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Vollständige Version anzeigen : Die Lage der Kunst



Misteredd
25.11.2009, 17:23
Ob entartet oder nicht spielt hier keine Rolle. Es geht mir hier um die heutige Lage der Kunst. Ist sie frei, wie es in unserer Verfasssungsteht. Ist sie abhängig von staatlicher Zuwendung oder trägt sie sich selbst, indem sie sich gut verkauft.

Hilft mehr Staat oder schadet er? Wie können wir unsere Chancen nutzen?

Hierzu habe ich einen guten Artikel verlinkt, den Blues in einem anderen thread eingestellt hat.


http://www.glocalist.com/news/katego...r-wehren-sich/ (http://www.glocalist.com/news/kategorie/politik/titel/kuenstler-wehren-sich/)

Und deshalb sind wir auch nicht dabei, beim Werbefeldzug für die "Marke Hamburg". Nicht dass ihr uns freundlich gebeten hättet. Im Gegenteil: uns ist nicht verborgen geblieben, dass die seit Jahren sinkenden kulturpolitischen Fördermittel für freie künstlerische Arbeit heutzutage auch noch zunehmend nach standortpolitischen Kriterien vergeben werden. Siehe Wilhelmsburg, die Neue Große Bergstraße, siehe die Hafencity: Wie der Esel der Karotte sollen bildende Künstler den Fördertöpfen und Zwischennutzungs-Gelegenheiten nachlaufen – dahin, wo es Entwicklungsgebiete zu beleben, Investoren oder neue, zahlungskräftigere Bewohner anzulocken gilt. Ihr haltet es offensichtlich für selbstverständlich, kulturelle Ressourcen "bewusst für die Stadtentwicklung" und "für das Stadt-Image" einzusetzen. Kultur soll zum Ornament einer Art Turbo-Gentrifizierung werden, weil ihr die die üblichen, jahrelangen Trockenwohn-Prozesse garnicht mehr abwarten wollt. Wie die Stadt danach aussehen soll kann man in St. Pauli und im Schanzenviertel begutachten: Aus ehemaligen Arbeiterstadtteilen, dann "Szenevierteln", werden binnen kürzester Zeit exklusive Wohngegenden mit angeschlossenem Party- und Shopping Kiez, auf dem Franchising-Gastronomie und Ketten wie H&M die Amüsierhorde abmelken.

Die Hamburgische Kulturpolitik ist längst integraler Bestandteil eurer Eventisierungs- Strategie. Dreissig Millionen Euro gingen an das Militaria-Museum eines reaktionären Sammlerfürsten . Über vierzig Prozent der Ausgaben für Kultur entfallen derzeit auf die "Elbphilharmonie". Damit wird die Kulturbehörde zur Geisel eines 500-Millionen-Grabes, das nach Fertigstellung bestenfalls eine luxuriöse Spielstätte für Megastars des internationalen Klassik- und Jazz-Tourneezirkus ist. Mal abgesehen davon, dass die Symbolwirkung der Elbphilharmonie nichts an sozialem Zynismus zu wünschen übrig lässt: Da lässt die Stadt ein "Leuchtturmprojekt" bauen, das dem Geldadel ein Fünf-Sterne-Hotel und 47 exklusive Eigentumswohnungen zu bieten hat und dem gemeinen Volk eine zugige Aussichtsplattform übrig lässt. Was für ein Wahrzeichen!



Gibt es die Eventisierung des Lebens wirklich?

blues
25.11.2009, 17:57
Ja, die gibt es ... gerade sogenannte ehem. "In-Bezirke" wie Prenzelberg in Berlin sind überflutet von Bonner und Düsseldorfer finanzstarken Neieigentümern ... der Platz für innovative Kunstprojekte wird (vorsichtig formuliert) eng

Der Staat kann ausnehmend hilfreich sein;

in Berlin gibt es ein Atelierförderprogramm, wer jetzt daran denkt das den "Schröpfern des Kulturetats" schicke Arbeitsmöglichkeiten gestellt werden, irrt,
es handelt und handelte sich zum größten Teil um die Nutzung leerstehender Fabrikgebäude, die durch Ansiedlung von Clubs, Cafés etc. erst wieder attraktiv wurden.

dimu
25.11.2009, 18:02
.
das was als kunst ausgegeben wird ist eine hure. ganz gleich auf welcher ebene.
das beweisen alle vergangenen und gegenwärtigen zeiten.

die wahre kunst gibt es schon laaaaaange nicht mehr.

