges zu verdanken hat, und von ihm heute noch viel lernen kann. Wie passt das zusammen?

Heine und die französische Revolution

Es ist kein Fehler, die Romantik, zumal in Deutschland, als feudale Reaktion auf die große bürgerliche Revolution in Frankreich und auf die von England ausgehende industrielle Revolution zu betrachten. Die Romanik blühte besonders auf, nachdem die revolutionären Armeen Napoleons durch eine mit englischem Geld ausgestattete europaweite adlige Koalition niedergerungen wurden. Aber nicht nur die feudale Welt war erschrocken angesichts des Einbruchs der kapitalistischen Moderne. Viele der aufrichtigsten mitfühlenden Menschen und tiefsten Denker der Epoche waren besorgt und empört – nicht wegen des wirtschaftlichen Fortschritts, sondern angesichts der sich abzeichnenden Verrohung der Gesellschaft. Sie waren nicht gegen die französische Revolution, sondern enttäuscht über deren Ergebnisse. So kam es, dass viele der damaligen Künstler, obschon durch den vorherrschenden Zeitgeist mitgeprägt, eine revolutionäre Seite der romantischen Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus zu entwickeln begannen. Wie kaum ein anderer Dichter dieser Zeit verkörperte Heine diese revolutionäre Seite der Romantik.

In Düsseldorf geboren, war er ein typischer Vertreter des damaligen Rheinlandes. Hier lag der Teil Deutschlands, wo die Leibeigenschaft und das ganze mittelalterliche Gerümpel am radikalsten durch die französische Revolution abgeschafft und entsorgt wurden. So sehr, dass der deutsche Adel auch dann nicht wagte, sie wiedereinzuführen, als das Rheinland nach der Niederlage Napoleons an Preußen fiel. Das hatte zur Folge, dass Heine sein Leben lang ein erbitterter Feind des Feudalismus und ein glühender Verehrer Napoleons blieb. Aufgrund dessen wurde er in Deutschland unerbittlich verfolgt und ins Exil vertrieben. Die Reaktion verbot nicht nur seine sämtlichen Werke, sondern vorauseilend auch alle, die er künftig noch schreiben würde! Heine war als Jude besonders empfänglich für die Auswirkungen der französischen Revolution im Rheinland. Denn es war die Revolution, welche die Gleichstellung der Juden mit sich brachte, während die feudale Reaktion nach der Niederlage Napoleons alles tat, um diese Fortschritte wieder rückgängig bzw. sozial unwirksam zu machen.

Das Erlebnis der Einführung des gesellschaftlichen Fortschritts aus dem Ausland machte aus Heine einen Internationalisten. So soll er als Erster den Begriff der Weltrevolution geprägt haben. Wie andere Geistesgrößen Deutschlands vor ihm auch, wurde er durch die französische Revolution ebenso wie durch das Studium der Geistesgeschichte des Auslandes gelehrt, dass der gesellschaftliche Fortschritt grenzübergreifend ist. So trat er an gegen die „schäbige, plumpe, ungewaschene Opposition gegen eine Gesinnung, die eben das Herrlichste und Heiligste ist, was Deutschland hervorgebracht hat, nämlich gegen jene Humanität, gegen jene allgemeine Menschenverbrüderung, gegen jenen Kosmopolitismus, dem unsere großen Geister, Lessing, Herder, Schiller, Goethe, Jean Paul, dem alle Gebildeten in Deutschland immer gehuldigt haben.“1

Heine hatte verstanden, dass der Fortschritt der Menschheit zum bedeutenden Teil von der Fähigkeit abhängen würde, eine höhere Synthese der besten Errungenschaften der Kulturen aller Völker zu erstellen. Er selbst – der als politischer Flüchtling in Paris Zuflucht fand - sah eine seiner wichtigsten Lebensaufgaben darin, an einer solchen Synthese des Denkens und Schöpfens zwischen Deutschland und Frankreich mitzuarbeiten. Diese Leistung Heines machte ihn nicht nur damals bei den herrschenden Klassen in Deutschland in zweifacher Hinsicht besonders verhasst. Zum einem, weil Frankreich während eines weiteren Jahrhunderts Erzfeind der deutschen Bourgeoisie bleiben sollte (heute fällt es natürlich einfacher, Heine zu „ehren“, da die deutsche Bourgeoisie ein Bündnis sucht). Zum anderen, weil er damit einen Faden aufnahm, der zum Marxismus führte. Wie beispielsweise Lenin in einem am Vorabend des Ersten Weltkrieges geschriebenen Artikel später darlegte, waren die wichtigsten vorproletarischen „Quellen“ des Marxismus auch schon international. „Die Geschichte der Philosophie und die Geschichte der Sozialwissenschaft zeigen mit aller Deutlichkeit, dass der Marxismus nichts enthält, was einem ‚Sektierertum‘ im Sinne irgendeiner abgekapselten, verknöcherten Lehre ähnlich wäre, die abseits von der Heerstraße der Entwicklung der Weltzivilisation entstanden ist. Im Gegenteil: Die ganze Genialität Marx´ besteht darin, dass er auf die Fragen Antwort gegeben hat, die das fortgeschrittene Denken der Menschheit bereits gestellt hatte. Seine Lehre entstand als direkte und unmittelbare Fortsetzung der Lehren der größten Vertreter der Philosophie, der politischen Ökonomie und des Sozialismus“.2

Heine, die Volkskunst und die moderne Zerrissenheit

Auch Heines Interesse an den Märchen und Sagen der Völker entsprang keineswegs dem Wunsch, die Geschichte aufzuhalten oder gar zurückzudrehen. Vielmehr ließ er sich von diesen Quellen inspirieren, um einen neuen, damals unerhört lyrischen Rhythmus und eine neue Sprache zu entwickeln. Heine war als großer Dichter nicht nur ungemein sensibel gegenüber den geistigen Strömungen seiner Zeit. Als philosophisch gebildeter, an der Dialektik Hegels geschulter Künstler wusste er sehr genau, in welcher geschichtlichen Epoche er lebte. So erkannte er, wie die bürgerliche Epoche immer mehr die Künstler von der Gesellschaft isoliert und wie die Kunst für das Volk immer unverständlicher wird. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist einerseits die Entstehung einer kapitalistischen Massenkultur als Ausdruck der Barbarei und der Verdummung der Arbeiterklasse. Andererseits werden die Kunst und die Kultur wie selbstverständlich nur noch als das Produkt von Spezialisten betrachtet, an dem die arbeitende Bevölkerung keinen Anteil mehr hat.

Es wäre falsch, die Beschäftigung mit der Volkskunst in der Zeit der Romantik ausschließlich als Ausdruck einer reaktionären Nostalgie zu betrachten. Wie später Tolstoi oder der englische Marxist William Morris war Heine davon überzeugt, dass zum schöpferischen Erbe der Menschheit nicht nur die Werke der großen Baumeister, Maler oder Schriftsteller gehörten, sondern ebenfalls das Volkslied, das populäre Märchen und die Sagen oder etwa die Fachwerkhäuser und Schnitzereien der mittelalterlichen Handwerker. Das Zeitalter der Romantik war eine der letzten Epochen, wo die bedeutendsten Künstler sich noch von der lebendigen Kunst der arbeitenden Bevölkerung inspirieren lassen konnten. So haben die Gebrüder Grimm die Volksmärchen Deutschlands für die Menschheit aufgeschrieben und gerettet; Beethoven, Dvorak und Liszt die Melodien, Tänze und Rhythmen der Volksmusik aufgegriffen und weiterentwickelt usw.

Tatsächlich schöpft das ganze Werk Heines von dieser Tradition. Nicht nur seine Gedichte und Erzählungen, selbst die philosophischen, geschichtlichen und kunsthistorischen Stücke haben etwas Ursprüngliches, Überraschendes und auch Märchenhaftes an sich. Wir haben bereits gesehen, wie die „traditionelle“ Bourgeoisie, auch wenn sie neuerdings vorgibt, Heine zu huldigen, sie allein schon wegen seines Internationalismus unüberwindliche Probleme mit Heines Werk hat. Dies gilt nicht minder für die stalinistische Bourgeoisie, auch wenn diese als angebliche Marxisten – wohl wissend, dass Marx Heine und seine Dichtung liebte – diesen Dichter immer offiziell „gefeiert“ hat. Jedoch passte Heine nie zum offiziellen Kanon des Stalinismus, demzufolge nur die „realistische“ Kunst auch „progressiv“ ist. Der „Materialismus“ der Stalinisten ist artverwandt mit dem bürgerlichen Materialismus Englands nach Bacon, von dem Engels und Marx in der Heiligen Familie“ schreiben „Die Sinnlichkeit verliert ihre Blume“ und „Der Materialismus wird menschenfeindlich.“ 3

Da das Wesen des Stalinismus aus einer Lebenslüge bestand, den nationalen, staatlich totalitären Kapitalismus als Sozialismus auszugeben, kann er unmöglich der fantastische, aber wahrheitsgetreue Realismus Heines begreifen. Dieser Realismus bohrte tiefer, als der bürgerliche Vulgärmaterialismus jemals zu bohren gewagt hätte. Heine war einer der Ersten, der die psychologischen Wahrheiten des Unterbewusstseins an der Oberfläche beförderte. Dabei schöpfte er von der Weisheit der alten Erzählungen. Damit schlug er einen Weg bei der Erforschung der menschlichen Psyche ein, der nach ihm von den großen realistischen Schriftstellern wie George Eliot in England, Dostojewski und Tolstoi in Russland, aber auch der „dekadente“ Kafka weiter geführt wurde. Und Freud erkannte in Heine einer der Wegbereiter der Psychoanalyse. Somit war Heine nicht nur Dichter der Romantik, sondern zugleich deren Überwinder. Bekannt sind die vielen Stellen, wo er die romantische Pose ironisiert, z.B.:


„Das Fräulein stand am Meere

Und seufzte lang und bang,

Es rührte so sehre

Der Sonnenuntergang.

Mein Fräulein! Sein Sie munter,

Das ist ein altes Stück;

Hier vorne geht sie unter

Und kehrt von hinten zurück.“

Heine setzte aber die lyrische Romantik ebenso wie seinen schneidenden Humor vor allem als eine Waffe ein, um uns zu entwaffnen, wenn er uns unerwartet mit der Wahrheit überfällt. Heine war einer dieser in der bisherige Geschichte seltenen Geister, welche möglichst ohne Illusionen leben wollen. Bereits vor Marx bewies Heine Mut zur historischen Wahrheit. Beispielhaft, wie er das tragische Schicksal Münzers schildert, der während der Reformation die irdische Gleichheit der Menschen zu einem Zeitpunkt einforderte, wo sie noch nicht realisierbar war. „Ein solcher Vorschlag war freilich damals noch unzeitgemäß, und Meister Himmling, der dir dein Kopf abschlug, armer Thomas Münzer, er war in gewisser Hinsicht wohl berechtigt zu solchem Verfahren: denn er hatte das Schwert in Händen, und sein Arm war stark!“ 4

Heine fühlte nicht nur in sich die wachsende Zerrissenheit und das Leiden des Künstlers in der bürgerliche Gesellschaft – er erkannte es auch analytisch.„Ach, teuerer Leser, wenn du über jene Zerrissenheit klagen willst, so klage lieber, dass die Welt selbst mitten entzweigerissen ist. Denn da das Herz des Dichters der Mittelpunkt der Welt ist, so musste es wohl in jetziger Zeit jämmerlich zerrissen werden. Wer von seinem Herzen rühmt, es sei ganz geblieben, der gesteht nur, dass er ein prosaisches, weitabgelegenes Winkelherz hat.“5

Dieser Zerrissenheit macht den Künstler oft unberechenbar und schwer verständlich. Während die aufkeimende marxistische Arbeiterbewegung dann auch im Umgang mit Heine Schwierigkeiten hatte – Wilhelm Liebknecht und sogar der junge Engels hielten anfangs nicht viel von Heine, bis Marx sie vom Gegenteil überzeugte –, verstand Marx dieses Problem sehr gut. Später sollte die Marx-Tochter Eleanor in der „Neuen Zeit“ dazu schreiben: „Marx war ein großer Verehrer Heines. Er liebte den Dichter ebenso sehr wie seine Werke und urteilte auf das Nachsichtigste über seine politischen Schwächen. Dichter, erklärte er, seien sonderbare Käuze, die man ihrer Wege wandeln lassen müsse. Man dürfte sie nicht mit dem Maßstab gewöhnlicher...Menschen messen.“

Heine und die künftige Gesellschaft

Eine von Heines bedeutendsten Leistungen war sein Beitrag zur Klärung der Natur einer künftigen sozialistischen Gesellschaft.

Nicht, dass Heine ein Marxist gewesen wäre. Er gehörte eigentlich noch der Generation vor Marx an, welche, enttäuscht durch die Ergebnisse und Schrecknisse der französischen bürgerlichen Revolution, sich vom Klassenkampf abwendete. Er war glühender Anhänger des utopischen Sozialismus von Saint-Simon. Die Überwindung der Klassengesellschaft erhoffte er sich von einem aufgeklärten Philanthropen, einem guten König oder einem der Rothschilds, nicht durch einer Massenerhebung. Die letzten Jahren seines Lebens, von der Welt weitgehend abgeschnitten, die Qualen einer furchtbaren Erkrankung in seiner „Matratzengruft“ erleidend, gelang es ihm trotz seiner tiefen Freundschaft zu Marx nicht mehr, die moderne Arbeiterbewegung und den wissenschaftlichen Sozialismus zu begreifen.

