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Vollständige Version anzeigen : Zensur und gesellschaftliche Ächtung im Deutschland des 21. Jarhunderts



Leo Navis
12.06.2009, 07:51
Hi,

Vor einiger Zeit kam ein Lied Namens „Amok Zahltag“ im Internet an die Oberfläche. Ein engagierter junger Mann Namens „Kaas“ rappt darin über die wahren Begebenheiten der Amokläufe, versucht sich in Amokläufer hineinzuversetzen und zeigt Verständnis für ihre Aktionen, die eher als Reaktionen gewertet werden können.

Die Gefühle werden gezeigt, und die Gründe, warum man sich überhaupt in eine Scheinwelt aus Musik und Drogen flüchtet. Die Botschaft ist eindeutig: Solche Amokläufe wären nicht möglich (und nötig!), wenn die ganze Gesellschaft nicht aus einem System der gegenseitigen emotionalen Unterdrückung bestehen würde, wenn also nicht ein extrem hoher Anpassungsdruck herrschen würde, und die, die außergewöhnlich, also individuell sind, sich in dieser Gesellschaft auch gut zurechtfinden würden.

Die „Winner“ dieses Faktes, dieser Gesellschaft, sind zahlreich, und sie werden immer mehr. Und wo viele „Winner“ sind, müssen logischerweise auch viele Loser sein, schließlich wird Erfolg immer auf dem Rücken vieler anderer erreicht.

Anpassung ist Zwang, und wir zwingen uns nicht gerne. Wir wollen tun, was wir tun wollen, wenn wir aber glauben, wir müssten tun, was wir tun, so werden wir keine Erfüllung darin finden.

In den Schulen, gerade auch in den wohlhabenden Teilen, herrscht mittlerweile ein Klima, dass für manch einen gut erscheint, tatsächlich aber für den Außenseiter die absolute Hölle ist. Kaas spricht es an, wenn ein Außenseiter es schafft, für seine Peiniger Verständnis und Liebe aufzubringen, so wird für ihn die Welt von der Hölle zum Himmel, doch es ist schwierig Menschen zu vergeben, die einem scheinbar absichtlich jede Freue am Leben rauben und, so scheint es einem Amokläufer, am liebsten in den Selbstmord treiben wollen.

Es gibt tausende Menschen die jeden Tag mit gebeugtem Haupt gehen, die von den anderen verlacht werden, und die sich das wirklich zu Herzen nehmen.

Wir erzählen den Menschen, sie seien für ihre Handlungen verantwortlich, doch das ist so nicht richtig. Ein junger Mensch wurde ja nicht zu dem Mensch, der er ist, weil er das wollte, sondern weil die Gesellschaft ihn zu dem gemacht hat, was er ist; zuvorderst seine Eltern, dann seine Lehrer, und natürlich auch seine Mitschüler. Wie soll jemand verantwortlich für Handlungen sein, die er in erster Linie als Reaktion auf die Handlungen anderer vollzieht?

Ein Amoklauf ist kein individuelles Versagen, es ist nicht die Schuld eines Computerspiels (wie sollte es auch), es ist nicht die Schuld einer Musikrichtung oder Gruppe, es ist kollektives Versagen, es ist die „Schuld“ von uns allen, und doch wieder von jedem einzelnen. Doch weil jeder dem Individuum erzählt, er sei nur für sich selbst verantwortlich, glaubt er das auch; weil aber alle anderen ihn zu hassen scheinen, fängt er auch sich selbst zu hassen, er stellt das Urteil der anderen als das eigene, schließlich haben ihn die anderen sein Leben lang konditioniert.

Der einzige Ausweg scheint ihm zu sein, allen seinen Peinigern, die ihn als „schwach“, „erbärmlich“ ansehen, als „Loser“, eine Lektion zu erteilen – und am Ende eben auch sich selbst. Es gibt für einen Menschen kaum etwas schlimmeres als seine Mitmenschen zu töten, seine eigenen Artgenossen, dementsprechend liegt es nicht fern, dass einiges vorher passieren muss.

