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Vollständige Version anzeigen : Erich Fromm - Credo eines Humanisten



Apotheos
07.01.2010, 10:58
Credo eines Humanisten

von Erich Fromm

Zweites, zuletzt verfaßtes Glaubens-Bekenntnis (1965)


Ich glaube, daß sich die Einheit des Menschen aus der Tatsache ergibt, daß der Mensch ein sich seiner selbst bewußtes Lebewesen ist. Darin unterscheidet er sich von anderen Lebewesen. Der Mensch ist sich seiner selbst bewußt: seiner Zukunft (das heißt der Tasache, daß er sterben muß), seiner Kleinheit und seiner Ohnmacht; er nimmt die anderen als andere wahr; er lebt in der Natur und ist ihren Gesetzen unterworfen, auch wenn er sie mit seinem Denken übersteigt.

Ich glaube, daß der Mensch das Ergebnis einer natürlichen Evolution ist, die aus dem Konflikt entspringt, daß er in der Natur gefangen und gleichzeitig von ihr getrennt ist, und aus dem Bedürfnis, Einheit und Harmonie mit der Natur zu finden.

Ich glaube, daß die Natur des Menschen in einem Widerspruch zu fassen ist, der in den Bedingungen der menschlichen Existenz wurzelt und eine Suche nach Lösungen notwendig macht, die ihrerseits neue Widersprüche und das Bedürfnis nach neuen Antworten erzeugen.

Ich glaube, daß jede Antwort, die auf diese Widersprüche gegeben wird, die Voraussetzung erfüllt und dem Menschen hilft, sein Gefühl des Abgetrenntseins zu überwinden und ein Gespür der Zustimmung, der Einheit und der Zugehörigkeit zu erlangen.

Ich glaube, daß der Mensch bei jeder Antwort, die er auf diese Widersprüche gibt, nur die Möglichkeit der Wahl hat, entweder vorwärts oder rückwärts zu gehen. Diese Wahlmöglichkeiten, die sich in bestimmten Handlungen manifestieren, sind die Wege, auf denen wir in unserem Menschsein regredieren oder progredieren.

Ich glaube, daß der Mensch grundsätzlich die Wahl hat zwischen Leben und Tod, zwischen Kreativität und destruktiver Gewalt, zwischen Wirklichkeitssinn und Illusion, zwischen Objektivität und Intoleranz, zwischen brüderlicher Unabhängigkeit und einer Bezogenheit auf Grund von Über- und Unterordnung.

Ich glaube, daß man dem Leben die Bedeutung andauernder Geburt und beständiger Entwicklung zuschreiben kann.

Ich glaube, daß man dem Tod die Bedeutung des Endes von Wachstum beziehungsweise ständige Wiederholung zuschreiben kann.

Ich glaube, daß der Mensch, der die regressive Antwort gibt, dadurch Einheit zu finden versucht, daß er sich von der unerträglichen Angst vor Einsamkeit und Unsicherheit zu befreien versucht, indem er das, was ihn menschlich macht und zum Problem wird, entstellt. Die regressive Orientierung entwickelt sich in drei Erscheinungsweisen, die getrennt oder im Verbund auftreten: in der Nekrophilie, im Narzißmus und in der inzesthaften Symbiose.

Mit Nekrophilie meine ich die Liebe zu allem, was mit Gewaltanwendung und Destruktivität zu tun hat; den Wunsch zu töten; die Bewunderung von Macht; das Angezogensein vom Toten, vom Selbstmord, vom Sadismus; den Wunsch, Organisches mit Hilfe von "Ordnungschaffen" in Anorganisches zu verwandeln. Da dem Nekrophilen die erforderlichen Eigenschaften für Kreatives abgehen, ist es ihm in seiner Unfähigkeit ein leichtes, zu zerstören, denn für ihn dreht sich alles nur um Gewalt.

Mit Narzißmus meine ich, daß der Mensch aufhört, ein lebendiges Interesse an der Außenwelt zu zeigen, und eine starke Bindung an sich selbst, an seine eigene Gruppe, an den eigenen Klan, die eigene Religion, Nation, Rasse usw. entwickelt. Dabei kommt es zu gravierenden Verzerrungen in seinem rationalen Urteilsvermögen. Ganz allgemein entsteht das Bedürfnis nach narzißtischer Befriedigung, wenn materielle und kulturelle Armut kompensiert werden muß.

Mit inzesthafter Symbiose meine ich die Tendenz, an die Mutter und ihre Ersatzfiguren - das Blut, die Familie, den Stamm - gebunden zu bleiben, der unerträglichen Bürde der Verantwortung, der Freiheit und des Bewußtseins zu entfliehen und in einem Hort von Sicherheit und Abhängigkeit Schutz und Liebe zu bekommen. Dafür bezahlt der einzelne mit dem Ende seiner eigenen menschlichen Entwicklung.

Ich glaube, daß der Mensch, der sich für das Vorwärtsgehen entscheidet, eine neue Einheit finden kann, indem er alle seine menschliche Kräfte zur vollen Entfaltung bringt. Diese können sich in drei Weisen entfalten und allein oder im Verbund in Erscheinung treten: in der Biophilie, in der Liebe zur Menschheit und zur Natur und in Unabhängigkeit und Freiheit.

Ich glaube, daß die Liebe sozusagen der "Hauptschlüssel" ist, mit dem sich die Tore zum Wachstum des Menschen öffnen lassen. Ich meine damit Liebe zu und Einssein mit jemand anderem oder etwas außerhalb von mir selbst, wobei das Einssein besagt, daß man sich auf andere bezieht und sich mit anderen eins fühlt, ohne damit sein Gespür für die eigene Integrität und Unabhängigkeit einschränken zu müssen. Liebe ist eine produktive Orientierung, zu deren Wesen es gehört, daß folgende Merkmale gleichzeitig vorhanden sind: Man muß sich für das, womit man eins werden will, interessieren, sich für es verantwortlich fühlen, es achten und es verstehen.

Ich glaube, daß die Praxis der Liebe das menschlichste Tun ist, das den Menschen ganz zum Menschen macht und ihm zur Freude am Leben gegeben ist. Für diese Praxis der Liebe gilt aber - wie für die Vernunftfähigkeit: Sie ist sinnlos, wenn sie nur halbherzig vollzogen wird.

Ich glaube, daß man erst "frei von" seinen inneren und/oder äußeren Bindungen sein muß, wenn man die Fähigkeit erlangen möchte, auch "frei zu" etwas zu sein: zu schöpferischem, gestaltendem Tun, zu mehr Erkenntnis usw. Erst dann ist man fähig, ein freies, tätiges, verantwortliches Wesen zu sein.

Ich glaube, daß Freiheit die Fähigkeit ist, der Stimme der Vernunft und des Wissens zu folgen und den Stimmen irrationaler Leidenschaften zu widerstehen. Sie ist die Befreiung, die den Menschen freispricht und ihm den Weg ebnet, seine eigenen vernünftigen Fähigkeiten zu gebrauchen, die Welt in ihrer Objektivität zu verstehen und den Platz, den der Mensch darin einnimmt, zu erkennen.

Ich glaube, daß der "Kampf für die Freiheit" im allgemeinen ausschließlich die Bedeutung hatte, gegen jene Autorität zu kämpfen, die einem aufgedrängt wurde und deren Ziel es war, den Willen des einzelnen zu brechen. Heute sollte der "Kampf für die Freiheit" bedeuten, daß wir uns einzeln und gemeinsam von jener "Autorität" befreien, der wir uns "freiwillig" unterworfen haben. Wir sollten uns von jenen inneren Mächten befreien, die uns zu dieser Unterwerfung zwingen, weil wir unfähig sind, die Freiheit zu ertragen.

Ich glaube, daß Freiheit keine konstante Wesenseigenschaft ist, die wir haben oder auch nicht haben. Vermutlich gibt sie es in Wirklichkeit nur als Akt unserer Selbstbefreiung, wenn wir von unserer Freiheit, wählen zu können, Gebrauch machen. Jeder Schritt im Leben, der den Grad der Reife des Menschen erhöht, erhöht auch seine Fähigkeit, die freimachende Alternative zu wählen.

Ich glaube, daß die Wahlfreiheit nicht für alle Menschen in jedem Augenblick in gleicher Weise gegeben ist. Wer ausschließlich nekrophil, narzißtisch oder symbiotisch-inzestiös orientiert ist, hat nur die "Wahl", sich regressiv zu entscheiden. Der freie Mensch, der von irrationalen Bindungen befreit ist, kann keine regressive Wahl mehr treffen.

Ich glaube, daß es das Problem der Wahlfreiheit nur bei Menschen mit gegenläufigen Orientierungen gibt und daß diese Freiheit immer stark von unbewußten Wünschen und von beschwichtigenden Rationalisierungen bedingt wird.

Ich glaube, daß niemand seinen Nächsten dadurch "retten" kann, daß er für ihn eine Entscheidung trifft. Die einzige Hilfe besteht darin, daß er ihn in aller Aufrichtigkeit und Liebe sowie ohne Sentimentalität und Illusion auf mögliche Alternativen hinweisen kann. Das erkennbare Bewußtwerden befreiender Alternativen kann in einem Menschen alle seine verborgenen Energien wachrufen und ihn auf den Weg bringen, auf dem er das Leben statt den Tod wählt.

Ich glaube, daß der Mensch die Gleichheit aller Menschen spüren kann, wenn er sich ganz und gar zu erkennen versucht und dabei merkt, daß er den anderen gleicht und er sich mit ihnen identifiziert. Jeder einzelne Mensch trägt die Menschheit in sich. Die conditio humana ist eine und dieselbe für alle Menschen, trotz der unübersehbaren Unterschiede bezüglich Intelligenz, Begabung, Körpergröße, Hautfarbe usw.

Ich glaube, daß man an die Gleichheit der Menschen gerade deshalb erinnern muß, weil damit ein Ende gemacht werden muß, daß der Mensch ein Instrument des anderen wird.

Ich glaube, daß Brüderlichkeit die auf den Nächsten gerichtete Liebe ist. Sie bleibt freilich eine Worthülse, solange nicht alle inzesthaften Bindungen ausgemerzt sind, die den Menschen daran hindern, über den "Bruder" in objektiver Weise zu urteilen.

Ich glaube, daß der einzelne so lange nicht mit seiner Menschheit in sich in engen Kontakt kommen kann, solange er sich nicht anschickt, seine Gesellschaft zu transzendieren und zu erkennen, in welcher Weise diese die Entwicklung seiner menschlichen Potentiale fördert oder hemmt. Kommen ihm die Tabus, Restriktionen, entstellten Werte ganz "natürlich" vor, dann ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, daß er keine wirkliche Kenntnis der menschlichen Natur hat.

Ich glaube, daß die Gesellschaft in ihrer stimulierenden und zugleich hemmenden Funktion schon immer in Konflikt mit dem Menschsein ist. Erst wenn der Zweck der Gesellschaft mit der des Menschseins identisch ist, wird die Gesellschaft aufhören, den Menschen zu lähmen und sein Streben nach Herrschaft zu beflügeln.

Ich glaube, daß man auf eine gesunde und vernünftige Gesellschaft hoffen kann und muß. Eine solche Gesellschaft fördert die Fähigkeit des Menschen zur Nächstenliebe, zur Arbeit und zum Gestalten, zur Entwicklung seiner Vernunft und zu einer objektiv richtigen Selbstwahrnehmung, die in der Erfahrung seiner produktiven Energie gründet.