Den Auftritt der Massen in der Geschichte – die er selbst eher in der Gestalt des antisemitischen Mob kennengelernt hatte – fürchtete er eigentlich eher, als dass er ihn herbeisehnte. Dennoch antwortete er auf die reale Bewegung des Proletariats, wenn es in Erscheinung trat. So gegenüber dem Aufstand der Weber in Schlesien 1844.


Die schlesischen Weber

Im düstern Auge keine Träne,

Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:

Deutschland, wir weben dein Leichentuch,

Wir weben hinein den dreifachen Fluch –

Wir weben, wir weben!


Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten

In Winterskälte und Hungernöten;

Wir haben vergebens gehofft und geharrt,

Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt

Wir weben, wir weben!


Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,

Den unser Elend nicht konnte erweichen,

Der den letzten Groschen von uns erpresst

Und uns wie Hunde erschießen lässt –

Wir weben, wir weben!


Ein Fluch dem falschen Vaterlande,

Wo nur gedeihen Schmach und Schande,

Wo jede Blume früh geknickt,

Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt –

Wir weben, wir weben!


Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,

Wir weben emsig Tag und Nacht –

Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,

Wir weben hinein den dreifachen Fluch,

Wir weben, wir weben!

Was das Ziel der klassenlose Gesellschaft betrifft, war der Sozialismus vor Marx im Wesentlichen ein utopischer Sozialismus. Als solches bildete das Christentum eine wesentliche Quelle des vormarxistischen Sozialismus. Dieser Sozialismus verstand noch nicht, dass erst der Kapitalismus durch die gewaltige Entwicklung der Produktivkräfte die Voraussetzungen für eine klassenlose Gesellschaft geschaffen hat. Der vormarxistische Sozialismus eines Babeufs oder Weitlings war somit im Wesentlichen kaum weniger sinnenfeindlich als die damaligen christlichen Sekten. Dieser konnte sich eine klassenlose Gesellschaft nur in der Form einer klosterartigen Nivellierung der Armut vorstellen, wo Kunst und Schönheit, Spiel und Freude, Liebe und Genuss als „bürgerlicher Luxus“ kaum noch Platz haben sollten – kurzum, eine Gesellschaft, welche die Proletarisierung und die Leiden des Proletariats idealisiert, anstatt sie zu überwinden.

Man möchte meinen, dass die damalige Auseinandersetzungen um diese Frage heute höchstens noch von geschichtlichen Interessen wären. Wenn nicht der Umstand wäre, dass heutzutage wieder dieses Bild des Sozialismus vorherrschend geworden ist – nicht mehr als Ideal, sondern als abschreckendes Beispiel! Mit dem Unterschied, dass heute dieser bürgerliche Kloster- oder genauer: Kasernensozialismus nicht mehr wie damals Ausdruck der Unreife der Bewegung ist, sondern das Ergebnis einer von Stalinismus geprägten Konterrevolution. Infolgedessen erscheint uns der Beitrag Heines in dieser Frage aktueller den je!

Heine setzte sich für eine Welt ein, wo Mensch und Natur, wo Wissenschaft und Kunst, das Geistige und das Sinnliche in Harmonie leben, wo die Beziehungen der Individuen zur eigenen inneren Welt und zur Außenwelt zu einer wirklichen Einheit zusammengefügt werden. So schrieb er in sein Gedicht „Deutschland: Ein Wintermärchen“:

„Ein neues Lied, ein besseres Lied,

O Freunde, will ich euch dichten!

Wir wollen hier auf Erden schon

Das Himmelreich errichten.


Wir wollen auf Erden glücklich sein

Und wollen nicht mehr darben;

Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,

Was fleißige Hände erwarben.


Es wächst hienieden Brot genug

Für alle Menschenkinder,

Auch Rosen und Myrthen, Schönheit und Lust,

Und Zuckererbsen nicht minder.


Ja, Zuckererbsen für jedermann,

sobald die Schoten platzen!

Den Himmel überlassen

Den Engeln und den Spatzen.


Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,

So wollen wir euch besuchen

Dort oben, und wir, wir essen mit euch

Die seligsten Torten und Kuchen.“

Mit feinem Gespür und einer an Hegel erprobten, den Marxismus vorwegnehmenden historischen Methode erkannte Heine, dass die Religion einen Teil ihrer Anziehungskraft aus der imaginäre Erfüllung einer Art von Sozialismus schöpft, aber gerade darum ein Fessel des historischen Fortschritts geworden ist. „Die bisherige spiritualistische Religion war heilsam und notwendig, solange der größte Teil der Menschheit in Elend lebte und sich mit der himmlischen Religion vertrösten musste. Seit aber durch die Fortschritte der Industrie und der Ökonomie es möglich geworden, die Menschen aus ihrem materiellen Elend herauszuziehen und auf Erden zu beseligen, seitdem – Sie verstehen mich. Und die Leute werden uns schon verstehen, wenn wir ihnen sagen, dass sie in der Folge alle Tage Rindfleisch statt Kartoffeln essen sollen, und weniger arbeiten und mehr tanzen werden.“ Für Heine erforderte die Kritik des asketischen Sozialismus somit die Kritik des Christentums. „Unsere Nachkommen werden schauern, wenn sie einst lesen, welch ein gespenstisches Dasein wir geführt, wie der Mensch in uns gespalten war und nur die eine Hälfte ein eigentliches Leben geführt. Unsere Zeit – und sie beginnt am Kreuze Christi – wird als eine große Krankheitsperiode der Menschheit betrachtet werden.“ 6 Heine führt diese Spaltung auf die Sinnenfeindlichkeit des Christentums zurück. „Hatten aber die Juden den Leib nur mit Geringschätzung betrachtet, so sind die Christen auf dieser Bahn noch weiter gegangen und betrachteten ihn als etwas verwerfliches, als etwas schlechtes, als das Übel selbst.“7 Ganz ähnlich wiesen in ihrer Schrift „Heilige Familie“ Marx und Engels darauf hin, wie die Strafe der Blendung einst diesen Wesenszug des Christentums, „die Trennung des Menschen von der sinnlichen Außenwelt“, 8 zum Ausdruck brachte.

Der Marxismus, der auch andere, tiefere Ursachen dieser Spaltung aufdeckt, wie etwa den Gegensatz zwischen Kopf- und Handarbeit, bestätigt dennoch diesen ausgeprägten Charakter des Christentums. „Indem also das Christentum das allgemein verbreitete Gefühl, dass die Menschen am allgemeinen Verderben selbst schuld seien, als Sündenbewusstsein jedes Einzelnen zum klaren Ausdruck brachte (...) bewährte es wieder seine Fähigkeit, Weltreligion zu werden.“ 9 Heine spürt auch den Zusammenhang zwischen dem aufkommenden Geist-Körper-Zwist und der Entfremdung gegenüber der Natur auf. „Die Nachtigall sogar wurde

verleumdet, und man schlug ein Kreuz, wenn sie sang. Der wahre Christ spazierte mit ängstlich verschlossenen Sinnen, wie ein abstraktes Gespenst, in der blühenden Natur umher.“ Somit werden die Konturen der künftigen Revolution klarer. Er forderte „das Wohlsein der Materie, das materielle Glück der Völker, nicht weil wir gleich den Materialisten den Geist missachten, sondern weil wir wissen, dass die Göttlichkeit des Menschen sich auch in seiner leiblichen Erscheinung kundgibt..“ 10 Auch das Verhältnis zur Natur müsse von Grund auf umgewandelt werden.

„In dem heutigen Deutschland haben sich die Umstände geändert, und die Partei der Blumen und der Nachtigallen ist eng verbunden mit der Revolution.“ (Ebenda).Oder wie Friedrich Engels trefflich formulierte:„Und so werden wir auf Schritt und Tritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern dass wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und dass unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können. (...)Je mehr dies aber geschieht, desto mehr werden sich die Menschen wieder als Eins mit der Natur nicht nur fühlen, sondern auch wissen, und je unmöglicher wird jene widersinnige und widernatürliche Vorstellung von einem Gegensatz zwischen Geist und Materie, Mensch und Natur, Seele und Leib, wie sie seit dem Verfall des klassischen Altertums in Europa aufgekommen und im Christentum ihre höchste Ausbildung erhalten hat.“11

Heine und der Kommunismus

Der Dichter Heine fürchtete sich vor dem Kommunismus als Massenbewegung, weil er sie sich nicht anders vorstellen konnte als die Aufstände der marodierende Bauern und Handwerker der Reformationszeit, die die Kunstwerke zerschlugen. Dafür wurde er in einem Artikel in „Der Spiegel“ vom ehemaligen DDR-Dissidenten Wolf Biermann als Kronzeuge gegen den Kommunismus angeführt. So lohnt es sich, auf das Vorwort zur französischen Ausgabe der „Lutetia“ zu verweisen, welche Heine kurz vor seinen Tod in 1856 schrieb, worin er die „zwei Sätze“ aufführt, welche den Sieg des Kommunismus in seinen Augen rechtfertigen. Der erste Satz lautet, dass alle Menschen das Recht haben zu essen. „Werde sie zertrümmert, diese alte Welt, wo die Unschuld umkam, die Selbstsucht gedieh, wo der Mensch ausgehungert wurde durch den Menschen! Mögen sie von Grund bis zum Gipfel zerstört werden, diese übertünchten Gräber, in denen die Lüge und die Ungerechtigkeit hausten.“Der zweite Satz ist der Internationalismus. „Aus Hass gegen die Partisanen des Nationalismus könnte ich die Kommunisten fast lieben. Wenigstens sind es keine Heuchler, die nur das Christentum und die Religion auf den Lippen führen; die Kommunisten haben zwar keine Religion (kein Mensch ist vollkommen), die Kommunisten sind selbst Atheisten (was gewiss eine große Sünde ist), aber als Hauptdogma bekennen sie den absolutesten Kosmopolitismus, eine allgemeine Liebe für alle Völker, eine brüderliche Gütergemeinschaft zwischen allen Menschen, freien Bürgern dieses Erdballs.“


Elemer. Oktober 2006.

Artikelseite (http://de.internationalism.org/heine_06)

1 Heine: Die romantische Schule. Erstes Buch. Zitiert aus der Sammlung: Heinrich Heine: Beiträge zur deutschen Ideologie, S. 134.

2 Lenin: Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus. Werke Bd. 19. S. 3.

3 MEW Band 2, S. 136. Heilige Familie (Kritische Schlacht gegen den französische Materialismus).

4 Heine: Ludwig Börne. Zweites Buch. Ebenda S. 293.

5 Heine: Reisebilder Lucca. Werke in 10 Bänden, Bd 3, S. 286.

6 Heine: Aus dem Memoiren des Herren von Schnabelewopski (Reclam S. 56/57).

7 Heine: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland. Ebenda S. 51.

8 Marx-Engels-Werke Bd. 2, S. 189.

9 Engels: Bruno Bauer und das Urchristentum. MEW Bd. 19. S. 305.

10 Ebenda. Wo Heine hier „Materialisten“ schreibt, würden wir „mechanistische-„ oder „Vulgärmaterialisten“ schreiben.

11 Engels: Dialektik der Natur. MEW Bd. 20. S. 453.

carpe diem
09.01.2010, 16:49
Heine ist mein Lieblingsdichter.
Ich befinde mich da in guter Gesellschaft mit der Kaiserin Elisabeth von Österreich.

carpe diem
09.01.2010, 17:38
Wie sie in ihren Gedichten zum Ausdruck brachte, fühlte sich Elisabeth wie eine Möwe, die ohne festes Zuhause
herumfliegen muß. Ihre Interessen beschränkten sich auf das Griechische, und ihre Dichtung, bei der sie sich von ihrem „Meister" Heine inspiriert fühlte. Immer wieder verwies sie darauf, daß sie ihre
Inspirationen direkt von seinem Geist bekäme; einmal sei ihr der „Meister" sogar höchstpersönlich erschienen.
Von Elisabeths Gedichten wußten nur wenige Vertraute. Ihre Verehrung Heinrich Heines war jedoch allgemein bekannt. Elisabeth kannte lange Passagen Heines auswendig und beschäftigte sich intensiv mit
dem Leben ihres „Meisters". Sie sammelte Heine-Manuskripte und Porträts. Sie besuchte Heines alte Schwester Charlotte von Embden in Hamburg und betete an Heines Grab in Paris.

http://www.wienerzeitung.at/Desktopdefault.aspx?tabID=3946&alias=Wzo&lexikon=Denkm%C3%A4ler&letter=D&cob=7173

Wenn man Elisabeths Gedichte liest könnten durchaus einige von Heine sein.
Heine als Revolutionär bemerkenswert.
Auch Elisabeth war eine Revolutionärin, ihrer Zeit weit voraus, da haben sich verwandte Seelen getroffen.

carpe diem
10.01.2010, 14:04
Heinrich Heine

Gedichte

Ein Fichtenbaum steht einsam

Ein Fichtenbaum steht einsam
Im Norden auf kahler Höh.
Ihn schläfert; mit weißer Decke
Umhüllen ihn Eis und Schnee.


Er träumt von einer Palme,
Die, fern im Morgenland,
Einsam und schweigend trauert
Auf brennender Felsenwand.

carpe diem
10.01.2010, 14:08
Heinrich Heine

Gedichte

Caput II

Während die Kleine von Himmelslust
Getrillert und musizieret,
Ward von den preußischen Douaniers
Mein Koffer visitieret.

Beschnüffelten Alles, kramten herum
In Hemden, Hosen, Schnupftüchern;
Sie suchten nach Spitzen, nach Bijouterien,
Auch nach verbotenen Büchern.