Die Wut, der Zorn gegen sich selbst schlägt um in Wut und Zorn gegen alle anderen. Der Hass und die Liebe, die durchweg unterdrückt wurden, kommen raus, und gerade die, die ihr Leben damit verbrachten, jedem ihre Schwäche zu zeigen, zeigen nun das erste mal ihre Stärke.

Es ist der letzte Hilfeschrei des Individuums gegen das Kollektiv, für das Kollektiv. Der letzte Schrei nach dem, was er sein ganzes Leben wollte, Anerkennung für das, was er ist, nicht für das, als was andere ihn gerne sehen würden.

Kaas sagt in seinem Text die Wahrheit, sagt in seinem Rap das, was „Sache“ ist. Die Reaktion der Gesellschaft ist absolute Ächtung und Verbannung, Zensur, auch Selbstzensur. Kaas selbst hat gemerkt, dass er das Lied nicht im Internet stehen lassen konnte, wollte er nicht komplett ausgeschlossen werden.

Jene, die stets die Wahrheit sagen, gelten in dieser Gesellschaft als verrückt. Das hat gute Gründe.

Falls das hier zufällig jemand lesen sollte, der genauso ein Außenseiter ist wie so viele, der glaubt, er sei deshalb nichts wert, der der Ansicht ist, er selbst müsse sich dafür hassen, was er ist, dem sei gesagt, dass es Menschen auf diesem Planeten gibt, die für jeden Verständnis aufbringen, die versuchen jeden zu verstehen und die überall das gute sehen. Die sich nicht damit abfinden, in das gesellschaftlich vorgefertigte Maß zu passen, die versuchen, niemals schlecht über andere zu reden, die den Mut haben, das gute zu tun, und dafür keinerlei Lohn verlangen.

Glaubt an euch, glaubt an das Gute, auch wenn es scheinbar gar nicht existiert. Es gibt noch Hoffnung, selbst in diesem System.

Gruß,
Leo

(Und ja, jetzt dürft ihr euch lustig machen. Es sei euch schon vorher verziehen)

bernhard44
12.06.2009, 08:34
Hi leo,

wer solche Texte schreibt bzw sich mit solchen Texten auseinandersetzt, der läuft nicht Amok, der hat andere Probleme.
Welchen Druck willst du eigentlich hier beschreiben? Leistungsdruck......? Noch nie waren die Ansprüche in Deutschland geringer als zur Zeit. Noch nie war es einfacher mit durchschnittlichen Leistungen aus der Masse hervorzustechen. Noch nie herrschten solch niedrige Anforderungen um einen Abschluss zu erreichen.
Was hier vorherrscht sind Langeweile, Unentschlossenheit, Mut- und Lustlosigkeit. Der Druck den sich viele ausgesetzt fühlen ist ein banaler, durch Medien und Mode, durch MTV und BRAVO auferlegter. Dass er durchaus wirksam und zerstörerisch ist sei unbestritten. Aber es ist keiner dem man nicht umgehen oder gar ausschalten könnte.
Die Zensur (eigentlich Selbstzensur) ist kurioserweise auch eine selbstauferlegte, nicht verordnete, nicht von oben herab, sondern aus der Mitte der Gesellschaft wirkende politische Korrektheit. Hier sind es (Gut)Menschen wie Jens Jessen (Rentner), die solche Entwicklungen befördern und vorantreiben. Dieses Polcor-Denken und Neu-Sprechen wird natürlich über die wirksamen Massenmedien (RBB-Abendschau / Romma) verbreitet und so in das gesellschaftliche Handeln eingebracht.
Diese ganze Problematik zusammengenommen, lässt immer noch keinen zum Amokläufer werden. Hier bedarf es weiterer Komponenten um letztendlich solche Katastrophen auszulösen. Das wurde in dem Winnenden-Strang aber schon ausführlich beschrieben. Von gesellschaftlichen Verwerfungen über familiäre Einflüsse (bzw. deren fehlen) bis hin zu psychischen Erkrankungen, muss da einiges zusammentreffen um aus einen Menschen, einen Amok laufenden Killer zu machen.