Ich glaube, daß man für die breite Bevölkerung auf die Wiedergewinnung psychischer Gesundheit hoffen kann und muß. Diese zeichnet sich durch die Fähigkeit zur Liebe und zu schöpferischem Tun aus, durch die Befreiung von inzesthaften Bindungen an den Klan und an den Boden, durch ein Identitätserleben, bei dem der einzelne sich als das Subjekt und den Vollzieher seiner eigenen Kräfte erfährt, durch die Fähigkeit, sich von der Wirklichkeit innerhalb und außerhalb von einem selbst berühren zu lassen und die Entwicklung von Objektivität und Vernunft zu verwirklichen.

Ich glaube, daß in dem Maße, in dem unsere Welt verrückt und unmenschlich zu werden scheint, eine immer größere Zahl von Menschen die Notwendigkeit spürt, sich zusammenzutun, und mit Menschen zusammenzuarbeiten, die ihre Sorgen teilen.

Ich glaube, daß diese Menschen guten Willens nicht nur zu einer menschlichen Deutung der Welt kommen sollten, sondern auch auf den Weg hierzu verweisen und für eine mögliche Veränderung arbeiten müssen. Eine Deutung ohne den Wunsch nach Veränderung ist nutzlos. Eine Veränderung ohne vorausgehende Deutung ist blind.

Ich glaube, daß die Verwirklichung einer Welt möglich ist, in der der Mensch viel sein kann, selbst wenn er wenig hat; in der der vorherrschende Beweggrund seines Lebens nicht das Konsumieren ist; in der der Mensch das erste und das letzte Ziel ist; in der der Mensch den Weg finden kann, seinem Leben einen Sinn zu geben, und die Stärke, frei und illusionslos zu leben.

*

Dieses Glaubens-Bekenntnis von Erich Fromm wurde dem Buch 'Humanismus als reale Utopie - Der Glaube an den Menschen' (1992) mit freundlicher Genehmigung des Beltz-Verlages, Weinheim und des Literary Estate of Erich-Fromm, Tübingen, entnommen. 1996 ist das Buch bei Heyne als Taschenbuch-Ausgabe erschienen.

Quelle: http://www.humanistische-aktion.homepage.t-online.de/credo.htm

GnomInc
07.01.2010, 11:05
Nun , wir können ja die Welt aufteilen .

Die Gedankenschwurbler und Gutmenschen bringen wir mit ihren von ihnen
so erkannten " Brüdern " ; Unterdrückten und Diskrimierten ( selbstredend mit deren gesamten Familien ) zusammen gemeinsam örtlich unter .

Die anderen -solche Neutronen-Bomben-Fans wie mich ,die deklarierten
" Rassisten " ; " Nazis " und anderen als "intolerant" deklarierten Typen
lassen wir gemeinsam woanders zusammen haussen.

Da würden sich nach einiger Zeit doch wohl Entwicklungen erkennen lassen ?:))

Apotheos
07.01.2010, 11:16
Die Gedankenschwurbler und Gutmenschen bringen wir mit ihren von ihnen
so erkannten " Brüdern " ; Unterdrückten und Diskrimierten ( selbstredend mit deren gesamten Familien ) zusammen gemeinsam örtlich unter .


Wie schön, dass die Welt so einfach ist. :rolleyes:

GnomInc
07.01.2010, 11:17
Wie schön, dass die Welt so einfach ist. :rolleyes:

Ja- es gibt genügend Transportmittel.

Apotheos
07.01.2010, 11:20
Ja- es gibt genügend Transportmittel.

Nun, was findest du denn schlecht oder gut oder kritikwürdig an dem Text, wenn du schon zu solchen Schlussfolgerungen kommst, dann musst du ja eine fundierte Meinung dazu haben.

GnomInc
07.01.2010, 11:29
Nun, was findest du denn schlecht oder gut oder kritikwürdig an dem Text, wenn du schon zu solchen Schlussfolgerungen kommst, dann musst du ja eine fundierte Meinung dazu haben.

Ja.

Und zwar , das es sich über solches Auskotzen im Stil " Ich glaube..." nicht lohnt,
nachzudenken.

Die Welt lässt sich samt aller Gesellschaften auf wenige, sogar leicht erkennbare
Wahrheiten zurückführen.

Man beantworte sich Fragen wie :

" Ciu bono ? "
" Wieviele Divisionen hat der Papst ?"
" Hat Papiergeld einen inhärenten Wert ? "
" Wie moralisch sind Bank/ Börsen -Geschäfte ? "

und schon löst sich mancher Nebel auf.
Ganz ohne Lichterketten.......

Apotheos
07.01.2010, 11:35
Ja.

Und zwar , das es sich über solches Auskotzen im Stil " Ich glaube..." nicht lohnt,
nachzudenken.

Die Welt lässt sich samt aller Gesellschaften auf wenige, sogar leicht erkennbare
Wahrheiten zurückführen.

Man beantworte sich Fragen wie :

" Ciu bono ? "
" Wieviele Divisionen hat der Papst ?"
" Hat Papiergeld einen inhärenten Wert ? "
" Wie moralisch sind Bank/ Börsen -Geschäfte ? "

und schon löst sich mancher Nebel auf.
Ganz ohne Lichterketten.......

Ich finde nicht, dass man die Welt so einfach beschreiben kann. Die vielen Philosophen, Wissenschaftler und Künstler hätten dem wohl auch widersprochen. Weshalb lohnt es sich nicht über ein Bekenntnis ( diese Schrift ist ja keine wissenschaftliche Abhandlung ) im Stile von "ich glaube" nachzudenken? Weshalb sollte es schlecht sein etwas zu glauben? Ich erkenne nichts negatives daran ;) Hoffnung und Glaube ist menschlich. Den Menschen als ein statisches Produkt irgend einer fertigen Evolution zu betrachten ist schlicht und ergreifend falsch. Mensch-Sein heißt auch immer das ewig mögliche in jeden Augenblick zu bringen, nicht stehen zu bleiben, sondern weiterzugehen und vorallem: nach vorne blicken.

GnomInc
07.01.2010, 11:48
Den Menschen als ein statisches Produkt irgend einer fertigen Evolution zu betrachten ist schlicht und ergreifend falsch.

Das habe ich nicht behauptet.

Ungeachtet dessen folgt der rezente Mensch immer noch der evolutionären Entwicklung, was sich leicht nachweisen lässt zB. anhand von Körpergrösse.
Das ist die biologische /genetische Linie in der Physiologie.
Und sie ist zugleich ein Korsett der psychischen Ausgangskonstellation des
einzelnen Menschen .

Und innerhalb der psychischen Generierung von Menschen ist eine gewaltige
Bandbreite möglich.
Sinnigerweise werden auch hier bestimmte Typen überlebensfähiger sein ,
als andere - auch hier greift der Auswahlcharakter der Evolution.

Leider wird letzteres durch die blosse Existenz von WMD konterkariert.
Und das wird nicht durch Lichterketten und Geblöke genullt.
Auch nicht durch schönverfasste " Humanophilen" - Ergüsse.

Apotheos
07.01.2010, 12:48
Das habe ich nicht behauptet.

Ungeachtet dessen folgt der rezente Mensch immer noch der evolutionären Entwicklung, was sich leicht nachweisen lässt zB. anhand von Körpergrösse.
Das ist die biologische /genetische Linie in der Physiologie.
Und sie ist zugleich ein Korsett der psychischen Ausgangskonstellation des
einzelnen Menschen .

Und innerhalb der psychischen Generierung von Menschen ist eine gewaltige
Bandbreite möglich.
Sinnigerweise werden auch hier bestimmte Typen überlebensfähiger sein ,
als andere - auch hier greift der Auswahlcharakter der Evolution.

Leider wird letzteres durch die blosse Existenz von WMD konterkariert.
Und das wird nicht durch Lichterketten und Geblöke genullt.
Auch nicht durch schönverfasste " Humanophilen" - Ergüsse.

Weil ich den Beitrag so gut fand, zitiere ich hier den hochachtungswürdigen Waldgänger.


Es gibt keinen „reinen Menschen“ jenseits der Kultur. Es gibt überhaupt keinen Dualismus von Kultur vs. Natur, weil der Mensch, sobald er ein Bewusstsein ausprägt, welches Ergebnis sozialer Kontakte ist, immer bereits Kulturwesen ist. Er wirkt damit, ob er dies bewusst tut, oder nicht, gestaltend auf seine Mitwelt ein, formt die Natur nach seiner Vorstellung um, sogleich er weiterhin Teil derselben bleibt, und sie gleichzeitig in sich einschließt, um sie zu transzendieren.

Barbarische und brutale Zustände herrschen nur dort, wo die Grundbedürfnisse des Überlebens nicht befriedigt werden können. Anderenfalls ist der Mensch immer in einem kulturellen Umfeld eingebettet, und kann ohne dieses nicht existieren, er wäre nicht Mensch. Anthropologisch betrachtet, ist die Debatte um die „menschliche Natur“ eine scholastische, weil sie bereits von einer nicht-existenten, abstrakten Naturvorstellung und einem nicht-existenten Dualismus zwischen Natur und Kultur ausgeht. Eine „Natur des Menschen“ ohne Betrachtung seiner sozialen Prägung und ohne kulturelles Umfeld, gibt es nicht. Je nach Situation und Kontext, handelt der Mensch anders.

Durch deine Argumente hast du den Humanismus nicht im geringsten diskreditiert. Solidarität, Hilfsbereitschaft und Liebe sind im Menschen ebenso angelegt, wie Egoismus und ähnlich negative Verhaltensmöglichkeiten. Innerhalb seiner Gesellschafts- und Naturzwänge besitzt der Mensch Freiheitsgrade an Gestaltungspotential, die sich jeden Augenblick dadurch ausformen, sobald der Mensch seine Umwelt gestaltet ( Kulturwesen dadurch wird ) wahr nimmt, begreift und verstehen lernt. Er kann sich reorganisieren, entwickelt sich selbst weiter und treibt seine eigene Evolution voran qua bewusster Lebensaktivität. Der Mensch befreit sich schon dort grundsätzlich vom Nebel der unverständlichen Evolution, wo er sie verstehen lernt. Dazu ist die Kunst da, dazu ist Wissenschaft da.

Waldgänger
07.01.2010, 20:22
Erich Fromm - bis heute einer der größten Denker und Verteidiger der Menschlichkeit. In seinen Werken wirkt eine Weisheit, die direkt in die Seele trifft, jedenfalls sofern man noch nicht völlig abgestumpft und vom Leben entfremdet ist. Seine Vision einer menschlichen und befreiten Gesellschaft sollte allen, welche die Notwendigkeit der Weltveränderung erkennen, Orientierung sein.

Humer
07.01.2010, 20:25
Der Text von Erich Fromm passt leider nicht mehr in die heutige Zeit, nicht weil er überholt wäre, sondern weil er über die Tagespolitik hinausweist und weil er so ungebrochen optimistisch ist. Gerade deshalb finde ich es gut, dass Apotheos ihn hier eingestellt hat. Die oft sehr fragwürdige Wertedebatte mit ihrem Hochgesang auf die Kasernenhoftugenden, könnte so sehr bereichert werden. Alleine an der Tatsache, dass Liebe ein zentrales Thema ist über das er völlig selbstverständlich schreibt, merke ich, dass es heute keiner mehr riskieren würde, sich so auszudrücken.