Ihr toten, die Ihr im Koffer sucht!
Hier werdet Ihr nichts entdecken!
Die Contrebande, die mit mir reist,
Die hab ich im Kopfe stecken.

Hier hab ich die Spitzen, die feiner sind,
Als die von Brüssel und Mecheln,
Und pack ich einst meine Spitzen aus,
Sie werden Euch sticheln und hecheln.

Im Kopfe trage ich Bijouterien,
Der Zukunft Krondiamanten,
Die Tempelkleinodien des neuen Gotts,
Des großen Unbekannten.

Und viele Bücher trag ich im Kopf!
Ich darf es Euch versichern,
Mein Kopf ist ein zwitscherndes Vogelnest
Von konfiszierten Büchern.

Glaubt mir, in Satans Bibliothek
Kann es nicht schlimmere geben;
Sie sind gefährlicher noch als die
Von Hoffman von Fallersleben! -

Ein Passagier, der neben mir stand,
Bemerkte mir, ich hätte
Jetzt vor mir den preußischen Zollverein,
Die große Douanenkette.

»Der Zollverein« - bemerkte er -
»Wird unser Volkstum begründen,
Er wird das zersplitterte Vaterland
Zu einem Ganzen verbinden.

Er gibt die äußere Einheit uns,
Die sogenannt materielle;
Die geistige Einheit gibt uns die Zensur,
Die wahrhaft ideelle -

Sie gibt die innere Einheit uns,
Die Einheit im Denken und Sinnen;
Ein einiges Deutschland tut uns not,
Einig nach Außen und Innen.«

carpe diem
11.01.2010, 01:04
Heinrich Heine


Doctrin.


5 Schlage die Trommel und fürchte dich nicht,
Und küsse die Marketenderin!
Das ist die ganze Wissenschaft,
Das ist der Bücher tiefster Sinn.

Trommle die Leute aus dem Schlaf, 10 Trommle Reveille mit Jugendkraft,
Marschire trommelnd immer voran,
Das ist die ganze Wissenschaft.

Das ist die Hegel'sche Philosophie,
Das ist der Bücher tiefster Sinn! Ich hab' sie begriffen, weil ich gescheidt,
Und weil ich ein guter Tambour bin.

carpe diem
11.01.2010, 01:13
Gedicht:

Heinrich Heine (http://lyrik.antikoerperchen.de/autoren.html#index_43) – Erinnerung aus Krähwinkels Schreckenstagen (http://lyrik.antikoerperchen.de/werke.html#index_51)


Text

Erinnerung aus Krähwinkels Schreckenstagen (http://lyrik.antikoerperchen.de/werke.html#index_51) (1854)

Autor

: Heinrich Heine (http://amazon.de/gp/product/3486886827?ie=UTF8&tag=antikoelyrikd-21&link_code=em1&camp=2510&creative=11134&creativeASIN=3486886827&adid=b57a1551-7c46-4449-9d92-39b4189463eb)
Epoche

: Vormärz / Biedermeier

01
Wir Bürgermeister und Senat,02
Wir haben folgendes Mandat03
Stadtväterlichst an alle Klassen04
Der treuen Bürgerschaft erlassen.
05
Ausländer, Fremde, sind es meist,06
Die unter uns gesät den Geist07
Der Rebellion. Dergleichen Sünder,08
Gottlob! sind selten Landeskinder.
09
Auch Gottesleugner sind es meist;10
Wer sich von seinem Gotte reißt,11
Wird endlich auch abtrünnig werden12
Von seinen irdischen Behörden.
13
Der Obrigkeit gehorchen, ist14
Die erste Pflicht für Jud und Christ.15
Es schließe jeder seine Bude16
Sobald es dunkelt, Christ und Jude.
17
Wo ihrer drei beisammen stehn,18
Da soll man auseinander gehn.19
Des Nachts soll niemand auf den Gassen20
Sich ohne Leuchte sehen lassen.
21
Es liefre seine Waffen aus22
Ein jeder in dem Gildenhaus;23
Auch Munition von jeder Sorte24
Wird deponiert am selben Orte.
25
Wer auf der Straße räsoniert,26
Wird unverzüglich füsiliert;27
Das Räsonieren durch Gebärden28
Soll gleichfalls hart bestrafet werden.
29
Vertrauet Eurem Magistrat,30
Der fromm und liebend schützt den Staat31
Durch huldreich hochwohlweises Walten;
Euch ziemt es, stets das Maul zu halten.

http://lyrik.antikoerperchen.de/heinrich-heine-erinnerung-aus-kraehwinkels-schreckenstagen,textbearbeitung,59.html (http://Euch ziemt es, stets das Maul zu halten.</p><p> </p><p>http://lyrik.antikoerperchen.de/heinrich-heine-erinnerung-aus-kraehwinkels-schreckenstagen,textbearbeitung,59.html)

iglaubnix+2fel
11.01.2010, 05:08
Heine ist mein Lieblingsdichter.
Ich befinde mich da in guter Gesellschaft mit der Kaiserin Elisabeth von Österreich.

Soso, gute Gesellschaft?

Heine? Lächerlich!

DAS IST DICHTKUNST:




Kleiner Versuch Todesorgel

Man könnte auch sagen
Schluck auf Schluck ist nicht Schluck auf Schluck
Schluck ist für sich, Schluck ist für sich


Man könnte auch sagen
Antwort auf Frage ist nicht Antwort auf Frage
Antwort ist für sich, Frage ist für sich


Man könnte auch sagen
Leben zum Tod ist nicht Leben zum Tod
Leben ist für sich, Tod ist für sich


Man könnte auch sagen
Man könnte auch sagen, ist nicht man könnte auch sagen
Man könnte ist für sich, auch sagen ist für sich


Schluck auf Schluck
Antwort auf Frage
Leben zum Tod
Man könnte auch sagen


Robert Schindel , welch ein Zeitgenosse!






Nasenbohren macht frei?


Man kann zurecht sagen
A...loch, ist A....loch
auch wenn es eh-schon-wissen ist
A...loch muß man sagen


Man kann zurecht sagen
Wenn das A..loch mal muß, muß es mal müssen
tagediebisch ist Müßiggang und versch....
eh-schon-wissen


© iglaubnix+2fel (2010) Schnurrkampfverlag

carpe diem
11.01.2010, 10:29
Die Wahlesel

Die Freiheit hat man satt am End',
Und die Republik der Tiere
Begehrte, dass ein einz'ger Regent
Sie absolut regiere.

Jedwede Tiergattung versammelte sich,
Wahlzettel wurden geschrieben;
Parteisucht wütete fürchterlich,
Intrigen wurden getrieben.

Das Komitee der Esel ward
Von Alt-Langohren regieret;
Sie hatten die Köpfe mit einer Kokard',
Die schwarz-rot-gold, verzieret.
Es gab eine kleine Pferdepartei,
Doch wagte sie nicht zu stimmen;
Sie hatte Angst vor dem Geschrei
Der Alt-Langohren, der grimmen.

Als einer jedoch die Kandidatur
Des Rosses empfahl, mit Zeter
Ein Alt-Langohr in die Rede ihm fuhr,
Und schrie: »Du bist ein Verräter!
Du bist ein Verräter, es fließt in dir
Kein Tropfen vom Eselsblute;

Du bist kein Esel, ich glaube schier,
Dich warf eine welsche Stute.
Du stammst vom Zebra vielleicht, die Haut,
Sie ist gestreift zebräisch;
Auch deiner Stimme näselnder Laut
Klingt ziemlich ägyptisch-hebräisch.
Und wärst du kein Fremdling, so bist du doch nur
Verstandesesel, ein kalter;

Du kennst nicht die Tiefen der Eselsnatur,
Dir klingt nicht ihr mystischer Psalter.
Ich aber versenkte die Seele ganz
In jenes süße Gedösel;
Ich bin ein Esel, in meinem Schwanz
Ist jedes Haar ein Esel.

Ich bin kein Römling, ich bin kein Slaw';
Ein deutscher Esel bin ich,
Gleich meinen Vätern. Sie waren so brav,
So pflanzenwüchsig, so sinnig.
Sie spielten nicht mit Galanterei
Frivole Lasterspiele;

Sie trabten täglich, frisch-fromm-fröhlich-frei,
Mit ihren Säcken zur Mühle.
Die Väter sind nicht tot! Im Grab
Nur ihre Häute liegen,
Die sterblichen Hüllen. Vom Himmel herab
Schaun sie auf uns mit Vergnügen.

Verklärte Esel im Glorialicht!
Wir wollen euch immer gleichen
Und niemals von dem Pfad der Pflicht
Nur einen Fingerbreit weichen.
O welche Wonne, ein Esel zu sein!

Ein Enkel von solchen Langohren!
Ich möcht es von allen Dächern schrein:
Ich bin als ein Esel geboren.
Der große Esel, der mich erzeugt,
Er war von deutschem Stamme;

Mit deutscher Eselsmilch gesäugt
Hat mich die Mutter, die Mamme.
Ich bin ein Esel, und will getreu,
Wie meine Väter, die Alten,
An der alten, lieben Eselei,
Am Eseltume halten.

Und weil ich ein Esel, so rat ich euch,
Den Esel zum König zu wählen;
Wir stiften das große Eselreich,
Wo nur die Esel befehlen.
Wir alle sind Esel! I-A! I-A!
Wir sind keine Pferdeknechte.
Fort mit den Rossen!
Es lebe, hurra!
Der König vom Eselsgeschlechte!«
So sprach der Patriot. Im Saal
Die Esel Beifall rufen.
Sie waren alle national,
Und stampften mit den Hufen.

Sie haben des Redners Haupt geschmückt
Mit einem Eichenkranze.
Er dankte stumm, und hochbeglückt
Wedelt' er mit dem Schwanze.


Heinrich Heine

Apotheos
12.01.2010, 09:55
Bei Dichtung geht es nicht um Komplexität. Ich liebe die Einfachheit Heines, die Unbeschwerlichkeit mit der er Gefühle zu Papier brachte.

Die Heimkehr

Mein Herz, mein Herz ist traurig,
doch lustig leuchtet der Mai;
ich stehe, gelehnt an der Linde,
hoch auf der alten Bastei.

Da drunten fließt der blaue
Stadtgraben in stiller Ruh;
ein Knabe fährt im Kahne,
und angelt und pfeift dazu.

Jenseits erheben sich freundlich,
in winziger, bunter Gestalt
Lusthäuser, und Gärten, und Menschen,
und Ochsen, und Wiesen, und Wald.

Die Mägde bleichen Wäsche,
und springen im Gras herum:
das Mühlrad stäubt Diamanten,
ich höre sein fernes Gesumm.

Am alten grauen Turme
ein Schilderhäuschen steht;
ein rotgeröckter Bursche
dort auf und nieder geht.

Er spielt mit seiner Flinte,
die funkelt im Sonnenrot,
er präsentiert und schultert -
ich wollt, er schösse mich tot.

(1823)

carpe diem
12.01.2010, 12:11
Der Brief, den du geschrieben,
Er macht mich gar nicht bang;
Du willst mich nicht mehr lieben,
Aber dein Brief ist lang.
Zwölf Seiten, eng und zierlich!
Ein kleines Manuskript!
Man schreibt nicht so ausführlich,
Wenn man den Abschied gibt.
Heinrich Heine

Odin
12.01.2010, 23:17
Der hatte einen Zinken.

Rumburak
12.01.2010, 23:19
Der hatte einen Zinken.

Wir wollen doch nicht alle über einen Kamm scheren.

Apotheos
12.01.2010, 23:22
Bitte aufhören, antisemitische Äußerungen in einen eigenständigen Thread. Hier gehts um Heine und Gedichte sind erwünscht, alles andere nicht.

Odin
12.01.2010, 23:23
Wir wollen doch nicht alle über einen Kamm scheren.

Klar wollen wir das. Und gegen uns Deutsche gehetzt hat er auch, als er gemerkt hat, daß er doch nie Teil unseres großartigen Volkes sein kann.

umananda
13.01.2010, 00:19
Klar wollen wir das. Und gegen uns Deutsche gehetzt hat er auch, als er gemerkt hat, daß er doch nie Teil unseres großartigen Volkes sein kann.

Du bist kein Deutscher, sondern ein Sumpf-Germane ohne Rückgrat ....

