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Vollständige Version anzeigen : War Deutschland der militaristischste Staat Europas?



-SG-
04.09.2009, 12:57
Es gibt ja die Mär, die behauptet, Deutschland sei bis 1945 mit seiner preußisch-obrigkeitsstaatlichen Tradition der militaristischste Staat in Europa gewesen. Der einflussreiche US-Autor Louis Nizer befand Deutschland für vom Untergang Roms bis zur Neuzeit an allen denkbaren Desastern und Kriegen schuldig: "Sie machten Krieg zu ihrem Beruf. Wo sie hintraten, starb die Kultur ab."

... (Quelle wird nachgereicht) ...

Paul Felz
04.09.2009, 12:59
Egal. Deutsche sind immer schuld. Auch an der Klimakatastrophe. Und daran, daß sie nicht eintritt.

JensVandeBeek
04.09.2009, 13:01
Trotz alle "Fakten" sollte man zwischen Angriffs- und Verteidigungskriege unterscheiden.

-SG-
04.09.2009, 13:14
Trotz alle "Fakten" sollte man zwischen Angriffs- und Verteidigungskriege unterscheiden.

Was schwierig ist, zu messen, da bekanntlich im Regelfall nie jemand "angegriffen" haben will, selbst wenn man plündernd und mordend durch die Weltgeschichte zog, und es auch objektiv nicht immer feststellbar ist, von wem die Aggressionen ausgingen.

JensVandeBeek
04.09.2009, 13:15
Was schwierig ist, zu messen, da bekanntlich im Regelfall nie jemand "angegriffen" haben will, selbst wenn man plündernd und mordend durch die Weltgeschichte zog.

So isses...leider.

Paul Felz
04.09.2009, 13:15
Was schwierig ist, zu messen, da bekanntlich im Regelfall nie jemand "angegriffen" haben will, selbst wenn man plündernd und mordend durch die Weltgeschichte zog, und es auch objektiv nicht immer feststellbar ist, von wem die Aggressionen ausgingen.

Nöö, ganz einfach. Angegriffen wurde immer der spätere Sieger.

-SG-
04.09.2009, 14:06
Egal. Deutsche sind immer schuld. Auch an der Klimakatastrophe. Und daran, daß sie nicht eintritt.

Grad pisst's schon wieder, gibt's etwa gerade irgendwo einen NPD-Aufmarsch?

Biskra
04.09.2009, 14:28
Wenn man allerdings alle europäischen Kriege von 1280 bis 1940 ansieht, so waren folgende Mächte daran beteiligt:

- England in 28% aller Kriege
- Frankreich 26%
- Spanien 23%
- Russland 22%
- Österreich 19%
- Türkei 15%
- Polen 11%
- Schweden 9%
- Niederlande 8%
- Deutschland (inkl. Preußen) 8%
- Dänemark 7%.

Wie wurde denn gezählt? Und wie sieht es ab dem 17.JH (Aufstieg Preußens) aus?

-SG-
04.09.2009, 14:59
Wie wurde denn gezählt? Und wie sieht es ab dem 17.JH (Aufstieg Preußens) aus?

Gezählt wurden Kriege, in die europäische Mächte verwickelt waren. Ich hab das Buch jetzt nicht zur Hand. Vielleicht wurde definiert Krieg = Auseinandersetzung mit >=1000 Toten, wie in der neueren Literatur üblich. Jedenfalls wurden 328 Kriege in diesem Zeitraum gezählt. Was ich nicht weiß, ist, ob z.B. der 100-jährige Krieg als eine Auseinandersetzung gezählt wurde oder ob das in Einzelkonflikte aufgebrochen wurde.

Ab dem 17.Jh. wird es nicht anders aussehen. Zu dieser Zeit gab es statistisch alle zwei Jahre einen Krieg. Die meisten gehen dabei auf das Konto der Kolonialmächte.

Sauerländer
04.09.2009, 15:06
Der militaristischste? Möglich.
Der bellizistischste? Mit Sicherheit NICHT.

EinDachs
04.09.2009, 15:25
Es gibt ja die Mär, die behauptet, Deutschland sei bis 1945 mit seiner preußisch-obrigkeitsstaatlichen Tradition der militaristischste Staat in Europa gewesen. Der einflussreiche US-Autor Louis Nizer befand Deutschland für vom Untergang Roms bis zur Neuzeit an allen denkbaren Desastern und Kriegen schuldig: "Sie machten Krieg zu ihrem Beruf. Wo sie hintraten, starb die Kultur ab."

Wenn man allerdings alle europäischen Kriege von 1280 bis 1940 ansieht, so waren folgende Mächte daran beteiligt:

- England in 28% aller Kriege
- Frankreich 26%
- Spanien 23%
- Russland 22%
- Österreich 19%
- Türkei 15%
- Polen 11%
- Schweden 9%
- Niederlande 8%
- Deutschland (inkl. Preußen) 8%
- Dänemark 7%.

Weitere Fakten. (http://kassandra2030.wordpress.com/2009/09/04/1-deutschland-war-bis-1945-mit-seiner-preusisch-obrigkeitsstaatlichen-tradition-der-militaristischste-staat-in-europa/)

Ich würd mal sagen, dass kommt stark auf den Vergleichszeitraum an.
Abgesehen davon meint man mit militaristisch (hält Militär und Sicherheit besonders hoch) meist nicht bellizistisch (führt viele Kriege).
So kann man etwa Burma (Birma/Myanmar, wie immer man es nennt) durchaus als militaristisch bezeichnen, ganz ohne das es einen Krieg geführt hat.

Freiherr
04.09.2009, 16:19
Ich würd mal sagen, dass kommt stark auf den Vergleichszeitraum an.
Abgesehen davon meint man mit militaristisch (hält Militär und Sicherheit besonders hoch) meist nicht bellizistisch (führt viele Kriege).
So kann man etwa Burma (Birma/Myanmar, wie immer man es nennt) durchaus als militaristisch bezeichnen, ganz ohne das es einen Krieg geführt hat.

Warum sollte Birma militaristisch sein?
Es wird lediglich von Militärs regiert.

Biskra
04.09.2009, 16:27
Gezählt wurden Kriege, in die europäische Mächte verwickelt waren.

Also nicht nur "europäische Kriege"?


Was ich nicht weiß, ist, ob z.B. der 100-jährige Krieg als eine Auseinandersetzung gezählt wurde oder ob das in Einzelkonflikte aufgebrochen wurde.

Das könnte entscheidende Unterschiede bewirken, gerade für Frankreich und England. Wenn auch 'innere Konflikte' gezählt wurden (Hugenottenkriege etc.), dann verschiebt sich das Gewicht natürlich noch mehr. Aber der Hundertjährige ist auch gar nicht dabei, siehe unten.


Ab dem 17.Jh. wird es nicht anders aussehen. Zu dieser Zeit gab es statistisch alle zwei Jahre einen Krieg. Die meisten gehen dabei auf das Konto der Kolonialmächte.

Nun ja, nach der Zählung kommt Deutschland incl. Preußen auf 26 Kriege. Preußen kann davon ja zumindest 15 für sich verbuchen, wahrscheinlicher jedoch noch einige mehr (Schlesische Kriege & Koalitionskriege sind vermutlich nicht zusammengefasst). Das DR kommt später "nur" noch auf 4. Die übrigen dürften demnach Bayerischer Erbfolgekrieg + Pfälzischer Erbfolgekrieg, sowie Schmalkaldischer und 30-jähriger sein. Mir würden da noch eine ganze Reihe anderer Kriege einfallen, die vermutlich nicht gezählt wurden, weil eben nur ein oder mehrere Fürstentümer des HRR's sich beteiligten.

Aber kommen wir mal zur Ursprungsquelle. Wrights Buch kann man inzwischen ja dank "Google Books" auch durchblättern, ohne es zur Hand zu haben. Ich finde da keine Statistik auf der angegebenen Seite, stattdessen eine auf Seite 53.
Die bewertet die bedeutenden Schlachten [nicht die Kriege!] von 1480 [!] - 1940 und da sieht das Ergebnis folgendermaßen aus (in Prozent):

Frankreich 47
Österreich- Ungarn 34
Deutschland (Preußen) 25
Russland 22
Großbritannien 22
Türkei 15
Spanien 12
Niederlande 8
Schweden 4
Dänemark 2

Polen kommt da übrigens gar nicht vor, was auch für jemanden, der die polnische Geschichte etwas kennt, nicht verwunderlich ist.



Ach ja, der Verweis aufs Buch:
http://books.google.de/books?id=SH5Oc_HSrZMC&pg=PA53&lpg=PA59&vq=26


Und nun kommen wir am besten nochmal zu der von dir verlinkten wohl offensichtlich gefälschten Wiedergabe der Angaben Wrights. Im Vergleich zum Original ist komischerweise Deutschland (bei Wright quasi = Preußen) 32% weniger kriegerisch geworden, Österreich-Ungarn wird gar 56% friedlicher. Frankreich allerdings auch. Polen dagegen scheint im Hinblick auf das Original geradezu blutrünstig geworden zu sein, vielleicht ja insbesondere nach der polnischen Teilung? Honi soit qui mal y pense.

Koslowski
04.09.2009, 16:43
Der militaristischste? Möglich.
Der bellizistischste? Mit Sicherheit NICHT.

Wenigstens kapiert es einer. Ich weiß nicht, wie oft ich das schon runterbeten mußte.

Michel
04.09.2009, 16:48
Dann gehen wir mal jede Schlacht und jeden Krieg von 1648 bis 2009 durch, wenn es unbedingt sein muß.

Krieg im Bündnis mit Schweden gegen Polen 1656 - 1660

Koalitionskrieg Brandenburg-Österreich-Niederlande gegen Frankreich 1672 - 1679

Einfall schwedischer Truppen in Brandeburg die mordend, brennend und vergewaltigend durch Brandenburg auf Berlin ziehn.
Die Erbitterung und der Hass auf die Schweden ermöglicht den

Sieg des Wieners Schuhmachers - Kurfürst Derfflinger über die Schweden in der Schlacht bei Fehrbellin

http://www.preussenweb.de/preussstart.htm

http://www.preussenweb.de/fehrbellin2.htm

-SG-
04.09.2009, 18:41
Ich würd mal sagen, dass kommt stark auf den Vergleichszeitraum an.
Abgesehen davon meint man mit militaristisch (hält Militär und Sicherheit besonders hoch) meist nicht bellizistisch (führt viele Kriege).
So kann man etwa Burma (Birma/Myanmar, wie immer man es nennt) durchaus als militaristisch bezeichnen, ganz ohne das es einen Krieg geführt hat.

Ok, und wie misst man "hält Militär und Sicherheit besonders hoch"? Militärausgaben relativ zu BIP? Dürfte schwierig sein für diese Zeiträume Daten zu finden. Aber wie wäre es mit Armeestärke gemessen an der Gesamtbevölkerung? Da hatte nämlich z.B. Frankreich vor WW1 einen zweifach so hohen Wert wie Dtl.

-SG-
04.09.2009, 19:02
Aber kommen wir mal zur Ursprungsquelle. Wrights Buch kann man inzwischen ja dank "Google Books" auch durchblättern, ohne es zur Hand zu haben. Ich finde da keine Statistik auf der angegebenen Seite, stattdessen eine auf Seite 53.
Die bewertet die bedeutenden Schlachten [nicht die Kriege!] von 1480 [!] - 1940 und da sieht das Ergebnis folgendermaßen aus (in Prozent):

Frankreich 47
Österreich- Ungarn 34
Deutschland (Preußen) 25
Russland 22
Großbritannien 22
Türkei 15
Spanien 12
Niederlande 8
Schweden 4
Dänemark 2

Polen kommt da übrigens gar nicht vor, was auch für jemanden, der die polnische Geschichte etwas kennt, nicht verwunderlich ist.



Bei mir wird die entsprechende Seite zwar nicht in der Vorschau angezeigt, aber es wäre auch verwunderlich, wenn er an einer anderen Stelle einen etwas anderen Zeitraum mit völlig anderen Ergebnissen wiedergibt.

Ich habe wohl etwas vorschnell aus einer Sekundärquelle zitiert und es (ob deren eigentlicher Seriosität) nicht für notwendig gehalten, das Original nochmals zu durchblättern, zumal die Nomenklatur von Bänden, Volumes, Seiten u.dgl. von Ausgabe zu Ausgabe variiert. Muss daher wohl die Quelle vorerst aus dem ersten Beitrag nehmen und nochmals nachschlagen.

EinDachs
05.09.2009, 01:55
Ok, und wie misst man "hält Militär und Sicherheit besonders hoch"?


Kurze Antwort: Gar nicht.
Es gibt dazu einige Versuche, dass quantitativ zu erfassen, dass entwickelt sich aber meiner Beobachtung nach sehr schnell in eine eher esoterische Richtung der ohnehin skurrilen Nutzenrechnung. Da hängt das Ergebnis zu 100% davon ab, welche Faktoren man heranzieht und wie man sie gewichtet. Je nach Gusto des Autors sieht das Ergebnis mal so, mal so aus.
Beim Begriff "bellizistisch" ists einfacher, da reichts angefangene Kriege abzuzählen.


Militärausgaben relativ zu BIP? Dürfte schwierig sein für diese Zeiträume Daten zu finden. Aber wie wäre es mit Armeestärke gemessen an der Gesamtbevölkerung? Da hatte nämlich z.B. Frankreich vor WW1 einen zweifach so hohen Wert wie Dtl.