Waldgänger
07.01.2010, 20:28
Werter Humer, deshalb liegt es ja an uns, den Wärmestrom des Prinzip Hoffnung (Bloch) hochzuhalten. ;)

GnomInc
07.01.2010, 21:04
Werter Humer, deshalb liegt es ja an uns, den Wärmestrom des Prinzip Hoffnung (Bloch) hochzuhalten. ;)

Werter Waldgänger , die Menschen , welche deinem bevorzugtem Menschenbild entsprechen und diese hehren Prinzipien auch verfolgen , musst du dir mit dem Mikroskop suchen.

Der Versuch der stalinistischen Fraktion , die " Entwickelte sozialistiche Persönlichkeit " zu erziehen , schlug bekanntlich fehl.

Überdies werden selbst die wenigen Menschen , welche voll idealistisch sich einzubringen versuchen spätestens dann korrumpiert , wenn ihnen Macht zuwächst ...oder aber sie werden entmachtet bzw. oft sogar vernichtet.

Hier helfen Proklamationen nicht weiter .
Nicht einmal , wenn man für gegenteilige Ansichten " Rote " vergibt.:cool2:

Waldgänger
07.01.2010, 21:28
Es geht nicht darum, den „Neuen Menschen“ zu schaffen, wie es viele der revolutionären Linken vorwerfen. Das wäre nur der Versuch, ein altes Korsett gegen ein neues auszutauschen. Es geht um einen „Verein freier Menschen“ (Marx), in welchem der Mensch so agieren kann, dass seine Fähigkeiten und Bedürfnisse zur freien Entfaltung kommen können.

Die grundlegenden sozialen und kulturellen Bedürfnisse jedes Menschen - eine erfüllte Sexualität und ein Leben in ausreichenden Wohlstand einmal ausgenommen - sind:

- Anerkennung seines Tuns und Seins (das vermittelt ihn einen indivduellen Lebenssinn).
- Selbst- und Welterkenntnis betreiben zu können.
- Die Entfaltung und Weiterentwicklung seiner Fähigkeiten.

Daraus geht alles hervor. Eine Verrohung der Bedürfnisse und des menschlichen Zusammenlebens entsteht einzig dort, wo diese Grundbedürfnisse nicht gedeckt werden können, oder systematisch unterdrückt werden.

Ziel des Sozialismus des 21. Jahrhunderts ist es, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ So dass „der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei.“ (Marx)

Und das ist bekanntermaßen ebenso die Vision des Humanismus.

Skorpion968
07.01.2010, 22:00
Das habe ich nicht behauptet.

Ungeachtet dessen folgt der rezente Mensch immer noch der evolutionären Entwicklung, was sich leicht nachweisen lässt zB. anhand von Körpergrösse.
Das ist die biologische /genetische Linie in der Physiologie.
Und sie ist zugleich ein Korsett der psychischen Ausgangskonstellation des
einzelnen Menschen .

Weißt du, Leute, die meinen, sie könnten alle Menschen über einen Kamm scheren und auf simple Mechanismen reduzieren, sind suspekt.
Es gibt da meistens zwei Möglichkeiten:
1. Entweder sie meinen von solchen Reduktionen selbst zu profitieren.
2. Oder sie sind zu faul und/oder zu dumm zum differenzierten Denken. Da muss es dann die ganz einfachen Weisheiten geben. Und das Evolutionsgebrabbel liefert die frei Haus.

GnomInc
07.01.2010, 22:06
. Und das Evolutionsgebrabbel liefert die frei Haus.

Evolution bei Quallen , bei Menschen und sogar im galaktischen Masstab läuft
mit oder ohne Bekenntnis dazu.

Das können natürlich die Anhänger diverser Interessen gern verleugnen -
Widerlegung ist bisher keinem gelungen.

Skorpion968
07.01.2010, 22:29
Das können natürlich die Anhänger diverser Interessen gern verleugnen -
Widerlegung ist bisher keinem gelungen.

Das sagten Leute vor Jahrhunderten schon, die glaubten, die Sonne drehe sich um eine Scheibe.

GnomInc
07.01.2010, 22:35
Das sagten Leute vor Jahrhunderten schon, die glaubten, die Sonne drehe sich um eine Scheibe.


Og. ist nur eine schwache Ablenkung.:cool2:

Nun , der Wissenschaftlichkeitsanspruch , den die sog. Linken monstranzartig vor sich hertragen.
hat zu nichts anderem geführt , als zu den umfangreichsten Massenschlächtereien
der bekannten Geschichte.

Aber bitte - wer selbstmörderisch genug ist , kann dem weiterhin anhängen...

Skorpion968
07.01.2010, 22:40
Og. ist nur eine schwache Ablenkung.:cool2:

Nun , der Wissenschaftlichkeitsanspruch , den die sog. Linken monstranzartig vor sich hertragen.
hat zu nichts anderem geführt , als zu den umfangreichsten Massenschlächtereien
der bekannten Geschichte.

Das ist
1. falsch und hat
2. nichts mit deinem Evolutionsgebrabbel zu tun.

GnomInc
07.01.2010, 22:49
Das ist
1. falsch und hat
2. nichts mit deinem Evolutionsgebrabbel zu tun.

Das behauptest du !

Meinst du ich bemerke nicht , welche Kunstgriffe du anwenden möchtest , um
hier die Oberluft zu erhalten ?
Dir gehts doch nicht um die Realität menschlich/gesellschaftlicher Verhaltensweisen -

Du willst deine Denke bestätigt bekommen .....

Leila
07.01.2010, 23:28
Selbst in Foren, wo viele sachkundige Leute schreiben (z.B. über Photographie), stellte sich schon bald heraus, daß sich mannigfaltige Beiträge nicht erschöpfend besprechen lassen. Ein Forum ist dazu von der Struktur her ungeeignet. Am besten greift man einen Punkt heraus und bespricht diesen. Hier könnte man etwa über den Sinn der Glaubensbekenntnisse sprechen oder über den Glauben. Dazu gibt es aber Religionsforen.

Commodus
08.01.2010, 04:10
Og. ist nur eine schwache Ablenkung.:cool2:

Nun , der Wissenschaftlichkeitsanspruch , den die sog. Linken monstranzartig vor sich hertragen.
hat zu nichts anderem geführt , als zu den umfangreichsten Massenschlächtereien
der bekannten Geschichte.

Aber bitte - wer selbstmörderisch genug ist , kann dem weiterhin anhängen...

Richtig! Und wir stehen abermals vor so einer Schwelle. Diese Phantasten werden es nie lernen.

Apotheos
08.01.2010, 08:32
Selbst in Foren, wo viele sachkundige Leute schreiben (z.B. über Photographie), stellte sich schon bald heraus, daß sich mannigfaltige Beiträge nicht erschöpfend besprechen lassen. Ein Forum ist dazu von der Struktur her ungeeignet. Am besten greift man einen Punkt heraus und bespricht diesen. Hier könnte man etwa über den Sinn der Glaubensbekenntnisse sprechen oder über den Glauben. Dazu gibt es aber Religionsforen.

Mir ging es darum den Text zu veröffentlichen, weil ich glaube, dass er diverse Leute inspirieren und interessieren könnte. Mich hat Fromm immer aufgemuntert und er war und ist ein beständiges Licht auf meinem Weg. Eine Diskussion erschien mir hier nicht als notwendig - im grunde spricht der Text für sich.

Apotheos
08.01.2010, 08:34
Richtig! Und wir stehen abermals vor so einer Schwelle. Diese Phantasten werden es nie lernen.

Liebe, Hilfsbereitschaft und Solidarität. Das hat nichts mit Utopie zu tun oder mit Phantast-Sein, sondern das ist und war immer Bestandteil des menschlichen Lebens. Zwar wollen das die pessimistischen Schwarzmaler der Geschichte und Egoisten ungern zugeben, aber das ist nunmal ein Fakt. Da dies ein Faktum ist, knüpft der Humanismus nicht an einer reinen Unmöglichkeit an, sondern er ist beständige Möglichkeit als konkrete Utopie. Dass was in Ansätzen bereits besteht und positiv ist voranzutreiben und jene Verhältnisse zu überwinden, die dem im Wege stehen, ist der Weg, den der Humanist gehen muss.

Humer
10.01.2010, 12:54
Liebe, Hilfsbereitschaft und Solidarität. Das hat nichts mit Utopie zu tun oder mit Phantast-Sein, sondern das ist und war immer Bestandteil des menschlichen Lebens. Zwar wollen das die pessimistischen Schwarzmaler der Geschichte und Egoisten ungern zugeben, aber das ist nunmal ein Fakt. Da dies ein Faktum ist, knüpft der Humanismus nicht an einer reinen Unmöglichkeit an, sondern er ist beständige Möglichkeit als konkrete Utopie. Dass was in Ansätzen bereits besteht und positiv ist voranzutreiben und jene Verhältnisse zu überwinden, die dem im Wege stehen, ist der Weg, den der Humanist gehen muss.

Das Menschenbild der Konservativen und der Rechten ist düster und negativ, das Menschenbild von Humanisten ist positiv und betont die Entwicklungsfähigkeit.
Wer möchte, findet für beide Thesen ausreichend Belege.
Negative Vorannahmen rechtfertigen Dikaturen und Unterdrückung, daher lehne ich sie ab. Das ist wie in der Pädagogik, negative Einstellungen führen zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

König
15.01.2010, 18:41
Das Menschenbild der Konservativen und der Rechten ist düster und negativ, das Menschenbild von Humanisten ist positiv und betont die Entwicklungsfähigkeit.
Wer möchte, findet für beide Thesen ausreichend Belege.
Negative Vorannahmen rechtfertigen Dikaturen und Unterdrückung, daher lehne ich sie ab. Das ist wie in der Pädagogik, negative Einstellungen führen zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

Ein kluger Kopf wie Du sollte diese allzu simplifizierenden Schwarz(Rechts)-Weiß(Links)-Zuschreibungen endlich unterlassen, auch wenn die Forenbeiträge der meisten Diskussionsteilnehmer Deinen Eindruck ab und an verstärken mögen.
Die Konsensmeinung jeder konservativen "Ideologie"* besagt doch gerade, daß sich der Mensch in einer ständigen Entwicklung befinde und seine Geschichte also immer weitergeschrieben werde.
*"Unideologisch" oder "ideologiefrei" nennen sich die Konservativen daher meist, weil ihrer Ansicht nach die mutmaßlich "wirklichen" Ideologien (in erster Linie Liberalismus und Sozialismus) es sind, die den Menschen in ihr enges Muster einer verqueren Dogmatik zerren, die in einem scheinbar paradiesischen Seelenheil ihren Endzustand erreichen solle, und somit seine ewigwährende Entwicklungsfähigkeit infrage stellen wollten. Damit sind die Konservativen ihrer eigenen Diktion nach die einzigen Verfechter des Wahren, Guten und Schönen; die anderen hingegen sind die Reiter der Apokalypse, verkleidet als Jesus und Baal in einem, die etwas anderes unter dem Wahren, Guten und Schönen verstehen, was deswegen eigentlich nur das Falsche, Schlechte und Häßliche sein könne.
Im Übrigen bezeichnen manche Konservative sich selbst auch als Humanisten. Genauso wie die Linken erheben sie den Anspruch, die besten Kräfte im Menschen zu wecken und seine destruktiven Elemente möglichst zu disziplinieren. Was diese betrifft, mögen Linke und Rechte unterschiedliche, oft diametral entgegengesetzte Vorstellungen haben.
Daß es sowohl linke Diktatoren als auch rechte Demokraten gegeben hat und immer noch gibt, brauchte ich Dir nicht zu schreiben - habe ich aber hiermit. Daß negative Vorannahmen (Entstehung von Chaos oder Bürgerkriegen) Demokratien rechtfertigen, dürfte auch klar sein, weil in der Zurückhaltung des Negativen das Positive besteht.