Servus umananda

carpe diem
13.01.2010, 10:25
Ein Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit

Heine war jedoch auch ein Kämpfer für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit und für Brot für alle Hungernden.
Damals hatten die Fürsten, der Adel und die reichen Fabrikanten viel mehr Besitz und sehr viel mehr politische Rechte als das gewöhnliche Volk. Heine griff die Aristokraten deshalb in seinen Schriften scharf an, z.B. in seinen Reisebeschreibungen. Er forderte gleiches Recht für alle Menschen. Manchmal übertrieb er auch dabei und wurde verletzend und ungerecht. Er verspottete in geistvoller und ironischer Weise alles Unnatürliche und Unechte im Zusammenleben der Menschen.
Die Kirchen unterstützten zu Heines Zeit oft den Adel und die Reichen. Sie kümmerten sich nicht darum, daß in den Städten Millionen von Fabrikarbeitern große Not litten. Viele Geistliche predigten so von Gott, als wenn Gott ein Freund der Reichen wäre; was aber nicht stimmt; denn Jesus war ein Freund der Armen und nicht der Reichen.
Deshalb griff Heine auch die Kirchen an. Er kritisierte und verspottete sogar Gott, so wie die Kirchen Gott predigten: als einen Freund der Reichen.

carpe diem
13.01.2010, 10:28
Schöne Wiege meiner Leiden,
Schönes Grabmal meiner Ruh,
Schöne Stadt, wir müssen scheiden, -
Lebe wohl! ruf ich dir zu.
Lebe wohl, du heilge Schwelle,
Wo da wandelt Liebchen traut;
Lebe wohl! du heilge Stelle,
Wo ich sie zuerst geschaut.
Hätt ich dich doch nie gesehen,
Schöne Herzenskönigin!
Nimmer war es dann geschehen,
Daß ich jetzt so elend bin.
Nie wollt ich dein Herze rühren,
Liebe hab ich nie erfleht;
Nur ein stilles Leben führen
Wollt ich, wo dein Odem weht.
Doch du drängst mich selbst von hinnen,
Bittre Worte spricht dein Mund;
Wahnsinn wühlt in meinen Sinnen,
Und mein Herz ist krank und wund.
Und die Glieder matt und träge
Schlepp ich fort am Wanderstab,
Bis mein müdes Haupt ich lege
Ferne in ein kühles Grab.

carpe diem
13.01.2010, 10:33
Gespräch auf der Paderborner Heide


Hörst du nicht die fernen Töne,
Wie von Brummbaß und von Geigen?
Dorten tanzt wohl manche Schöne
Den geflügelt leichten Reigen.

»Ei, mein Freund, das nenn ich irren,
Von den Geigen hör ich keine,
Nur die Ferklein hör ich quirren,
Grunzen nur hör ich die Schweine.«

Hörst du nicht das Waldhorn blasen?
Jäger sich des Weidwerks freuen,
Fromme Lämmer seh ich grasen,
Schäfer spielen auf Schalmeien.

»Ei, mein Freund, was du vernommen,
Ist kein Waldhorn, noch Schalmeie;
Nur den Sauhirt seh ich kommen,
Heimwärts treibt er seine Säue.«

Hörst du nicht das ferne Singen,
Wie von süßen Wettgesängen?
Englein schlagen mit den Schwingen
Lauten Beifall solchen Klängen.

»Ei, was dort so hübsch geklungen,
Ist kein Wettgesang, mein Lieber!
Singend treiben Gänsejungen
Ihre Gänselein vorüber.«

Hörst du nicht die Glocken läuten,
Wunderlieblich, wunderhelle?
Fromme Kirchengänger schreiten
Andachtsvoll zur Dorfkapelle.

»Ei, mein Freund, das sind die Schellen
Von den Ochsen, von den Kühen,
Die nach ihren dunkeln Ställen
Mit gesenktem Kopfe ziehen.«

Siehst du nicht den Schleier wehen?
Siehst du nicht das leise Nicken?
Dort seh ich die Liebste stehen,
Feuchte Wehmut in den Blicken.

»Ei, mein Freund, dort seh ich nicken
Nur das Waldweib, nur die Lise;
Blaß und hager an den Krücken
Hinkt sie weiter nach der Wiese.«


Nun, mein Freund, so magst du lachen
Über des Phantasten Frage!
Wirst du auch zur Täuschung machen,
Was ich fest im Busen trage?

Knudud_Knudsen
13.01.2010, 12:44
Ein Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit

Heine war jedoch auch ein Kämpfer für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit und für Brot für alle Hungernden.


...ich schätze Heine auch sehr...er war ein Kind der Romantik,die sich aus dem Geiste der franz. Revolution speiste..allerdings war er auch,und nicht nur er,in dem was er schrieb und in dem was er lebte nicht ganz authentisch...,er war eine Lebemann von Onkels Gnaden,einem reichen Banker der ihn sein Leben lang finanzierte..Heine war meist pleite und genoss dieses Dauersponsoring..also er predigte Wasser und trank selbst Wein...ebenso wie Karl Marx...

Dennoch er ist ein ganz Besonderer...

Knud

Odin
13.01.2010, 13:44
Du bist kein Deutscher, sondern ein Sumpf-Germane ohne Rückgrat ....

Servus umananda

Ein Urteil steht dir und deiner Bande nicht zu.

Apotheos
13.01.2010, 14:05
...ich schätze Heine auch sehr...er war ein Kind der Romantik,die sich aus dem Geiste der franz. Revolution speiste..allerdings war er auch,und nicht nur er,in dem was er schrieb und in dem was er lebte nicht ganz authentisch...,er war eine Lebemann von Onkels Gnaden,einem reichen Banker der ihn sein Leben lang finanzierte..Heine war meist pleite und genoss dieses Dauersponsoring..also er predigte Wasser und trank selbst Wein...ebenso wie Karl Marx...

Dennoch er ist ein ganz Besonderer...

Knud

Weshalb darf jemand der einer wohlhabenden Familie angehört nicht Sozialist sein und wieso darf jemand der von anderen finanziert wird, kein Künstler sein? ;) Man kann reich sein und dennoch den Kapitalismus ablehnen. Du darfst übrigens nicht vergessen, dass zu Marx's Zeiten die einzigen wirklich gebildeten Menschen nunmal etwas wohlhabender waren. :) Daher konnten 'soziale Ideen' nur aus dieser Bildungsschicht kommen.

Apotheos
13.01.2010, 14:09
Ein Urteil steht dir und deiner Bande nicht zu.

Jedenfalls zähle ich dich nicht zu "meinem" Volk. :rolleyes:

Odin
13.01.2010, 14:10
Jedenfalls zähle ich dich nicht zu "meinem" Volk. :rolleyes:

Wenn du eine Nase bist, so bin ich äußerst dankbar.

marc
13.01.2010, 14:16
Meine Lieblingsgedichte von Heinrich Heine ist so gar nicht revolutionär:


Heinrich Heine - Deine weichen Lilienfinger

Deine weißen Lilienfinger
Könnt' ich sie noch einmal küssen
Und sie drücken an mein Herz,
Und vergehn im stillen Weinen!

Deine klaren Veilchenaugen
Schweben vor mir Tag und Nacht
Und mich qäult es: was bedeuten
Diese süßen, blauen Rätsel.

Apotheos
13.01.2010, 14:16
Wenn du eine Nase bist, so bin ich äußerst dankbar.

Alle aufgeklärten, vernunftorientierten und humanitärdenkendenn Menschen gehören zu meinem Volk. Das ist die einzige Bedingung. Die innere Verbundenheit aller Humanisten, wo immer sie sich befinden mögen, die keine Grenzen kennen.

Peaches
13.01.2010, 14:20
Mein süßes Lieb, wenn du im Grab,
Im dunkeln Grab wirst liegen,
Dann will ich steigen zu dir hinab,
Und will mich an dich schmiegen.

Ich küsse, umschlinge und presse dich wild,
Du Stille, du Kalte, du Bleiche!
Ich jauchze, ich zittre, ich weine mild,
Ich werde selber zur Leiche.

Die Toten stehn auf, die Mitternacht ruft,
Sie tanzen im luftigen Schwarme;
Wir beide bleiben in der Gruft,
Ich liege in deinem Arme.

Die Toten stehn auf, der Tag des Gerichts
Ruft sie zu Qual und Vergnügen;
Wir beide bekümmern uns um nichts,
Und bleiben umschlungen liegen.

Heinrich Heine


Mein Lieblingsgedicht ganz generell.

carpe diem
13.01.2010, 14:27
Weshalb darf jemand der einer wohlhabenden Familie angehört nicht Sozialist sein und wieso darf jemand der von anderen finanziert wird, kein Künstler sein? ;) Man kann reich sein und dennoch den Kapitalismus ablehnen. Du darfst übrigens nicht vergessen, dass zu Marx's Zeiten die einzigen wirklich gebildeten Menschen nunmal etwas wohlhabender waren. :) Daher konnten 'soziale Ideen' nur aus dieser Bildungsschicht kommen.


Jedenfalls, wenn man Heines Geschichte genau liest, hätte er ohne die Hilfe seines Onkels gar nicht überleben können, zumindest in den frühen Jahren.

Er wurde früh schon schwer krank, die Behandlung kostete sicher viel Geld, will ihm jemand neiden, dass er einen Onkel mit Geld hatte?.
Er führte keinen fürstlichen Haushalt.
Vieles könnten wir von ihm nicht lesen, wäre da nicht der Onkel gewesen.

carpe diem
13.01.2010, 14:43
Der tugendhafte Hund

Ein Pudel, der mit gutem Fug
Den schönen Namen Brutus trug,
War viel berühmt im ganzen Land
Ob seiner Tugend und seinem Verstand.
Er war ein Muster der Sittlichkeit,
Der Langmut und Bescheidenheit.
Man hörte ihn loben, man hörte ihn preisen
Als einen vierfüßigen Nathan den Weisen.
Er war ein wahres Hundejuwel!
So ehrlich und treu! eine schöne Seel!
Auch schenkte sein Herr in allen Stücken
Ihm volles Vertrauen, er konnte ihn schicken
Sogar zum Fleischer. Der edle Hund
Trug dann einen Hängekorb im Mund,
Worin der Metzger das schön gehackte
Rindfleisch, Schaffleisch, auch Schweinefleisch packte.
Wie lieblich und lockend das Fett gerochen,
Der Brutus berührte keinen Knochen,
Und ruhig und sicher, mit stoischer Würde,
Trug er nach Hause die kostbare Bürde.

Doch unter den Hunden wird gefunden
Auch eine Menge von Lumpenhunden
Wie unter uns, gemeine Köter,
Tagdiebe, Neidharde, Schwerenöter,
Die ohne Sinn für sittliche Freuden
Im Sinnenrausch ihr Leben vergeuden!
Verschworen hatten sich solche Racker
Gegen den Brutus, der treu und wacker,
Mit seinem Korb im Maule, nicht
Gewichen von dem Pfad der Pflicht.

Und eines Tages, als er kam
Vom Fleischer und seinen Rückweg nahm
Nach Hause, da ward er plötzlich von allen
Verschwornen Bestien überfallen;
Da ward ihm der Korb mit dem Fleisch entrissen,
Da fielen zu Boden die leckersten Bissen,
Und fraßbegierig über die Beute
Warf sich die ganze hungrige Meute.
Brutus sah anfangs dem Schauspiel zu
Mit philosophischer Seelenruh;
Doch als er sah, daß solchermaßen
Sämtliche Hunde schmausten und fraßen,
Da nahm auch er an der Mahlzeit teil
Und speiste selbst eine Schöpsenkeul.

Moral
Auch du, mein Brutus, auch du, du frißt?
So ruft wehmütig der Moralist.
Ja, böses Beispiel kann verführen;
Und, ach! gleich allen Säugetieren,
Nicht ganz und gar vollkommen ist
Der tugendhafte Hund; er frißt!

Maxvorstadt
13.01.2010, 14:56
Ein Urteil steht dir und deiner Bande nicht zu.


Hoit Dei Fotzn du Kniarbiesler.

Maxvorstadt
13.01.2010, 15:03
Heinrich Heine hat mich eigentlich nie so richtig angemacht. Schon in der Schulzeit hat er mich nicht vom Hocker gerissen. Da fand ich Rilke spannender oder überhaupt die modernen Klassiker. Heine ist nicht schlecht, aber man muß ja nicht auf alles abfahren. :]

Knudud_Knudsen
13.01.2010, 15:10
Daher konnten 'soziale Ideen' nur aus dieser Bildungsschicht kommen.

..und sie kamen aus diesem Kreis des Bürgertums....
es war keinesfalls eine Wertung und die Zeit,nach der franz. Revolution,war mehr als reif für diese Gedanken...
Mit Gier nahmen die Köpfe der Zeit,Goethe allerdings verweigerte sich,dieses Ideengut auf,auch wenn auf dem Gebiet,des heutigen Deutschland,außer ein paar Versuchen,es nicht zur kritischen Masse kam,die für Revolutionen unverzichtbar ist.

Wie alle neuen Ideen so schwappten auch hier Übertreibungen über und dem Diktat
des Adels folgte die Bevormundung der Revolution,also von einer Unfreiheit in die Andere...

Diese Gedanken führten zur deutschen Romantik,aber auch zu Napoléon Bonaparte und Krieg......,sie ermöglichten die Sozialgesetzgebung und Gründung sozialistischer Parteien, so wie der Gewerkschaften und schufen so langsam einen Lebensraum auch für die Ärmsten der Armen...

Heine hat seinen Beitrag geliefert und das Kapital hat es finanziert..ein gerechter Ausgleich seinerzeit.....

Nur Authentizität,will heißen ich bin in der Situation aus der ich schreibe,ja die fehlte bei Heine wohl,anders bei Schiller,aber das ist aus heutiger Sicht irrelevant.

Heine war ein Sohn seiner Zeit,mit brillanter Ironie,auch wenn seine Lyrik nicht so ganz mein Gusto ist..

Knud

carpe diem
13.01.2010, 15:10
Heinrich Heine hat mich eigentlich nie so richtig angemacht. Schon in der Schulzeit hat er mich nicht vom Hocker gerissen. Da fand ich Rilke spannender oder überhaupt die modernen Klassiker. Heine ist nicht schlecht, aber man muß ja nicht auf alles abfahren. :]

Bin auch kein Mann.

Romantikerinnen, wie ich fahren drauf ab.
Selbstverständlich liebe ich auch Rilke und die von dir Angedachten.
Aber bei Heine kann man so schön dahinschmelzen.

