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Vollständige Version anzeigen : Fall Nachterstedt - Zutrittsverweigerungen rechtens?



Quo vadis
17.10.2009, 09:54
In dem Strang geht es mir um eine überwiegend juristische Bewertung folgenden Sachverhaltes:

Im Juli kam es am Concordia See in Sachsen Anhalt zu einem großen Hangabrutsch der 2 Häuser einer Siedlung verschlang.In der Folge wurde die Siedlung komplett Eilevakuiert und den Anwohnern seitdem restriktiv jeglicher Zugang zu ihren Häusern verweigert.Viele Anwohner vesuchten in der Folge auch trotz Erklärung eines Haftungsausschlußes, bzw. "Betreten auf eigene Gefahr" sich einen Zugang zu ihren Wohnungen zu erwirken--erfolglos.Dieses Wochenende nun konnten Bewohner eine Liste von Dingen erstellen, die sie unbedingt aus ihren Wohnungen geborgen sehen wollten.Allerdings erfolgt die Bergung nicht durch die Anwohner, sondern lediglich durch Beamte die wohnungsfremd ziemlich große Mühe haben dürften, die Sachen zu finden.

Mich stößt diese Sache übel auf.Die Leute wurden nicht zwangsenteignet, aber ihnen wird jeglicher Zugriff zu wichtigen Unterlagen, Erinnerungen, Gegenständen, Schmuck, Bargeld usw. restriktiv verweigert, trotz erklärtem Haftungsausschluß.

Wie würdet ihr die Sache juristisch sehen? Sind nicht Schilder wie "Betreten auf eigene Gefahr" in Anbetracht der Vorgehensweise in Nachterstedt eigentlich völlig belanglos und juristisch nicht bindend?



http://www.dlr.de/Portaldata/1/Resources/portal_news/newsarchiv2009_4/nachterstedt_erdrutsch_380.jpg

http://www.lr-online.de/vermischtes/LR-Panorama;art1676,2711319

bernhard44
17.10.2009, 09:57
ein Unding was dort abgeht! Versagen und Behördenwillkür.

Stadtknecht
17.10.2009, 10:06
Ich könnte mir nur vorstellen, daß es sich dabei um so etwas wie einen Platzverweis / Betretungsverbot nach dem Polizeigesetz handelt.

Cinnamon
17.10.2009, 10:10
Ich denke nicht, dass es rechtmäßig ist. In meinen Augen wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überschritten.

Cinnamon
17.10.2009, 10:10
Ich könnte mir nur vorstellen, daß es sich dabei um so etwas wie einen Platzverweis / Betretungsverbot nach dem Polizeigesetz handelt.

Gefahrenabwehr, ja.

bernhard44
17.10.2009, 10:11
Ich könnte mir nur vorstellen, daß es sich dabei um so etwas wie einen Platzverweis / Betretungsverbot nach dem Polizeigesetz handelt.

nur komisch das TV-Teams und auch einzelne Bewohner, in Begleitung dieser TV Leute, medienwirksam einige Lieblingsstücke aus ihren Häusern bergen durften. Daher müssen ja auch Zutrittgenehmigungen ausgestellt worden sein!

romeo1
17.10.2009, 10:21
Das Problem des Setzungsfließens um das es sich bei diesem Tagebaurestloch handelt ist extrem gefährlich. So können sich bei irgendeiner Initialerschütterung Millionen von m³ wassergefüllten Abraums innerhalb von Sekunden wie eine Flüssigkeit verhalten und z.T. hunderte Meter weit gleiten. Die Rückgriffweite in das bestehende Kippenmassiv kann durchaus weit mehr als 100 m betragen. Wann und ob es zu einer erneuten Rutschung kommen kann, ist kaum vorhersagbar. Insofern ist es eine erhebliche und unkalkulierte Gefährdung. Um das Risiko einer erneuten Rutschung zu minimieren, könnte deshalb der Grundwasserspiegel abgesenkt werden. Der Anstieg des Grundwasserspiegels ist nämlich die Ursache des Setzungsfließens, da das Grundwasser das Stützgerüst der Bodenkörner eines aufgelockerten Kippenmassivs auflöst, so daß es nach irgendeiner Erschütterung z.B. bei Bauarbeiten oder Straßenverkehr zu einer Rutschung kommen kann.

Allerdings halte ich das strikte Betretungsverbot um wichtige Dokumente und Erinnerungsstücke zu bergen, für etwas übertrieben. Man kann die Leute auch aufklären und sie über die drohende Gefahr informieren und sich dies schriftlich bestätigen lassen. Wenn es dann innerhalb der Betretungszeit zu einer erneuten Rutschung kommen sollte, sind die Leute entsprechend belehrt und somit für sich selbst verantwortlich.

Quo vadis
17.10.2009, 10:26
Ich könnte mir nur vorstellen, daß es sich dabei um so etwas wie einen Platzverweis / Betretungsverbot nach dem Polizeigesetz handelt.