Erdmänneken
25.11.2009, 18:05
Wobei aber auch noch kritisch anzumerken ist, dass sich die Künstler eben bisher nicht als ein "politisches Element" empfunden haben. Sie haben schlichtweg ihr "Ding" gemacht und sich nicht um Stadtentwicklung oder eine Kommunikation mit der Kulturbehörde gekümmert. Eben um Autonom zu bleiben. Nun merken sie jedoch, dass die Regierung in Hamburg ohne sie plant und agiert. Und das ihnen der künstlerische Raum in doppelter Hinsicht fehlt. Als "Entfaltungsraum" und als "Arbeitsraum".

Es zeigt sich, dass auch Künstler Lobbyisten sein müssen oder Menschen brauchen, die diese Rolle übernehmen. Sonst werden sie langfristig ignoriert und und laufen Gefahr gar in Vergessenheit zu geraten. Diesen Lernprozess haben die Künstler in Hamburg durchgemacht. Ich bin sicher, dass es in anderen Städten ähnlich läuft.

blues
25.11.2009, 18:14
.
das was als kunst ausgegeben wird ist eine hure. ganz gleich auf welcher ebene.
das beweisen alle vergangenen und gegenwärtigen zeiten.

die wahre kunst gibt es schon laaaaaange nicht mehr.

Wieso ? Röhrende Hirsche werden auch heute noch gemalt ...

Misteredd
25.11.2009, 18:15
Was kann man tun, damit die Kunst die besten Bedingungen hat?

Ateliers zur Verfügung stellen oder preiswert vermieten?

Ausstellungen organisieren und dazu Ausstellungsfläche zur Verfügung stellen?

Künstlern finazielle Unterstützung gewähren?

Welche Ansätze wäre erfolgversprechend?

Erdmänneken
25.11.2009, 18:16
Wieso ? Röhrende Hirsche werden auch heute noch gemalt ...

Und passend dazu die passende Einrichtung im "Gelsenkirchener Barock" vom Versandhaus. Besonders schön in der Kombination mit der "Spanischen Jungfrau".
Also die allseits bekannte Frau mit den langen schwarzen Haaren.

Wunderschön.

Erdmänneken
25.11.2009, 18:17
Was kann man tun, damit die Kunst die besten Bedingungen hat?

Ateliers zur Verfügung stellen oder preiswert vermieten?

Ausstellungen organisieren und dazu Ausstellungsfläche zur Verfügung stellen?

Künstlern finazielle Unterstützung gewähren?

Welche Ansätze wäre erfolgversprechend?

Ich würde erst einmal damit anfangen, den Stellenwert der Kunst für diese Gesellschaft zu diskutieren und die Frage aufwerfen, wie sehe diese Gesellschaft ohne Kunst aus?

Apotheos
25.11.2009, 18:21
.
das was als kunst ausgegeben wird ist eine hure. ganz gleich auf welcher ebene.
das beweisen alle vergangenen und gegenwärtigen zeiten.

die wahre kunst gibt es schon laaaaaange nicht mehr.

Gehts auch etwas genauer, detaillierter bzw: Kunsttheoretischer? "Die wahre Kunst" ist mir nämlich noch nie über den Weg gelaufen, nur Kunst die mir gefällt.

Zimbelstern
25.11.2009, 18:41
Ganz einfach: Janssen statt Baselitz...

Misteredd
25.11.2009, 18:55
Ich würde erst einmal damit anfangen, den Stellenwert der Kunst für diese Gesellschaft zu diskutieren und die Frage aufwerfen, wie sehe diese Gesellschaft ohne Kunst aus?

Kennst Du eine einzige Gesellschaft ohne Kunst? Ich denke so etwas gibt es nicht. Der Mensch besitzt Neuguierde und einen Schaffensdrang, der sich vor allem so äussert.

Erdmänneken
25.11.2009, 18:58
Kennst Du eine einzige Gesellschaft ohne Kunst? Ich denke so etwas gibt es nicht. Der Mensch besitzt Neuguierde und einen Schaffensdrang, der sich vor allem so äussert.

Das war nicht der Punkt. Es geht um das Bewusstsein, über die "Schätze" die eine Kultur mit ihrer Kunst besitzt. Ich meine, dass sich darüber viele gar nicht im klaren sind, welche Bedeutung sie haben.