Knudud_Knudsen
13.01.2010, 15:13
Heinrich Heine hat mich eigentlich nie so richtig angemacht. Schon in der Schulzeit hat er mich nicht vom Hocker gerissen. Da fand ich Rilke spannender oder überhaupt die modernen Klassiker. Heine ist nicht schlecht, aber man muß ja nicht auf alles abfahren. :]


....Rilke ist ganz anders...und der "Panther" kann vielleicht eine Brücke zu den Gedanken der Freiheit sein..

Knud

Apotheos
13.01.2010, 15:14
Jedenfalls, wenn man Heines Geschichte genau liest, hätte er ohne die Hilfe seines Onkels gar nicht überleben können, zumindest in den frühen Jahren.

Er wurde früh schon schwer krank, die Behandlung kostete sicher viel Geld, will ihm jemand neiden, dass er einen Onkel mit Geld hatte?.
Er führte keinen fürstlichen Haushalt.
Vieles könnten wir von ihm nicht lesen, wäre da nicht der Onkel gewesen.

Klar, aber man sollte auch fragen, welcher normaldenkende Mensch überhaupt ein solches Risiko auf sich nehmen würde, freischaffender Künstler zu werden, wenn er keine Gönner hat? Das ist meiner Ansicht nach die Bedingung. Heute wäre das vielleicht stellenweise einfacher, aber früher ganz sicher nicht.

Künstler waren nunmal immer "Abfall", jene bedauernswerten Menschen, denen das Sein wichtiger ist als das Haben, die voll und ganz in ihrer Leidenschaft leben. Für manche Menschen sind Leute wie Heine Wasserprediger, die Wein trinken, aber in einer widerspruchsvollen Welt, ist niemand widerspruchslos gut, in einer Welt der Unmoral, kann man nicht einfach moralisch sein, ohne selbst sich in Widersprüche zu begeben...

Und seien wir ehrlich... Heine haben wir einiges zu verdanken, auch wenn werden. Kulturschaffende Menschen ordnen sich eben schwerlich einfach ein, in ein Profitsystem, dass kaum oder keinen Raum für diese tiefen Empfindungen lässt.

Apotheos
13.01.2010, 15:16
Das ist die Tragik des Künstlers, aber auch seine Größe. Ein Gedicht zu schreiben, dass sich nicht verwerten lässt, einfach nur ein Blatt Leidenschaft, dass vergessen wird. Und doch so tief und reich an Lebendigkeit.

Peaches
13.01.2010, 15:18
Heinrich Heine hat mich eigentlich nie so richtig angemacht. Schon in der Schulzeit hat er mich nicht vom Hocker gerissen. Da fand ich Rilke spannender oder überhaupt die modernen Klassiker. Heine ist nicht schlecht, aber man muß ja nicht auf alles abfahren. :]

Rilke hat ein paar schöne Zeilen geschrieben, aber es fehlt mir bei ihm die Leidenschaft.
Mir war immer so beim Lesen als würde er über etwas schreiben, das er nicht wirklich kennt.
Geschmäcker sind eben verschieden.


Außerdem hat mich eine meiner Religionslehrerinnen mit Rilke gequält. Eine schmallippige, verbiesterte Protestantin für die Rilke der Ausbund an Lebensfreude war.
*schauder*
Das kann einem die Lektüre gehörig versalzen.

Apotheos
13.01.2010, 15:18
Heinrich Heine hat mich eigentlich nie so richtig angemacht. Schon in der Schulzeit hat er mich nicht vom Hocker gerissen. Da fand ich Rilke spannender oder überhaupt die modernen Klassiker. Heine ist nicht schlecht, aber man muß ja nicht auf alles abfahren. :]

Dem stimme ich insofern zu, dass Rilke desöfteren Gedichte geschrieben hat, die ich als durchaus "genial" einstufen würde. Bei Heine ist es eher die Genialität der Einfachheit. Je mehr Freude ein Mensch an den kleinen Dingen erkennt, desto größer empfindet er Heine.

carpe diem
13.01.2010, 15:23
Irgendwie lese ich aus der Biographie, dass Deutschland schon damals extrem judenfeindlich war.
Also nicht allein eine hitlerische Erfindung?

Ich habe Heines Grab in Paris besucht.
Da steht man dann und denkt an einen Großen Deutschen Dichter.

Peaches
13.01.2010, 15:25
Irgendwie lese ich aus der Biographie, dass Deutschland schon damals extrem judenfeindlich war.
Also nicht allein eine hitlerische Erfindung?

Ghettos sind älter als Hitler.
Den Antisemitismus hat Hitler nicht erfunden, aber perfektioniert.

Apotheos
13.01.2010, 15:32
Irgendwie lese ich aus der Biographie, dass Deutschland schon damals extrem judenfeindlich war.
Also nicht allein eine hitlerische Erfindung?

Ich habe Heines Grab in Paris besucht.
Da steht man dann und denkt an einen Großen Deutschen.

Er war mehr als ein "Deutscher" - wie aus dem Eingangstext hervorgeht - arbeitete er zeitlebens an einer Vermittlung zwischen Deutschland und Frankreich ( im Vorwort zu Wintermärchen bezeichnet er beide Länder als Länder des "Humanismus" ) Meiner Ansicht nach war Heine ein internationalistischer Patriot und er liebte Deutschland - jedenfalls mehr als ein Hassnazi es je vermag. Dieser humanistische Internationalismus... das ist zumindest mein Nationalismus. Der Glaube an die Fähigkeit des Menschen zum Guten.

Ich glaube sogar, dass viele Juden darum internationalistisch waren, weil die Judenfeindlichkeit dazu führte, dass sie sich nach einer "Harmonisierung" mit ihrer Umwelt sehnten, nach einer Heimat, die sie akzeptiert, in der sie voll integriert sind. Vor kurzem lernte ich eine türkische Deutsche kennen, die inzwischen sehr gut integriert ist, fließend Deutsch spricht, aber kaum Freunde hat, sie wird in der Schule ( Gymnasium ) sogar nicht sonderlich akzeptiert. Sie ist Kommunistin. Ich glaube der Schritt zum "Sozialisten" wird dadurch bedeutlich erleichtert, dass man Grund zu einer solchen Sehnsucht hat, wenn man in gewisser Weise eine "bedrängte Kreatur" ist, dann wagt man den Schritt, dann geht man das Risiko ein, soetweas wie ein Kommunist zu sein.

Apotheos
13.01.2010, 15:37
Rilke hat ein paar schöne Zeilen geschrieben, aber es fehlt mir bei ihm die Leidenschaft.
Mir war immer so beim Lesen als würde er über etwas schreiben, das er nicht wirklich kennt.
Geschmäcker sind eben verschieden.


Außerdem hat mich eine meiner Religionslehrerinnen mit Rilke gequält. Eine schmallippige, verbiesterte Protestantin für die Rilke der Ausbund an Lebensfreude war.
*schauder*
Das kann einem die Lektüre gehörig versalzen.

Das sind die schlimmsten. Die glauben der Text wäre das Wesentliche.

carpe diem
13.01.2010, 15:39
Er war mehr als ein "Deutscher" - wie aus dem Eingangstext hervorgeht - arbeitete er zeitlebens an einer Vermittlung zwischen Deutschland und Frankreich ( im Vorwort zu Wintermärchen bezeichnet er beide Länder als Länder des "Humanismus" ) Meiner Ansicht nach war Heine ein internationalistischer Patriot und er liebte Deutschland - jedenfalls mehr als ein Hassnazi es je vermag. Dieser humanistische Internationalismus... das ist zumindest mein Nationalismus. Der Glaube an die Fähigkeit des Menschen zum Guten.

Ich glaube sogar, dass viele Juden darum internationalistisch waren, weil die Judenfeindlichkeit dazu führte, dass sie sich nach einer "Harmonisierung" mit ihrer Umwelt sehnten, nach einer Heimat, die sie akzeptiert, in der sie voll integriert sind. Vor kurzem lernte ich eine türkische Deutsche kennen, die inzwischen sehr gut integriert ist, fließend Deutsch spricht, aber kaum Freunde hat, sie wird in der Schule ( Gymnasium ) sogar nicht sonderlich akzeptiert. Sie ist Kommunistin. Ich glaube der Schritt zum "Sozialisten" wird dadurch bedeutlich erleichtert, dass man Grund zu einer solchen Sehnsucht hat, wenn man in gewisser Weise eine "bedrängte Kreatur" ist, dann wagt man den Schritt, dann geht man das Risiko ein, soetweas wie ein Kommunist zu sein.

Das ist ein überaus gescheites Posting-recht schönen Dank.

Maxvorstadt
13.01.2010, 15:49
....Rilke ist ganz anders...und der "Panther" kann vielleicht eine Brücke zu den Gedanken der Freiheit sein..

Knud

Rilke ist weiträumiger und er ist präziser. Ich habe es nun einmal mit Chirurgie. Aber ich will ihn nicht übermäßig schlechtmachen, denn das hat er nun auch wieder nicht verdient.

Knudud_Knudsen
13.01.2010, 16:00
..................das hat er nun auch wieder nicht verdient.

...sie sind beide grundverschieden so wie ein Chirurg und ein Maler.........
Ich bin auch kein großer Freund heinscher Lyrik,aber auch er hat seine Anhänger,,dafür sind seine anderen Arbeiten beeindruckend und wichtig im Kontext der Zeit...und darüber hinaus...es ist immer eine Frage der Sicht .....und Menschen haben nun einmal verschiedene Sichtwinkel,sonst wäre das Leben langweilig...

Knud

Knud

Maxvorstadt
13.01.2010, 16:03
...sie sind beide grundverschieden so wie ein Chirurg und ein Maler.........
Ich bin auch kein großer Freund heinscher Lyrik,aber auch er hat seine Anhänger,,dafür sind seine anderen Arbeiten beeindruckend und wichtig im Kontext der Zeit...und darüber hinaus...es ist immer eine Frage der Sicht .....und Menschen haben nun einmal verschiedene Sichtwinkel,sonst wäre das Leben langweilig...

Knud

Knud

Wie ein Maler und ein Chirug? Jetzt übertreibst du aber. :)) Aber Heine ist immerhin eine unterhaltsamere Lektüre als Schiller. Bei Friedrich Schiller schlafen einem ja die Füße ein.

Knudud_Knudsen
13.01.2010, 16:21
Wie ein Maler und ein Chirug? Jetzt übertreibst du aber. :)) .....................Aber Heine ist immerhin eine unterhaltsamere Lektüre als Schiller. Bei Friedrich Schiller schlafen einem ja die Füße ein.


....wenn man es recht betrachtete gibt es zwischen einem Chirurgen und dem Malen sogar eine Brücke.....ich denke da an die plastische Chirurgie..also Kreativität pur....:D

Nun Schiller,er war ein nimmermüder Freigeist und Revolutionär,also Kind seiner Zeit und sehr authentisch..als seine "Räuber" in Mannheim seinerzeit uraufgeführt wurden war es ein gesellschaftlicher und politischer Skandal...,andere Werke,wie "die Glocke" sorgten schon in seiner Zeit bei Schrifstellerkollegen mehr für Erheiterung.....,aber,Goethe sei Dank,denn der sponserte ihn obwohl er seien revoluzionären Gedanken fern war,konnte Schiller das schreiben was er uns hinterlassen hat und sein Platz im Olymp ist unangefochten...
Übrigens hat sich auch Schiller später von der Art und Weise der Nachrevolution distanziert...

Knud

carpe diem
13.01.2010, 16:34
Wenn ich Schiller lese, bin ich ganz bei Schiller, bei anderen ganz bei denen.

Ich genieße jeden für sich.
Das hat was.

Maxvorstadt
13.01.2010, 17:17
Wenn ich Schiller lese, bin ich ganz bei Schiller, bei anderen ganz bei denen.

Ich genieße jeden für sich.
Das hat was.

Klingt ja schon fast frivol.

carpe diem
13.01.2010, 17:32
Klingt ja schon fast frivol.

Ja, so kann man es auch auffassen, aber sie leben ja nimmer.

carpe diem
14.01.2010, 00:55
Ich bin kein Gelehrter, ich gehöre nicht zu den 700 Weisen Deutschlands. Ich stehe mit dem großen Haufen vor den Pforten ihrer Weisheit, und ist da irgend eine Wahrheit durchgeschlüpft, und ist diese Wahrheit bis zu mir gelangt, dann ist sie weit genug: - ich schreibe sie mit hübschen Buchstaben auf Papier und gebe sie dem Setzer; der setzt sie in Bley und giebt sie dem Drucker; dieser druckt sie und sie gehört dann der ganzen Welt.
Heinrich Heine

carpe diem
14.01.2010, 01:00
Schelm von Bergen



Im Schloß zu Düsseldorf am Rhein
Wird Mummenschanz gehalten;
Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik,
Da tanzen die bunten Gestalten.

Da tanzt die schöne Herzogin,
Sie lache laut auf beständig;
Ihr Tänzer ist ein schlanker Fant,
Gar höfisch und behendig.

Er trägt eine Maske von schwarzem Samt,
Daraus gar freudig blicket
Ein Auge, wie ein blanker
Dolch, Halb aus der Scheide gezücket.

Es jubelt die Fastnachtsgeckenschar,
Wenn jene vorüberwalzen.
Der Drickes und die Marizzebill
Grüßen mit Schnarren und Schnalzen.

Und die Trompeten schmettern drein,
Der närrische Brummbaß brummet,
Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt
Und die Musik verstummet.