Fiel
12.06.2009, 09:00
Der einzige Ausweg scheint ihm zu sein, allen seinen Peinigern, die ihn als „schwach“, „erbärmlich“ ansehen, als „Loser“, eine Lektion zu erteilen – und am Ende eben auch sich selbst. Es gibt für einen Menschen kaum etwas schlimmeres als seine Mitmenschen zu töten, seine eigenen Artgenossen, dementsprechend liegt es nicht fern, dass einiges vorher passieren muss.

Die Wut, der Zorn gegen sich selbst schlägt um in Wut und Zorn gegen alle anderen. Der Hass und die Liebe, die durchweg unterdrückt wurden, kommen raus, und gerade die, die ihr Leben damit verbrachten, jedem ihre Schwäche zu zeigen, zeigen nun das erste mal ihre Stärke.

Es ist der letzte Hilfeschrei des Individuums gegen das Kollektiv, für das Kollektiv. Der letzte Schrei nach dem, was er sein ganzes Leben wollte, Anerkennung für das, was er ist, nicht für das, als was andere ihn gerne sehen würden.

(Und ja, jetzt dürft ihr euch lustig machen. Es sei euch schon vorher verziehen)

Warum sollten wir uns lustig machen.
Allerdings hoffe ich, dass du nicht selber solche Anschlagsgedanken hast.
Und wenn schon, dann solltest du dir die richtigen aussuchen.

Leo Navis
12.06.2009, 09:18
Warum sollten wir uns lustig machen.
Allerdings hoffe ich, dass du nicht selber solche Anschlagsgedanken hast.
Und wenn schon, dann solltest du dir die richtigen aussuchen.
Keine Sorge.

Und es gibt keine "richtigen" zum Töten.

bernhard44
12.06.2009, 09:23
die öffentliche Wahrnehmung von Leistung und deren Wertschätzung ist völlig aus der Bahn geraden.
Kein Wissenschaftler, kein Helfer/Retter, keine Mutter, keiner der sein Job vorbildlich erledigt, erhält die Aufmerksamkeit und Wertschätzung wie ein Seifenopern-Darsteller, ein Boxenluder mit doppel D oder ein drogensüchtiger Popstar!
Casting-Shows und Frauen die sich eine Jeansgröße 0 überstreifen können sind die neuen Maßstäbe geworden.
Dass man sich in dieser Welt verlieren kann, ist unübersehbar. Es ist aber nur möglich, da wir schon lange die Orientierung verloren haben.

Leo Navis
12.06.2009, 09:23
wer solche Texte schreibt bzw sich mit solchen Texten auseinandersetzt, der läuft nicht Amok, der hat andere Probleme.
Welchen Druck willst du eigentlich hier beschreiben? Leistungsdruck......? Noch nie waren die Ansprüche in Deutschland geringer als zur Zeit. Noch nie war es einfacher mit durchschnittlichen Leistungen aus der Masse hervorzustechen. Noch nie herrschten solch niedrige Anforderungen um einen Abschluss zu erreichen.
Nein, gesellschaftlicher Druck.

Reduziere doch nicht ein so komplexes Thema wie die menschliche Psyche auf "Leistung". Noch nie war es so schwierig, trotz höchster Anpassung anerkannt zu werden. Wer in einer Schule in heutiger Zeit anerkannt werden möchte, muss alles aufgeben, was ihn ausmacht; er passt seine Kleidung an, seine Meinung an, seine Erscheinungsform, seine Sexualität, häufig genug sogar seine Essgewohnheiten. Viele fangen deshalb an Drogen zu nehmen.

Wie Du selbst schon sagst, wer genießt die höchste Anerkennung? Menschen, die mehr oder weniger durch Zufall an ihren Job kommen. Schauspieler, Rockstars.