Militärausgaben relativ zum Gesamtstaatshaushalt (zum BIP ists schwierig) kommen in fast allen Versuchen diesen abstrakten Begriff zu quantifizieren vor.
Armeestärke in Relation zur Bevölkerung hät ich noch nicht gesehen, ist aber für längere Vergleichszeiträume gar nicht sinnvoll, da es v.a. auch auf den momentanen technischen Stand, organisatorische Fragen, Bevölkerungsgröße, milit. Erfordernisse etc ankommt, wieviel Prozent der Bevölkerung man einzieht.
Frankreich unter Louis XIV war sicher militaristischer als die 4. Republik, was sich in diesen Zahlen aber wohl kaum widerspiegeln würde.
Auch beim vgl unterschiedlicher Staaten zur selben Zeit, kommt man da kaum auf wirkliche Korrelationen. Die Schweizer werden in der Kategorie Österreich-Ungarn stets geschlagen haben, ob sie deshalb als militaristischer zu betrachten sind, darf bezweifelt werden.

In Summe leiden all diese Berechnungen aber eben an dem Grundproblem, dass Geschichte eben keine exakte Wissenschaft ist und es nicht so wirklich viel bringt, so zu tun als ob es eine wäre.

Gärtner
05.09.2009, 01:59
Es gibt ja die Mär, die behauptet, Deutschland sei bis 1945 mit seiner preußisch-obrigkeitsstaatlichen Tradition der militaristischste Staat in Europa gewesen. Der einflussreiche US-Autor Louis Nizer befand Deutschland für vom Untergang Roms bis zur Neuzeit an allen denkbaren Desastern und Kriegen schuldig: "Sie machten Krieg zu ihrem Beruf. Wo sie hintraten, starb die Kultur ab."

... (Quelle wird nachgereicht) ...

http://img12.imageshack.us/img12/8161/74737590.jpgan sollte zunächst einmal die Unterscheidung "militärisch - militaristisch" treffen. In diesem Sinne war Preußen - und darum geht es letztlich - in fast seiner gesamten Zeit nie militaristisch, sondern durch und durch militärisch. Ein Soldat weiß um die Notwendigkeit, im Kriege gewisse Fertigkeiten an den Tag legen zu müssen. Aber er wird deshalb den Krieg nie lieben.

Don
05.09.2009, 06:57
Warum sollte Birma militaristisch sein?
Es wird lediglich von Militärs regiert.

Hmmm..............:whis:

Mal Kotzfisch fragen wie das Syndrom heißt......

Agano
05.09.2009, 07:37
Es gibt ja die Mär, die behauptet, Deutschland sei bis 1945 mit seiner preußisch-obrigkeitsstaatlichen Tradition der militaristischste Staat in Europa gewesen. Der einflussreiche US-Autor Louis Nizer befand Deutschland für vom Untergang Roms bis zur Neuzeit an allen denkbaren Desastern und Kriegen schuldig: "Sie machten Krieg zu ihrem Beruf. Wo sie hintraten, starb die Kultur ab."

... (Quelle wird nachgereicht) ...ich weiss nicht, warum dieser herr nizer einen solchen unsinn erzählt. wie schon weiter oben aufgezeigt wird, entbehrt diese behauptung jeglicher grundlage.

was ist das für ein typ? aus welcher schicht kommt er, warum behauptet er so einen unsinn und für welchen zweck? hat er dazu einen auftrag, wenn ja, von wem?

diese behauptung erfülltm den zweck der volksverhetzung und der verlogenen propaganda - mal wieder gegen die deutschen!

so, ist der link schon vorhhanden, der fehlte? mich interessiert, wo das hirnlose zeugs her kommt. richard

aha, ein verweis auf das buch: http://books.google.de/books?id=SH5O...lpg=PA59&vq=26

danke.

suchergebnis: Google
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The requested URL /books?id=SH5O...lpg=PA59&vq=26 was not found on this server.

Götz
05.09.2009, 09:20
Es gibt ja die Mär, die behauptet, Deutschland sei bis 1945 mit seiner preußisch-obrigkeitsstaatlichen Tradition der militaristischste Staat in Europa gewesen. Der einflussreiche US-Autor Louis Nizer befand Deutschland für vom Untergang Roms bis zur Neuzeit an allen denkbaren Desastern und Kriegen schuldig: "Sie machten Krieg zu ihrem Beruf. Wo sie hintraten, starb die Kultur ab."

... (Quelle wird nachgereicht) ...

Eine klassische Projektion, Nizer beschreibt eigentlich exakt was die USA im Verlauf ihrer Geschichte exzessiv betrieben und immer noch betreiben...

Ausonius
05.09.2009, 09:34
Vielleicht wurde definiert Krieg = Auseinandersetzung mit >=1000 Toten, wie in der neueren Literatur üblich. Jedenfalls wurden 328 Kriege in diesem Zeitraum gezählt.

Seit 1280? Bißchen wenig. Deine Ausgangsfrage ist eigentlich nicht zu beantworten. Vom Mittelalter bis 1866 führten deutsche Partikularstaaten munter gegeneinander Krieg. Umgekehrt war der massive Ausbau der preußischen Armee und die Art, wie das geschah, zunächst mal ein Innovationssprung. Ab 1871, gerade ab der Zeit Wilhelm II., war der weitere Ausbau der Armee ohne Frage mit der Ideologie einer imperialistischen Sendung verbunden. Kritikabel war hier aber auch schon der Stellungswert der militärischen Intervention im Deutschen Bund als Allheilmittel bei inneren Konflikten. Die Militärs hatten darüber hinaus einen informellen Einfluß im Kaiserreich und danach, der nicht ihrer verfassungsrechtlichen Stellung entsprach. Das zeigte sich unter anderem gegen Ende des ersten Weltkrieges.

Ausonius
05.09.2009, 09:39
Ok, und wie misst man "hält Militär und Sicherheit besonders hoch"? Militärausgaben relativ zu BIP? Dürfte schwierig sein für diese Zeiträume Daten zu finden.

Was messbar ist, ist z.B. der Anteil der Militärausgaben am Haushalt. Und in der Zeit der Söldnerheere auch der Anteil der Einnahmen aus dem Soldatenhandel an den Gesamteinnahmen. Dazu gibt es zumal für das 18. Jahrhundert einige interessante Arbeiten; zu Tage kam etwa, dass noch um 1700 Hessen-Kassel noch vor Preußen den höchsten Anteil von Soldaten an der Bevölkerung hatte.

Ausonius
05.09.2009, 09:42
In Summe leiden all diese Berechnungen aber eben an dem Grundproblem, dass Geschichte eben keine exakte Wissenschaft ist und es nicht so wirklich viel bringt, so zu tun als ob es eine wäre.

Da macht man es sich aber etwas einfach. Arbeiten auf Basis statistischen Materials können durchaus sinnvoll sein, wie etwa einige Vertreter der Annales-Schule zeigten. Für die Sozialgeschichte des Mittelalters zum Teil sogar unverzichtbar.

-SG-
05.09.2009, 09:56
ich weiss nicht, warum dieser herr nizer einen solchen unsinn erzählt. wie schon weiter oben aufgezeigt wird, entbehrt diese behauptung jeglicher grundlage.

was ist das für ein typ? aus welcher schicht kommt er, warum behauptet er so einen unsinn und für welchen zweck? hat er dazu einen auftrag, wenn ja, von wem?

diese behauptung erfülltm den zweck der volksverhetzung und der verlogenen propaganda - mal wieder gegen die deutschen!

so, ist der link schon vorhhanden, der fehlte? mich interessiert, wo das hirnlose zeugs her kommt. richard

aha, ein verweis auf das buch: http://books.google.de/books?id=SH5O...lpg=PA59&vq=26

danke.

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Das Buch von Nizer ist hier zu finden:
http://ia350605.us.archive.org/0/items/WhatToDoWithGermany/NizerLouis-WhatToDoWithGermany1944110P.Scan.pdf

-SG-
05.09.2009, 10:06
Kurze Antwort: Gar nicht.
Es gibt dazu einige Versuche, dass quantitativ zu erfassen, dass entwickelt sich aber meiner Beobachtung nach sehr schnell in eine eher esoterische Richtung der ohnehin skurrilen Nutzenrechnung. Da hängt das Ergebnis zu 100% davon ab, welche Faktoren man heranzieht und wie man sie gewichtet. Je nach Gusto des Autors sieht das Ergebnis mal so, mal so aus.
Beim Begriff "bellizistisch" ists einfacher, da reichts angefangene Kriege abzuzählen.


Wobei wir hier wieder beim Problem wären, was "angefangene" Kriege sind. Wenn die formale Kriegserklärung ausschlaggebend ist, dann hat England WW1 und WW2 gegen Dtl. angefangen. Wenn man noch weitere Umstände, z.B. die vorangegangene Aggression gegen Bündnispartner, miteinbeziehen will, dann kommt man ganz schnell in nicht mehr intersubjektive Interpretationen hinein. War z.B. die Neutralitätsverletzung Belgiens im 1.WK hinreichende Bedingung dafür, Englands Kriegserklärung als "nicht angefangen" zu klassifizieren? Wie würde man 1870 einordnen? usw.

Also da würde ich auch sagen, dass es ganz vom Standpunkt des Autors abhängt.



Militärausgaben relativ zum Gesamtstaatshaushalt (zum BIP ists schwierig) kommen in fast allen Versuchen diesen abstrakten Begriff zu quantifizieren vor.
Armeestärke in Relation zur Bevölkerung hät ich noch nicht gesehen, ist aber für längere Vergleichszeiträume gar nicht sinnvoll, da es v.a. auch auf den momentanen technischen Stand, organisatorische Fragen, Bevölkerungsgröße, milit. Erfordernisse etc ankommt, wieviel Prozent der Bevölkerung man einzieht.
Frankreich unter Louis XIV war sicher militaristischer als die 4. Republik, was sich in diesen Zahlen aber wohl kaum widerspiegeln würde.
Auch beim vgl unterschiedlicher Staaten zur selben Zeit, kommt man da kaum auf wirkliche Korrelationen. Die Schweizer werden in der Kategorie Österreich-Ungarn stets geschlagen haben, ob sie deshalb als militaristischer zu betrachten sind, darf bezweifelt werden.


Zeitreihenvergleiche sind mit diesen Methoden Murks, da hast Du recht. Erst seit den napoleonischen Kriegen sind z.B. Volksarmeen aufgetaucht, d.h. in den Epochen davor müssten die Staaten relativ viel unmilitaristischer erscheinen anhand dieses Indikators. Genauso braucht die USA heute nicht mehr die Millionenheere von 1944.

Und Querschnitte sind, wie Du sagst, auch nicht vor Verzerrungen geweiht, das Problem hat man ja überall. Wenn man die höchste Belastnug in der EU durch Flüchtlinge messen will, dann gewinnt immer Malta. Der Vatikan wäre wohl auch ein heißer Kandidat für militaristischster Staat (oder sind die Schweizer Garden keine Staatsbürger?, k.A.).

Letztendlich ist Militärausgaben/BIP schon ein ganz vernünftiger Indikator, nur halt für diese Epochen aufgrund des Datenmaterials wohl kaum anwendbar.

-SG-
05.09.2009, 10:10
Was messbar ist, ist z.B. der Anteil der Militärausgaben am Haushalt. Und in der Zeit der Söldnerheere auch der Anteil der Einnahmen aus dem Soldatenhandel an den Gesamteinnahmen. Dazu gibt es zumal für das 18. Jahrhundert einige interessante Arbeiten; zu Tage kam etwa, dass noch um 1700 Hessen-Kassel noch vor Preußen den höchsten Anteil von Soldaten an der Bevölkerung hatte.

Wie gesagt, Militärausgaben zu BIP oder Haushalt wird datentechnisch schwer werden für, sagen wir, Schaumburg-Lippe 1815-71, oder?

Und verkaufte Söldner würde wohl ein verzerrtes Bild bringen. Dann wäre die Pfalz weit militaristischer als die USA, die in der Regel keine Einnahmen durch Söldnerhandel sondern nur Ausgaben zu verzeichnen hatten.

Ausonius
05.09.2009, 10:26
Wie gesagt, Militärausgaben zu BIP oder Haushalt wird datentechnisch schwer werden für, sagen wir, Schaumburg-Lippe 1815-71, oder?


Ich kenne die Archivalien zwar nicht im Detail, aber da die zentrale Überlieferung der Staaten in Deutschland in der Regel sehr gut ist, würde sich wohl auch zu Schaumburg-Lippe in punkto Militär was finden lassen.


Und verkaufte Söldner würde wohl ein verzerrtes Bild bringen. Dann wäre die Pfalz weit militaristischer als die USA, die in der Regel keine Einnahmen durch Söldnerhandel sondern nur Ausgaben zu verzeichnen hatten.

Solche Staaten haben ja gewissermaßen eine symbiotische Beziehung: die einen stellen das Geld, die anderen die Truppen. Um das Produkt "Soldat" erfolgsversprechend auf dem Weltmarkt anbieten zu können, muss der Söldnerstaat im Inneren entsprechend einen Militarismus propagieren. Hier sind wir aber wieder bei der Frage "Bellizismus" vs. "Militarismus". Auf jeden Fall: wenn ein deutsches Land wie Hessen-Kassel im 17./18. Jhdt. in beträchtlichem Umfang vom Soldatenhandel gelebt, vielleicht sogar überlebt hat, würde ich schon von einem "Militärstaat" sprechen.

-SG-
05.09.2009, 10:45
Ich kenne die Archivalien zwar nicht im Detail, aber da die zentrale Überlieferung der Staaten in Deutschland in der Regel sehr gut sind, würde sich wohl auch zu Schaumburg-Lippe in punkto Militär was finden lassen.


Meinst Du? Ich glaube kaum, dass sich was BIP und Staatshaushalt angeht vernünftige Zahlen für das 16.-19. Jh. finden lassen, lasse mich aber gern eines besseren belehren.