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Ich muß nach Hause gehen -«
Die Herzogin lacht: »Ich laß dich nicht fort,
Bevor ich dein Antlitz gesehen.«

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Mein Anblick bringt Schrecken und Grauen -«
Die Herzogin lacht: »Ich fürchte mich nicht,
Ich will dein Antlitz schauen.«

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Der Nacht und dem Tode gehör ich -«
Die Herzogin lacht: »Ich lasse dich nicht,
Dein Antlitz zu schauen begehr ich.«

Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort,
Das Weib nicht zähmen kunnt er;
Sie riß zuletzt ihm mit Gewalt
Die Maske vom Antlitz herunter.

»Das ist der Scharfrichter von Bergen!« so schreit
Entsetzt die Menge im Saale
Und weichet scheusam - die Herzogin
Stürzt fort zu ihrem Gemahle.

Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach
Der Gattin auf der Stelle.
Er zog sein blankes Schwert und sprach:
»Knie vor mir nieder, Geselle!

Mit diesem Schwertschlag mach ich dich
Jetzt ehrlich und ritterzünftig,
Und weil du ein Schelm, so nenne dich
Herr Schelm von Bergen künftig.«

So ward der Henker ein Edelmann
Und Ahnherr der Schelme von Bergen.
Ein stolzes Geschlecht! es blühte am Rhein.
Jetzt schläft es in steinernen Särgen.

Rumburak
14.01.2010, 01:16
Irgendwie lese ich aus der Biographie, dass Deutschland schon damals extrem judenfeindlich war.
Also nicht allein eine hitlerische Erfindung?

Juden wurden schon immer, europaweit verfolgt.
Warum das so sein könnte gehört nicht hier her.

Apotheos
14.01.2010, 10:40
Juden wurden schon immer, europaweit verfolgt.
Warum das so sein könnte gehört nicht hier her.

Weil sie eine Minderheit waren, die zudem gesellschaftlichen Einfluss besaß - und gegen diesen Einfluss durch jüdische Minderheiten wollten sich Minderheiten entsprechender Regierungen zur Wehr setzen. Es ist nämlich so, dass innerhalb herrschaftlicher Verhältnisse Minderheiten um Einfluss, Vermögen und Macht streiten und der Antisemitismus ist demgemäß ein Mittel, um den Einfluss jüdischer Gruppen zu schwächen ...im grunde ist Antisemitismus nur ein Mittel, um die "dumpfe Masse des Volkes" gegen Juden aufzuhetzen, um so von nicht-jüdischen Minderheitsinteressen abzulenken und diese wiederum zu stärken... illusorisch ist zu glauben, dass Juden innerhalb dieser Gesetzmäßigkeiten und Sachzwänge anders handeln würden. Nein, es gilt Herrschaftskritik selbst zu üben... dass Antisemiten zu dieser Objektivität nicht imstande sind oder sein wollen, ist aber klar.

Apotheos
14.01.2010, 12:14
In der Geschichte wurde der "Pöbel" immer wieder aufgehetzt gegen gesellschaftliche Minderheiten einer bestimmten Herkunft - wie etwa Juden - , damit sich die Aggression des beherrschten Volkes gegen diese spezifische Gruppe richtet ( Judenpogrome ) und nicht gegen diverse andere einflussreiche nicht-jüdische Minderheiten.

Innerhalb eines Beherrschungssystems, insbesondere in einer Marktwirtschaft, spielt es keinerlei Rolle, wer besondere Macht und wer besonderen Einfluss hat - ob dies Juden sind oder in Deutschland Deutsche - sondern diese Minderheiten werden sich den Gesetzen der Herrschaft entsprechend verhalten und ihre eigenen Interessen durchsetzen.

Ob ein Jude Kapitalist, ein Chinese, ein Franzose oder ein Deutscher Kapitalist ist, spielt alles keine Rolle, da ein Kapitalist im Kapitalismus möglichst viel Mehrwert erwirtschaften muss, möglichst viel Profit zur Kapital-reinvestition auf dem Markt benötigt, um innerhalb der Konkurrenz zu bestehen.

Antisemitismus verschleiert jediglich die Tatsache, dass es die Herrschaft selbst zu kritisieren gilt, innerhalb welcher es immer zu Ungerechtigkeiten kommt und innerhalb dieser Menschen über Menschen herrschen und immer wieder Menschen dem Menschen ein Wolf sein werden.

carpe diem
16.01.2010, 00:02
Die Loreley


Ich weiß nicht was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar;
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen


Die Lore-Ley getan.
©





http://www.youtube.com/watch?v=2GHRxcq24zs

Stechlin
16.01.2010, 01:19
Der hatte einen Zinken.

Heil Odin!

Heine war Protestant. Er hat sich von einem gottlosen Juden zu einem, Jesus Christus anerkennenden Christen bekehren lassen. Täten das alle Juden, dann gäbe es keine mehr.

Er kann nur Beispiel sein. Jedoch ist seine Sympathie für diesen bürgerlichen Terror von ´48 zu verachten, sowie seine Lebensweise und politischen Frechheiten gegenüber seinem Vaterland.

carpe diem
16.01.2010, 01:25
Heil Odin!

Heine war Protestant. Er hat sich von einem gottlosen Juden zu einem, Jesus Christus anerkennenden Christen bekehren lassen. Täten das alle Juden, dann gäbe es keine mehr.

Er kann nur Beispiel sein. Jedoch ist seine Sympathie für diesen bürgerlichen Terror von ´48 zu verachten, sowie seine Lebensweise und politischen Frechheiten gegenüber seinem Vaterland.

Und am Ende seines Lebens wurde er noch Katholik.
Und er liebte sein Vaterland.
Seine Sehnsucht nach der Heimat hat er in zahllosen Gedichten ausgedrückt.

Leila
16.01.2010, 01:26
[…]

Als hätte er’s geahnt und gewünscht, daß eines Tages eine Morgenländerin einen Älpler erhört.

Gruß von Leila

Leila
16.01.2010, 02:29
Wie man weiß, bin ich eine Kennerin der Historia der industriellen Revolution (jedenfalls bezeichne ich mich als eine solche). Daher zitiere ich gerne ein Gedicht Heinrich Heines, das eben diese Zeit behandelt:


Pferd und Esel

Auf eisernen Schienen, so schnell wie der Blitz,
Dampfwagen und Dampfkutschen
Mit dem schwarzbewimpelten Rauchfangmast
Prasselnd vorüberrutschen.

Der Tross kam einem Gehöft vorbei,
Wo über die Hecke guckte
Langhalsig ein Schimmel; neben ihm stand
Ein Esel, der Disteln schluckte.

Mit stierem Blick sah lange das Pferd
Dem Zuge nach. Es zittert
An allen Gliedern, und seufzt und spricht:
Der Anblick hat mich erschüttert!

Wahrhaftig, wär ich nicht von Natur
Bereits gewesen ein Schimmel,
Erbleichend vor Schrecken wär mir die Haut
Jetzt weiss geworden, o Himmel!

Bedroht ist das ganze Pferdegeschlecht
Von schrecklichen Schicksalsschlägen.
Obgleich ein Schimmel, schau ich jedoch
Einer schwarzen Zukunft entgegen.

Uns Pferde tötet die Konkurrenz
Von diesen Dampfmaschinen –
Zum Reiten, zum Fahren wird sich der Mensch
Des eisernen Viehes bedienen.

Und kann der Mensch zum Reiten uns,
Zum Fahren uns entbehren –
Ade der Hafer! Ade das Heu!
Wer wird uns dann ernähren?

Des Menschen Herz ist hart wie Stein;
Der Mensch gibt keinen Bissen
Umsonst. Man jagt uns aus dem Stall,
Wir werden verhungern müssen.

Wir können nicht borgen und stehlen nicht,
Wie jene Menschenkinder,
Auch schmeicheln nicht wie der Mensch und der Hund –
Wir sind verfallen dem Schinder.

So klagte das Ross und seufzte tief.
Der Langohr unterdessen
Hat mit der gemütlichsten Seelenruh
Zwei Distelköpfe gefressen.

Er leckte die Schnauze mit der Zung,
Und gemütlich begann er zu sprechen:
Ich will mir wegen der Zukunft nicht
Schon heute den Kopf zerbrechen.

Ihr stolzen Rosse seid freilich bedroht
Von einem schrecklichen Morgen.
Für uns bescheidne Esel jedoch
Ist keine Gefahr zu besorgen.

So Schimmel wie Rappen, so Schecken wie Fuchs,
Ihr seid am Ende entbehrlich;
Uns Esel jedoch ersetzt Hans Dampf
Mit seinem Schornstein schwerlich.

Wie klug auch die Maschinen sind,
Welche die Menschen schmieden,
Dem Esel bleibt zu jeder Zeit
Sein sicheres Dasein beschieden.

Der Himmel verlässt seine Esel nicht,
Die ruhig im Pflichtgefühle,
Wie ihre frommen Väter getan,
Tagtäglich traben zur Mühle.

Das Mühlrad klappert, der Müller mahlt
Und schüttet das Mehl in die Säcke;
Das trag ich zum Bäcker, der Bäcker backt,
Und der Mensch frisst Bröte und Wecke.

In diesem uralten Naturkreislauf
Wird ewig die Welt sich drehen,
Und ewig unwandelbar wie die Natur,
Wird auch der Esel bestehen.

Moral

Die Ritterzeit hat aufgehört,
Und hungern muss das stolze Pferd.
Dem armen Luder, dem Esel, aber
Wird niemals fehlen sein Heu und Haber.

carpe diem
16.01.2010, 11:54
Der Esel irrte sich, denn auch heute will ihn niemand mehr haben.

Heines Beobachtungsgabe und das Umsetzen in Verse ist beeindruckend, es hat eine Leichtigkeit sondergleichen.

Apotheos
16.01.2010, 13:54
Heil Odin!

Heine war Protestant. Er hat sich von einem gottlosen Juden zu einem, Jesus Christus anerkennenden Christen bekehren lassen. Täten das alle Juden, dann gäbe es keine mehr.

Er kann nur Beispiel sein. Jedoch ist seine Sympathie für diesen bürgerlichen Terror von ´48 zu verachten, sowie seine Lebensweise und politischen Frechheiten gegenüber seinem Vaterland.

Wir brauchen keinen preußischen Militarismus.

Stechlin
16.01.2010, 15:48
Wir brauchen keinen preußischen Militarismus.

Da stimme ich Dir zu. Und das gute daran ist, dass es nie einen preußischen Militarismus gab.

Apotheos
17.01.2010, 14:33
Da stimme ich Dir zu. Und das gute daran ist, dass es nie einen preußischen Militarismus gab.

In deiner Phantasie...


Die Sonne spricht:

Was gehn dich meine Blicke an?
Das ist der Sonne gutes Recht,
Sie strahlt auf den Herrn wie auf den Knecht;
Ich strahle, weil ich nicht anders kann.

Was gehn dich meine Blicke an?
Bedenke, was deine Pflichten sind,
Nimm dir ein Weib und mach ein Kind,
Und sei ein deutscher Biedermann.

Ich strahle, weil ich nicht anders kann,
Ich wandle am Himmel wohl auf, wohl ab,
Ass Langeweile guck ich hinab -
Was gehn dich meine Blicke an?

Brutus
17.01.2010, 15:59
Da stimme ich Dir zu. Und das gute daran ist, dass es nie einen preußischen Militarismus gab.

Preußen-Deutschlands Tragik war, daß es niemals, selbst wenn es seine militärischen Anstrenungen verdreifacht hätte, ausreichend militaristisch gewesen wäre, sich einer Zwei-Fonten-Situation zu erwehren, und nicht klug genug gewesen ist, diese angeborene Schwäche durch diplomatisches Geschick zu neutralisieren.

Gryphus
17.01.2010, 18:13
Sie liebten sich beide, doch keiner
Wollt´es dem anderen gestehn.

Eines der wohl kürzesten Zitate, aber ein häufig auftretendes Problem! :D

Natürlich von Heine.

König
17.01.2010, 18:48
http://www.youtube.com/watch?v=JBFEjbTnYio&feature=related

Der Rezitator Lutz Görne präsentiert hier einen Dichter, der wohl mehr Romantiker war, als Heinrich Heine es sein wollte: Joseph von Eichendorff. Bis zur Stelle 2:35 zeigt er, worin sich das Kunstverständnis Eichendorffs von dem Heines unterscheidet und wieso die beiden politisch und weltanschaulich nicht auf einen Nenner gekommen sind.
Auf wessen Seite steht Ihr nach Betrachtung der 2,5 Minuten? Ich persönlich stehe eher hinter Eichendorff.

Herr Görnes Rubrik "Lyrik für Alle" ist überhaupt sehr großartig; ich weiß gar nicht, wie viele Dichter er rezitiert. Mich stört nur sein teilweise sehr gehässiger und denunziatorischer Umgang mit Dichterwerken, die ihm "rückwärtsgewandt" erscheinen: z. B. mit nationalbewegten Freiheitsgedichten von Ernst Moritz Arndt, Theodor Körner, Georg Herwegh und Ferdinand Freiligrath. Da läßt er sich leider zu etwas voreingenommenen Bewertungen herab, da er die geschichtlichen Begebenheiten der damaligen Zeiten mit zuwenig empathischer Distanz betrachtet.

Stechlin
17.01.2010, 21:01
http://www.youtube.com/watch?v=JBFEjbTnYio&feature=related

Der Rezitator Lutz Görne präsentiert hier einen Dichter, der wohl mehr Romantiker war, als Heinrich Heine es sein wollte: Joseph von Eichendorff. Bis zur Stelle 2:35 zeigt er, worin sich das Kunstverständnis Eichendorffs von dem Heines unterscheidet und wieso die beiden politisch und weltanschaulich nicht auf einen Nenner gekommen sind.
Auf wessen Seite steht Ihr nach Betrachtung der 2,5 Minuten? Ich persönlich stehe eher hinter Eichendorff.