Ich gehe in der Kneipe Bayern gucken. Schönen Abend noch!

Apotheos
15.01.2010, 19:51
Ein kluger Kopf wie Du sollte diese allzu simplifizierenden Schwarz(Rechts)-Weiß(Links)-Zuschreibungen endlich unterlassen, auch wenn die Forenbeiträge der meisten Diskussionsteilnehmer Deinen Eindruck ab und an verstärken mögen.
Die Konsensmeinung jeder konservativen "Ideologie"* besagt doch gerade, daß sich der Mensch in einer ständigen Entwicklung befinde und seine Geschichte also immer weitergeschrieben werde.
*"Unideologisch" oder "ideologiefrei" nennen sich die Konservativen daher meist, weil ihrer Ansicht nach die mutmaßlich "wirklichen" Ideologien (in erster Linie Liberalismus und Sozialismus) es sind, die den Menschen in ihr enges Muster einer verqueren Dogmatik zerren, die in einem scheinbar paradiesischen Seelenheil ihren Endzustand erreichen solle, und somit seine ewigwährende Entwicklungsfähigkeit infrage stellen wollten. Damit sind die Konservativen ihrer eigenen Diktion nach die einzigen Verfechter des Wahren, Guten und Schönen; die anderen hingegen sind die Reiter der Apokalypse, verkleidet als Jesus und Baal in einem, die etwas anderes unter dem Wahren, Guten und Schönen verstehen, was deswegen eigentlich nur das Falsche, Schlechte und Häßliche sein könne.
Im Übrigen bezeichnen manche Konservative sich selbst auch als Humanisten. Genauso wie die Linken erheben sie den Anspruch, die besten Kräfte im Menschen zu wecken und seine destruktiven Elemente möglichst zu disziplinieren. Was diese betrifft, mögen Linke und Rechte unterschiedliche, oft diametral entgegengesetzte Vorstellungen haben.
Daß es sowohl linke Diktatoren als auch rechte Demokraten gegeben hat und immer noch gibt, brauchte ich Dir nicht zu schreiben - habe ich aber hiermit. Daß negative Vorannahmen (Entstehung von Chaos oder Bürgerkriegen) Demokratien rechtfertigen, dürfte auch klar sein, weil in der Zurückhaltung des Negativen das Positive besteht.

Ich gehe in der Kneipe Bayern gucken. Schönen Abend noch!

Kannst du auch sagen was genau am Marxismus ideologisch ist? Eigentlich ist es sogar so, dass Ideologiekritik zentraler Inhalt der marxistischen Theorie & Praxis ist.

Waldgänger
16.01.2010, 17:39
Ich glaube, er definiert Ideologie im Sinne einer Weltanschauung. Wertfrei. Nicht wie der Marxismus es tut, nämlich als falsches Bewusstsein über die wirklichen Vorgänge.

Unterschiedliches Vokabular.

König
16.01.2010, 21:41
Jenaust'ns. Ich persönlich bevorzuge den wertneutralen Ideologie-Begriff, für den man auch das Wort Weltanschauung benutzen kann.
Für Karl Marx aber ist die Ideologie nicht nur ein Ideenkatalog, der sich zu einem Weltbild formiert, sondern ein „Gebäude, das zur Verschleierung und damit zur Rechtfertigung der eigentlichen Machtverhältnisse dient“ (laut Wikipedia.de).
Der konservative Ideologie-Begriff ist meiner Ansicht nach wiederum ein andersgestrickter, was ich im letzten Beitrag deutlich zu machen versuchte: Ideologie ist hier gleichzusetzen mit einer Ansammlung vieler kleiner politischer Dogmen, die sich zu einem großen Dogma zusammenballen. Dies vertritt einen Wahrheits- und Seelenheilsanspruch, dem es selbst nicht gerecht werden kann; auf dem Weg zum anvisierten Paradies ignoriert es die Gegebenheiten des Menschen und der Gesellschaft oder muß diese zu manipulieren versuchen, und am Ende steht das Chaos und die Katastrophe oder wenigstens ein nicht wünschenswerter Zustand. Ideologien sind hier also theoretische Gebilde, die sich langfristig selbst täuschen, sich etwas vormachen müssen, um ihre Wahrheitsvorstellung gegenüber der Wirklichkeit erhalten zu können - bis es peng! macht, die Ideologie sich selbst ad absurdum führt und allen ein Licht aufgeht außer den Ideologen natürlich, die sich vor dem Licht der wahren Wahrheit verstecken und in ihrer dunklen Höhle weiter ihrer Ideologie nacheifern, um eine neue Saat der Täuschung in der Welt zu verbreiten, die sich der Erkenntnis des Richtigen, Wahren, Schönen und Guten in den Weg stellt.
So in etwa werden der Marxismus selbst und übrigens auch der Liberalismus sowie alle anderen "Ideologien" (hier nicht wertneutral) von Konservativen bewertet.

Der Österreicher
16.01.2010, 22:04
Erich Fromm - bis heute einer der größten Denker und Verteidiger der Menschlichkeit. In seinen Werken wirkt eine Weisheit, die direkt in die Seele trifft, jedenfalls sofern man noch nicht völlig abgestumpft und vom Leben entfremdet ist. Seine Vision einer menschlichen und befreiten Gesellschaft sollte allen, welche die Notwendigkeit der Weltveränderung erkennen, Orientierung sein.

Schön formuliert. Ich lese gerade "Die Seele des Menschen" von Fromm, nachdem mich seine Werke "Haben oder Sein" und "Auswege aus einer kranken Gesellschaft" begeistert haben. Erich Fromm ist einer der größten Philosophen der Menschheitsgeschichte. Für die persönliche Entwicklung eines Individum sind seine Werke sehr förderlich, ich hab es an mir selbst erlebt.

Leo Navis
07.02.2010, 09:53
Ein weiser Mann, der Herr Erich Fromm. Ich las schon seine 'Anatomie der menschlichen Destruktivität' (falls das derselbe war), einfach großartig.

Zu seinem Bekenntnis sei gesagt; wunderschön. Doch die ersten paar Punkte sind richtig und falsch zugleich.


Ich glaube, daß sich die Einheit des Menschen aus der Tatsache ergibt, daß der Mensch ein sich seiner selbst bewußtes Lebewesen ist. Darin unterscheidet er sich von anderen Lebewesen. Der Mensch ist sich seiner selbst bewußt: seiner Zukunft (das heißt der Tasache, daß er sterben muß), seiner Kleinheit und seiner Ohnmacht; er nimmt die anderen als andere wahr; er lebt in der Natur und ist ihren Gesetzen unterworfen, auch wenn er sie mit seinem Denken übersteigt.
Auch andere Lebewesen sind sich selbst bewusst. Schimpansen, Bonobos, Elefanten, Hunde, sie alle haben ein Bewusstsein. Der Mensch übersteigt die Natur nicht mit seinem Denken, sondern ist gerade in seinem Denken in der Natur 'gefangen', weil er ein Teil der Natur ist.


Ich glaube, daß der Mensch das Ergebnis einer natürlichen Evolution ist, die aus dem Konflikt entspringt, daß er in der Natur gefangen und gleichzeitig von ihr getrennt ist, und aus dem Bedürfnis, Einheit und Harmonie mit der Natur zu finden.
Der Mensch ist nicht getrennt von der Natur, das bildet er sich nur ein, wie die Ameise ihren Haufen für die Welt hält und sich getrennt vom restlichen Spektakel sieht.


Ich glaube, daß die Natur des Menschen in einem Widerspruch zu fassen ist, der in den Bedingungen der menschlichen Existenz wurzelt und eine Suche nach Lösungen notwendig macht, die ihrerseits neue Widersprüche und das Bedürfnis nach neuen Antworten erzeugen.
Das ist korrekt; und sehr, sehr wahr.

:)

Nachher mehr; muss los.

kotzfisch
07.02.2010, 10:08
Er war
Psychoanalytiker und als solcher stark Denkbehindert.

Leo Navis
07.02.2010, 11:29
Ich glaube, daß jede Antwort, die auf diese Widersprüche gegeben wird, die Voraussetzung erfüllt und dem Menschen hilft, sein Gefühl des Abgetrenntseins zu überwinden und ein Gespür der Zustimmung, der Einheit und der Zugehörigkeit zu erlangen.
Das ist sehr naiv und ignoriert das Wesen des Menschen; es ist eine große Stärke des Menschen, dass er sich selbst als abgetrennt erlebt vom Rest der Menschheit. Die Evolution hat das nicht umsonst so eingerichtet; dass es verschwinden wird ist äußerst fraglich.


Ich glaube, daß der Mensch grundsätzlich die Wahl hat zwischen Leben und Tod, zwischen Kreativität und destruktiver Gewalt, zwischen Wirklichkeitssinn und Illusion, zwischen Objektivität und Intoleranz, zwischen brüderlicher Unabhängigkeit und einer Bezogenheit auf Grund von Über- und Unterordnung.
Der Mensch hat keine Wahl. Er handelt nach seinen Erbanlagen und seiner Erziehung. Er handelt so, wie die Umwelt es ihm vorgibt.

Fromm glaubt an den freien Willen. Das ist zwar nicht außergewöhnlich, aber naiv.


Ich glaube, daß der Mensch, der sich für das Vorwärtsgehen entscheidet, eine neue Einheit finden kann, indem er alle seine menschliche Kräfte zur vollen Entfaltung bringt. Diese können sich in drei Weisen entfalten und allein oder im Verbund in Erscheinung treten: in der Biophilie, in der Liebe zur Menschheit und zur Natur und in Unabhängigkeit und Freiheit.
Das ist möglich; doch übersieht Fromm völlig, dass es ohne Nekro- keine Biophilie, ohne Destruktivität keine Konstruktivität gibt und geben kann; der Gegensatz erst schafft beides.


Ich glaube, daß die Wahlfreiheit nicht für alle Menschen in jedem Augenblick in gleicher Weise gegeben ist. Wer ausschließlich nekrophil, narzißtisch oder symbiotisch-inzestiös orientiert ist, hat nur die "Wahl", sich regressiv zu entscheiden. Der freie Mensch, der von irrationalen Bindungen befreit ist, kann keine regressive Wahl mehr treffen.
Tatsächlich kann der Mensch, wie schon beschrieben, sich überhaupt nicht entscheiden. Alles läuft nach einem determinierten System ab. Könnten wir den Menschen in seiner Gänze erforschen und wüssten wir alles über ihn und seine Umwelt, so könnten wir voraussagen, was er als nächstes tut; wir könnten sogar seinen Todestag voraussagen. Der Mensch verhält sich nie irrational, sondern hat immer einen Grund für seine Taten.