Solche Staaten haben ja gewissermaßen eine symbiotische Beziehung: die einen stellen das Geld, die anderen die Truppen. Um das Produkt "Soldat" erfolgsversprechend auf dem Weltmarkt anbieten zu können, muss der Söldnerstaat im Inneren entsprechend einen Militarismus propagieren. Hier sind wir aber wieder bei der Frage "Bellizismus" vs. "Militarismus". Auf jeden Fall: wenn ein deutsches Land wie Hessen-Kassel im 17./18. Jhdt. in beträchtlichem Umfang vom Soldatenhandel gelebt, vielleicht sogar überlebt hat, würde ich schon von einem "Militärstaat" sprechen.
Naja, das würde ich nicht, denn der Söldnerhandel war ja vor allem für die überschüssigen jungen Männer ohne Beschäftigung eine Möglichkeit, irgendetwas mit ihrem Leben anzustellen; während Hunderttausende auf "normalem" Wege abgewandert sind, wurden diese halt gleich ein einen "Beruf vermittelt". Dass dann für den Fürst noch Geld dabei herausspringt, wenn er einen Teil seines rasch wachsenden Jungmännerübschusses los werden kann, ist nachvollziehbarerweise in seinem Interesse und klassifiziert diesen Staat dann nicht deshalb als Militärstaat, denn er hätte sie auch als Goldgräber an den Yukon oder als Seidespinner nach Ahmenabad verkauft, das hätte den Staat dann wohl auch nicht zum Goldgräberstaat oder Seidespinnerstaat gemacht...

Ausonius
05.09.2009, 11:27
Meinst Du? Ich glaube kaum, dass sich was BIP und Staatshaushalt angeht vernünftige Zahlen für das 16.-19. Jh. finden lassen, lasse mich aber gern eines besseren belehren.


BIP=nein! Das ist auch logisch: dieses Konzept gibt es erst seit dem 20. Jahrhundert; in der Neuzeit hätte niemand entsprechende Daten ermittelt. Die Staatshaushalte sind dagegen sehr wohl über Rechnungen belegt, zum Teil auch mit Belegen überprüfbar. Im 19. Jahrhundert wurden die Haushalte auch schon veröffentlicht!



Naja, das würde ich nicht, denn der Söldnerhandel war ja vor allem für die überschüssigen jungen Männer ohne Beschäftigung eine Möglichkeit, irgendetwas mit ihrem Leben anzustellen; während Hunderttausende auf "normalem" Wege abgewandert sind, wurden diese halt gleich ein einen "Beruf vermittelt". Dass dann für den Fürst noch Geld dabei herausspringt, wenn er einen Teil seines rasch wachsenden Jungmännerübschusses los werden kann, ist nachvollziehbarerweise in seinem Interesse und klassifiziert diesen Staat dann nicht deshalb als Militärstaat, denn er hätte sie auch als Goldgräber an den Yukon oder als Seidespinner nach Ahmenabad verkauft, das hätte den Staat dann wohl auch nicht zum Goldgräberstaat oder Seidespinnerstaat gemacht...

Du verkehrst hier Ursache und Wirkung. Das deutsche Söldnerwesen nahm seinen Ursprung im wesentlichen im 30-jährigen Krieg; um die horrenden Militärkosten in den ausgeplünderten Ländern zu bewältigen, nahm Hessen-Kassel quasi "Aufträge" vom verbündeten, wohlhabenden Frankreich an. Mit dem - ohnehin fragwürdigen - "youth bulge"-Konzept von Heinsohn hatte das ursächlich nichts zu tun. Es war ja nicht so, dass die jungen Männer z.B. in Hessen nicht genug aufzubauen gehabt hätten; der Soldatenhandel rettete vielmehr die Staatshaushalte. In Hessen-Darmstadt hat man das z.B. nicht in dem Umfang betrieben, was dazu führte, dass Hessen-Kassel sich schneller von den Folgen des Krieges erholte.

Dann ist noch entscheidend (in punkto Goldgräber-Vergleich): die Soldaten blieben in den Diensten ihrer Fürsten! In dieser Hinsicht wird der Begriff "Verkauf" von Laien oft missverstanden; eigentlich war es eher ein "Leasing". Nach den Kriegen kehrten sie in der Regel in ihre Heimat zurück. Das ist aber für meine Argumentation unerheblich, die folgendermaßen ist: um Soldaten kriegführenden Ländern anzubieten, muss die nötige Infrastruktur geschaffen werden; die liegt hier im Ausbau des Militärs, auch der Förderung und Propagierung, und der Werbung junger Männer mit Zuckerbrot oder Peitsche. Der Staat wird im Hinblick auf das wichtigste Exportgut "Militär" umgebildet, dass sehe ich dann schon als Militarismus.

Biskra
05.09.2009, 13:25
Bei mir wird die entsprechende Seite zwar nicht in der Vorschau angezeigt, aber es wäre auch verwunderlich, wenn er an einer anderen Stelle einen etwas anderen Zeitraum mit völlig anderen Ergebnissen wiedergibt

Ja, das wäre sehr verwunderlich. Hab von der entsprechenden Seite mal einen Screenshot gemacht:

http://img40.imageshack.us/img40/8290/unbenannt1cr.th.jpg (http://img40.imageshack.us/i/unbenannt1cr.jpg/)

-SG-
05.09.2009, 13:46
BIP=nein! Das ist auch logisch: dieses Konzept gibt es erst seit dem 20. Jahrhundert; in der Neuzeit hätte niemand entsprechende Daten ermittelt. Die Staatshaushalte sind dagegen sehr wohl über Rechnungen belegt, zum Teil auch mit Belegen überprüfbar. Im 19. Jahrhundert wurden die Haushalte auch schon veröffentlicht!



Du verkehrst hier Ursache und Wirkung. Das deutsche Söldnerwesen nahm seinen Ursprung im wesentlichen im 30-jährigen Krieg; um die horrenden Militärkosten in den ausgeplünderten Ländern zu bewältigen, nahm Hessen-Kassel quasi "Aufträge" vom verbündeten, wohlhabenden Frankreich an. Mit dem - ohnehin fragwürdigen - "youth bulge"-Konzept von Heinsohn hatte das ursächlich nichts zu tun. Es war ja nicht so, dass die jungen Männer z.B. in Hessen nicht genug aufzubauen gehabt hätten; der Soldatenhandel rettete vielmehr die Staatshaushalte. In Hessen-Darmstadt hat man das z.B. nicht in dem Umfang betrieben, was dazu führte, dass Hessen-Kassel sich schneller von den Folgen des Krieges erholte.

Dann ist noch entscheidend (in punkto Goldgräber-Vergleich): die Soldaten blieben in den Diensten ihrer Fürsten! In dieser Hinsicht wird der Begriff "Verkauf" von Laien oft missverstanden; eigentlich war es eher ein "Leasing". Nach den Kriegen kehrten sie in der Regel in ihre Heimat zurück. Das ist aber für meine Argumentation unerheblich, die folgendermaßen ist: um Soldaten kriegführenden Ländern anzubieten, muss die nötige Infrastruktur geschaffen werden; die liegt hier im Ausbau des Militärs, auch der Förderung und Propagierung, und der Werbung junger Männer mit Zuckerbrot oder Peitsche. Der Staat wird im Hinblick auf das wichtigste Exportgut "Militär" umgebildet, dass sehe ich dann schon als Militarismus.

Nun gut, aber trotzdem bleibt es dann doch eben ein "Exportgut" und kann weniger als Indikator für den Militarismus einer Gesellschaft dienen, denn das hätte die verzerrende Wirkung, dass diejenigen, die wie Du beschreibst für Teile der Gesellschaft das Militär zu einer Option des Brotverdienstes werden lassen, um damit handeln und Geld verdienen zu können, militaristischer bewertet werden würden, als die, die viele Leute ins Militär einverleiben um selbst Kriege zu führen.

-SG-
05.09.2009, 13:48
Ja, das wäre sehr verwunderlich. Hab von der entsprechenden Seite mal einen Screenshot gemacht:

http://img40.imageshack.us/img40/8290/unbenannt1cr.th.jpg (http://img40.imageshack.us/i/unbenannt1cr.jpg/)

Die konnte ich auch sehen, ich meinte die in der Sekundärquelle zitierte Seite 221 (wobei die sich wohl auf eine andere Ausgabe bezieht), und mein Kommentar bezog sich darauf, dass es verwunderlich wäre, wenn er auf S. 53 diese Zahlen nennt und 150 Seiten später wesentlich andere in einem leicht anderen Kontext.

Biskra
05.09.2009, 14:17
Die konnte ich auch sehen, ich meinte die in der Sekundärquelle zitierte Seite 221 (wobei die sich wohl auf eine andere Ausgabe bezieht), und mein Kommentar bezog sich darauf, dass es verwunderlich wäre, wenn er auf S. 53 diese Zahlen nennt und 150 Seiten später wesentlich andere in einem leicht anderen Kontext.

Nun, da habe ich ca. 8 Seiten vorher und nachher geschaut und nichts gefunden. Es wäre auch extrem seltsam, wenn auf einer Seite der Zeitraum von 1480-1940 untersucht wird und auf der anderen dann plötzlich einer von 1280 bis 1940. 1480 ist militärhistorisch (http://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fes_Gegen%C3%BCberstehen_an_der_Ugra) bedeutend (http://de.wikipedia.org/wiki/Belagerung_von_Rhodos_%281480%29), 1280 nicht.

EinDachs
07.09.2009, 08:43
Wobei wir hier wieder beim Problem wären, was "angefangene" Kriege sind. Wenn die formale Kriegserklärung ausschlaggebend ist, dann hat England WW1 und WW2 gegen Dtl. angefangen. Wenn man noch weitere Umstände, z.B. die vorangegangene Aggression gegen Bündnispartner, miteinbeziehen will, dann kommt man ganz schnell in nicht mehr intersubjektive Interpretationen hinein. War z.B. die Neutralitätsverletzung Belgiens im 1.WK hinreichende Bedingung dafür, Englands Kriegserklärung als "nicht angefangen" zu klassifizieren? Wie würde man 1870 einordnen? usw.

Also da würde ich auch sagen, dass es ganz vom Standpunkt des Autors abhängt.

Vom Standpunkt des Autors hängt hier natürlich stets einiges ab.
Allerdings würd ich nicht die formale Kriegserklärung zu einem wichtigen Kriterium machen. DEr Grund ist einfach der, dass häufig keine vorliegt und sie eigentlich mehr darüber sagt, wie sehr der Staat sich an die diplomatische Etikette hält als wie aggressiv er ist.
Der 2 WK illustriert dies gut genug: Hitlerdeutschland wär Opfer britischer Aggression, formal betrachtet nie im Krieg mit Russland und Angreifer gegenüber der Amerikaner. Wie wertet man dies?




Zeitreihenvergleiche sind mit diesen Methoden Murks, da hast Du recht. Erst seit den napoleonischen Kriegen sind z.B. Volksarmeen aufgetaucht, d.h. in den Epochen davor müssten die Staaten relativ viel unmilitaristischer erscheinen anhand dieses Indikators. Genauso braucht die USA heute nicht mehr die Millionenheere von 1944.

Und Querschnitte sind, wie Du sagst, auch nicht vor Verzerrungen geweiht, das Problem hat man ja überall. Wenn man die höchste Belastnug in der EU durch Flüchtlinge messen will, dann gewinnt immer Malta. Der Vatikan wäre wohl auch ein heißer Kandidat für militaristischster Staat (oder sind die Schweizer Garden keine Staatsbürger?, k.A.).

Letztendlich ist Militärausgaben/BIP schon ein ganz vernünftiger Indikator, nur halt für diese Epochen aufgrund des Datenmaterials wohl kaum anwendbar.

Oh, da liegen schon einige Zahlen vor. Der Historiker Bairoch hat sich die Mühe gemacht diese Werte für fast alle wichtigen europäischen Nationen der späteren Neuzeit (ca ab 1750) in mühevoller Kleinstarbeit zu errechnen.

Ein weiteres Indiz ist die Häufigkeit von Uniformierung im nicht-militärischen Bereich. Auch die Regelmäßigkeit mit der man das Volk mit Militärparaden erfreut, kann man da gerne reinwerten.

-SG-
07.09.2009, 10:49
Vom Standpunkt des Autors hängt hier natürlich stets einiges ab.
Allerdings würd ich nicht die formale Kriegserklärung zu einem wichtigen Kriterium machen. DEr Grund ist einfach der, dass häufig keine vorliegt und sie eigentlich mehr darüber sagt, wie sehr der Staat sich an die diplomatische Etikette hält als wie aggressiv er ist.
Der 2 WK illustriert dies gut genug: Hitlerdeutschland wär Opfer britischer Aggression, formal betrachtet nie im Krieg mit Russland und Angreifer gegenüber der Amerikaner. Wie wertet man dies?

Ja das hab ich ja gesagt. Die formale Kriegserklärung bringt einen nicht weit, und was man dann als Ersatz nimmt ist meist sehr subjektiv, weil meistens ein Hochschaukeln verschiedener "Ursachen" vorliegt, und z.B. bis ins 19. Jahrhundert Kriegsgründe allgemein anerkannt waren, wegen denen heute nicht mehr Kriege geführt werden würden, z.B. irgendwelche Erbgeschichten in den Monarchenfamilien, irgendwelche diplomatischen Etiquetteverletzungen usw.


Oh, da liegen schon einige Zahlen vor. Der Historiker Bairoch hat sich die Mühe gemacht diese Werte für fast alle wichtigen europäischen Nationen der späteren Neuzeit (ca ab 1750) in mühevoller Kleinstarbeit zu errechnen.

Ein weiteres Indiz ist die Häufigkeit von Uniformierung im nicht-militärischen Bereich. Auch die Regelmäßigkeit mit der man das Volk mit Militärparaden erfreut, kann man da gerne reinwerten.
Hm, Titel des Buches/der Arbeit? Ich finde nur dieses (http://dialnet.unirioja.es/servlet/articulo?codigo=2685649), da scheint aber nichts über Militärausgaben zu stehen.