Herr Görnes Rubrik "Lyrik für Alle" ist überhaupt sehr großartig; ich weiß gar nicht, wie viele Dichter er rezitiert. Mich stört nur sein teilweise sehr gehässiger und denunziatorischer Umgang mit Dichterwerken, die ihm "rückwärtsgewandt" erscheinen: z. B. mit nationalbewegten Freiheitsgedichten von Ernst Moritz Arndt, Theodor Körner, Georg Herwegh und Ferdinand Freiligrath. Da läßt er sich leider zu etwas voreingenommenen Bewertungen herab, da er die geschichtlichen Begebenheiten der damaligen Zeiten mit zuwenig empathischer Distanz betrachtet.

Mich stört ein wenig die Kritik Eichendorffs an der Reformation. Aber in diesem Punkt ist er wahrscheinlich als Romantiker nur konsequent gewesen -was man wohl verstehen muss.

Jedoch Eichendorffs Beschreibung des damaligen Menschen als den "Veitztans tanzende freiheitstrunkende Subjekte" ist ja schon fast prophetisch zu werten, weil der Wahrheitsgehalt dieses Satzes heutzutage absolut ist.

Es müsste eine künstlerische Richtung geben als Kampfauftrag wider die Postmoderne und den zerstörerischen Multikultiwahn, so eine Art Idealistische Romantik -quasi ´ne Kreuzung aus Schiller und Eichendorff. Das wäre wahrhaft deutsch und ein kultureller Befreiungsschlag.

Leila
17.01.2010, 21:13
Es müsste eine künstlerische Richtung geben als Kampfauftrag wider die Postmoderne und den zerstörerischen Multikultiwahn, so eine Art Idealistische Romantik -quasi ´ne Kreuzung aus Schiller und Eichendorff. Das wäre wahrhaft deutsch und ein kultureller Befreiungsschlag.

So denken, reden, schreiben und handeln wir Altmodischen: hochmodern!

Mit einem lieben Gruß

Leila

Brutus
17.01.2010, 21:24
Mich stört ein wenig die Kritik Eichendorffs an der Reformation. Aber in diesem Punkt ist er wahrscheinlich als Romantiker nur konsequent gewesen -was man wohl verstehen muss. (...) Es müsste eine künstlerische Richtung geben als Kampfauftrag wider die Postmoderne und den zerstörerischen Multikultiwahn, so eine Art Idealistische Romantik -quasi ´ne Kreuzung aus Schiller und Eichendorff. Das wäre wahrhaft deutsch und ein kultureller Befreiungsschlag.

Der Gedanke ist großartig. Vielleicht gar nicht so sehr wegen der Einzelheiten, sondern weil er etwas aufgreift, wovon ich seit Jahren zutiefst überzeugt bin: Nur in der Besinnung auf unsere kulturellen Wurzeln werden wir die Kraft, die Ideen und die Begeisterung finden, die derzeitige Knechtschaft abzuschütteln.

Je mehr wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinander verschränken, desto mehr Kraft werden wir entwickeln können, was angesichts der Machtverhältnisse bitter nötig ist.

Mag hierbei auch die Methode konservativ, vielleicht sogar reaktionär sein, Absicht und Ergebnis sind sicher revolutionär. Und darauf kommt es schließlich an.

Stechlin
17.01.2010, 21:24
So denken, reden, schreiben und handeln wir Altmodischen: hochmodern!

Mit einem lieben Gruß

Leila

:))

An meine Brust, Schwester im Geiste! :)

Leila
17.01.2010, 21:34
Brutus, ich brauchte lange, um aus meinem vertrockneten Herzen Dir ein Lob zu wringen: Nun steht es hier zu lesen.

Leila

Brutus
17.01.2010, 21:35
Brutus, ich brauchte lange, um aus meinem vertrockneten Herzen Dir ein Lob zu wringen: Nun steht es hier zu lesen. Leila

Vielen Dank!

König
18.01.2010, 01:53
Mich stört ein wenig die Kritik Eichendorffs an der Reformation. Aber in diesem Punkt ist er wahrscheinlich als Romantiker nur konsequent gewesen -was man wohl verstehen muss.

Jedoch Eichendorffs Beschreibung des damaligen Menschen als den "Veitztans tanzende freiheitstrunkende Subjekte" ist ja schon fast prophetisch zu werten, weil der Wahrheitsgehalt dieses Satzes heutzutage absolut ist.

Es müsste eine künstlerische Richtung geben als Kampfauftrag wider die Postmoderne und den zerstörerischen Multikultiwahn, so eine Art Idealistische Romantik -quasi ´ne Kreuzung aus Schiller und Eichendorff. Das wäre wahrhaft deutsch und ein kultureller Befreiungsschlag.

Eichendorffs Abscheu gegen die protestantische Reformation, die uns "von der großen Vergangenheit geschieden und in die Irre geführt" habe, behagt mir auch nicht. Ich halte sie aber auch nicht für folgerichtig, denn als Gegenspiel dient der pietistisch geprägte Vollblutromantiker Novalis. Es sieht so aus, daß die Romantik sowohl für einen individualistischen Befreiungsversuch als auch für einen allgemeinen Mensch-zu-Welt-Einbindungsversuch steht. Eichendorff, der Sohn eines katholischen Priesters, wenn ich mich nicht irre, hätte beide christlichen Konfessionen und ihre Ideen aufeinander aufbauen lassen können, und fertig wäre die Laube gewesen. Er hat voreilig geurteilt.

Könntest Du, falls Du Zeit erübrigen möchtest, mir erklären, was Postmoderne im Ungefähren sei und worin diese sich von der Moderne unterscheide? Ich habe den Begriff Postmoderne schon oft gelesen und gehört, aber nie verstanden, was mit ihm gemeint sein soll.
Die Romantik verstehe ich als Korrektiv für die gefühlten entemotionaliserten, entsakralisierten, entmythologisierten, entmystifizierten, überhaupt entzauberten Inhalte, Substanzen und Formen einer allzu durchrationalisierten, durchmaterialisiserten Welt, wie sie die Moderne mit ihrer "Aufklärung", der Aufdeckung aller geheimnisumwitterten Dinge, hinterläßt. Aber was hat es nun mit der Post-Moderne auf sich?

Waldgänger
18.01.2010, 09:30
König, falls ich die Frage kurz an mich nehmen darf. Während die Moderne und ihre Aufklärung versucht eine Karte der Landschaft zu zeichnen um rationale Welterkenntnis zu erlangen, behauptet die Postmoderne, der Kartograph kann keine außenstehende Beobachterposition einnehmen, weil er selbst Teil einer bereits bestehenden Kartensicht ist. Eine objektive Erkenntnis ist daher unmöglich.

„Das heißt: Man akzeptiert das Vorhandensein verschiedener Wirklichkeitskonstruktionen und geht davon aus, daß niemand zu entscheiden vermag, welche die intersubjektiv richtige ist. Welche Wahrheit aus dem großen Fundus der Wahrheiten akzeptiert wird, ist somit eine persönliche, d.h. eine vom ästhetischen Gesichtspunkt des subjektiven Gefallens bestimmte Entscheidung. Wahrheit wird in der Postmoderne zur reinen Geschmacksache und über Geschmack läßt sich - hier stimmt die Postmoderne mit der alten Redewendung überein - bekanntlich nicht streiten. Mit anderen Worten: Meisterdiskurse sind unmöglich. Alles wird zu einer Frage der subjektiven Ästhetik und damit radikal beliebig. Anything goes... “

Dabei hat die Postmoderne insofern recht, dass bspw. die Kategorie der Vernunft keine allgemeinverbindlich-universal-menschliche ist. Ihre Entstehungsgeschichte ist eine bürgerliche, genauso wie ihr philosophischer Hintergrund. Der Kartograph betrachtet die Welt bereits aus einem bestimmten Hintergrund.

Problematisch wird es hingegen dann, wenn die postmoderne Denkweise verabsolutiert und radikalisiert wird. Dann enden wir im radikalen Konstruktivismus, der meint, es gäbe gar keine zu erkennende Objektivität.

„Mit anderen Worten: Am Anfang der Postmoderne steht das Ende der Solidarität. Die einzige universelle Idee, die sich mit der Denkungsart der Postmoderne verträgt, ist die Idee des universellen Marktes, auf dem die Entscheidungen a-moralisch, also nach werterelativistischen Maßstäben getroffen werden - begrenzt nur durch das ständige Auf und Ab von Angebot und Nachfrage.“

Zitatquelle

Interessant wäre zu wissen, wie denn die Post-Postmoderne aussehen könnte.

Rowlf
18.01.2010, 10:29
ich wollte weinen wo ich einst
Geweint die bittersten Thränen
Ich glaube Vaterlandsliebe nennt
Man dieses thörigte Sehnen.

Ich spreche nicht gern davon; es ist
Nur eine Krankheit im Grunde.
Verschämten Gemüthes, verberge ich stets
Dem Publiko meine Wunde.

Fatal ist mir das Lumpenpack,
Das, um die Herzen zu rühren,
Den Patriotismus trägt zur Schau
Mit allen seinen Geschwüren.

:)

Stechlin
18.01.2010, 22:14
Eichendorffs Abscheu gegen die protestantische Reformation, die uns "von der großen Vergangenheit geschieden und in die Irre geführt" habe, behagt mir auch nicht. Ich halte sie aber auch nicht für folgerichtig, denn als Gegenspiel dient der pietistisch geprägte Vollblutromantiker Novalis. Es sieht so aus, daß die Romantik sowohl für einen individualistischen Befreiungsversuch als auch für einen allgemeinen Mensch-zu-Welt-Einbindungsversuch steht. Eichendorff, der Sohn eines katholischen Priesters, wenn ich mich nicht irre, hätte beide christlichen Konfessionen und ihre Ideen aufeinander aufbauen lassen können, und fertig wäre die Laube gewesen. Er hat voreilig geurteilt.

Nun, ich habe das eher aus der historischen Perspektive betrachtet. Die Romantik steht ja im allgemeinen für eine Besinnung auf das Mittelalter, welches spätestens mit der Reformation für die einen, mit der Entdeckung Amerikas für die anderen endete. Egal wie, das Mittelalter ist nur ohne den Protestantismus zu haben, weswegen ich es nachvollziehen kann, wenn ein Vertreter der Romantik ein Problem mit Luther hätte, zumal die Reformation obendrein auch noch das Ende des von ihnen verehrten Mittelalters markiert. Schwere Kost für einen Melancholiker... ;)

Jedoch sollte die Kunst sich nicht in Streitereien, welche Konfession nun die richtige sei, verirren, denn das ist nicht ihre Aufgabe. Die Romantik spiegelt wunderbar im Angesicht der Industriealisierung die Sehnsucht der Menschen nach einer Besinnung auf Werte und Traditionen wieder, die prägend waren für die Identität und Ästhetik, welche im Mühlrad des "Fortschritts" zu zermalmen drohten. Ein ähnliches Verlangen schlummert sicher in so vielen Zeitgenossen von heute, weshalb es Zeit wäre, diesem nachzugeben. Was wir brauchen, ist in der Tat eine geistig-moralische Wende. Eine "Entschleunigung" des Lebens sollte sich dabei als Leitmotiv herausstellen.


Könntest Du, falls Du Zeit erübrigen möchtest, mir erklären, was Postmoderne im Ungefähren sei und worin diese sich von der Moderne unterscheide? Ich habe den Begriff Postmoderne schon oft gelesen und gehört, aber nie verstanden, was mit ihm gemeint sein soll.
Die Romantik verstehe ich als Korrektiv für die gefühlten entemotionaliserten, entsakralisierten, entmythologisierten, entmystifizierten, überhaupt entzauberten Inhalte, Substanzen und Formen einer allzu durchrationalisierten, durchmaterialisiserten Welt, wie sie die Moderne mit ihrer "Aufklärung", der Aufdeckung aller geheimnisumwitterten Dinge, hinterläßt. Aber was hat es nun mit der Post-Moderne auf sich?

Diesen Punkt hat Meister Waldgänger ja schon beantwortet -wenn auch leicht verschwurbelt im Jargon eines Vulgärmarxisten. So ist das Leben.

carpe diem
18.01.2010, 23:11
Belsazar

Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.

Nur oben in des Königs Schloss,
Da flackert's, da lärmt des Königs Tross.

Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.


Die Knechte sassen in schimmernden Reihn
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.

Und blindlings reisst der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech und lästert wild;
Die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;

Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovahs geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund
Und ruft laut mit schäumendem Mund:

"Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn -
Ich bin der König von Babylon!"


Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward's heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.


Und sieh! und sieh! an weisser Wand
Das kam's hervor, wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weisser Wand
Buchstaben von Feuer und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da sass,
Mit schlotternden Knien und totenblass.

Die Knechtschar sass kalt durchgraut,
Und sass gar still, gab keinen Laut.


Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.

Waldgänger
19.01.2010, 07:33
Diesen Punkt hat Meister Waldgänger ja schon beantwortet -wenn auch leicht verschwurbelt im Jargon eines Vulgärmarxisten. So ist das Leben.