Ich glaube, daß die Verwirklichung einer Welt möglich ist, in der der Mensch viel sein kann, selbst wenn er wenig hat; in der der vorherrschende Beweggrund seines Lebens nicht das Konsumieren ist; in der der Mensch das erste und das letzte Ziel ist; in der der Mensch den Weg finden kann, seinem Leben einen Sinn zu geben, und die Stärke, frei und illusionslos zu leben.
Er ist und bleibt ein Utopist. Eigentlich müsste er die Menschen besser kennen.

Gruß,
Leo

Leo Navis
07.02.2010, 11:35
Er war
Lies mal die 'Anatomie der menschlichen Destruktivität' oder die 'Kunst des Liebens'. Der Kerl hatte richtig was drauf.

kotzfisch
07.02.2010, 12:45
Quatsch, kenne ich alles.
Psychoanalytisches Geschwafel.

Leo Navis
07.02.2010, 12:47
Quatsch, kenne ich alles.
Psychoanalytisches Geschwafel.
Mit Dir ist wohl nicht zu reden?

:)

kotzfisch
07.02.2010, 12:53
Psychoanalyse ist ein unwissenschaftlicher, nicht falsifizierbarer Unsinn, der natürlich über die schriftstellerischen Qualitätten von Erich Fromm keine Auskunft gibt.

Er schrieb brilliant und zog über Himmler,Hitler und Stalin von falschen Prämissen ausgehend die richtigen Schlüsse.

Brilliant,zweifellos.

Mit wissenschaftlicher Psychiatrie hatte er jedoch nichts zu tun.

kotzfisch
07.02.2010, 12:55
Erich Fromm schrieb brilliant über Himmler,Hitler und Stalin gerade in dem von Dir genannten Buch.Kein Zweifel.

Die PA ist nicht falsifizierbarer Unsinn-dagegen,gegen seine
Denkschule also wehre ich mich.

Leo Navis
07.02.2010, 12:57
Psychoanalyse ist ein unwissenschaftlicher, nicht falsifizierbarer Unsinn, der natürlich über die schriftstellerischen Qualitätten von Erich Fromm keine Auskunft gibt.

Er schrieb brilliant und zog über Himmler,Hitler und Stalin von falschen Prämissen ausgehend die richtigen Schlüsse.

Brilliant,zweifellos.

Mit wissenschaftlicher Psychiatrie hatte er jedoch nichts zu tun.
Das ist doch schon mal etwas mehr.

Durchaus hat das viel mit Wissenschaft zu tun. In der Anatomie der menschlichen Destruktivität beispielsweise untersucht er, inwiefern Gesellschaften aggressiv oder friedlich waren und schließt von da aus auf die Gewalttätigkeit des Menschen als ganzes. Er bleibt dabei ein normaler Mensch; soll heißen, er erkennt nicht, dass die Gegensätze von Gewalt und Friedfertigkeit ohne einander gar nicht existieren könnten, und dass es immer wieder Krieg geben wird, solange es Frieden gibt, oder der Frieden verliert seinen Wert.

Natürlich, mit wissenschaftlicher Psychiatrie hat das nicht viel zu tun. Da geht's eher um Stoffwechselvorgänge des Gehirns, nicht um eine psychologische Betrachtung des ganzen. Allerdings haben das bis heute die wenigsten Psychiater erkannt. Das kann man ihm also kaum ankreiden.

:)

Leo Navis
07.02.2010, 12:58
Erich Fromm schrieb brilliant über Himmler,Hitler und Stalin gerade in dem von Dir genannten Buch.Kein Zweifel.

Die PA ist nicht falsifizierbarer Unsinn-dagegen,gegen seine
Denkschule also wehre ich mich.
Das verstehe ich. Ich folge da ganz Paul Churchland; die Alltagspsychologie bringt überhaupt nichts. Medikamente, die bringen was.

kotzfisch
07.02.2010, 13:50
Wir verstehen uns-Fromms Schlußfolgerungen und Analysen gerade in seinem Standardwerk sind ja nicht deswegen falsch,weil er PA orientiert war.Nein, ganz und gar nicht.

Ich habe das Buch seit den 70ern sicher 5 mal gelesen.

kotzfisch
07.02.2010, 14:45
Also nicht Fromms Wer wollte ich angreifen,sondern das ideologische Wahngebäude PA.Ich hatte mich ganz offensichtlich ungeschickt geäußert.

Apotheos
07.02.2010, 15:04
Das verstehe ich. Ich folge da ganz Paul Churchland; die Alltagspsychologie bringt überhaupt nichts. Medikamente, die bringen was.

Sehe ich anders. Bei manchen 'Psychosen' mag es stimmen, dass Psychoanalyse nichts bringt, da ihre Komplexität kaum noch auflösbar ist. Aber auch die Psyche ist kein weltfernes Ding, unbestimmbar und unbeschrieben, sondern eben schon beschrieben, schon bestimmt und damit auch erkenn- und erklärbar, veränderbar dadurch. Nicht zur Gänze, denn dafür müsste man jedes Hirn in seiner Einzigartigkeit begriffen haben - was nicht geht - aber teilweise. Ich halte mich da an Jung. Psychoanalyse ist ein Prozess der Selbsterkenntnis, im modernen Sinne also das, was die Stoiker wollten ( Gnothi Seauton - Erkenne dich selbst ), mit dem Ziel der Individuation, Harmonisierung des Inneren und Entfaltung des eigenen Ichs.

Daran ist überhaupt nichts unwissenschaftlich.

Apotheos
07.02.2010, 15:07
Wir verstehen uns-Fromms Schlußfolgerungen und Analysen gerade in seinem Standardwerk sind ja nicht deswegen falsch,weil er PA orientiert war.Nein, ganz und gar nicht.

Ich habe das Buch seit den 70ern sicher 5 mal gelesen.

Man kann ein Buch auch 20 mal lesen und dennoch falsch verstehen. Wenn du dich damit so gut auskennst, kannst du ja einen Thread eröffnen und bestimmte Textstellen zitieren und versuchen zu widerlegen, damit klarer wird, was du meinst. Weil sagen, dass dieser oder jener sich irrte, kann ja jeder. Besonders leicht ist das, wenn bestimmte Ansichten eines Fromms, nicht mit der persönlichen Weltsicht ( speziell der politischen ) zusammenpassen. Schon klar :rolleyes: Außerdem ist Wissenschaft gar nicht dazu da, dass einzelne Personen alleinig alles sofort belegen, sondern ein fortwährender Erkenntnis- und Begreifungsprozess. Daher müssen bestimmte Dinge auch nicht sofortig belegt werden. Und manches liegt sogar auf der Hand. Etwa, dass man eine Psyche analysieren kann, weil sie ein Objekt der naturgesetzlichen Wirklichkeit ist ( eben geistiger Bestandteil von Materie ) und deswegen auch dadurch verändert werden kann, so, wie die Naturgesetze in der Technik dienbar gemacht werden können, dadurch, dass man sie versteht. :)

Apotheos
07.02.2010, 15:13
Also nicht Fromms Wer wollte ich angreifen,sondern das ideologische Wahngebäude PA.Ich hatte mich ganz offensichtlich ungeschickt geäußert.

Was genau ist an der Psychoanalyse wahnhaft? Du kannst ja gerne wissenschaftlich die PA widerlegen, wenn du so verflixt mehr über Psychologie weißt, als die Psychologen selbst. :]

Apotheos
07.02.2010, 15:19
Quatsch, kenne ich alles.
Psychoanalytisches Geschwafel.

Ich erkenne nur, dass du bisher nur geschwafelt hast, ohne inhaltlich wertvolle Kritik an Fromm. Kannst du gerne nachholen. Leute, die andere kritisieren, insbesondere, wenn es um wissenschaftliche Zusammenhänge geht und dabei ohne Bezug bleiben ( will heißen: ideologisch schreien dies oder jenes sei wahnhaft, dies oder jenes müsse falsch sein, dies oder jenes sei nicht 'falsizierbar' - sind natürlich nette Phrasen, um Andersdenkende zu bekämpfen, aber inhaltslos, die sollten eigentlich am Ende einer Kritik und Gegenanalyse stehen. )

Apotheos
07.02.2010, 15:23
Natürlich, mit wissenschaftlicher Psychiatrie hat das nicht viel zu tun. Da geht's eher um Stoffwechselvorgänge des Gehirns, nicht um eine psychologische Betrachtung des ganzen. Allerdings haben das bis heute die wenigsten Psychiater erkannt. Das kann man ihm also kaum ankreiden.

:)

Also sind "Stoffwechselvorgänge" im Gehirn unabhängig von der Psyche, die ja aus dem Gehirn resultiert? Und also ist der chemische Prozess ( auch übrigens die erst beginnende Erkrankung ) kein Resultat aus einer bestimmten psychischen Mitentwicklung? Das halte ich für Unsinn. Beides sind ineinander übergehende Sphären. Sicher mag es Komplexitäten geben, die kaum oder gar nicht auflösbar sind, aber dennoch hängt beides mitunter zusammen. Auch denke ich, dass die Psychoanalyse durchaus etwas verbessern kann. Bei manchen sehr viel, bei manchen nur wenig.

kotzfisch
07.02.2010, 16:12
Ach Quatsch-ich habe mich in klinischer Umgebung jahrelang gegen PA ausgesprochen.Heute spielen sie im klinischen Umfelde auch so gut wie keine Rolle mehr.

Glaubst Du wegen eines Naseweis fange ich nochmal bei Adam und Eva an?

Es genügt,auf die prinzipielle Nicht-Falsifizierbarkeit der Thesen der PA hinzuweisen.

Wenn es Dich wirklich interessiert,lies das leicht verständliche Buch von Dieter E.Zimmer "Tiefenschwindel".

Oder befasse Dich mit den Ergebnissen psychotherapeutischer Evidenzforschung, die klar zeigen, dass PA selbst dem Gespräch mit ungeschulten Laien weit unterlegen ist.

Komm mir nicht mit Forderungen nach Quellen-ich habe weder Lust noch Zeit Dich zu bekehren oder zu belehren.Lies Dich ein, Du wirst von selbst darauf kommen, was PA für ein Unsinn ist-wiewohl geistesgeschichtlich und soziokulturell aus der Entstehungszeit heraus eine Revolution.

Aber altehrwürdige Ikonen sind eines Tages verzichtbar, wenn der Erkenntnisfortschritt sich darüber hergemacht hat.Speziell in der Neurobiologie.

Und damit ein wohlmeinendes Tschüß!

Leo Navis
07.02.2010, 16:18
Sehe ich anders. Bei manchen 'Psychosen' mag es stimmen, dass Psychoanalyse nichts bringt, da ihre Komplexität kaum noch auflösbar ist. Aber auch die Psyche ist kein weltfernes Ding, unbestimmbar und unbeschrieben, sondern eben schon beschrieben, schon bestimmt und damit auch erkenn- und erklärbar, veränderbar dadurch. Nicht zur Gänze, denn dafür müsste man jedes Hirn in seiner Einzigartigkeit begriffen haben - was nicht geht - aber teilweise. Ich halte mich da an Jung. Psychoanalyse ist ein Prozess der Selbsterkenntnis, im modernen Sinne also das, was die Stoiker wollten ( Gnothi Seauton - Erkenne dich selbst ), mit dem Ziel der Individuation, Harmonisierung des Inneren und Entfaltung des eigenen Ichs.