Glaube ich nicht, da gegen die Anwohner ja nicht der Verdacht einer Straftat vorliegt, oder?
Zumal tangiert das auch nicht die Strangfrage der Zutrittsverweigerung zu Eigentum, trotz erklärtem Haftungsausschluß.

Cinnamon
17.10.2009, 10:28
Glaube ich nicht, da gegen die Anwohner ja nicht der Verdacht einer Straftat vorliegt, oder?
Zumal tangiert das auch nicht die Strangfrage der Zutrittsverweigerung zu Eigentum, trotz erklärtem Haftungsausschluß.

Gefahrenabwehr hat nichts mit Straftaten zu tun. Die Polizei kann auch einen Badesee absperren und ein Betretungsverbot verhängen, wenn der See z. B. nach einem starken Unwetter mit Fäkalien und damit Krankheitserregern verseucht ist. In diesem Fall geht von einer Betretung eine Gefahr für die Menschen aus, und deshalb kann es verboten werden. Nur halte ich das Verbot einer Bergung wichtiger Dokumente und Gegenstände für übertrieben.

Klopperhorst
17.10.2009, 10:30
Typisch deutsche Sicherheitsmeierei.

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Quo vadis
17.10.2009, 10:36
nur komisch das TV-Teams und auch einzelne Bewohner, in Begleitung dieser TV Leute, medienwirksam einige Lieblingsstücke aus ihren Häusern bergen durften. Daher müssen ja auch Zutrittgenehmigungen ausgestellt worden sein!

In der Quelle "Lausitzer Rundschau" wird angegeben den Bewohnern wäre 1 Tag nach dem Ungluck kurz Zutritt gewährt worden.Aber:

1. Waren Stunden nach Unglück nicht alle Bewohner in diesem ultrakurzen Zeitfenster von wenigen Minuten vor Ort, einige warem im Urlaub, andere völlig konfus.

2. Verwundert es einem, dass zeitnah einige Leute reingelassen werden, wo doch die Instabilität des Hanges noch viel stärker ist als 3 Monate danach, mit vergehender Zeit aber gar kein Anwohner mehr.

3. Waren im Juli die paar Minuten ja augenscheinlich so kurz, dass die Bewohner jetzt immer noch Listen erstellen müssen von Dingen, die unbedingt geborgen werden müssen.Ich gehe mal davon aus, dass keiner Kühlschrank, Einbauküche, oder Schrankwand draufgeschrieben hat.

4. Die Siedlung wird definitiv abgerissen, bzw. aufgegeben.Die Immobilie ist damit weg.Dennoch werden auch die beweglichen Güter wohl bis zum Abriss für immer vorenthalten, obwohl eine Bergung auf eigene Gefahr jederzeit möglich wäre.

Quo vadis
17.10.2009, 10:39
Typisch deutsche Sicherheitsmeierei.

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In dem Fall sogar ein extremer Auswuchs wie in finde.Jede Siedlung die der Braunkohle zum Opfer fällt kann durch die Anwohner vorher ordentlich geräumt werden.

Quo vadis
17.10.2009, 10:44
Das Problem des Setzungsfließens um das es sich bei diesem Tagebaurestloch handelt ist extrem gefährlich. So können sich bei irgendeiner Initialerschütterung Millionen von m³ wassergefüllten Abraums innerhalb von Sekunden wie eine Flüssigkeit verhalten und z.T. hunderte Meter weit gleiten. Die Rückgriffweite in das bestehende Kippenmassiv kann durchaus weit mehr als 100 m betragen. Wann und ob es zu einer erneuten Rutschung kommen kann, ist kaum vorhersagbar. Insofern ist es eine erhebliche und unkalkulierte Gefährdung. Um das Risiko einer erneuten Rutschung zu minimieren, könnte deshalb der Grundwasserspiegel abgesenkt werden. Der Anstieg des Grundwasserspiegels ist nämlich die Ursache des Setzungsfließens, da das Grundwasser das Stützgerüst der Bodenkörner eines aufgelockerten Kippenmassivs auflöst, so daß es nach irgendeiner Erschütterung z.B. bei Bauarbeiten oder Straßenverkehr zu einer Rutschung kommen kann.

Allerdings halte ich das strikte Betretungsverbot um wichtige Dokumente und Erinnerungsstücke zu bergen, für etwas übertrieben. Man kann die Leute auch aufklären und sie über die drohende Gefahr informieren und sich dies schriftlich bestätigen lassen. Wenn es dann innerhalb der Betretungszeit zu einer erneuten Rutschung kommen sollte, sind die Leute entsprechend belehrt und somit für sich selbst verantwortlich.

Exakt darum geht es mir.Niemand der Anwohner muss dort nochmal rein, aber wer es dennoch will sollte es auch tun dürfen, unter angeführten Voraussetzungen.Dies ist aber nicht der Fall, für mich ist das nichts weiter als eine Entmündigung eines eh schon im Eigentum schwer Geschädigten.