Militärparaden/Uniformierung ist ein unsinniger Indikator, das könnte man vielleicht nehmen, um zu messen, inwiefern militärische Symbolik in die Alltagskultur einer Gesellschaft übergegangen ist, aber die tatsächlichen militärischen Auseinandersetzungen, um die es hier geht, werden damit natürlich nicht erfasst. Zumal das natürlich auch nie und nimmer messbar wäre und wohl hauptsächlich auf dem Klischee beruht, dass in Preußen ständig Pickelhauben im Gleichschritt marschierten, während in London nur Geschäftsmänner in Anzügen flanierten und in Paris nur junge Mademoiselles sich im Straßencafé auf ein Eis einladen ließen... (und die DDR (http://www.youtube.com/watch?v=vVOuCJyh_CU) würde dann wohl auch als militaristisch klassifiziert werden müssen)

Alpha Scorpii
07.09.2009, 18:58
Also nicht nur "europäische Kriege"?
Aber kommen wir mal zur Ursprungsquelle. Wrights Buch kann man inzwischen ja dank "Google Books" auch durchblättern, ohne es zur Hand zu haben. Ich finde da keine Statistik auf der angegebenen Seite, stattdessen eine auf Seite 53.
Die bewertet die bedeutenden Schlachten [nicht die Kriege!] von 1480 [!] - 1940 und da sieht das Ergebnis folgendermaßen aus (in Prozent):

Frankreich 47
Österreich- Ungarn 34
Deutschland (Preußen) 25
Russland 22
Großbritannien 22
Türkei 15
Spanien 12
Niederlande 8
Schweden 4
Dänemark 2

Polen kommt da übrigens gar nicht vor, was auch für jemanden, der die polnische Geschichte etwas kennt, nicht verwunderlich ist.

Ach ja, der Verweis aufs Buch:
http://books.google.de/books?id=SH5Oc_HSrZMC&pg=PA53&lpg=PA59&vq=26


Dieses Buch kann ja gar nicht seriös sein, wen Schweden nur 4% der Schlachten geschlagen haben soll obwohl es Hauptbeteiligter am 30jährigen Krieg war, gegen Russland dauernd Krieg geführt hat und auch diverse skandinavische Kriege geführt hat.

Das nenn ich lachhaft!



Dazu gibt es zumal für das 18. Jahrhundert einige interessante Arbeiten; zu Tage kam etwa, dass noch um 1700 Hessen-Kassel noch vor Preußen den höchsten Anteil von Soldaten an der Bevölkerung hatte.


Solche Staaten haben ja gewissermaßen eine symbiotische Beziehung: die einen stellen das Geld, die anderen die Truppen. Um das Produkt "Soldat" erfolgsversprechend auf dem Weltmarkt anbieten zu können, muss der Söldnerstaat im Inneren entsprechend einen Militarismus propagieren. Hier sind wir aber wieder bei der Frage "Bellizismus" vs. "Militarismus". Auf jeden Fall: wenn ein deutsches Land wie Hessen-Kassel im 17./18. Jhdt. in beträchtlichem Umfang vom Soldatenhandel gelebt, vielleicht sogar überlebt hat, würde ich schon von einem "Militärstaat" sprechen.

Das ist doch Unsinn, die Soldaten standen immer und dauernd unter ausländischen Befehl (auch Wellingtons "Engländer" waren zum großen Teil Deutsche).

Was die verkauft haben, waren keine militärischen Dienstleistungen, sondern ihre Landeskinder, die in fremde Armeen gepresst wurden.

Das ist eine vergleichbare Täuschung, wie die Teilnahme "Indiens" an den Weltkriegen, da hat kein Inder etwas zusagen, genausowenig wie Hessen/Kassel eine Rolle spielte als Militärmacht.

Krzyzak
07.09.2009, 19:02
Es gibt ja die Mär, die behauptet, Deutschland sei bis 1945 mit seiner preußisch-obrigkeitsstaatlichen Tradition der militaristischste Staat in Europa gewesen. Der einflussreiche US-Autor Louis Nizer befand Deutschland für vom Untergang Roms bis zur Neuzeit an allen denkbaren Desastern und Kriegen schuldig: "Sie machten Krieg zu ihrem Beruf. Wo sie hintraten, starb die Kultur ab."

... (Quelle wird nachgereicht) ...

Jepp, wir sind ein Kriegervolk! Was als Anschuldigung gedacht, macht uns stolz!


Komisch nur, daß Deutschland an gerade einmal 10% der europäischen Kriege der Neuzeit beteiligt war.

Ausonius
07.09.2009, 19:39
Dieses Buch kann ja gar nicht seriös sein, wen Schweden nur 4% der Schlachten geschlagen haben soll obwohl es Hauptbeteiligter am 30jährigen Krieg war, gegen Russland dauernd Krieg geführt hat und auch diverse skandinavische Kriege geführt hat.

Das nenn ich lachhaft!






Das ist doch Unsinn, die Soldaten standen immer und dauernd unter ausländischen Befehl (auch Wellingtons "Engländer" waren zum großen Teil Deutsche).

Was die verkauft haben, waren keine militärischen Dienstleistungen, sondern ihre Landeskinder, die in fremde Armeen gepresst wurden.

Das ist eine vergleichbare Täuschung, wie die Teilnahme "Indiens" an den Weltkriegen, da hat kein Inder etwas zusagen, genausowenig wie Hessen/Kassel eine Rolle spielte als Militärmacht.

Das hast du falsch verstanden. Quasi wurden die Soldaten "ausgeliehen"; was besonders im Dreißigjährigen Krieg mitunter zu merkwürdigen Konstellationen führte - so kämpfte die hessische Hauptarmee teilweise am Niederrhein, während gegnerische Truppen das Kernland angriffen. Sie blieben pro forma in z.B. hessischen Diensten, selbst wenn die Oberbefehlshaber - da hast du Recht - Engländer waren. Das führte zu kuriosen Dingen: Als die Briten die entscheidende Schlacht bei Trenton verloren - mit hauptsächlich hessischen Truppen - befand trotz der schwierigen Kommunikation das Gericht des Kasseler Hofes darüber, ob die Niederlage dem Fehlverhalten von Offizieren anzulasten sei. Nach dem Unabhängigkeitskrieg blieben zwar viele Hessen in Amerika, aber das war eigentlich nicht so beabsichtigt.

Dubidomo
07.09.2009, 19:45
Es gibt ja die Mär, die behauptet, Deutschland sei bis 1945 mit seiner preußisch-obrigkeitsstaatlichen Tradition der militaristischste Staat in Europa gewesen. Der einflussreiche US-Autor Louis Nizer befand Deutschland für vom Untergang Roms bis zur Neuzeit an allen denkbaren Desastern und Kriegen schuldig: "Sie machten Krieg zu ihrem Beruf. Wo sie hintraten, starb die Kultur ab."

... (Quelle wird nachgereicht) ...
Hat der Ami es mal wieder nötig?

1. Hitler betrieb antipreuß. Politik:
a) Kündigung des Vertrages von Brest-Litowsk (Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939). Der Vertrag von Brest-Litowsk, durchgesetzt mit preuß. Faust und Militärmacht, bescherte Finnland, den baltischen Staaten, der Ukraine und Polen die Freiheit vom Zarenjoch! Und Hitler machte das wieder im Hitler-Stalin-Pakt wieder rückgängig und kann damit die preuß. Politik nicht fortgeführt haben. Das war nicht Politik im Sinne und im Interesse Preußens!
b) Sudetenpolitik und Besetzung der CSR! Man vergleiche dazu 1866! 1866 hat Preußen Ö-U samt Böhmen und Mähren aus Deutschland rausgeworfen gegen den Willen der Böhmen, Mähren und Ösis! Daran erkennt man, welchen Schmarrn der Ami abgelassen hat.


2. Hitlers führende Generäle ab 1938 stammten alle aus süddeutschen Kadettenanstalten. Süddeutsche Kadettenanstalten waren keine preuß. Kadettenanstalten. Vor 1918 war das deutsche Heer ein Bundesheer! Da war noch nichts mit Reichswehr und Wehrmacht!

So erlernte der Mörder W. Rathenaus von Salomon (Die Kadettenanstalt) sein Mordhandwerk in einer süddeutschen Kadettenanstalt. In einer preuß. Kadettenanstalt hätte man ihm seine Rücksichtslosigkeit und seine Menschenverachtung rechtzeitig ausgetrieben.

Alpha Scorpii
07.09.2009, 20:16
Das hast du falsch verstanden. Quasi wurden die Soldaten "ausgeliehen"; was besonders im Dreißigjährigen Krieg mitunter zu merkwürdigen Konstellationen führte - so kämpfte die hessische Hauptarmee teilweise am Niederrhein, während gegnerische Truppen das Kernland angriffen. Sie blieben pro forma in z.B. hessischen Diensten, selbst wenn die Oberbefehlshaber - da hast du Recht - Engländer waren. Das führte zu kuriosen Dingen: Als die Briten die entscheidende Schlacht bei Trenton verloren - mit hauptsächlich hessischen Truppen - befand trotz der schwierigen Kommunikation das Gericht des Kasseler Hofes darüber, ob die Niederlage dem Fehlverhalten von Offizieren anzulasten sei. Nach dem Unabhängigkeitskrieg blieben zwar viele Hessen in Amerika, aber das war eigentlich nicht so beabsichtigt.

Das nach 1648er Deutschland hat ganz andere Bedingungen als in der vorhergehenden Zeit.

Bei Waterloo kämpften Deutsche unter englischen Regimentsfahnen.

Dubidomo
07.09.2009, 21:01
Das nach 1648er Deutschland hat ganz andere Bedingungen als in der vorhergehenden Zeit.

Bei Waterloo kämpften Deutsche unter englischen Regimentsfahnen.
Die Welfen hielten sich an keinerlei Konventionen. Noch 1866 war das so!

Biskra
09.09.2009, 17:40
Dieses Buch kann ja gar nicht seriös sein, wen Schweden nur 4% der Schlachten geschlagen haben soll obwohl es Hauptbeteiligter am 30jährigen Krieg war, gegen Russland dauernd Krieg geführt hat und auch diverse skandinavische Kriege geführt hat.

Das nenn ich lachhaft!

In 104 großen Schlachten hat nach der Statistik Schweden mitgemischt. Auf wie viele große Schlachten kommst du denn?

Der Österreicher
09.09.2009, 18:44
Es gibt ja die Mär, die behauptet, Deutschland sei bis 1945 mit seiner preußisch-obrigkeitsstaatlichen Tradition der militaristischste Staat in Europa gewesen. Der einflussreiche US-Autor Louis Nizer befand Deutschland für vom Untergang Roms bis zur Neuzeit an allen denkbaren Desastern und Kriegen schuldig: "Sie machten Krieg zu ihrem Beruf. Wo sie hintraten, starb die Kultur ab."

... (Quelle wird nachgereicht) ...

Es gab in Deutschland mehr Kriege als sonstwo, was aber eher mit der Kleinstaaterei und Tatsache, das die Adligen Krieg als ein gewöhnliches politisches Mittel betrachteten. Ich würde Deutschland zumindest bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Opfer des Militärismus der eigenen und europäischen Herrscher sehen. Die Nachwirkung war eben der Militärismus und die Obrigkeitshörigkeit in der Kaiserzeit. Das moderne Deutschland würde ich aber eher als besonders friedfertig bezeichnen.

-SG-
08.10.2009, 13:17
Und nun kommen wir am besten nochmal zu der von dir verlinkten wohl offensichtlich gefälschten Wiedergabe der Angaben Wrights.

Ich habe die Angaben mittlerweile überprüft. Im Band 1 der Ausgabe von 1942 sind die Zahlen tatsächlich diejenigen, die ich ursprünglich im Anfangsposting hatte. (S.221, entsprechende Nachweise und Tabelle im Anhang auf S. 628).

Des weiteren wird nicht nur der Anteil der partizipierten Kriege angegeben, sondern auch der Anteil an Jahren im Kriegszustand.


...alle Kriege der elf wichtigsten europäischen Mächte zwischen 1450 und 1900 untersucht. Die folgenden Zahlen geben die durchschnittliche Anzahl der Jahre pro halbem Jahrhundert im angegebenen Zeitraum wieder, in welchen sich der jeweilige Staat im Kriegszustand befand:

1. Spanien: in durchschnittlich 33 von 50 Jahren.
2. Türkei: 30,5
3. Russland: 30
4. Österreich: 27,5
5. Großbritannien: 25
6. Polen: 24,5
7. Frankreich: 23,5
8. Niederlande: 22
9. Schweden: 17,5
10. Preußen/ Deutsches Reich: 17
11. Dänemark: 11,5

Biskra
08.10.2009, 14:27
Ich habe die Angaben mittlerweile überprüft. Im Band 1 der Ausgabe von 1942 sind die Zahlen tatsächlich diejenigen, die ich ursprünglich im Anfangsposting hatte. (S.221, entsprechende Nachweise und Tabelle im Anhang auf S. 628).

Seltsam.


Des weiteren wird nicht nur der Anteil der partizipierten Kriege angegeben, sondern auch der Anteil an Jahren im Kriegszustand.

Wenn man lange genug sucht, findet man schon eine Statistik, die ins eigene Bild passt. In diesem Fall ist natürlich offensichtlich, daß Preußen 1450 noch keine Bedeutung hatte und die Statistik vor den zwei Weltkriegen endet. Nur frage ich mich ernsthaft, ob z.B. Spanien im Kriegszustand verweilt, weil Cortés mit 1000 Mann die Azteken aufs Korn nimmt. Es ist schon ein eklatanter Unterschied ob einer von 1000 in den Krieg zieht oder eine ganze Generation (levée en masse).

-SG-
08.10.2009, 14:35
Seltsam.



Wenn man lange genug sucht, findet man schon eine Statistik, die ins eigene Bild passt. In diesem Fall ist natürlich offensichtlich, daß Preußen 1450 noch keine Bedeutung hatte und die Statistik vor den zwei Weltkriegen endet. Nur frage ich mich ernsthaft, ob z.B. Spanien im Kriegszustand verweilt, weil Cortés mit 1000 Mann die Azteken aufs Korn nimmt. Es ist schon ein eklatanter Unterschied ob einer von 1000 in den Krieg zieht oder eine ganze Generation (levée en masse).