Was hier vorherrscht sind Langeweile, Unentschlossenheit, Mut- und Lustlosigkeit. Der Druck den sich viele ausgesetzt fühlen ist ein banaler, durch Medien und Mode, durch MTV und BRAVO auferlegter. Dass er durchaus wirksam und zerstörerisch ist sei unbestritten. Aber es ist keiner dem man nicht umgehen oder gar ausschalten könnte.
Du scheinst Dich nicht mal ansatzweise in die Lage eines solchen Menschen hineinversetzen zu können. Wenn es nur um Langeweile, Unentschlossneheit, Mut- und Lustlosigkeit ginge, wenn es ganz einfach umgangen werden könnte oder gar ausgeschaltet - wie kommt es dann, dass einzelne sich 'ne Waffe besorgen und ein paar Menschen töten?

Nein, das ergibt keinen Sinn und banalisiert das ganze Problem.


Die Zensur (eigentlich Selbstzensur) ist kurioserweise auch eine selbstauferlegte, nicht verordnete, nicht von oben herab, sondern aus der Mitte der Gesellschaft wirkende politische Korrektheit. Hier sind es (Gut)Menschen wie Jens Jessen (Rentner), die solche Entwicklungen befördern und vorantreiben. Dieses Polcor-Denken und Neu-Sprechen wird natürlich über die wirksamen Massenmedien (RBB-Abendschau / Romma) verbreitet und so in das gesellschaftliche Handeln eingebracht.
Richtig, aus der Mitte der Gesellschaft, aus der Gesellschaft selbst. Einerseits ist Provokation erwünscht, andererseits wird der verstoßen, der eine zu falsche Meinung vertritt. Einerseits haben wir Meinungsfreiheit, andererseits darf man mit bestimmten Meinungen nirgendwo auftauchen. Einerseits dürfen wir unsere Religion frei wählen, andererseits gelten religiöse Menschen als geistig zurückgeblieben.


Diese ganze Problematik zusammengenommen, lässt immer noch keinen zum Amokläufer werden. Hier bedarf es weiterer Komponenten um letztendlich solche Katastrophen auszulösen. Das wurde in dem Winnenden-Strang aber schon ausführlich beschrieben. Von gesellschaftlichen Verwerfungen über familiäre Einflüsse (bzw. deren fehlen) bis hin zu psychischen Erkrankungen, muss da einiges zusammentreffen um aus einen Menschen, einen Amok laufenden Killer zu machen.
Es gibt keine "weiteren" Komponenten. Die Menschen werden von früh an in der Gesellschaft geboren, sie wachsen hier auf, hieraus ziehen sie ihr Wesen, ihr Sein. Das Individuum von Kollektiv losgelöst betrachten zu wollen ist sinnlos, weil es den Punkt nicht trifft.

Erst wenn wir das Individuum als Teil des Kollektivs sehen, können wir es verstehen. Und wenn ein Individuum als Teil des Kollektivs andere Individuen tötet, so ist das Problem kein individuelles, sondern ein kollektives.

Achja, nicht, dass das falsch rüberkommt, schön, dass Du Dich damit auseinandersetzt.

bernhard44
12.06.2009, 09:30
Nein, gesellschaftlicher Druck.

Reduziere doch nicht ein so komplexes Thema wie die menschliche Psyche auf "Leistung". Noch nie war es so schwierig, trotz höchster Anpassung anerkannt zu werden. Wer in einer Schule in heutiger Zeit anerkannt werden möchte, muss alles aufgeben, was ihn ausmacht; er passt seine Kleidung an, seine Meinung an, seine Erscheinungsform, seine Sexualität, häufig genug sogar seine Essgewohnheiten. Viele fangen deshalb an Drogen zu nehmen.

Wie Du selbst schon sagst, wer genießt die höchste Anerkennung? Menschen, die mehr oder weniger durch Zufall an ihren Job kommen. Schauspieler, Rockstars.


Du scheinst Dich nicht mal ansatzweise in die Lage eines solchen Menschen hineinversetzen zu können. Wenn es nur um Langeweile, Unentschlossneheit, Mut- und Lustlosigkeit ginge, wenn es ganz einfach umgangen werden könnte oder gar ausgeschaltet - wie kommt es dann, dass einzelne sich 'ne Waffe besorgen und ein paar Menschen töten?

Nein, das ergibt keinen Sinn und banalisiert das ganze Problem.