Daran ist überhaupt nichts unwissenschaftlich.
Die Alltagspsychologie zeigt den Menschen, was sie machen und wie sie es machen. Das ist eine gute Sache; kein Widerspruch. Doch sie verhilft niemandem, sich selbst zu erkennen, sondern steckt lediglich den Menschen nach vielen Gesprächen in eine Schublade, um dann zur tatsächlichen Therapie zu schreiten; der Veränderung von Stoffwechselprozessen im Gehirn.

Die Alltagspsychologie mag gut zur Beruhigung des Gewissens sein und sie mag den Menschen bis zu einem gewissen Grade so hinbiegen, dass der Mensch wieder in seinem Kollektiv teilhaben kann, das ist ja ohne Zweifel. Die Selbsterkenntnis aber kommt kaum durch so etwas; sie kommt, oder sie kommt nicht, je nachdem, welches Schicksal Dir beschienen ist; und vielleicht kommt sie erst dadurch, dass Du Dich den ganzen Tag mit bewusstseinsverändernden Drogen vollknallst, weil diese wirksamer sind als jede Psychotherapie, weil sie wirklich etwas verändern.

:)


Also sind "Stoffwechselvorgänge" im Gehirn unabhängig von der Psyche, die ja aus dem Gehirn resultiert? Und also ist der chemische Prozess ( auch übrigens die erst beginnende Erkrankung ) kein Resultat aus einer bestimmten psychischen Mitentwicklung? Das halte ich für Unsinn. [...]
Genau das Gegenteil behaupte ich; die Psyche ist lediglich durch die Stoffwechselvorgänge im Gehirn bestimmt. Wenn bei mir viel Serotonin ausgeschüttet wird, fühle ich mich gut, die Gedanken sind positiv, wenn wenig ausgeschüttet wird, fühle ich mich schlecht, die Gedanken sind negativ. Von wegen 'Die Gedanken sind frei'. :))

Ich bin weder Substanz- noch Eigenschaftsdualist; ich bin Substanzphysikalist.

Die Psychoanalyse hat ihre Daseinsberechtigung, doch glaube ich, dass sie auf Dauer verschwinden wird, weil sie nichts bringt. Was sie bringt, ist die Befriedigung des Gewissens. Wenn mich jemand volllabert bringt das überhaupt nichts, wenn man mir einen Serotonin-Wiederaufnahmehemmer gibt bringt es was. Psychoanalyse ist was für die anderen, die dran glauben, denn wenn man dran glaubt, bringt's auch was. Für mich ist das nichts.


Beides sind ineinander übergehende Sphären. Sicher mag es Komplexitäten geben, die kaum oder gar nicht auflösbar sind, aber dennoch hängt beides mitunter zusammen. Auch denke ich, dass die Psychoanalyse durchaus etwas verbessern kann. Bei manchen sehr viel, bei manchen nur wenig.
Die Psychoanalyse setzt schon völlig falsch an und geht von einer Psyche aus, die irgendwie losgelöst von der physischen Welt ist (natürlich - nicht jeder Psychologe denkt so einen Quatsch). 'Psychische' Krankheiten sind genauso zu behandeln wie 'physische' Krankheiten; mit Medikamenten, sonst nichts. Labern bringt nur was bei Menschen, die daran glauben, dass es etwas ändert. Ich habe es selbst erlebt, Du kannst den Menschen klarmachen, in was für einer Welt sie sich befinden, aus ihrem befindlichen Wertekodex kommen sie trotzdem nicht raus.

Selbsterkenntnis kommt oder kommt nicht.

Leo Navis
07.02.2010, 16:20
[...]
Aber altehrwürdige Ikonen sind eines Tages verzichtbar, wenn der Erkenntnisfortschritt sich darüber hergemacht hat.Speziell in der Neurobiologie.

Und damit ein wohlmeinendes Tschüß!
Exakt, werter Fisch, exakt.

:]

Apotheos
07.02.2010, 16:23
Ach Quatsch-ich habe mich in klinischer Umgebung jahrelang gegen PA ausgesprochen.Heute spielen sie im klinischen Umfelde auch so gut wie keine Rolle mehr.

Glaubst Du wegen eines Naseweis fange ich nochmal bei Adam und Eva an?

Es genügt,auf die prinzipielle Nicht-Falsifizierbarkeit der Thesen der PA hinzuweisen.

Wenn es Dich wirklich interessiert,lies das leicht verständliche Buch von Dieter E.Zimmer "Tiefenschwindel".

Oder befasse Dich mit den Ergebnissen psychotherapeutischer Evidenzforschung, die klar zeigen, dass PA selbst dem Gespräch mit ungeschulten Laien weit unterlegen ist.

Komm mir nicht mit Forderungen nach Quellen-ich habe weder Lust noch Zeit Dich zu bekehren oder zu belehren.Lies Dich ein, Du wirst von selbst darauf kommen, was PA für ein Unsinn ist-wiewohl geistesgeschichtlich und soziokulturell aus der Entstehungszeit heraus eine Revolution.

Aber altehrwürdige Ikonen sind eines Tages verzichtbar, wenn der Erkenntnisfortschritt sich darüber hergemacht hat.Speziell in der Neurobiologie.

Und damit ein wohlmeinendes Tschüß!

Insofern lässt sich mit dir also auch nicht reden, was - fürwahr - nicht ungewöhnlich im 'wissenschaftlichen' Bereich ist. Immerhin meint jeder der Wahrheit am Nächsten zu sein. Auch moderne Erkenntnisfortschritte können falsch sein oder in einen falschen oder unvollkommenen Zusammenhang gesetzt werden. Da du eine Diskussion nicht möchtest, werde ich das so stehen lassen, aber ich bin jedenfalls niemand, der dem einfach einen Glauben schenkt. Die PA wirkt auf mich durch und durch fundiert. ;) Ich kenne auch eine Psychologin die das wohl genauso sieht :)

Apotheos
07.02.2010, 16:25
Exakt, werter Fisch, exakt.

:]

Was nicht heißt, dass es so ist. Where are the arguments? Anderen Unwissenschaftlichkeit vorzuwerfen und selbst nichts auf den Tisch zu setzen und auf irgend eine Literatur zu verweisen... ist jedenfalls nicht mal am Rande wissenschaftlich. Groß tönen kann ja jeder. Wenn es stimmt, kann man ja auch einige argumentative Beispiele anbringen und kurze Erklärungen. Sollte ja möglich sein. :=

kotzfisch
07.02.2010, 16:30
Lieber Apo: Die fehlende Falsifikationsmöglichkeit der abstrusen Theorien der PA reicht epistemologisch allemal zu, um den Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit zu begründen.

Anwendbar auf jede Religion oder Ideologie, weswegen man diese Gedankengebäude auch nicht als zur Wissenschaft gehörig betrachten kann.Das ist-spätestens seit Popper und Feyerabend aber ganz und gar geklärt.

Placebo und Empathieeffekte nicht ausgeschlossen.
Dann kann man mit dem Probanden auch Dame speielen oder ein Bier trinken gehen.

Meine Buchempfehlung von Dieter Zimmer war ganz erst gemeint.Das Ding ist rasend gut geschrieben. liest sich wie
ein Krimi und gibts sicher antiquarisch bei ZVAB oder in der Bücherei.

Lies das,dann diskutieren wir ernsthaft und ausführlich.

Beste Grüße.(Ganz ohne Flachs)

Leo Navis
07.02.2010, 16:31
Was nicht heißt, dass es so ist. Where are the arguments? Anderen Unwissenschaftlichkeit vorzuwerfen und selbst nichts auf den Tisch zu setzen und auf irgend eine Literatur zu verweisen... ist jedenfalls nicht mal am Rande wissenschaftlich. Groß tönen kann ja jeder. Wenn es stimmt, kann man ja auch einige argumentative Beispiele anbringen und kurze Erklärungen. Sollte ja möglich sein. :=
Durchaus, durchaus.

Ich kann Dir ja mal mein eigenes Beispiel nennen. In meinem Leben ist alles in Ordnung. Ich habe, wenn ich arbeiten kann, einen Job, ich habe Eltern, die sich um mich kümmern, ich sehe gut genug aus, auf Dauer eine Freundin zu bekommen, ich habe Geld, ich habe alles was ich brauche. Trotzdem bin ich in Phasen tottraurig.

Die Psychoanalyse scheitert hier vollständig. In meiner Psyche ist schlichtweg nichts, was irgendwie therapiert werden müsste. Alles, was mir fehlt, ist Serotonin und Dopamin, das durch die Medikamente geblockt wird. Ich will sterben, obwohl mir nichts fehlt. Es geht mir schlecht, obwohl alles in Ordnung ist.

Alles, was problematisch ist, liegt im biologischen, ergründbaren Bereich. Und genauso ist es bei jeder 'psychischen' Krankheit; und wenn man erst mal die entsprechenden Medikamente gefunden hat, um die 'Krankheiten' (die ja evolutionär durchaus ihren Sinn haben) zu kurieren, wird man keine Psychoanalyse mehr brauchen.

Psychoanalyse ist wie ein Placebo: Du kannst es den Menschen geben, und es wird helfen, weil die Menschen dran glauben, dass es hilft.

Nationalix
07.02.2010, 17:59
Wie die meisten Juden war auch Erich Fromm nichts anderes als ein Zersetzer der Gesellschaft.

Apotheos
07.02.2010, 18:25
Alles, was problematisch ist, liegt im biologischen, ergründbaren Bereich. Und genauso ist es bei jeder 'psychischen' Krankheit; und wenn man erst mal die entsprechenden Medikamente gefunden hat, um die 'Krankheiten' (die ja evolutionär durchaus ihren Sinn haben) zu kurieren, wird man keine Psychoanalyse mehr brauchen.

Psychoanalyse ist wie ein Placebo: Du kannst es den Menschen geben, und es wird helfen, weil die Menschen dran glauben, dass es hilft.

Weshalb hilft es mir dann, wenn ich unglücklich bin Gedichte zu schreiben? Und das völlig ohne Medikamente. Die Art und Weise, welche Stoffe im Hirn hergestellt werden ( etc. ) liegt doch auch darin begründet, wie der Mensch lebt. Dadurch werden ja Krankheiten auch erst ausgelöst. Durch die Einwirkung äußerer Bedingungen auf den Menschen. Der Mensch kann durch Selbsterkenntnis dazu gelangen, sein Leben besser zu verstehen, sich selbst, wie er fühlt und was er möchte: Er kann sich entfalten dadurch. Das muss ich auch nicht wissenschaftlich beweisen, dass habe ich selbst oft genug erfahren. :)

Leo Navis
07.02.2010, 18:34
Weshalb hilft es mir dann, wenn ich unglücklich bin Gedichte zu schreiben? Und das völlig ohne Medikamente. Die Art und Weise, welche Stoffe im Hirn hergestellt werden ( etc. ) liegt doch auch darin begründet, wie der Mensch lebt. Dadurch werden ja Krankheiten auch erst ausgelöst. Durch die Einwirkung äußerer Bedingungen auf den Menschen. Der Mensch kann durch Selbsterkenntnis dazu gelangen, sein Leben besser zu verstehen, sich selbst, wie er fühlt und was er möchte: Er kann sich entfalten dadurch. Das muss ich auch nicht wissenschaftlich beweisen, dass habe ich selbst oft genug erfahren. :)
Weil Dein Gehirn, schreibst Du Gedichte, Serotonin ausschüttet, und Du Dich dementsprechend gut fühlst.

Alles rational, alles ergründbar. Ich sage doch gar nicht, dass die Psychoanalyse nichts wert ist; Placebos haben auch ihren Wert.

