henriof9
01.09.2009, 08:21
Beim stöbern im Netz fand ich einen sehr interessanten Artikel (http://einestages.spiegel.de/external/ShowTopicAlbumBackground/a214/l3/l0/F.html#featuredEntry)über die Erstellung eines SPD- SED- Papiers zum Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit.
Daraus einen kleinen Auszug :
Alles begann im Februar 1984. Die Intellektuellen aus SPD und SED trafen sich in Wendisch-Rietz, einem Städtchen am Scharmützelsee. Das folgende Treffen fand dann im Schwarzwald statt. Und so ging das jeweils alternierend bis in das Jahr 1987 weiter. Anfangs war die Atmosphäre im Gesprächskreis noch recht steif; schließlich gab es noch keine Routinen im Verkehr zwischen Sozialdemokraten (West) und Kommunisten (Ost). Doch im Laufe der zweiten und dritten Zusammenkunft lockerten sich selbst die Hardcore-Ideologen auf der SED-Seite, die vom Mitglied des Zentralkomitees und Rektor der Akademie für Gesellschaftswissenschaften der SED, Otto Reinhold, angeführt wurde. Auch Journalisten gutwilliger sozialliberaler Provenienz wurden mit der Zeit als Beobachter zugelassen. Einen geselligen Höhepunkt bildete ein gemeinsamer Kegelabend am Müggelsee, an dem deutsch-deutsche Herrenwitze fröhlich ausgetauscht wurden.
Beim vierten Treffen Ende Februar 1986 im westdeutschen Freudenstadt, als man über die friedliche Koexistenz und eine neue politische Streitkultur räsonierte, schlug Erhard Eppler nahezu en passant vor, dass man die Ergebnisse all der gedanklichen Anstrengungen doch einmal protokollieren, in einem gemeinsamen Papier bündeln möge. Damit bekam der Debattierzirkel nun eine anfangs keineswegs geplante Richtung, ein präzises Ziel. Dies war der Startschuss für das im August 1987 dann im "Neuen Deutschland" und im "Vorwärts" publizierte gemeinsame Dialogpapier von SPD und SED mit dem Titel "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit".
Doch auch Sozialdemokraten des rechten Flügels grummelten vernehmlich. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hielt sich zwar in der Öffentlichkeit zurück, doch in den Gremien seiner Partei machte er kein Geheimnis daraus, wie zuwider ihm das Elaborat war. In seinen "Erinnerungen und Reflexionen" von 1996 nannte er es verächtlich ein "moralisch und politisch abwegiges" Pamphlet.
In der Tat: Ein bisschen wunderlich war das Papier schon. Es las sich über weite Strecken keineswegs wie ein Manifest der Arbeiterbewegung, sondern wie das Erziehungsbrevier aus einer protestantischen Studienratsfamilie jener friedensbewegten Jahre. "Streitet euch, aber bleibt um Himmels willen dabei friedlich! Hört einander zu! Tauscht Argumente aus! Lernt dabei! Nähert euch an! Und alles wird gut." Das in etwa bildete die Grundmelodie eines Papiers, das in seinem gutmeinenden Diskursstil auf seltsame Weise wie aus aller - oft brutalen, immer interessendurchwirkten, von Machttrieben und auch Fanatismen durchherrschten - Geschichte herausgefallen wirkte.
"Wir, deutsche Kommunisten und Sozialdemokraten", konnte man dort lesen, erkennen die "Existenzberechtigung" beider Seiten an. Die Sozialdemokraten legten im Papier größeren Wert auf die klassischen Prinzipien der liberalen Demokratie, während die SED-Leute in das gemeinsame Dokument hineinschreiben konnten, dass sie unter Demokratie mehr "die reale Mitwirkung der Werktätigen an der Leitung und Gestaltung der Wirtschaft und Gesellschaft und die Kontrolle darüber" verstanden. Dass dergleichen Phrasen, die mit der Wirklichkeit marxistisch-leninistisch begründeter Despotien wenig zu tun hatten, die Unterschrift sozialdemokratischer Grundwertehüter fand, war nicht nur Helmut Schmidt ein moralisches Gräuel. "Sozialdemokraten und Kommunisten", stand überdies im Papier, "berufen sich beide auf das humanistische Erbe Europas."
Wir leben zwar weiterhin im Nuklearzeitalter. Doch halten es die Sozialdemokraten keineswegs mehr für kategorisch verwerflich, von Fall zu Fall auch von außen und auch mit militärischer Gewalt in die Innenpolitiken anderer Länder einzugreifen.
Und hier (http://schnitzler-aachen.de/Texte/SPD-SED.htm), für alle Interessieren das besagte Papier zum nachlesen.
Zugegeben, es ist ein langer Text, aber den zu lesen lohnt sich, zeigt er, meiner Meinung nach, auf, was uns zukünftig in Deutschland bevorstehen könnte, vor allem nachdem die " alten " SPD- ler wie Schmidt nicht mehr diesen Einfluß auf die SPD haben.
Was wir heute als Geplänkel zwischen der SPD und der Linkspartei erleben ist nichts anderes als das Vorspiel zu einem gemeinsamen Schulterschluß, sind doch schließlich die Schnittmengen so weit nicht von einander entfernt.