Das sind die Durchschnittswerte pro halbem Jahrhundert jeweils. Preußen wird erst ab 1600 aufgeführt, was seine Durchschnittswerte natürlich nicht berührt. Die höchsten Werte hat Preußen auch in dieser ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wo der 30jährige Krieg u.a. mit 39 Kriegsjahren zu Buche schlagen. Im ganzen 19. Jahrhundert sind es dagegen nur 13. Zum Vergleich, GB hat seinen Peak im 19. Jh. Auch Spanien hat im 19. Jh. noch 4 mal so hohe Werte wie Preußen. Es ist also keinesfalls so, dass irgendwelche Südamerikaeskpaaden aus dem 15. Jh. die erst spät auf der Bühne erschienenen Preußen aufwiegen.

Die andere Statistik (Anteil an Schlachten) endet übrigens 1940. Sie ist weniger günstig für Preußen/Dtl., aber bemisst ihm dennoch einen nur halb so hohen Wert wie Frankreich zu.

leuchtender Phönix
08.10.2009, 15:23
Das sind die Durchschnittswerte pro halbem Jahrhundert jeweils. Preußen wird erst ab 1600 aufgeführt, was seine Durchschnittswerte natürlich nicht berührt. Die höchsten Werte hat Preußen auch in dieser ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wo der 30jährige Krieg u.a. mit 39 Kriegsjahren zu Buche schlagen. Im ganzen 19. Jahrhundert sind es dagegen nur 13. Zum Vergleich, GB hat seinen Peak im 19. Jh. Auch Spanien hat im 19. Jh. noch 4 mal so hohe Werte wie Preußen. Es ist also keinesfalls so, dass irgendwelche Südamerikaeskpaaden aus dem 15. Jh. die erst spät auf der Bühne erschienenen Preußen aufwiegen.

Die andere Statistik (Anteil an Schlachten) endet übrigens 1940. Sie ist weniger günstig für Preußen/Dtl., aber bemisst ihm dennoch einen nur halb so hohen Wert wie Frankreich zu.

Ich finde, das diese Werte bedeutungslos sind. Erst einmal der lange Betrachtungszeitraum, der völlig an der Frage vorbeigeht. Preussen als Staat gibt es erst ab 1701 und Deutschland erst ab 1871.

Außerdem ist weder die Dauer von Kriegen, noch die Zahl der Schlachten wirklich wichtig. Wie militaristisch ein Staat ist, hängt davon ab, wie groß die Rolle und das Ansehen des Militärs in den jeweiligen Staaten und deren Bevölkerung ist.

Für mich ist Nordkorea ein sehr militaristischer Staat, obwohl es nur die 3 Jahre des Koreakrieges wirklich Krieg geführt hat. Es leistet sich immerhin ein Millionenheer, ein Atomwaffen- und Raketenprogramm, obwohl es schon Hungersnöte gab, für die das Geld dringender notwendig gewesen wäre. Außerdem ist es sehr viel kleiner und Bevölkerungsärmer als Deutschland.

Ein geeigneterer Indikator wäre der Anteil der Militärausgaben am BIP.
http://www.indexmundi.com/map/?v=132&l=de

Biskra
08.10.2009, 15:44
Das sind die Durchschnittswerte pro halbem Jahrhundert jeweils. Preußen wird erst ab 1600 aufgeführt, was seine Durchschnittswerte natürlich nicht berührt. Die höchsten Werte hat Preußen auch in dieser ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, wo der 30jährige Krieg u.a. mit 39 Kriegsjahren zu Buche schlagen. Im ganzen 19. Jahrhundert sind es dagegen nur 13. Zum Vergleich, GB hat seinen Peak im 19. Jh. Auch Spanien hat im 19. Jh. noch 4 mal so hohe Werte wie Preußen. Es ist also keinesfalls so, dass irgendwelche Südamerikaeskpaaden aus dem 15. Jh. die erst spät auf der Bühne erschienenen Preußen aufwiegen

Doch, genauso ist es. Ohne Kolonien keine Kolonialkriege. Preußens Kolonialzeit blieb ja eine Episode.

-SG-
08.10.2009, 17:16
Doch, genauso ist es. Ohne Kolonien keine Kolonialkriege. Preußens Kolonialzeit blieb ja eine Episode.

Ja gut, toll. Ohne Festlandgrenzen keine Kriege um Grenzgebiete, ohne Monarchie keine Erbfolgekriege, ohne navales Technologiewissen keine Seekriege. Was indizieren denn Kolonien sonst, wenn nicht expansiven Militarismus und wieso sollte man sie also ausklammern?

bernhard44
08.10.2009, 17:20
dieses Buch hatte mich schon als Kind beeindruckt!

http://ecx.images-amazon.com/images/I/51-ABHftMZL._SL500_AA240_.jpg

-SG-
08.10.2009, 17:24
Ich finde, das diese Werte bedeutungslos sind. Erst einmal der lange Betrachtungszeitraum, der völlig an der Frage vorbeigeht. Preussen als Staat gibt es erst ab 1701 und Deutschland erst ab 1871.

Außerdem ist weder die Dauer von Kriegen, noch die Zahl der Schlachten wirklich wichtig. Wie militaristisch ein Staat ist, hängt davon ab, wie groß die Rolle und das Ansehen des Militärs in den jeweiligen Staaten und deren Bevölkerung ist.

Für mich ist Nordkorea ein sehr militaristischer Staat, obwohl es nur die 3 Jahre des Koreakrieges wirklich Krieg geführt hat. Es leistet sich immerhin ein Millionenheer, ein Atomwaffen- und Raketenprogramm, obwohl es schon Hungersnöte gab, für die das Geld dringender notwendig gewesen wäre. Außerdem ist es sehr viel kleiner und Bevölkerungsärmer als Deutschland.

Ein geeigneterer Indikator wäre der Anteil der Militärausgaben am BIP.
http://www.indexmundi.com/map/?v=132&l=de

Frankreich hatte am Vorabend des 1. WK ebensoviele Divisionen bei halber Bevölkerungszahl wie Dtl.
Dies also dazu. Und ob das Militär in D. ein höheres Ansehen hatte, kann ich mangels Umfragedaten nicht beurteilen.

Und der Beobachtungszeitraum spielt keine Rolle, weil es gemittelte Werte pro Zeitabschnitt sind, es also nicht so ist, dass jemand, der länger existiert, automatisch höhere Werte hat.

Militärausgaben pro BIP hatten wir auch schon diskutiert, ja, aber ich bin noch nicht dazu gekommen, vergleichendes Material aus der Zeit zu sichten.

Florian
08.10.2009, 17:38
Wie Sauerländer schon andeutete kann man es nicht einfach an seinem prozentualen Anteil an allen Kriegen der letzten Jahrhunderte fest machen, wie militärisch ein Land war. Selbst wenn Deutschland an mehr Kriegen als England beteiligt gewesen wäre, müsste man dabei seine geographische Lage in der Mitte Europas berücksichtigen. Insofern ist es noch erstaunlicher, dass die nördliche Insel England so viele Kriege mehr als Deutschland geführt hat.

Biskra
08.10.2009, 17:46
Ja gut, toll. Ohne Festlandgrenzen keine Kriege um Grenzgebiete, ohne Monarchie keine Erbfolgekriege, ohne navales Technologiewissen keine Seekriege. Was indizieren denn Kolonien sonst, wenn nicht expansiven Militarismus und wieso sollte man sie also ausklammern?

Imperien sind meist ständig an der Peripherie in Konflikte verwickelt, das macht sie aber nicht automatisch militaristisch. Gleichzeitig können Staaten absolut militaristisch sein, ohne einen einzigen Krieg zu führen, siehe Preußen unter dem Soldatenkönig.



dieses Buch hatte mich schon als Kind beeindruckt!

http://ecx.images-amazon.com/images/I/51-ABHftMZL._SL500_AA240_.jpg

Schon als Kind mit Naziliteratur versorgt worden, herzlichen Glückwunsch.

Florian
08.10.2009, 17:57
Man kann es auch nicht, wie der Nutzer Ausonius behauptet, an dem Anteil der Rüstungsausgaben am Gesamthaushalt fest machen, wie militaristisch ein Land gewesen ist. Wenn Deutschland höhre Ausgaben gehabt haben sollte, dann wäre dies ebenfalls durch die geographische Mittellage und durch die Bedrohung durch seine aggressiven Nachbarn - insbesondere England und Frankreich, aber auch Russland, Polen, Dänemark - zu rechtfertigen.

Florian
08.10.2009, 18:10
Imperien sind meist ständig an der Peripherie in Konflikte verwickelt, das macht sie aber nicht automatisch militaristisch.

Deutschland hatte rings um sich, direkt vor der Haustür ausschließlich Feinde.



Gleichzeitig können Staaten absolut militaristisch sein, ohne einen einzigen Krieg zu führen, siehe Preußen unter dem Soldatenkönig.

Das ist nur ein Behauptung von Dir. Und wenn Preußen "absolut militaristisch" gewesen wäre, warum erklärst Du es Dir dann nicht ähnlich wie mit der oben von Dir angesprochenen Peripherie. Meinst Du, England und Frankreich ist der wirtschaftliche Gigant Deutschland als Konkurrent auf dem Weltmarkt kein Dorn im Auge gewesen?

Biskra
08.10.2009, 18:34
Und ob das Militär in D. ein höheres Ansehen hatte, kann ich mangels Umfragedaten nicht beurteilen.

In der Zeit der dritten französischen Republik spielte das Militär durchaus auch eine große gesellschaftliche Rolle (Revanchismus), hatte aber nicht die Tradition, die es in Preußen gab und dies zeigte sich nicht zuletzt auch in der Deyfus-Affäre, in der die Militaristen schließlich unterlagen.
Im dt-pr. Wilhelminismus reicht schon ein Blick auf die Liste der Reichskanzler, um zu sehen, daß hier nichts ohne Rückendeckung des Militärs lief. Vom Offizier Bismarck, über den Armeegeneral und Vizeadmiral Caprivi,
dem Offizier von Bülow, zu Theobald von Bethmann Hollweg-> http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fe/Theobald_von_Bethmann-Hollweg-Uniform.jpeg <-


(mit dem einzigen Ausreißer von zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der sich dem ihm aufgezwungenen Amt dadurch zu entkommen suchte, indem er sich öffentlich als Nichtmilitär bezeichnete.)

Biskra
08.10.2009, 18:38
Das ist nur ein Behauptung von Dir.

Höre mal, Schlaubischlumpf, das Preußen unter Friedrich Wilhelm Eins ist DAS Paradebeispiel für Militarismus.

Freiherr
08.10.2009, 18:38
In der Zeit der dritten französischen Republik spielte das Militär durchaus auch eine große gesellschaftliche Rolle (Revanchismus), hatte aber nicht die Tradition, die es in Preußen gab und dies zeigte sich nicht zuletzt auch in der Deyfus-Affäre, in der die Militaristen schließlich unterlagen.
Im dt-pr. Wilhelminismus reicht schon ein Blick auf die Liste der Reichskanzler, um zu sehen, daß hier nichts ohne Rückendeckung des Militärs lief. Vom Offizier Bismarck, über den Armeegeneral und Vizeadmiral Caprivi,
dem Offizier von Bülow, zu Theobald von Bethmann Hollweg-> http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fe/Theobald_von_Bethmann-Hollweg-Uniform.jpeg <-


(mit dem einzigen Ausreißer von zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der sich dem ihm aufgezwungenen Amt dadurch zu entkommen suchte, indem er sich öffentlich als Nichtmilitär bezeichnete.)

Les dir besser mal "Erinnerungen und Gestalten" durch. Dann wüsstest du, warum gerade diese Leute ausgewählt wurde.

Florian
08.10.2009, 19:15
Höre mal, Schlaubischlumpf, das Preußen unter Friedrich Wilhelm Eins ist DAS Paradebeispiel für Militarismus.

Nochmal:

Preußen musste militärisch stark sein, wegen der rings um ihn lauernden Neider und Feinde.

Es ist kennzeichnend, dass auf diesen Gesichtspunkt nicht eingegangen wird.

Was ziehst Du denn als Begründung für den peußischen Militarismus in Betracht? Ziel war, aus der sekundären Subsidiarmacht Preußen eine autarke, selbständige militärische Macht in Europa zu machen. Wenn man bedenkt, dass Preußen nur 1,6 Millionen Einwohner hatte, musste der Staat militaristisch organisiert werden, um sich auch gegen Frankreich, die Niederlanden oder Russland behaupten zu können.

Gerade weil Preußen so militaristisch war, hat es keinen Krieg führen müssen. Weil die anderen Länder nämlich wussten, dass sie mindestens Zähne verlieren würden, wenn sie es angreifen.

Außerdem entstand der preußische Militarismus auch als Folge derFranzösischen Revolution. Das sollte man auch nicht unterschlagen.

lenco
08.10.2009, 20:20
Außerdem entstand der preußische Militarismus auch als Folge derFranzösischen Revolution. Das sollte man auch nicht unterschlagen.


Und auch eine Folge des nach der französischen Revolution folgenden Überfalls der Franzosen mit Napoleon. Das sollte man auch nicht unterschlagen. :]

Alles in allem. Der preußische "Militarismus"( in Wirklichkeit nur demonstrative Wehrhaftigkeit ) war nichts gegen den britischen Militarismus. :]

Biskra
08.10.2009, 21:27
Gerade weil Preußen so militaristisch war, hat es keinen Krieg führen müssen. Weil die anderen Länder nämlich wussten, dass sie mindestens Zähne verlieren würden, wenn sie es angreifen.

Außerdem entstand der preußische Militarismus auch als Folge derFranzösischen Revolution. Das sollte man auch nicht unterschlagen.

So habe ich das noch gar nicht gesehen. :)):hihi::rofl:

Biskra
08.10.2009, 21:29
Und auch eine Folge des nach der französischen Revolution folgenden Überfalls der Franzosen mit Napoleon. Das sollte man auch nicht unterschlagen.