:]

Apotheos
07.02.2010, 18:40
Weil Dein Gehirn, schreibst Du Gedichte, Serotonin ausschüttet, und Du Dich dementsprechend gut fühlst.

Alles rational, alles ergründbar. Ich sage doch gar nicht, dass die Psychoanalyse nichts wert ist; Placebos haben auch ihren Wert.

:]

Wenn ich aber Gedichte schreibe und ich dadurch auf mich
einwirke und mich verändern, entfalten, verstehen und heilen kann, dann geht das durch Psychoanalyse ebenso. Der Mensch ist ja kein abgeschlossenes Ding. Reaktionen, chemischer Natur, im Körper, finden ja auch deshalb statt, weil von außen auf den Menschen Dinge einwirken. Etwa, wenn von einem Menschen die Freundin bei einem Autounfall ums Leben kommt und er auf einmal depressiv wird und sich umbringt. Wie ist das zu erklären? Und was, wenn dieser depressive anstatt sich umzubringen, einfach Gedichte schreibt und sich selbst dadurch heilt? Das ist doch kein Placeobo, denn es fand ja real statt. Er hat gehandelt nach außen hin, etwas dadurch 'bewegt' und die äußere Bewegung auf ihn zurückgewirkt.

Leo Navis
07.02.2010, 19:25
Wenn ich aber Gedichte schreibe und ich dadurch auf mich
einwirke und mich verändern, entfalten, verstehen und heilen kann, dann geht das durch Psychoanalyse ebenso. Der Mensch ist ja kein abgeschlossenes Ding. Reaktionen, chemischer Natur, im Körper, finden ja auch deshalb statt, weil von außen auf den Menschen Dinge einwirken. Etwa, wenn von einem Menschen die Freundin bei einem Autounfall ums Leben kommt und er auf einmal depressiv wird und sich umbringt. Wie ist das zu erklären? Und was, wenn dieser depressive anstatt sich umzubringen, einfach Gedichte schreibt und sich selbst dadurch heilt? Das ist doch kein Placeobo, denn es fand ja real statt. Er hat gehandelt nach außen hin, etwas dadurch 'bewegt' und die äußere Bewegung auf ihn zurückgewirkt.
Ich sage da nichts gegen. Die Psychoanalyse hat durchaus ihre Berechtigung, wie ich schon mehrmals schrieb.

kotzfisch
08.02.2010, 09:23
Es geht um die Falsifizierbarkeit der Thesen der PA.
Die PA als nichtwissenschaftliches System mit bizarren
Seelenkonstrukten (ES,ICH,ÜBER ICH)-wer sagt uns das?
Und bizarren Deutungen "ödipale Phase"--huhu-ein Komplex, den selbst Ödipus nicht hatte, hat keinen oder einen Berechtigung sozusagen auf einer Stufe mit Heilsteinen,Kreidekreiszeichnen oder so einem Unsinn wie Homöopathie.

Gottseidank ist sie-und deswegen fange ich NICHT ganz von vorne an (Ich erwähnte bereits,dass ich in klinischem Umfeld jahrelang gegen die PA zu Felde gezogen bin)als
unsinnige Zeit und Geldverschwendung so ziemlich aus der Mode gekommen und daher in die Liste der bedrohten Therapieformen eingetragen.

Menschen übrigens, denen ernsthaft etwas fehlt, werden durch PA logischerweise manifest krank bzw.kränker.

Die PA ("Hysterie",Ohnmacht) war uns ist eine "Therapie" für aus gehobenen Kreisen stammende Luxuskranke mit Luxuswehwehchen, vulgo-existentielle Langeweile.

Waldgänger
08.02.2010, 12:01
Die Freudsche Psychoanalyse ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits waren die wissenschaftlichen Erkenntnisse Freuds, dass der Mensch ein Lebewesen wie jedes andere ist, d.h. seine seelischen Vorgänge keine göttlichen Ursprünge haben, eine nicht zu unterschätzende emanzipatorische Erkenntnis.

Andererseits ist sie selbst nur Reflexion des Bestehenden, will heißen beschreibt eine spezifische Form des Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft, und selbst diese Beschreibung ist nicht vor Kritik gefeit, eben wegen ihrer Unausgewogenheit und notwendigen Veränderung durch neuere empirische Kenntnisse (siehe Wilhelm Reich in seinem Frühwerk, Erich Fromm u.a.).

Leo Navis mag recht haben, wenn er auf die chemisch-biologische Koppelung psychischer Prozesse und Wahrnehmungserlebnisse hinweist. Psychische Vorgänge und biologische Reaktionen sind dialektisch zu begreifen.

Weder seelische Verarbeitung allein löst physisch-neurologische Veränderungen aus, noch biologische Veränderungen verschiedene Verhaltensmuster. Sie tun es sowohl als alleinige Ursache, als auch das eine auf das andere einwirkt.

Mit rein medikamentöser Behandlung ist also noch lange keine heile Seelenwelt geschaffen. Einmal weil es nicht immer notwendig und richtig ist Medikamente zu verschreiben, und andererseits weil es dem Menschen nach mehr dürstet. Nach Tiefgang, echter authentischer zwischenmenschlicher Beziehung, einem tieferen Erkenntnisgewinn, individueller Sinngebung im Leben usw.

Das mag auf chemisch-biologische Prozesse rückführbar sein, ist aber nicht als deren absolute Ursache zu verstehen. Das wäre ein logischer Kurz- und Fehlschluss. Wer die Gesamtheit erkennen will, der muss alle Ursachen und Wirkungen, sowie deren komplexe Wechselwirkung beleuchten.

Leo Navis
08.02.2010, 12:04
Waldgänger, was willst Du uns sagen? Dass der Mensch kein rein biologisches, sondern ein dualistisches Wesen ist?

Waldgänger
08.02.2010, 12:14
Waldgänger, was willst Du uns sagen? Dass der Mensch kein rein biologisches, sondern ein dualistisches Wesen ist?

Dass es den Körper-Geist-Dualismus nicht gibt. Dass es ein Wechselspiel zweier Polaritäten ist, die eine Einheit bilden. Der Mensch ist ein offenes System, das wiederum Teil offener Systeme ist (Kultur, Natur, Kosmos). Soziales Verhalten kann durch chemisch-biologische Prozesse diese oder jene Form annehmen, und physische Zustände werden durch das Umfeld erzeugt (bspw. das Anschwellen oder Vergrößern bestimmter Hirnareale).

Leo Navis
08.02.2010, 12:17
Wahrlich; sehr weise, was Du da schreibst.

:)

(Und das meine ich nicht ironisch!)

Waldgänger
08.02.2010, 12:24
Wahrlich; sehr weise, was Du da schreibst.

:)

(Und das meine ich nicht ironisch!)

Danke für die Blumen.

Aber es ist weit weniger weise als es scheint. Eigentlich beziehe ich mich bei dieser Aussage nur auf die neueren Kenntnisse der Hirn- und Verhaltensforschung.

Philosophisch betrachtet untermalt diese Empirie auf natur- und sozialwissenschaftliche Weise zugleich die Ausführungen Dschuang Dsis, wie er sie bereits im 3. und 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung niederschrieb.

;)

Leo Navis
08.02.2010, 12:27
Danke für die Blumen.

Aber es ist weit weniger weise als es scheint. Eigentlich beziehe ich mich bei dieser Aussage nur auf die neueren Kenntnisse der Hirn- und Verhaltensforschung.

Philosophisch betrachtet untermalt diese Empirie auf natur- und sozialwissenschaftliche Weise zugleich die Ausführungen Dschuang Dsis, wie er sie bereits im 3. und 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung niederschrieb.

;)
Hast Du mal Paul Churchland gelesen? Ein großartiges Buch über die Funktionen des Gehirns und ein großes Plädoyer fürs Verwerfen des alten Glaubens an den Leib-Seele-Dualismus.

:]

Waldgänger
08.02.2010, 12:39
Hast Du mal Paul Churchland gelesen? Ein großartiges Buch über die Funktionen des Gehirns und ein großes Plädoyer fürs Verwerfen des alten Glaubens an den Leib-Seele-Dualismus.

:]

Nein, leider nicht. Aber ich sehe gerade, dass Churchland Vertreter des eliminativen Materialismus ist, den ich aus bestimmten Gründen nicht teile.

Zwar mag es keinen Leib-Seele-Dualismus geben, was nicht heißt, dass mentale Zustände nicht ihre Berechtigung haben und alles Wirken auf biologische Vorgänge zurückgeführt werden kann. Das habe ich in meinem vorherigen Post kritisiert, weshalb ich, sofern mir eine Kritik trotz fehlender Detailkenntnis des Churchland'schen Gesamtwerkes erlaubt ist, die Position des eliminativen Materialismus nicht teile.

Gerade das subjektive Erleben, das phänomenale individuelle Bewusstsein eines Menschen, das aus einem intersubjektiven Sozialisierungsprozess entstanden, und stets einem sich ständig verändernden Informationsfeld ausgesetzt ist, lässt eine bloße Reduzierung auf biologische Phänomene als unplausibel erscheinen.

Siehe Qualia (http://de.wikipedia.org/wiki/Qualia)

Es ist eine schwierige Debatte, und andererseits ist sie sehr simpel. Soziales Umfeld (Intersubjektivität) und chemisch-biologische Abläufe sind gleichermaßen Ursache wie Wirkung. Sie erzeugen sich stetig neu und schaffen eine lebenslange Rückkoppelung.

Apotheos
08.02.2010, 13:11
Dass es den Körper-Geist-Dualismus nicht gibt. Dass es ein Wechselspiel zweier Polaritäten ist, die eine Einheit bilden. Der Mensch ist ein offenes System, das wiederum Teil offener Systeme ist (Kultur, Natur, Kosmos). Soziales Verhalten kann durch chemisch-biologische Prozesse diese oder jene Form annehmen, und physische Zustände werden durch das Umfeld erzeugt (bspw. das Anschwellen oder Vergrößern bestimmter Hirnareale).


In gewisser Weise, so verschroben wie ich denke, wollte ich das Gleiche sagen. Differenzierung des Körper-Geist-Dualismus ist ein Produkt des abstrakten menschlichen Denkens und nur scheinbar existent. Wie bei dem Gedichtbeispiel angeführt: Wer Gedichte schreibt - oder Kunst im Allgemeinen - wird von der Umwelt dahin mitgeprägt, mitgestaltet, geformt, "inspiriert" und das Gedicht in seiner ganzen Komplexität, kann wiederum zurückwirken. Im grunde nichts anderes als Übertragung von Impulsen, die im Gehirn letztlich Form annehmen, in Buchstaben Inhalte und Bilder verborgen legen und dann durch das Lesen wieder manifest u. greifbar werden.

Allerdings war deine Antwort fundierter und auch... wissenschaftlich.

Leo Navis
08.02.2010, 13:21
Nein, leider nicht. Aber ich sehe gerade, dass Churchland Vertreter des eliminativen Materialismus ist, den ich aus bestimmten Gründen nicht teile.

Zwar mag es keinen Leib-Seele-Dualismus geben, was nicht heißt, dass mentale Zustände nicht ihre Berechtigung haben und alles Wirken auf biologische Vorgänge zurückgeführt werden kann. Das habe ich in meinem vorherigen Post kritisiert, weshalb ich, sofern mir eine Kritik trotz fehlender Detailkenntnis des Churchland'schen Gesamtwerkes erlaubt ist, die Position des eliminativen Materialismus nicht teile.