Über die Konsequenzen welche sich daraus ergeben, können wir natürlich trefflich streiten.
Daraus einen kleinen Auszug :
Alles begann im Februar 1984. Die Intellektuellen aus SPD und SED trafen sich in Wendisch-Rietz, einem Städtchen am Scharmützelsee. Das folgende Treffen fand dann im Schwarzwald statt. Und so ging das jeweils alternierend bis in das Jahr 1987 weiter. Anfangs war die Atmosphäre im Gesprächskreis noch recht steif; schließlich gab es noch keine Routinen im Verkehr zwischen Sozialdemokraten (West) und Kommunisten (Ost). Doch im Laufe der zweiten und dritten Zusammenkunft lockerten sich selbst die Hardcore-Ideologen auf der SED-Seite, die vom Mitglied des Zentralkomitees und Rektor der Akademie für Gesellschaftswissenschaften der SED, Otto Reinhold, angeführt wurde. Auch Journalisten gutwilliger sozialliberaler Provenienz wurden mit der Zeit als Beobachter zugelassen. Einen geselligen Höhepunkt bildete ein gemeinsamer Kegelabend am Müggelsee, an dem deutsch-deutsche Herrenwitze fröhlich ausgetauscht wurden.
Beim vierten Treffen Ende Februar 1986 im westdeutschen Freudenstadt, als man über die friedliche Koexistenz und eine neue politische Streitkultur räsonierte, schlug Erhard Eppler nahezu en passant vor, dass man die Ergebnisse all der gedanklichen Anstrengungen doch einmal protokollieren, in einem gemeinsamen Papier bündeln möge. Damit bekam der Debattierzirkel nun eine anfangs keineswegs geplante Richtung, ein präzises Ziel. Dies war der Startschuss für das im August 1987 dann im "Neuen Deutschland" und im "Vorwärts" publizierte gemeinsame Dialogpapier von SPD und SED mit dem Titel "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit".
Doch auch Sozialdemokraten des rechten Flügels grummelten vernehmlich. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hielt sich zwar in der Öffentlichkeit zurück, doch in den Gremien seiner Partei machte er kein Geheimnis daraus, wie zuwider ihm das Elaborat war. In seinen "Erinnerungen und Reflexionen" von 1996 nannte er es verächtlich ein "moralisch und politisch abwegiges" Pamphlet.
In der Tat: Ein bisschen wunderlich war das Papier schon. Es las sich über weite Strecken keineswegs wie ein Manifest der Arbeiterbewegung, sondern wie das Erziehungsbrevier aus einer protestantischen Studienratsfamilie jener friedensbewegten Jahre. "Streitet euch, aber bleibt um Himmels willen dabei friedlich! Hört einander zu! Tauscht Argumente aus! Lernt dabei! Nähert euch an! Und alles wird gut." Das in etwa bildete die Grundmelodie eines Papiers, das in seinem gutmeinenden Diskursstil auf seltsame Weise wie aus aller - oft brutalen, immer interessendurchwirkten, von Machttrieben und auch Fanatismen durchherrschten - Geschichte herausgefallen wirkte.
"Wir, deutsche Kommunisten und Sozialdemokraten", konnte man dort lesen, erkennen die "Existenzberechtigung" beider Seiten an. Die Sozialdemokraten legten im Papier größeren Wert auf die klassischen Prinzipien der liberalen Demokratie, während die SED-Leute in das gemeinsame Dokument hineinschreiben konnten, dass sie unter Demokratie mehr "die reale Mitwirkung der Werktätigen an der Leitung und Gestaltung der Wirtschaft und Gesellschaft und die Kontrolle darüber" verstanden. Dass dergleichen Phrasen, die mit der Wirklichkeit marxistisch-leninistisch begründeter Despotien wenig zu tun hatten, die Unterschrift sozialdemokratischer Grundwertehüter fand, war nicht nur Helmut Schmidt ein moralisches Gräuel. "Sozialdemokraten und Kommunisten", stand überdies im Papier, "berufen sich beide auf das humanistische Erbe Europas."
Wir leben zwar weiterhin im Nuklearzeitalter. Doch halten es die Sozialdemokraten keineswegs mehr für kategorisch verwerflich, von Fall zu Fall auch von außen und auch mit militärischer Gewalt in die Innenpolitiken anderer Länder einzugreifen.
Und hier (http://schnitzler-aachen.de/Texte/SPD-SED.htm), für alle Interessieren das besagte Papier zum nachlesen.
Zugegeben, es ist ein langer Text, aber den zu lesen lohnt sich, zeigt er, meiner Meinung nach, auf, was uns zukünftig in Deutschland bevorstehen könnte, vor allem nachdem die " alten " SPD- ler wie Schmidt nicht mehr diesen Einfluß auf die SPD haben.
Was wir heute als Geplänkel zwischen der SPD und der Linkspartei erleben ist nichts anderes als das Vorspiel zu einem gemeinsamen Schulterschluß, sind doch schließlich die Schnittmengen so weit nicht von einander entfernt.
Über die Konsequenzen welche sich daraus ergeben, können wir natürlich trefflich streiten.