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Vollständige Version anzeigen : Erinnerung an West-Berlin



Strandwanderer
31.08.2009, 04:24
In dem ansonsten journalistisch ziemlich heruntergekommenen Berliner "Tagesspiegel" erschien heute ein hervorragender Essay, der an die fast vergessene Existenz des einstigen West-Berlin erinnert, dem "Loch im Bauch der DDR", durch welches Jahrzehnte lang das Bewußtsein der Teilung Deutschlands auf besondere Art wachgehalten wurde.

Ich denke, diese Betrachtung ist für "Ossies" und "Wessies" gleichermaßen lesenswert.

Ein Auszug, der aber die Lektüre des ganzen Textes nicht ersetzen sollte:


Das vereinigte Berlin pflegt ein ambivalentes, spannungsreiches Verhältnis zum Erbe West-Berlin. Ignoranz und Nostalgie prallen aufeinander. Schon hat ein Drittel der Bevölkerung die Teilung der Stadt nicht mehr erlebt, noch aber ist für den Westteil so viel Erinnerung lebendig, dass 100 000 Menschen zum 60. Jahrestag der Luftbrücke zum Flughafen Tempelhof strömen. Noch scheint West-Berlin nur ein Thema Alteingesessener zu sein, die den plüschigen Cafés am Kurfürstendamm nachtrauern, aber schon melden sich Nachgeborene, die wissen wollen, wie eine zur Bundesrepublik gehörige Stadt inmitten der DDR existierte. „Wie konnten die Westberliner in dieser Exklave bloß leben?“, fragt ein Jugendlicher in einem Internetforum. „Haben sich die Westberliner nicht einsam gefühlt, so isoliert von der restlichen BRD und nur umgeben von der grauen sozialistischen DDR?“ Vor allem aber: „Wie ist man über das Staatsgebiet der DDR nach Westberlin gekommen? Durch Tunnel?“

Schon ist den Jungen unvorstellbar, was den Älteren noch Erlebtes ist. Aber Geschichte vergeht nicht mit denen, die Teil von ihr waren, schon gar nicht im Fall von West-Berlin, diesem sonderbaren Gebilde, über das sich viel Gutes und einiges Schlechtes sagen lässt. West-Berlin war eine unmögliche Stadt, in der das Bestehende spätestens mit dem Mauerbau das Vorstellbare übertroffen hat. Der urbane Torso gemahnte nicht nur an die ganze Stadt, sondern auch an das ganze Deutschland, das in dem Moment Wirklichkeit zu werden begann, wo mit dem Öffnung der Mauer West-Berlins schon fast vergessener Traum in Erfüllung ging, nicht bloß Schaufenster und Leuchtturm, sondern Tor zur Freiheit zu sein.


http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/Berliner-Mauer;art141,2886556

Würfelqualle
31.08.2009, 06:35
Ich kann mich erinnern, dass ich noch zu Mauerszeiten mal von Fronau im Norden, bis nach Rudow runtergelaufen bin. Manchmal musste ich aber doch den direkten Mauerweg verlassen, weil Häuser direkt an der Mauer standen. Schade, dass ich damals keine Bilder gemacht habe, das wäre bestimmt eine einmalige Dokumentation.

Oder wie ich leere Bierpullen gegen den Wachturm am Brandenburger Tor geschmissen habe und die mit gezogenen KK MPI unter meinem Aussichtturm standen und von mich aufforderten, das zu beenden. Später wunderte ich mich , das ich in dem Besucherbüro am Halleschen Ufer keine Einreisegenehmigung für Ostberlin bekam. Wenn die mich gelassen hätten, hätten die mich bestimmt noch im Grenzübergang verhaftet.

Einmal bin ich schwer verkatert im Ostteil Berlins aufgewacht. Ich wusste echt nicht, wie ich dort hingekommen bin. Später kam mir doch noch irgendwie die Erinnerung. Ich bin wohl noch nachmittags in den Ostteil eingereist und bin dann abfeiern gewesen, irgendwo am Alex. Dann wollte ich zurück, weil man musste ja bis 0.00 Uhr in Westberlin sein. Das habe ich dann nicht geschafft und bin erst 10 Stunden später zurück zur Grenze. Man haben die dort ein Theater gemacht, aber haben mich dann doch rübergelassen.

Das war natürlich vor der Bierpullenattacke gegen den Grenzwachturm.

:))

bernhard44
31.08.2009, 07:03
Berlin (West) oder "Selbstständige politische Einheit Westberlin" für die "DDR", so lautete die damals offizielle Bezeichnung.

henriof9
31.08.2009, 07:20
Im Westteil ist es nicht sonderlich opportun, sich zum „alten“ West-Berlin zu bekennen oder dafür zu interessieren, will man nicht einer ranzigen Nostalgie verdächtigt werden

Nicht bei mir, wie man unter meinem Ava lesen kann. :D

Es ist eine Schande, wie mit der Geschichte von West- Berlin umgegangen wird was man nicht nur am Flughafen Tempelhof sehen konnte.
Ist ja auch kein Wunder, würde schließlich nicht in die politische Landschaft passen immer wieder die Erinnerungen hochzuhalten mit einer Linkspartei als Bettgenosse.

Die Stadt verkommt immer mehr, Recht und Ordnung geht den Bach runter.
Man kann über Berlin sagen was man will, zu Zeiten der Mauer war es trotzdem besser, schöner, sicherer und vor allem, lebenswerter.