Quo vadis
17.10.2009, 10:51
Gefahrenabwehr hat nichts mit Straftaten zu tun. Die Polizei kann auch einen Badesee absperren und ein Betretungsverbot verhängen, wenn der See z. B. nach einem starken Unwetter mit Fäkalien und damit Krankheitserregern verseucht ist. In diesem Fall geht von einer Betretung eine Gefahr für die Menschen aus, und deshalb kann es verboten werden. Nur halte ich das Verbot einer Bergung wichtiger Dokumente und Gegenstände für übertrieben.

Ein Badesee ist in der Regel öffentliches Gelände.Nicht umsonst stellt die öffentliche Hand daher Schilder auf wie "Betreten auf eigene Gefahr", wenn man z.b. nachts mit 2 Promille ne Runde schwimmen will.
In Nachterstedt ist der Fall anders.Die Verweigerung bezieht sich auf Zugriff auf Privateigentum der Anwohner, die angeführte Gefahrenlage wurde durch erklärtem Haftungsausschluß der Anwohner bereits anerkannt, bzw. zur Kenntnis genommen.

Cinnamon
17.10.2009, 11:02
Ein Badesee ist in der Regel öffentliches Gelände.Nicht umsonst stellt die öffentliche Hand daher Schilder auf wie "Betreten auf eigene Gefahr", wenn man z.b. nachts mit 2 Promille ne Runde schwimmen will.
In Nachterstedt ist der Fall anders.Die Verweigerung bezieht sich auf Zugriff auf Privateigentum der Anwohner, die angeführte Gefahrenlage wurde durch erklärtem Haftungsausschluß der Anwohner bereits anerkannt, bzw. zur Kenntnis genommen.

Trotzdem darf der Staat so ein Betretungsverbot verhängen.

Hombre
17.10.2009, 12:17
Der Staat ist nicht dazu da, um die Menschen vor sich selbst zu schützen. Er tut es dennoch. Das ist das perverse an diesem Staat.
Dieser Staat hat eine Entwicklung erfahren, wo der ursprüngliche Souverän (das Individuum) die eigene Souveränität an den Staat verloren hat. Der heutige Souverän ist der Staat. Längst sind die einstigen Eigentümer dieses Landes zu Besitzern vom Staates Gnade geworden.

Dies hat weit reichende Folgen. Nur der Souverän (früher das Individuum, jetzt der Staat) hat das vollkommene Recht Fehler zu machen. Dieses Recht hat der Mensch längst nicht mehr. Egal ob Kindererziehung, Lebensplanung, Ernährung ... überall wird das Recht auf individuelle Fehler mit staatlichen Mitteln beseitigt.

Die Frage in dieser Sache kann also nicht lauten, ob es rechtens ist, die Menschen von ihrem Eigentum fernzuhalten.

klartext
18.10.2009, 15:03
Der Staat ist nicht dazu da, um die Menschen vor sich selbst zu schützen. Er tut es dennoch. Das ist das perverse an diesem Staat.
Dieser Staat hat eine Entwicklung erfahren, wo der ursprüngliche Souverän (das Individuum) die eigene Souveränität an den Staat verloren hat. Der heutige Souverän ist der Staat. Längst sind die einstigen Eigentümer dieses Landes zu Besitzern vom Staates Gnade geworden.

Dies hat weit reichende Folgen. Nur der Souverän (früher das Individuum, jetzt der Staat) hat das vollkommene Recht Fehler zu machen. Dieses Recht hat der Mensch längst nicht mehr. Egal ob Kindererziehung, Lebensplanung, Ernährung ... überall wird das Recht auf individuelle Fehler mit staatlichen Mitteln beseitigt.

Die Frage in dieser Sache kann also nicht lauten, ob es rechtens ist, die Menschen von ihrem Eigentum fernzuhalten.

Der Staat schützt die Bürger auf vielfäktige Weise vor sich selbst, z.B,. Sicherheitsgurt, Verbot von bestimmten Rauschgiften usw.
Diese Art der Diskussion belebt sich immer wieder neu, wenn ein Bergsteiger verunglückt und mit hohem Einsatz gerettet werden muss.

Elim
18.10.2009, 15:25
ein Unding was dort abgeht! Versagen und Behördenwillkür.

Nein, das schreit nach Verdunkelung einer Straftat. Unrecht ist es sowieso, das ist keine Frage.

Meinen Quellen nach war diese Geschichte kein Unfall, ließe man die Leute nun zu ihren Häusern, käme das heraus und Polen wäre offen.

Hombre
18.10.2009, 22:49
@klartext

DLRG, Wasserwacht, freiwilige Feuerwehr ...

Wer braucht den Staat?

Meinst du, dass der Verunglückte nicht gerettet wird?
Obwohl. Wenn sich die mohammedanische Lebensweise durchsetzt, wird er nicht gerettet.