Misteredd
25.11.2009, 19:00
Das war nicht der Punkt. Es geht um das Bewusstsein, über die "Schätze" die eine Kultur mit ihrer Kunst besitzt. Ich meine, dass sich darüber viele gar nicht im klaren sind, welche Bedeutung sie haben.

Du meinst dann so etwas wie die Wertschätzung der Kunst ?

Ich denke die ist bei uns sehr durchmischt. Die monetäre Wertschätzung als Spekulationsobjekt lasse ich einmal aussen vor.

Erdmänneken
25.11.2009, 19:04
Du meinst dann so etwas wie die Wertschätzung der Kunst ?

Ich denke die ist bei uns sehr durchmischt. Die monetäre Wertschätzung als Spekulationsobjekt lasse ich einmal aussen vor.

Genau. In diesem Sinne. Als Wert für die Menschen dieses Landes bzw. einer Stadt.
Nicht unbedingt als monetäres Objekt. Gerade dies nicht.

Kunst wird eben allzu häufig ökonomisch betrachtet, welchen Wert diese jedoch für die Menschen und quasi ihre Identität oder ihr Befinden hat, bleibt häufig außen vor.

Ich denke dabei immer an Gaudi, der zu seiner Zeit ausgelacht und verspottet wurde. Versuch Dir heute mal vorzustellen, wie Barcelona ohne seine vielfältige Kunst aussehen würde und was es für die Identität der Stadt und des Landes bedeuten würde, wenn es ihn nicht gegeben hätte.

Misteredd
25.11.2009, 19:13
Das ist dann die Frage ob Kunst noch identitätsstiftend ist.

Beziehungsweise ob diese neue Identität Qualitäten aufweist?

Apotheos
25.11.2009, 19:57
Das ist dann die Frage ob Kunst noch identitätsstiftend ist.

Beziehungsweise ob diese neue Identität Qualitäten aufweist?


Das kann wohl nur jeder für sich beantworten. Kunst ist für mich durchaus identitätsstiftend.

Erdmänneken
25.11.2009, 19:59
Das kann wohl nur jeder für sich beantworten. Kunst ist für mich durchaus Identitätsstiftend.

Darum ist Kunst auch ein Bestandteil einer guten Bildung.
Man kann gar nicht früh genug damit anfangen, Kindern
Kunst nahe zu bringen. Sie werden ihr Leben lang davon
profitieren.

blues
25.11.2009, 20:31
Und passend dazu die passende Einrichtung im "Gelsenkirchener Barock" vom Versandhaus. Besonders schön in der Kombination mit der "Spanischen Jungfrau".
Also die allseits bekannte Frau mit den langen schwarzen Haaren.

Wunderschön.

Allerdings.

Wäre vielleicht mal eine ganz gesonderte wissenschaftliche Aufarbeitung wert ;)

Erdmänneken
25.11.2009, 20:33
Allerdings.

Wäre vielleicht mal eine ganz gesonderte wissenschaftliche Aufarbeitung wert ;)

Unbedingt. Wenn man so ein Zimmer nicht komplett als Darstellung
"deutschen Kulturguts" komplett in ein Museum übernehmen sollte.
Mit wissenschaftlicher Begleitung, fachkundiger Führung und leibhaftigen
Bewohnern zwecks besserer Veranschaulichung.

blues
25.11.2009, 20:38
Unbedingt. Wenn man so ein Zimmer nicht komplett als Darstellung
"deutschen Kulturguts" komplett in ein Museum übernehmen sollte.
Mit wissenschaftlicher Begleitung, fachkundiger Führung und leibhaftigen
Bewohnern zwecks besserer Veranschaulichung.

Letzteres schafft dann eine ganz neue Art eines lebensnahen Museums, eine gute Idee! Und zudem noch sehr "besucherfreundlich" ...

Erdmänneken
25.11.2009, 20:40
Letzteres schafft dann eine ganz neue Art eines lebensnahen Museums, eine gute Idee! Und zudem noch sehr "besucherfreundlich" ...

Und ich bestehe auf den laufenden Fernseher im Eiche Rustikal Fernsehschrank.
So im Stile der 60er Jahre. Den Kindern von heute fällt die Kinlade herunter, weil
sie so etwas schönes gar nicht mehr kennen.