Hört, Hört! :rofl::lach::rolling:

Florian
08.10.2009, 21:46
So habe ich das noch gar nicht gesehen. :)):hihi::rofl:


Hört, Hört! :rofl::lach::rolling:

Erst seit der Französischen Revolution gab es Volksheere.



Während bis zur frühen Neuzeit die meisten Heere aus berufsmäßigen Soldaten oder Söldnern bestanden – mit Ausnahme der Bürgerheere der Antike –, setzte sich die allgemeine Wehrpflicht und mit ihr die Milizarmee etwa ab der Französischen Revolution in Europa und dann weltweit durch. In Deutschland entstand die allgemeine Wehrpflicht infolge der Preußischen Reformen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Miliz_(Volksheer)


Napoleon hat durch seine Feldzüge vor allem in Deutschland, und dort insbesonder in Preußen, in der gesamten Bevölkerung das Bewusstsein geschaffen, dass man gegenüber seinem westlichen Nachbar wehrhaft sein muss.

Salazar
08.10.2009, 22:11
Das Buch von Nizer ist hier zu finden:
http://ia350605.us.archive.org/0/items/WhatToDoWithGermany/NizerLouis-WhatToDoWithGermany1944110P.Scan.pdf

Was ein Hurensohn. :]

Biskra
09.10.2009, 00:01
Erst seit der Französischen Revolution gab es Volksheere.

Was soll das sein? Ein Volksheer? Wehrpflicht gab es in Preußen schon unter dem Soldatenkönig, nur eben nicht für Stadtbewohner. Da waren 80.000 Mann in Waffen bei einer Bevölkerung von 2,5 Millionen, unter Friedrich dem Großen waren es schon fast 200.000.

-SG-
09.10.2009, 09:29
In der Zeit der dritten französischen Republik spielte das Militär durchaus auch eine große gesellschaftliche Rolle (Revanchismus), hatte aber nicht die Tradition, die es in Preußen gab und dies zeigte sich nicht zuletzt auch in der Deyfus-Affäre, in der die Militaristen schließlich unterlagen.
Im dt-pr. Wilhelminismus reicht schon ein Blick auf die Liste der Reichskanzler, um zu sehen, daß hier nichts ohne Rückendeckung des Militärs lief. Vom Offizier Bismarck, über den Armeegeneral und Vizeadmiral Caprivi,
dem Offizier von Bülow, zu Theobald von Bethmann Hollweg


Interessant, dass Du die militärische Karriere von Politikern als besseren Indikator anzusehen scheinst als die tatsächliche Verwicklung in militärische Konflikte.

Da Du ja das dt. "Kaiserreich" ansprichst, wird Dir sicher nicht verborgen geblieben sein, dass zwischen Gründung und 1. WK so gut wie keine nennenswerten militärischen Aktivitäten verzeichnet werden können, und die Ausnahmen (Boxeraufstand, Herero), wurden wahnhaft propagandistisch ausgeschlachtet, was ja anscheinend bei vielen gewirkt zu haben scheint. Dass England in der selben Zeit nicht nur unzählige Kriege und Scharmützel auf der ganzen Welt führte, u.a. Omdurman, wo Churchill begeistert der Massakrierung von Krummsäbelreitern mit Maschinengewehren beiwohnte, sondern auch mal eben am Rande des Krieges mit u.a. Amerika und Frankreich wegen irgendwelchen Grenzziehungen in Südamerika und Afrika stand, wird geflissentlich übersehen, nur weil die englischen Führer im Frack vor die Presse traten, um die neusten Kriegserklärungen zu verkünden, während in Potsdam und Berlin ein paar Uniformierte ohne großartige Konsequenzen im Kreis herum liefen.

In Deutschland hat sich der ursprüngliche Entstehungszweck des Adels eben länger gehalten, sodass noch nach Abschaffung der Monarchie ein Großteil des Adels im Militärwesen zu finden war, während die hohen Herren anderswo sich früh aufs Geld verdienen fixiert hatten und das Sichverheizenlassen dem Fußvolk überließen. Diese kulturelle Eigenart kannst Du jetzt natürlich als Militarismus-Indikator heranziehen, wenn's Dir Spaß macht, wodurch Du bei diesen (http://de.wikipedia.org/wiki/Militarismus) Definitionen eher die zweite treffen würdest, während ich eher zur dritten neige und die tatsächlich messbare Häufigkeit von Gewalt als Mittel zum Zweck durch den Staat als sinnvollere Messung ansehe.

Bergischer Löwe
09.10.2009, 10:06
Was ein Hurensohn. :]

Zehn Seiten gelesen - strotzt vor Wiedersprüchen und historischen Fehlern. Wurde 1948-1949 ignoriert und ist heute auch nicht mehr wert als das Papier, auf das es gedruckt wurde.

Nizer war später übrigens so eine Art Hollywood Anwalt und arbeitete für die Motion Pictures of America. Hat das Alters-Rating erfunden. Galt in den 50ern und 60ern als der bestbezahlte Anwalt der USA.

Zusammengefasst: Ein typischer Vertreter der jüdischen US Anwaltsszene. Geldgeil und verabscheuungswürdig.

Biskra
09.10.2009, 12:45
Interessant, dass Du die militärische Karriere von Politikern als besseren Indikator anzusehen scheinst als die tatsächliche Verwicklung in militärische Konflikte.

Das war ein Beispiel. Und nach der Häufigkeit militärischer Konflikte würde ich Nationen eher zwischen friedlich und kriegerisch / bellizistisch unterscheiden. Athen war nicht militaristisch, Sparta schon. Kriege führten beide zur Genüge.


Da Du ja das dt. "Kaiserreich" ansprichst, wird Dir sicher nicht verborgen geblieben sein, dass zwischen Gründung und 1. WK so gut wie keine nennenswerten militärischen Aktivitäten verzeichnet werden können, und die Ausnahmen (Boxeraufstand, Herero), wurden wahnhaft propagandistisch ausgeschlachtet, was ja anscheinend bei vielen gewirkt zu haben scheint.

Zwischen der aufgrund zahlreicher Kriege herbeigeführten Gründung in Versailles und dem Beginn des Wilhelminismus gab es (dank Bismarck und wegen des Unwollens der Großmächte, Deutschland gegenüber Frankreich noch mehr erstarken zu sehen) keine militärischen Konflikte in Europa und in Übersee besaß man ja erst ab 1884 etwas. Der von mir angesprochene Wilhelminismus bezeichnet übrigens die Epoche, die mit Willi Zwo begann. In dieser Epoche liegen auch die "Ausnahmen".



während ich eher zur dritten neige und die tatsächlich messbare Häufigkeit von Gewalt als Mittel zum Zweck durch den Staat als sinnvollere Messung ansehe.

Ich sehe das so:
Militär als Eckpfeiler von Staat und Gesellschaft -> Militarismus
Krieg als grundsätzliches Instrument der (Außen)politik -> Bellizismus

-SG-
09.10.2009, 15:17
Das war ein Beispiel. Und nach der Häufigkeit militärischer Konflikte würde ich Nationen eher zwischen friedlich und kriegerisch / bellizistisch unterscheiden. Athen war nicht militaristisch, Sparta schon. Kriege führten beide zur Genüge.



Zwischen der aufgrund zahlreicher Kriege herbeigeführten Gründung in Versailles und dem Beginn des Wilhelminismus gab es (dank Bismarck und wegen des Unwollens der Großmächte, Deutschland gegenüber Frankreich noch mehr erstarken zu sehen) keine militärischen Konflikte in Europa und in Übersee besaß man ja erst ab 1884 etwas. Der von mir angesprochene Wilhelminismus bezeichnet übrigens die Epoche, die mit Willi Zwo begann. In dieser Epoche liegen auch die "Ausnahmen".




Ich sehe das so:
Militär als Eckpfeiler von Staat und Gesellschaft -> Militarismus
Krieg als grundsätzliches Instrument der (Außen)politik -> Bellizismus

Dann ist es aber eine Frage der Nomenklatur/der Operationalisierung. Siehe die von mir verlinkte Definitionsvielfalt. Aber nur weil Du den von mir zitierten Statistiken lieber eine andere Überschrift geben würdest, werden sie nicht inexistent.

Ich stimme zu, dass in Preußen zeitlebens ein höherer Anteil an leitenden Beamten im Gehrock mit Abzeichen umherspazierte als in GB oder anderswo. Wahrscheinlich hatte das Militär auch ein höheres Ansehen in der Gesellschaft. Das können wir aber - meiner Meinung nach - unter "Kleidungsnormen in Herrschaftshäusern der frühen Neuzeit" und "Berufsprestige im europäischen Querschnittsvergleich" subsummieren, aber gute Indikatoren für Militarismus sind das meiner Auffassung nach nicht.

Und ja, in Versailles wurde das dt. Reich ausgerufen, von wem gingen denn die Aggressionen und Demütigungen die 300 Jahre zuvor mehrheitlich aus? Man kann jetzt bis zu den Söhnen Karls des Großen zurück und streiten, wem das Elsass "gehört", aber es ist doch irgendwie bezeichnend, dass man sich in Deutschland ausgerechnet auf die deutschen Angriffe versteift, kennst Du irgendwelche anderen Landsmänner, bei denen das nur annähernd so ist? Franzosen, Russen, Amerikaner, Türken, Engländer, die ständig die eigenen Eroberer und Völkermörder bemühen und an ihnen selbst begangene Kriegshandlungen irgendwo unter "selber schuld" verbuchen? Aber das nur am Rande. Ich verstehe jedenfalls nicht, wie man so verbissen keine Möglichkeit auslassen kann, Seitenhiebe gegen die eigene Seite zu verteilen.

Biskra
09.10.2009, 16:16
Ich stimme zu, dass in Preußen zeitlebens ein höherer Anteil an leitenden Beamten im Gehrock mit Abzeichen umherspazierte als in GB oder anderswo. Wahrscheinlich hatte das Militär auch ein höheres Ansehen in der Gesellschaft. Das können wir aber - meiner Meinung nach - unter "Kleidungsnormen in Herrschaftshäusern der frühen Neuzeit" und "Berufsprestige im europäischen Querschnittsvergleich" subsummieren, aber gute Indikatoren für Militarismus sind das meiner Auffassung nach nicht.

Das sind Facetten. Und natürlich ist der Grad der Durchdringung der Gesellschaft mit dem Rollenmodell Militär ein ausgezeichneter Indikator für die Frage ob ein Staat / eine Gesellschaft militaristisch ist oder nicht.


Und ja, in Versailles wurde das dt. Reich ausgerufen, von wem gingen denn die Aggressionen und Demütigungen die 300 Jahre zuvor mehrheitlich aus?

Ich sehe schon mit präventiver Erheiterung der Erörterung entgegen, wie Preußen durch 300 Jahre währende Demütigungen und Aggressionen aus Frankreich zur Großmacht geworden ist und seinen König deshalb ausgerechnet im Feindesland zum deutschen Kaiser krönen lassen musste.

Freiherr
09.10.2009, 16:24
Ich sehe schon mit präventiver Erheiterung der Erörterung entgegen, wie Preußen durch 300 Jahre währende Demütigungen und Aggressionen aus Frankreich zur Großmacht geworden ist und seinen König deshalb ausgerechnet im Feindesland zum deutschen Kaiser krönen lassen musste.

Ja, Frankreich war von Preußen erfolgreich niedergerungen als 1807 der preußische
König mit dem Zaren den geschlagenen Napoleon auf der Memel begrüßte.
Frankreich konnte wirklich niemanden klein halten...

Florian
09.10.2009, 19:56
Was soll das sein? Ein Volksheer? Wehrpflicht gab es in Preußen schon unter dem Soldatenkönig, nur eben nicht für Stadtbewohner. Da waren 80.000 Mann in Waffen bei einer Bevölkerung von 2,5 Millionen, unter Friedrich dem Großen waren es schon fast 200.000.


Als Milizarmee oder Volksheer bezeichnet man Streitkräfte, die ganz oder zum größten Teil aus Dienst leistenden Wehrpflichtigen bestehen. Die Miliz steht somit im Gegensatz zur Berufsarmee, deren Angehörige Berufssoldaten sind. Ein Angehöriger einer Miliz wird Milizionär oder Milizsoldat genannt.

Während bis zur frühen Neuzeit die meisten Heere aus berufsmäßigen Soldaten oder Söldnern bestanden – mit Ausnahme der Bürgerheere der Antike –, setzte sich die allgemeine Wehrpflicht und mit ihr die Milizarmee etwa ab der Französischen Revolution in Europa und dann weltweit durch. In Deutschland entstand die allgemeine Wehrpflicht infolge der Preußischen Reformen.

Die Preußischen Reformen waren eine Reihe von Staats- und Verwaltungsreformen, die von gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen begleitet wurden; diese Reformen und Maßnahmen wurden nach ihren Hauptinitiatoren auch Stein-Hardenbergsche Reformen genannt. Sie waren eine Reaktion auf die Niederlage Preußens gegen Napoléon in der Schlacht bei Jena und Auerstedt im Jahr 1806. Große Gebietsverluste, erdrückende Tributzahlungen an Frankreich und das Bestreben, sich im Kreis der Großmächte zu behaupten, nötigten die preußische Staatsführung seit 1807 zu Modernisierungen, die auf den Ideen der Aufklärung beruhten und Teil einer gesamteuropäischen Entwicklung waren.

http://de.wikipedia.org/wiki/Miliz_(Volksheer)
http://de.wikipedia.org/wiki/Preußische_Reformen

Biskra
10.10.2009, 13:06
Wikipedia hilft dir da nicht weiter. :D
Das preußische Heer war schon vor den Reformen kein Söldnerheer und auch kein Freiwilligenheer. Die Zwangsrekrutierungen liefen nicht anders als bei der allgemeinen Wehrpflicht, mit dem Unterschied, daß Stadtbewohner nicht eingezogen wurden.