Gerade das subjektive Erleben, das phänomenale individuelle Bewusstsein eines Menschen, das aus einem intersubjektiven Sozialisierungsprozess entstanden, und stets einem sich ständig verändernden Informationsfeld ausgesetzt ist, lässt eine bloße Reduzierung auf biologische Phänomene als unplausibel erscheinen.

Siehe Qualia (http://de.wikipedia.org/wiki/Qualia)

Es ist eine schwierige Debatte, und andererseits ist sie sehr simpel. Soziales Umfeld (Intersubjektivität) und chemisch-biologische Abläufe sind gleichermaßen Ursache wie Wirkung. Sie erzeugen sich stetig neu und schaffen eine lebenslange Rückkoppelung.
Was Du meinst, ist Eigenschaftsdualismus - oder?

Waldgänger
08.02.2010, 22:08
Was Du meinst, ist Eigenschaftsdualismus - oder?

Was ich meine ist das:

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/17/Yin_yang.svg/466px-Yin_yang.svg.png

;)

kotzfisch
09.02.2010, 07:22
Man darf nicht vergessen dass Fromm im Dunstkreis der Frankfurter Schule als einer der Chefwirrköpfe eine Art freudianischen Marxismus predigte.Welche Geistesverfassung dahinter steckt, mag sich bitte jeder selbst ausmalen.

Im übrigen ist der Fred hier mit dem posten von YingYang Zeichen da angekommen, wo ich ihn schon auf Seite 1 gesehen habe:In Lieschen Müllers Küche.

Tschau.

Leo Navis
09.02.2010, 09:53
Man darf nicht vergessen dass Fromm im Dunstkreis der Frankfurter Schule als einer der Chefwirrköpfe eine Art freudianischen Marxismus predigte.Welche Geistesverfassung dahinter steckt, mag sich bitte jeder selbst ausmalen.

Im übrigen ist der Fred hier mit dem posten von YingYang Zeichen da angekommen, wo ich ihn schon auf Seite 1 gesehen habe:In Lieschen Müllers Küche.

Tschau.
Was genau hast Du am Daoismus auszusetzen?

Leo Navis
09.02.2010, 10:09
Was ich meine ist das:

[...]

;)
Wobei ich ja der Ansicht bin, dass sich die Lehre des ZhuangZi noch von der 'allgemeinen' des Daoismus unterscheidet und vielfach falsch verstanden wurde;

Ebenso wie Konfuzius, der ja eine Distanz von den Regeln predigte, allerdings so verstanden wurde, dass man die Regeln unbedingt befolgen müsse, hat ebenso ZhuangZi die Lehre vertreten, dass man einfach nur man selbst sein müsse, um zu sein, was man ist.

ZhuangZis Lehre war ganz einfach: Hast Du genug Wasser, Reis und ein Dach überm Kopf, so hast Du alles Glück, was Du brauchst. Er sah das Ideal in der Vorzeit, wo es keine 'Heiligen' und keine 'Regeln' gab; er lehnte jeden Staat ab, für sich selbst nur, für nichts anderes, weil er selbst so einen Staat nicht brauchte. Er suchte keine Einheit im Dao, sondern suchte überhaupt nichts mehr.

ZhuangZi hatte keinen Weg zur Glückseligkeit, sondern war der Ansicht, dass man schon glücklich sein kann, wenn man einfach nur tut, was man tut. Zumindest, wenn ich seine Lehre korrekt verstanden habe.

Waldgänger
09.02.2010, 22:02
Leo Navis, richtig. Nicht anders sah es Laozi (soweit er lebte, was umstritten ist). Der spätere Hsien-Taoismus, dem es durch alchemistische und spirituelle Praktiken um Unsterblichkeit ging, wurde von Dschuang Dsi und anderen „Begründern” aus der „alten Garde” verlacht.

Deshalb ist es m.E. wichtig zwischen der taoistischen Philosophie und der späteren chinesischen Volksreligion des Taoismus zu unterscheiden, die stark mit buddhistischen, folkloristischen und konfuzianischen Elementen durchzogen ist.

Die Philosophie des Tao lässt sich, wenn wir die spätere volksreligiöse Überzeichnung weg lassen, in drei Punkte zusammenfassen: Tao, Yin & Yang (Taiji) und Wu Wei (Handeln im Nicht-Handeln).

Erstaunlicherweise gibt es wesentliche Übereinstimmungen zwischen den Beobachtungen Laozis und der Philosophie des mehrere tausend Kilometer entfernten Heraklit, die beide zur so genannten Achsenzeit lebten.

Bekannterweise baute die Hegelsche Dialektik auf Heraklits Dialektik auf. Wenn wir den Zirkelschluss schließen, können wir behaupten, dass es eine philosophische Gemeinsamkeit zwischen dem Taoismus und der marxistischen Dialektik gibt.

Aber das würde zu weit führen. Damit dürfte jedoch ersichtlich sein, dass der humane Grundgedanke zu allen Zeiten vorhanden war und sozusagen eine „schlummernde” Leitkultur der Weltkulturen bildet.

Edit: Wer die Einheit mit dem Tao sucht, ist nicht im Tao. ;)

Apotheos
09.02.2010, 22:10
Man darf nicht vergessen dass Fromm im Dunstkreis der Frankfurter Schule als einer der Chefwirrköpfe eine Art freudianischen Marxismus predigte.Welche Geistesverfassung dahinter steckt, mag sich bitte jeder selbst ausmalen.

Im übrigen ist der Fred hier mit dem posten von YingYang Zeichen da angekommen, wo ich ihn schon auf Seite 1 gesehen habe:In Lieschen Müllers Küche.

Tschau.

Ja, die Ideologiefreien, die immer alles besser wissen. ;)
Gibt übrigens auch eine Gegenkritik zur Kritik der Psychoanalyse.
Als aufgeklärter-Skeptizist bin ich jedenfalls nicht so verbohrt,
der Weisheit letzter Schluss gepachtet zu haben. Werde mich
damit noch näher auseinandersetzen. Deine oberflächliche
Behauptung der Daoismus sei mit "Lieschen Müllers Küche"
gleichzusetzen ist gar nicht ernstzunehmen.

kotzfisch
10.02.2010, 08:27
Ich bezog mich auf die meiner Ansicht nach aufgesetzte Verwendung fernöstlicher Zeichen durch vollgefressene Mitteleuropäer, die das irgendwie chic finden.

Ich verstehe von fernöstlicher Philosophie rein gar nichts und das führte ja schließlich auch zum völligen OT Absturz dieses Fred.

Dies Mißverständnis bitte ich doch zu korrigieren.

Lieschen Müller dreht am Rad, wenn es um so Verallgemeinerungen geht, die gesagt oder ungesagt im Raume stehen.Ich darf mal so ein paar Laienbehauptungen, die meist von denen kommen, deren
wissensch.Verständnis so funktioniert:"Ich behaupte XY, beweistmir doch das Gegenteil", was ungefähr dem Reifegrad sich um Förmchen streitender Sandkasteninsassen ist.

Beispiele:

"Wer heilt hat recht""
"Schadet ja nicht"
"Es wird schon etwas dran sein"

Usw.

Wogegen ich mich bei Fromm wandte ist die meiner Ansicht nach unethische Verquickung einer Psychotherapieform mit Politik.

Das war damals durchaus zeitgeistig-würde heute aber aus guten Gründen und zu Recht zurückgewiesen.

Also pflegt Euren Daoismus, den habe ich überhaupt nicht angegriffen.

Ok?

Leo Navis
10.02.2010, 08:57
Leo Navis, richtig. Nicht anders sah es Laozi (soweit er lebte, was umstritten ist). Der spätere Hsien-Taoismus, dem es durch alchemistische und spirituelle Praktiken um Unsterblichkeit ging, wurde von Dschuang Dsi und anderen „Begründern” aus der „alten Garde” verlacht.

Deshalb ist es m.E. wichtig zwischen der taoistischen Philosophie und der späteren chinesischen Volksreligion des Taoismus zu unterscheiden, die stark mit buddhistischen, folkloristischen und konfuzianischen Elementen durchzogen ist.

Die Philosophie des Tao lässt sich, wenn wir die spätere volksreligiöse Überzeichnung weg lassen, in drei Punkte zusammenfassen: Tao, Yin & Yang (Taiji) und Wu Wei (Handeln im Nicht-Handeln).

Erstaunlicherweise gibt es wesentliche Übereinstimmungen zwischen den Beobachtungen Laozis und der Philosophie des mehrere tausend Kilometer entfernten Heraklit, die beide zur so genannten Achsenzeit lebten.

Bekannterweise baute die Hegelsche Dialektik auf Heraklits Dialektik auf. Wenn wir den Zirkelschluss schließen, können wir behaupten, dass es eine philosophische Gemeinsamkeit zwischen dem Taoismus und der marxistischen Dialektik gibt.

Aber das würde zu weit führen. Damit dürfte jedoch ersichtlich sein, dass der humane Grundgedanke zu allen Zeiten vorhanden war und sozusagen eine „schlummernde” Leitkultur der Weltkulturen bildet.

Edit: Wer die Einheit mit dem Tao sucht, ist nicht im Tao. ;)
Richtig. Besser kann es nicht ausgedrückt werden.

:top:


Ich verstehe von fernöstlicher Philosophie rein gar nichts und das führte ja schließlich auch zum völligen OT Absturz dieses Fred.
Vielleicht wäre es sinnvoll, Dich darüber zu informieren. Man kann nicht genug wissen; obwohl man stets schon genug weiß.

:]

kotzfisch
10.02.2010, 10:08
Fernöstliche Weisheiten gehören nicht zu meinen Interessengebieten-Das ist doch legitim,oder?

Muß man was darüber wissenßNein muß nicht.

Es ist ein legitimes und sicher hochinteressantes gebiet, für das mir nebst anderer verpflichtungen jede Zeit fehlt.Darum urteile ich auch nicht über jene, die sich ernsthaft damit beschäftigen.Wohlan.

Die leicht inflationär, meist in esoterischen Zusammenhang gebrauchten fernöstlichen Symbole stören mich in der Verwendung durch Menschen, die sich aus modischen Gründen plötzlich Taoisten,Buddhisten oder sonstwie schimpfen, die doch nur ihre Seelenleere kaschieren möchten.

Selbstverständlich unterstelle ich Euch hier nicht das Gleiche.

So Leutchen gibts aber zuhauf.

Leo Navis
10.02.2010, 10:10
Fernöstliche Weisheiten gehören nicht zu meinen Interessengebieten-Das ist doch legitim,oder?

Muß man was darüber wissenßNein muß nicht.

Es ist ein legitimes und sicher hochinteressantes gebiet, für das mir nebst anderer verpflichtungen jede Zeit fehlt.Darum urteile ich auch nicht über jene, die sich ernsthaft damit beschäftigen.Wohlan.

Die leicht inflationär, meist in esoterischen Zusammenhang gebrauchten fernöstlichen Symbole stören mich in der Verwendung durch Menschen, die sich aus modischen Gründen plötzlich Taoisten,Buddhisten oder sonstwie schimpfen, die doch nur ihre Seelenleere kaschieren möchten.

Selbstverständlich unterstelle ich Euch hier nicht das Gleiche.

So Leutchen gibts aber zuhauf.
Das ist gut und recht.

:]