Vulgärmarxist. :hihi: Wärst Du ein so guter Kenner des Marxismus wie Du behauptest, denn wer wolle schon jemandem vorwerfen, er wäre Vulgärmarxist, und ist es selbst, würdest Du nicht ständig mit der Vernunftkelle umherlaufen. ;)

Meine politische Einstellung einmal außen vor, kann ich an dem Zitat zur Definition der Postmoderne nichts spezifisch marxistisches erkennen.

carpe diem
19.01.2010, 12:39
Zu Beginn der 1840er Jahre radikalisierte sich Heinrich Heines (http://www.hagalil.com/buch/heine/index.htm) Ton zusehends. Er gehörte zu den ersten deutschen Dichtern, die die Folgen der einsetzenden Industriellen Revolution zur Kenntnis nahmen und das Elend der neu entstandenen Arbeiterklasse in ihren Werken aufgriffen.

Beispielhaft dafür ist sein Gedicht Die schlesischen Weber vom Juni 1844. Es war von dem Weberaufstand inspiriert, der im selben Monat in den schlesischen Ortschaften Peterswaldau und Langenbielau ausbrach. Ein Auszug:

Im düstern Auge keine Träne,
sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne;
Alt-Deutschland, wir weben dein Leichentuch.
Wir weben hinein den dreifachen Fluch.
Wir weben! Wir weben!
(...)
Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
den unser Elend nicht konnte erweichen,
der den letzten Groschen von uns erpresst
und uns wie Hunde erschießen lässt!
Wir weben! Wir weben! (...)
Das auch als Weberlied bekannt gewordene Gedicht erschien im Juli im von Karl Marx herausgegebenen Vorwärts und wurde in einer Auflage von 50.000 Stück als Flugblatt in den Aufstandsgebieten verteilt.

http://www.hagalil.com/buch/heine/img/weber.jpg

Der preußische Innenminister Arnim bezeichnete das Werk in einem Bericht an König Friedrich Wilhelm IV. als „eine in aufrührerischem Ton gehaltene und mit verbrecherischen Äußerungen angefüllte Ansprache an die Armen im Volke“. Das Königlich Preußische Kammergericht ordnete ein Verbot des Gedichts an. Ein Rezitator, der es dennoch gewagt hatte, es öffentlich vorzutragen, wurde 1846 in Preußen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Friedrich Engels, der Heine im August 1844 in Paris kennenlernte, übersetzte das Weberlied ins Englische und publizierte es im Dezember des selben Jahres in der Zeitung „The New Moral World“.

http://www.politikforen.net/newreply.php?do=postreply&t=88387

Brutus
19.01.2010, 14:12
Aktualisierte Fassung von Heines Gedicht:

Im düstern Auge keine Träne,
sie stehen am Fließband und fletschen die Zähne;
Europa, wir weben dein Leichentuch.
Wir weben hinein den dreifachen Fluch.
Wir weben! Wir weben!

Ein Fluch den Wahlen, wozu wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Sie hab'n uns geäfft, gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Kanzler, dem Kanzler der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschießen läßt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Staatenverbande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!

Die Zange fliegt, das Fließband kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Europa, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!"

carpe diem
19.01.2010, 14:35
In der Fremde



Du bist ja heut so grambefangen,
Wie ich dich lange nicht geschaut!
Es perlet still von deinen Wangen,
Und deine Seufzer werden laut.
Denkst du der Heimat, die so ferne,
So nebelferne dir verschwand?
Gestehe mirs, du wärest gerne
Manchmal im teuren Vaterland.
Denkst du der Dame, die so niedlich
Mit kleinem Zürnen dich ergötzt?
Oft zürntest du, dann ward sie friedlich,
Und immer lachtet ihr zuletzt.
Denkst du der Freunde, die da sanken
An deine Brust, in großer Stund?
Im Herzen stürmten die Gedanken,
Jedoch verschwiegen blieb der Mund.
Denkst du der Mutter und der Schwester?
Mit beiden standest du ja gut.
Ich glaube gar, es schmilzt, mein Bester,
In deiner Brust der wilde Mut!
Denkst du der Vögel und der Bäume
Des schönen Gartens, wo du oft
Geträumt der Liebe junge Träume,
Wo du gezagt, wo du gehofft?
Es ist schon spät. Die Nacht ist helle,
Trübhell gefärbt vom feuchten Schnee.
Ankleiden muß ich mich nun schnelle
Und in Gesellschaft gehn. O weh!

Brutus
19.01.2010, 14:36
Der preußische Innenminister Arnim bezeichnete das Werk (Heines Schlesische Weber, B.) in einem Bericht an König Friedrich Wilhelm IV. als „eine in aufrührerischem Ton gehaltene und mit verbrecherischen Äußerungen angefüllte Ansprache an die Armen im Volke“. Das Königlich Preußische Kammergericht ordnete ein Verbot des Gedichts an. Ein Rezitator, der es dennoch gewagt hatte, es öffentlich vorzutragen, wurde 1846 in Preußen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Es sind solche Beispiele gewesen, die mich Preußen und das Kaiserreich von 1871 als Hort der finstersten und verabscheuungswürdigsten Reaktion haben betrachten lassen.

Die genauere Kenntnis der OMF-BRD-Zensurmaßnahmen, die Revisionistendeportationen, die europaweite Revisionistenhatz und langjährige Gefängnisstrafen für Germar Rudolf sowie die alten Herren Fröhlich, Honsik, Zündel und Mahler, haben mich jedoch gezwungen, umzudenken; und zwar gründlich!

Stechlin
19.01.2010, 21:38
Vulgärmarxist. :hihi: Wärst Du ein so guter Kenner des Marxismus wie Du behauptest, denn wer wolle schon jemandem vorwerfen, er wäre Vulgärmarxist, und ist es selbst, würdest Du nicht ständig mit der Vernunftkelle umherlaufen. ;)

Meine politische Einstellung einmal außen vor, kann ich an dem Zitat zur Definition der Postmoderne nichts spezifisch marxistisches erkennen.

Tut mir leid... :=

Stechlin
19.01.2010, 21:50
Es sind solche Beispiele gewesen, die mich Preußen und das Kaiserreich von 1871 als Hort der finstersten und verabscheuungswürdigsten Reaktion haben betrachten lassen.

Beim Alten Fritz hätte es so etwas nicht gegeben. Solange er lebte, konnte zum Beispiel Immanuel Kant in Königsberg ungehindert lehren und publizieren. Unter F.W.II geriet er jedoch zunehmend in Konflikt mit der Zensurbehörde wegen seiner religiösen Schriften. Unglaublich!

Das hatte mit der Idee Preußen so rein gar nichts mehr zu tun.

Waldgänger
19.01.2010, 21:53
Daran sehen wir, dass reines Bewusstsein auf Dauer keine Gesellschaft zusammenhalten kann. Es müssen selbsttragende Strukturen sein.

Stechlin
19.01.2010, 22:00
Daran sehen wir, dass reines Bewusstsein auf Dauer keine Gesellschaft zusammenhalten kann. Es müssen selbsttragende Strukturen sein.

Die Pflicht ist die beste Klammer, die eine Gesellschaft zusammenhalten kann. Alles andere wäre reine Illusion.

Waldgänger
19.01.2010, 22:01
Vielleicht sollten wir dazu einen seperaten Thread eröffnen. Weil für mich stellt sich die Frage: Pflicht in Bezug auf was? Auf das Gemeinwesen? Gut, klingt erstmal logisch, nur, was ist Sinn des Gemeinwesens dessen ich mich ja verpflichten soll?

Stechlin
19.01.2010, 22:13
Vielleicht sollten wir dazu einen seperaten Thread eröffnen. Weil für mich stellt sich die Frage: Pflicht in Bezug auf was? Auf das Gemeinwesen? Gut, klingt erstmal logisch, nur, was ist Sinn des Gemeinwesens dessen ich mich ja verpflichten soll?

Das liegt doch auf der Hand: Die Pflicht läge einzig darin, alles zum Wohle des Staates zu tun, ohne zu fragen, was dafür zu erwarten wäre oder gar welcher Vorteil sich für den einzelnen ergäbe. Das heißt, das Gemeinwesen kompromisslos am Funktionieren halten. Darüber hinaus soll jeder machen, was er will.

Brutus
19.01.2010, 22:16
Beim Alten Fritz hätte es so etwas nicht gegeben. Solange er lebte, konnte zum Beispiel Immanuel Kant in Königsberg ungehindert lehren und publizieren. Unter F.W.II geriet er jedoch zunehmend in Konflikt mit der Zensurbehörde wegen seiner religiösen Schriften. Unglaublich! Das hatte mit der Idee Preußen so rein gar nichts mehr zu tun.

Was die Machtpraxis Friedrichs II. betrifft, weiß ich darüber zu wenig. Ich vermute jedoch stark, daß er gegen Autoren und Schriften, die den Bestand des Staates gefährdet hätten, eingeschritten ist, wie das jede Staatsmacht tut, machen wir uns in dem Punkt bitte nichts vor.

Im Hinblick auf die freiheitlich-demokratische BRD ist besonders interessant, welche Art von Gedanken ihren Bestand gefährden, und daß sie bei der Dissidentenverfolgung jedes Maß und Ziel verliert; dahingehend, daß die BRD dabei selbst den nach-friderizianischen preußischen Obrigkeitsstaat und das Hitlerreich an totalitärer Intoleranz in den Schatten stellt.

Waldgänger
19.01.2010, 22:17
Das liegt doch auf der Hand: Die Pflicht läge einzig darin, alles zum Wohle des Staates zu tun, ohne zu fragen, was dafür zu erwarten wäre oder gar welcher Vorteil sich für den einzelnen ergäbe. Das heißt, das Gemeinwesen kompromisslos am Funktionieren halten. Darüber hinaus soll jeder machen, was er will.

Auch hier stellt sich die Frage: Funktionieren in Bezug auf was? Was macht einen Staat aus, weshalb existiert er? Die Aufklärungsphilosophie verschleiert viele Zusammenhänge und naturalisiert oder idealisiert sie. Wenn ich eine Funktion benötige, die ihren Zweck in einem Selbstzweck findet, unterstelle ich den Menschen, dass es ein abstraktes Ideal benötigt, das sich die Menschen selber schaffen, um sich ihm wiederum unterzuordnen. Der Mensch kann sich nur über seine Pflicht zum Staat vermitteln, sein bloßes Mensch-Sein reicht nicht aus. Das ist aber das, was wir als klassische Entfremdung bezeichnen. Mit einer wirklich menschlichen Gesellschaft hat das wenig zu tun.

„Das materielle Leben der Individuen, welches keineswegs von ihrem bloßen Willen abhängt, ihre Produktionsweise und die Verkehrsform, die sich wechselseitig bedingen, ist die reelle Basis des Staats und bleibt es auf allen Stufen, auf denen die Teilung der Arbeit und das Privateigentum noch nötig sind, ganz unabhängig vom Willen der Individuen. Diese wirklichen Verhältnisse sind keineswegs von der Staatsmacht geschaffen, sie sind vielmehr die sie schaffende Macht.“ (Marx-Engels-Werke Bd.3, S. 311)

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„Alle Emanzipation ist Zurückführung der menschlichen Welt, der Verhältnisse, auf den Menschen selbst. Die politische Emanzipation ist die Reduktion des Menschen, einerseits auf das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, auf das egoistische unabhängige Individuum, andrerseits auf den Staatsbürger, auf die moralische Person.

Erst wenn der wirkliche individuelle Mensch den abstrakten Staatsbürger in sich zurücknimmt und als individueller Mensch in seinem empirischen Leben, in seiner individuellen Arbeit, in seinen individuellen Verhältnissen, Gattungswesen geworden ist, erst wenn der Mensch seine »eigenen Kräfte« als gesellschaftliche Kräfte erkannt und organisiert hat und daher die gesellschaftliche Kraft nicht mehr in der Gestalt der politischen Kraft von sich trennt, erst dann ist die menschliche Emanzipation vollbracht.“ (MEW 1, S. 370)

carpe diem
23.01.2010, 21:49
Zur Zeit gibt es hier einige Katzenthreads.
Auch Heinrich Heine liebte offenbar Katzen jeglicher Art.


Mimi

Heinrich Heine

"Bin kein sittsam Bürgerkätzchen,
Nicht im frommen Stübchen spinn ich.
Auf dem Dach in freier Luft,
Eine freie Katze bin ich.

Wenn ich sommernächtlich schwärme,
Auf dem Dache, in der Kühle
Schnurrt und knurrt in mir Musik,
Und ich singe, was ich fühle."

Also spricht sie. Aus dem Busen
Wilde Brautgesänge quellen,
Und der Wohllaut lockt herbei
Alle Katerjunggesellen.

Alle Katerjunggesellen,
Schnurrend, knurrend, alle kommen,
Mit Mimi zu musizieren,
Liebelechzend, lustentglommen...

Brauchen keine Instrumente,
Sie sind selber Bratsch und Flöte;
Eine Pauke ist ihr Bauch,
Ihre Nasen sind Trompeten.

Sie erheben ihre Stimmen
Zum Konzert gemeinsam jetzo;
Das sind Fugen, wie von Bach
Oder Guido von Arezzo.

Das sind tolle Symphonien,
Wie Capricen von Beethoven
Oder Berlioz, der wird
Schnurrend, knurrend übertroffen.

Wunderbare Macht der Töne!
Zaubertöne sondergleichen!
Sie erschüttern selbst den Himmel,
Und die Sterne dort erbleichen...

Nur das Lästermaul, die alte
Primadonna Philomele,
Rümpft die Nase, schnupft und schmäht
Mimis Singen - kalte Seele!

Doch gleichviel! das musizieret,
Trotz dem Neide der Signora,
Bis am Horizont erscheint
Rosig lächelnd Fee Aurora.