-SG-
10.10.2009, 18:38
Das sind Facetten. Und natürlich ist der Grad der Durchdringung der Gesellschaft mit dem Rollenmodell Militär ein ausgezeichneter Indikator für die Frage ob ein Staat / eine Gesellschaft militaristisch ist oder nicht.


Diese Diskussion ist sinnlos, wenn Du ständig starrsinnig an meinen Argumenten vorbeiredest. "Und natürlich" ist gar nichts in den Nicht-Naturwissenschaften. Die Messung von theoretischen Konstrukten mit unterschiedlichen Definitionen ergibt sich nicht aus der Natur irgendeiner Sache.



Ich sehe schon mit präventiver Erheiterung der Erörterung entgegen, wie Preußen durch 300 Jahre währende Demütigungen und Aggressionen aus Frankreich zur Großmacht geworden ist und seinen König deshalb ausgerechnet im Feindesland zum deutschen Kaiser krönen lassen musste.

Du scheinst von der Geschichte der Neuzeit entweder wenig zu wissen oder absichtlich viel auszublenden. Von der Annektierung immer weiterer Gebiete bis zum Rhein über die Pfalz-Plünderungen und Raubzüge bis zu den napoleonischen Eroberungskriegen und deren folgende willkürliche Umgliederung der deutschen Länder scheint wohl keine Demütigung und Aggression von französischer Seite aus Deinen Denkapparat erreicht zu haben. Ich frage mich oft, wie man wohl im Ausland die deutschen Hasser der eigenen Kultur sieht, amüsiert, erleichtert, oder doch ein wenig peinlich berührt?

Biskra
11.10.2009, 14:48
Diese Diskussion ist sinnlos, wenn Du ständig starrsinnig an meinen Argumenten vorbeiredest.

Du willst einfach nicht wahrhaben, daß Militarismus der zugrunde liegende Faktor ist, wenn sich Zivilisten über ihre militärische Laufbahn definieren. Da müssen wir dann auch nicht weiter drüber streiten.




Du scheinst von der Geschichte der Neuzeit entweder wenig zu wissen oder absichtlich viel auszublenden. Von der Annektierung immer weiterer Gebiete bis zum Rhein über die Pfalz-Plünderungen und Raubzüge bis zu den napoleonischen Eroberungskriegen und deren folgende willkürliche Umgliederung der deutschen Länder scheint wohl keine Demütigung und Aggression von französischer Seite aus Deinen Denkapparat erreicht zu haben. Ich frage mich oft, wie man wohl im Ausland die deutschen Hasser der eigenen Kultur sieht, amüsiert, erleichtert, oder doch ein wenig peinlich berührt?

Du verwechselst absichtlich Preußen mit Deutschland? Oder meintest du zufällig Preußen mit "der Annektierung immer weiterer Gebiete bis zum Rhein über die Pfalz-Plünderungen und Raubzüge"? Ein wenig peinlich berührt darf man über dein Bemühen sein, mir ständig unterstellen zu wollen, daß ich Antideutsch wäre. Aber immerhin lässt sich daraus ja schon gut ablesen, daß es dir gar nicht um eine aufrichtige Diskussion über das Thema geht, sondern du die Geschichte lieber als nationale Erbauungsliteratur begreifen willst.

-SG-
11.10.2009, 17:27
Du willst einfach nicht wahrhaben, daß Militarismus der zugrunde liegende Faktor ist, wenn sich Zivilisten über ihre militärische Laufbahn definieren. Da müssen wir dann auch nicht weiter drüber streiten.


Wenn Du mir jetzt noch die Legitimationsgrundlage nennen kannst, derzufolge Du autoritativ festlegen darfst, was der Begriff zu bedeuten hat, und nicht etwa Walter Benjamin, an dessen Definition meine Indikatoren näher dran sind?




Du verwechselst absichtlich Preußen mit Deutschland? Oder meintest du zufällig Preußen mit "der Annektierung immer weiterer Gebiete bis zum Rhein über die Pfalz-Plünderungen und Raubzüge"? Ein wenig peinlich berührt darf man über dein Bemühen sein, mir ständig unterstellen zu wollen, daß ich Antideutsch wäre. Aber immerhin lässt sich daraus ja schon gut ablesen, daß es dir gar nicht um eine aufrichtige Diskussion über das Thema geht, sondern du die Geschichte lieber als nationale Erbauungsliteratur begreifen willst.
Preußen als Teil von Deutschland war genauso betroffen von den Gebietsumgliederungen und anderem Napoleons. Der dt.-frz. Krieg war unter der Führung Preußens aber der Rest Deutschlands war genauso beteiligt und am Ende stand der Deutsche Kaiser, und da ist klar, dass man auch die Demütigungen und Angriffskriege gegen die anderen deutschen Staaten bzw. das alte Deutsche Reich nicht vergessen hat.

Aus keinem meiner Beiträge kann man sinnvollerweise schließen, dass ich für eine einseitige Verklärung der Geschichte eintrete. Deine Beiträge dagegen lesen sich teilweise wie über eine verhasste fremde ethnische Gruppe geschrieben (obwohl es um die eigene geht, wie ich einfach mal tippe). Wenn hier einer behaupten würde, Preußen oder Deutschland wäre das Unschuldslamm der Weltgeschichte, könnte ich ja noch verstehen, dass Du bei der Argumentation dagegen in jedem Nebensatz teils spöttisch-verächtlich, teils moralisierend diese und jene deutsche Untat anführst. Aber das will ja keiner, stattdessen soll hier nur eine einseitige Dämonisierung widerlegt werden, die Du verbissen zu verteidigen scheinst - so jedenfalls mein Eindruck, den ich ja zwangsläufig kriegen muss, wenn Du jeden Hinweis auf das 1/4 der Erdoberfläche und -bevölkerung knechtende UK mit der Anzahl der Eisernen Kreuze am Gehrock von "Willie 2" konterst.

Wenn so stefanstefan über Polen oder uzi über Israel schreiben würden, würde jeder denken, die hätten einen Knall.

Biskra
11.10.2009, 17:51
Wenn Du mir jetzt noch die Legitimationsgrundlage nennen kannst, derzufolge Du autoritativ festlegen darfst, was der Begriff zu bedeuten hat, und nicht etwa Walter Benjamin, an dessen Definition meine Indikatoren näher dran sind?

"Dessen" Definition ist äußerst vage, nach der bei Wikipedia ohne Quellenangabe hineingeschriebenen Definition bekäme jeder halbwegs autoritäre Staat das Prädikat "militaristisch".


Preußen als Teil von Deutschland war genauso betroffen von den Gebietsumgliederungen und anderem Napoleons. Der dt.-frz. Krieg war unter der Führung Preußens aber der Rest Deutschlands war genauso beteiligt und am Ende stand der Deutsche Kaiser, und da ist klar, dass man auch die Demütigungen und Angriffskriege gegen die anderen deutschen Staaten bzw. das alte Deutsche Reich nicht vergessen hat.

Ich darf mal herzlich lachen. Nach deiner Darstellung könnte man glatt meinen, daß Napoleon in den Koalitionskriegen erst 1871 besiegt wurde und nicht schon 1815.


stattdessen soll hier nur eine einseitige Dämonisierung widerlegt werden, die Du verbissen zu verteidigen scheinst

Das wird es sein. :))

Kreuzbube
12.10.2009, 14:03
Leider war ich zu dieser Zeit nicht Kaiser. Ich hätte nach den Vorfälllen von Sarajewo den verrückten Ösis die kalte Schulter gezeigt, die Grenzsicherung verstärkt und die U-Boot-Flotte in Bereitschaft versetzen lassen. Im Vorfeld wären sowieso schon Ost-und Westwall komplettiert und im Norden schwere Küstenbatterien installiert worden. Dazu noch wendige Topedo-Schnellboote - statt der großen Pötte - zum Küstenschutz für den Fall, daß sich evtl. irgendwelche Kriegsschiffe in Nord-oder Ostsee verirren.

-SG-
12.10.2009, 15:19
"Dessen" Definition ist äußerst vage, nach der bei Wikipedia ohne Quellenangabe hineingeschriebenen Definition bekäme jeder halbwegs autoritäre Staat das Prädikat "militaristisch".


Also ich weiß ja nicht in welcher Disziplin Du hauptberuflich unterwegs bist. Aber in der Wissenschaft ist es üblich, dass für einen theoretischen Begriff verschiedene Definitionen und Messbarmachungen existieren. Wenn Du meine für nicht sinnvoll hältst, dann bringe Argumente dagegen, die über "ich definiere es aber so und so" hinausgehen. Übrigens entstand der Begriff laut K.H.-Hillmanns "Wörterbuch der Soziologie" "um 1860 in Kritik an Napoleon III."


Ich darf mal herzlich lachen. Nach deiner Darstellung könnte man glatt meinen, daß Napoleon in den Koalitionskriegen erst 1871 besiegt wurde und nicht schon 1815.


Na die gestohlenen Ländereien und Demütigungen bleiben ja nicht unvergessen. Die Krönung in Versailles und Einverleibung Elsaß-Lothringens geschah ja auch nicht erst 1919 kurz vor den Pariser Vorortverträgen :rolleyes:


Das wird es sein. :))
Deine Beiträge sprechen jedenfalls dafür.

Ή Λ K Λ П
12.10.2009, 16:32
War Deutschland der militaristischste Staat Europas?

nein, aber dafuer der faschistischte staat europas.

-SG-
13.10.2009, 09:45
nein, aber dafuer der faschistischte staat europas.

Was zum Fascismo gehört und was nicht, hat im Wesentlichen die Sowietunion festgelegt.

Ausonius
13.10.2009, 10:10
Deutschland hatte rings um sich, direkt vor der Haustür ausschließlich Feinde.


Du machst den Fehler, die nationale Perspektive, die sich erst ab 1815 entwickelte und durchsetzte (und zwar als Volksbewegung), auf die Zeit davor zu übertragen.
Stell dir doch mal Fragen, wie: wer war denn der wichtigste Verbündete Frankreichs und Schwedens im letzten Drittel des 30-jährigen Krieges? Wie kam es noch mal zu den schleßischen Kriegen? Warum gab es einen Rheinbund?

Noch mal zur Militarismus-Definition: in erster Linie geht es da um Sozialstrukturen und Einflüsse auf die Gesellschaft, und ob ein Staat da defensiv oder offensiv orientiert ist, spielt da nicht mal eine Rolle.
Bei Preußen kann man sich drüber streiten, wie defensiv der Armeeausbau orientiert war (Friedrich Wilhelm I. war auf jeden Fall kein "Bellizist"), beim Militärstaat um 1700 schlechthin, Hessen-Kassel, war der Aufbau einer starken Armee in jedem Falle ökonomisch motiviert.

Ajax
13.10.2009, 14:35
Leider war ich zu dieser Zeit nicht Kaiser. Ich hätte nach den Vorfälllen von Sarajewo den verrückten Ösis die kalte Schulter gezeigt, die Grenzsicherung verstärkt und die U-Boot-Flotte in Bereitschaft versetzen lassen. Im Vorfeld wären sowieso schon Ost-und Westwall komplettiert und im Norden schwere Küstenbatterien installiert worden. Dazu noch wendige Topedo-Schnellboote - statt der großen Pötte - zum Küstenschutz für den Fall, daß sich evtl. irgendwelche Kriegsschiffe in Nord-oder Ostsee verirren.

Im Nachhinein ist man immer schlauer.

Kreuzbube
13.10.2009, 14:45
Im Nachhinein ist man immer schlauer.

Das ist wahr. Wenn man sich allerdings auf "erfahrungslosem Neuland" bewegt, sollte man auf altbewährte Tugenden zurückgreifen und keine Experimente auf gut Glück machen. Damals wußten die Menschen bereits, daß Kriege mit MGs, Flugzeugen und 40cm-Schiffsgeschützen andere Dimensionen bekommen, als alles bisher Dagewesene. Und den geistigen Weg zu Frieden und Verständigung hatten auch schon große Denker wie Platon oder Kant gewiesen. Ersterer war zu Kaiser`s Zeit bereits ca. 2500, letzterer immerhin schon ca. 100 Jahre verblichen. Und gelernt haben die Leute trotzdem nichts. Das ist ihnen vorzuwerfen!

Kreuzbube
13.10.2009, 15:13
Nachtrag: Mit einem Staat ist es wie mit dem eigenem Leben. In der Jugend riskiert man etwas, um gut vorwärts zu kommen. Einen guten Abschluß, einen schönen Beruf, eine tolle Freundin. Da gibt`s gelegentlich Blut, Schweiß und Tränen - und ab&an auch mal ein blaues Auge. Ist aber das Ziel erreicht - Familie, Haus, Auto - setzt man das Glück nicht mehr für irgendwelche Schnapsideen auf`s Spiel. Ebenso war es 1914. Da ging es nur um Prestige&Eitelkeiten. Wir hatten dabei nichts zu gewinnen und konnten nur verlieren. Das ist die eigentliche Tragik der Geschichte!

Biskra
13.10.2009, 21:30
Also ich weiß ja nicht in welcher Disziplin Du hauptberuflich unterwegs bist. Aber in der Wissenschaft ist es üblich, dass für einen theoretischen Begriff verschiedene Definitionen und Messbarmachungen existieren. Wenn Du meine für nicht sinnvoll hältst, dann bringe Argumente dagegen, die über "ich definiere es aber so und so" hinausgehen.

Dann hast du wohl nicht gelesen, was ich bisher hier geschrieben habe. Mir war so, als hätte ich sehr wohl darauf hingewiesen, daß die einfache Addition aller größeren und kleineren militärischen Konflikte kein sinnvoller Gradmesser sein kann. Mir war so, als hätte ich das auch begründet.


Na die gestohlenen Ländereien und Demütigungen bleiben ja nicht unvergessen

Ja, die Demütigungen der Ururgroßväter, für die die vierte Generation dann unbedingt einen großen Krieg anzetteln muss. :))
Welche Ländereien wurden denn gestohlen? Etwa das seit dem 17. Jahrhundert zu Frankreich gehörende Elsaß?


Die Krönung in Versailles und Einverleibung Elsaß-Lothringens geschah ja auch nicht erst 1919 kurz vor den Pariser Vorortverträgen.

Dafür dauerte es dann auch nur 20 Jahre, bis Deutschland Frankreich das nächste Mal überfiel.

Bodenplatte
13.10.2009, 23:06
Dafür dauerte es dann auch nur 20 Jahre, bis Deutschland Frankreich das nächste Mal überfiel.

:))

DAS, nenne ich Revisionismus.

Biskra
13.10.2009, 23:24
:))

DAS, nenne ich Revisionismus.

Von der Orthographie abgesehen, hapert's wohl auch noch beim Textverständnis?

Falk
14.10.2009, 15:03
Österreich- Ungarn 34
Deutschland (Preußen) 25


Spätestens hier zeigen sich die Grenzen dieser Statistik. Deutschland bestand eben nicht nur aus Preußen. Lange Zeit war statt dessen Österreich die Vormacht im dt. Kaiserreich. Streng genommen müßten also die Österreichischen Kriege auch Deutschland angerechnet werden - die Bayrischen und Hannoverschen ebenso...

Alles nicht so einfach.

(P.S.: Und unter Friedrich Wilhelm I. gab's gar keinen preußischen Krieg, außer den, den er noch von seinem Vorgänger übernehmen mußte...)

Biskra
14.10.2009, 15:07
Alles nicht so einfach.

Meine Rede.


(P.S.: Und unter Friedrich Wilhelm I. gab's gar keinen preußischen Krieg, außer den, den er noch von seinem Vorgänger übernehmen mußte...)

Und genau dieser Friedrich machte eben einen Staat mit einer Armee zu einer Armee mit einem Staat.

Falk
14.10.2009, 16:57
Und genau dieser Friedrich machte eben einen Staat mit einer Armee zu einer Armee mit einem Staat.

Genau. Und wenn dieser merkwürdige terretoriale Flickenteppich, der Preußen seinerzeit war, kein Flickenteppich sondern ein zusammenhängendes Gebilde gewesen wäre, und somit nicht die Gefahr bestanden hätte, daß die etablierten Großmächte dieses neue Königreich wieder von der Landkarte vertilgen (wie es mit Polen mehrfach passiert ist) hätte F.W. I von seinem Standpunkt aus auch auf diese Art der Militarisierung objektiv verzichten können. War aber nicht - hat aber nicht. Inwieweit sich hier aber ein Brückenschlag zum Deutschland bis 1945 herstellen läßt - nun ja ... alles nicht so einfach.

Falk
14.10.2009, 17:49
So erlernte der Mörder W. Rathenaus von Salomon (Die Kadettenanstalt) sein Mordhandwerk in einer süddeutschen Kadettenanstalt. In einer preuß. Kadettenanstalt hätte man ihm seine Rücksichtslosigkeit und seine Menschenverachtung rechtzeitig ausgetrieben.

Salomon erhielt seine Ausbildung nicht nur in Karlsruhe sondern auch in der Preußischen Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde. Ebenso Waldemar Pabst, der u.a. mit schweren Minenwerfern auf deutsche Arbeiterviertel feuern ließ und in der Weimarer Republik den politischen Mord überhaupt erst einführte. Auch Hermann Reinicke, der für massenhafte Mißhandlung und Ermordung von Kriegsgefangenen verantwortlich war, erhielt seine Ausbildung dort. Diese Aufzählung läßt sich fortführen.

Biskra
16.10.2009, 16:54
Genau. Und wenn dieser merkwürdige terretoriale Flickenteppich, der Preußen seinerzeit war, kein Flickenteppich sondern ein zusammenhängendes Gebilde gewesen wäre, und somit nicht die Gefahr bestanden hätte, daß die etablierten Großmächte dieses neue Königreich wieder von der Landkarte vertilgen (wie es mit Polen mehrfach passiert ist) hätte F.W. I von seinem Standpunkt aus auch auf diese Art der Militarisierung objektiv verzichten können. War aber nicht - hat aber nicht.

Und somit ist Preußen eben vorerst nicht dem Schicksal Polens ver-, sondern hat Polen überfallen.



Inwieweit sich hier aber ein Brückenschlag zum Deutschland bis 1945 herstellen läßt - nun ja ... alles nicht so einfach.

Zumindest nicht so einfach, wie es per Kontrollratsgesetz Nr. 46 deklariert wurde.

Falk
18.10.2009, 20:34
Zumindest nicht so einfach, wie es per Kontrollratsgesetz Nr. 46 deklariert wurde.

Dieses Gesetz war im Übrigen nichts weiter als Leichenfledderei. Preußen war 1945 längst tot - und das streng genommen nicht erst seit dem Preußenschlag von 1932.

Dubidomo
21.10.2009, 23:13
Salomon erhielt seine Ausbildung nicht nur in Karlsruhe sondern auch in der Preußischen Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde. Ebenso Waldemar Pabst, der u.a. mit schweren Minenwerfern auf deutsche Arbeiterviertel feuern ließ und in der Weimarer Republik den politischen Mord überhaupt erst einführte. Auch Hermann Reinicke, der für massenhafte Mißhandlung und Ermordung von Kriegsgefangenen verantwortlich war, erhielt seine Ausbildung dort. Diese Aufzählung läßt sich fortführen.

Wo? In einer süddeutschen Kadettenanstalt?

Falk
22.10.2009, 07:19
Wo? In einer süddeutschen Kadettenanstalt?

In der Preußischen Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde. Ein gewisser Göring, der z.B. während des Röhm-Putsches eine Vielzahl seiner eigenen Parteigenossen ermorden ließ, war auch dort.

Dubidomo
22.10.2009, 21:50
In der Preußischen Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde. Ein gewisser Göring, der z.B. während des Röhm-Putsches eine Vielzahl seiner eigenen Parteigenossen ermorden ließ, war auch dort.

Zunächst war er in der Sackleinenanstalt in Karlsruhe. Gehört das nicht dazu oder muss es immer das Preußische gewesen sein auch wenn es das nicht war?

Falk
23.10.2009, 06:19
... muss es immer das Preußische gewesen sein auch wenn es das nicht war?

Nein. Es muß natürlich nicht immer das Preußische gewesen sein - süddeutsche Kadettenanstalten waren mit Sicherheit nicht besser. Es ist einfach nur albern, behaupten zu wollen, in einer preußischen Kadettenanstalt hätte man Salomon die Menschenverachtung ausgetrieben. Es war eine der grundsätzlichen Aufgaben aller Kadettenanstalten, ihren Zöglingen Menschenverachtung anzuerziehen. Anderenfalls hätte das Militär nicht als solches funktionieren können. Man kann Menschen nicht abschlachten, wenn man nicht ein Mindestmaß von Menschenverachtung in sich trägt.

Freiherr
23.10.2009, 16:10
Nein. Es muß natürlich nicht immer das Preußische gewesen sein - süddeutsche Kadettenanstalten waren mit Sicherheit nicht besser. Es ist einfach nur albern, behaupten zu wollen, in einer preußischen Kadettenanstalt hätte man Salomon die Menschenverachtung ausgetrieben. Es war eine der grundsätzlichen Aufgaben aller Kadettenanstalten, ihren Zöglingen Menschenverachtung anzuerziehen. Anderenfalls hätte das Militär nicht als solches funktionieren können. Man kann Menschen nicht abschlachten, wenn man nicht ein Mindestmaß von Menschenverachtung in sich trägt.

Absonderlich wenn du jeden ehrenhaften Soldaten "Menschenverachtung" vorwirfst.
Das ist sicherlich nicht im preußischen Geist.

Dubidomo
23.10.2009, 18:51
Nein. Es muß natürlich nicht immer das Preußische gewesen sein - süddeutsche Kadettenanstalten waren mit Sicherheit nicht besser. Es ist einfach nur albern, behaupten zu wollen, in einer preußischen Kadettenanstalt hätte man Salomon die Menschenverachtung ausgetrieben. Es war eine der grundsätzlichen Aufgaben aller Kadettenanstalten, ihren Zöglingen Menschenverachtung anzuerziehen.

Irrtum! Für preußische Kadettenanstalten galt das nicht! Da galt das Preußenlied! Nur die süddeutschen Kadettenanstalten waren die Monsterausbilder! Das hat schon eine lange lange Tradition in Bayern und in den Habsburger Landen! Schon in der Gegenreformation offenbarten die kath. Bayern ihre brutale Menschenverachtung nach dem Motto: Bei Gott ist kein Ding unmöglich! 15 Jahre Religionskrieg reichten den Wittelsbachern und Habsburgern nicht und so ließen sie den Friedensapostel Wallenstein ermorden oder stimmten zumindest zu. Das ist doch die hehre süddeutsche Menschachtung. Und trotzdem müssen es die Preußen gewesen sein? Alle Achtung!

Man beachte dazu das Hoßbachprotokoll und wie lange die Nein-Sager von 1937 noch in des Dritten Reiches Diensten standen und wer deren Nachfolge antrat.

Die preuß. Generäle weigerten sich 1937 Hitlers verbrecherische Kriegsabsichten auszuführen und an deren Stelle traten Generäle, die ihre Ausbildung zum Offizier in süddeutschen Kadettenanstalten genossen hatten und trotzdem müssen es die bösen Preußen gewesen sein. Da kommen dann Namen wie von Halder, Rommel, Guderian etc. ins Spiel. Alle Genannten waren in süddeutschen Kadettenanstalten zu Offizieren ausgebildet worden. Nicht mal Keitel war gebürtiger Preuße.
Wie darf es auch anders richtig sein?

Dubidomo
23.10.2009, 19:02
Absonderlich wenn du jeden ehrenhaften Soldaten "Menschenverachtung" vorwirfst.
Das ist sicherlich nicht im preußischen Geist.

In Potsdam dem geistigen Zentrum Preußens erklang vom Turm der Garnisonskirche vielmals am Tag das Preußenlied. Das war weder in Bayern, noch in Karlsruhe, noch sonstwo in Süddeutschland zu hören. Klar, dass die süddeutschen Offiziersanwärter in Punkto Zehn Gebote - vor allem 4 bis 8 - und der Achtung vor dem Leben des anderen nur unterbemittelt sein konnten.

Auch Hitler selbst war kein preuß. sondern ein bayrisch-österreichisches Produkt! Man sieht, Generäle und Gröfaz passen zu einander. :P :D

mabac
24.10.2009, 06:19
Es gibt ja die Mär, die behauptet, Deutschland sei bis 1945 mit seiner preußisch-obrigkeitsstaatlichen Tradition der militaristischste Staat in Europa gewesen. Der einflussreiche US-Autor Louis Nizer befand Deutschland für vom Untergang Roms bis zur Neuzeit an allen denkbaren Desastern und Kriegen schuldig: "Sie machten Krieg zu ihrem Beruf. Wo sie hintraten, starb die Kultur ab."

... (Quelle wird nachgereicht) ...

Louis Nizer war Jude. Für die Juden ist Deutschland Amalek.

Also, wen schert's?!

Artemud-de-Gaviniac
24.10.2009, 06:40
Der militaristischste Staat Europas ist seit 900 Jahren der VATIKAN

Falk
25.10.2009, 13:47
Absonderlich wenn du jeden ehrenhaften Soldaten "Menschenverachtung" vorwirfst.

Ach ja? Dann kannst Du mir sicher auch erklären, wie "Menschen achten" und "Menschen töten" zusammenpaßt. Ersetze "Menschen töten" von mir aus auch durch "ausschalten des eigenen Willens" und "gleichschalten von Individuen" bzw. Kadavergehorsam. (Ich weiß übrigens sehr genau, wovon ich rede.)


Das ist sicherlich nicht im preußischen Geist.

Wer legt fest, was "im preußischen Geist" ist? Das Militär oder das Volk?

Freiherr
25.10.2009, 15:40
Ach ja? Dann kannst Du mir sicher auch erklären, wie "Menschen achten" und "Menschen töten" zusammenpaßt. Ersetze "Menschen töten" von mir aus auch durch "ausschalten des eigenen Willens" und "gleichschalten von Individuen" bzw. Kadavergehorsam. (Ich weiß übrigens sehr genau, wovon ich rede.)



Wer legt fest, was "im preußischen Geist" ist? Das Militär oder das Volk?

Jemand bedroht deine Familie mit ner Knarre. Du hast auch eine.
Schaltest du ihn aus oder nicht?
Quasi der selbe Fall nur eine Nummer kleiner.
Töten, Krieg, das gehört zum Menschen dazu.
Der preußische Militärethos hat sicherlich nichts mit
"Kadavergehorsam" zu tun.

Falk
25.10.2009, 17:44
Jemand bedroht deine Familie mit ner Knarre. Du hast auch eine.
Schaltest du ihn aus oder nicht?
Quasi der selbe Fall nur eine Nummer kleiner.

Irrtum. Das ist nicht 'ne "Nummer kleiner". Das ist etwas völlig anderes.

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich fremde Interessen (im Falle eines Krieges ganz eindeutig geopolitische Interessen der sogenannten "Eliten") vertrete oder meine eigenen. Ich selbst habe keinen Vorteil davon, wenn "deutsche Fahnen auf den Türmen Antwerpens wehen", wie es seinerzeit hieß. Mir geht es dadurch nicht einen Deut besser. Es macht letztendlich auch keinen großen Unterschied, welche Regierung meine Steuer verprasst. Darin nehmen sich selbige nämlich nicht viel.


Töten, Krieg, das gehört zum Menschen dazu.

Ja. Sicher. Nimm Dir ruhig mal die Zeit, und lies meine Signatur.


Der preußische Militärethos hat sicherlich nichts mit
"Kadavergehorsam" zu tun.

Weißt Du das, oder ist das Deine Vermutug? Hast Du in der preußischen Armee gedient, oder hast Du das irgendwo gelesen? Hast Du überhaupt in einer Armee gedient (die diesen Namen verdient)?