Richtig, aus der Mitte der Gesellschaft, aus der Gesellschaft selbst. Einerseits ist Provokation erwünscht, andererseits wird der verstoßen, der eine zu falsche Meinung vertritt. Einerseits haben wir Meinungsfreiheit, andererseits darf man mit bestimmten Meinungen nirgendwo auftauchen. Einerseits dürfen wir unsere Religion frei wählen, andererseits gelten religiöse Menschen als geistig zurückgeblieben.


Es gibt keine "weiteren" Komponenten. Die Menschen werden von früh an in der Gesellschaft geboren, sie wachsen hier auf, hieraus ziehen sie ihr Wesen, ihr Sein. Das Individuum von Kollektiv losgelöst betrachten zu wollen ist sinnlos, weil es den Punkt nicht trifft.

Erst wenn wir das Individuum als Teil des Kollektivs sehen, können wir es verstehen. Und wenn ein Individuum als Teil des Kollektivs andere Individuen tötet, so ist das Problem kein individuelles, sondern ein kollektives.

wie wäre es wieder zu lernen sich selbst zu schätzen, sich selbst Wert zuschätzen! Der Bezug auf die Außenreflexion, auf die Anerkennung von außen ist das verhängnisvolle Maß aller Dinge geworden.
Nur wer mit sich selbst zufrieden ist, kann mit der Welt zufrieden sein.
Klar klingt das banal, aber es ist die Grundlage für die richtige Einordung seiner eigenen Persönlichkeit in das Ganze!

Leo Navis
12.06.2009, 09:47
wie wäre es wieder zu lernen sich selbst zu schätzen, sich selbst Wert zuschätzen! Der Bezug auf die Außenreflexion, auf die Anerkennung von außen ist das verhängnisvolle Maß aller Dinge geworden.
Nur wer mit sich selbst zufrieden ist, kann mit der Welt zufrieden sein.
Klar klingt das banal, aber es ist die Grundlage für die richtige Einordung seiner eigenen Persönlichkeit in das Ganze!
Und es ist die Warhheit, die Du sagst.

Allerdings ist es weniger sinnvoll, seinen Wert einzuschätzen, und sinnvoller, ihn zu erkennen. Wir können uns doch nicht selbst schätzen.

Übrigens, da sich immer alle über die Zensur gegen Rechtsextremismus aufregen, das Video war auf hunderten Seiten veröffentlicht, heute findet man es nirgendwo mehr, zumindest ich nicht. Interessant, wie gut die Zensur bereits im Internet durchgesetzt werden kann.

Don
12.06.2009, 11:10
............
Was hier vorherrscht sind Langeweile, Unentschlossenheit, Mut- und Lustlosigkeit. ...................

Ein absolut korrekter Satz. Enthält eigentlich alles was Ursachenforschung ergeben könnte.

Diese Gesellschaft leidet nicht an zuviel Druck, Killerspielen oder Waffennarren sondern am mangelnden physischen Ausgleich zwischen Streß und Erholung. An richtigem, existenziellem Streß. (plakatives Beispiel Säbelzahntiger ante Portas), Oder Hunger, nicht leerer Kühlschrank sondern Gazelle weg.

Wir haben keinen Ersatz dafür. Manchmal Pseudoersatz, Bungee, Rafting, Rasen mit der Karre, bewußt gesuchte Risiken weil keine natürlichen mehr da sind.
Wer in existentieller Not ist läuft nicht Amok.

Sauerländer
12.06.2009, 12:03
Und es gibt keine "richtigen" zum Töten.
Im letzten Grade stimmt das natürlich.
Aber sagen wir mal so:
Es gibt Leute, bei denen man es geradezu entsetzlich fände - und auch solche, bei denen man sich sagt: "EIGENTLICH soll man das nicht tun, aber...", und es dann zumindest schwer hat, das Geschehene wirklich als schlimm zu empfinden.

Fiel
12.06.2009, 12:09
Keine Sorge.

Und es gibt keine "richtigen" zum Töten.

Du bist wahrscheinlich der Einzige auf der Welt, der Saddam Hussein nicht als den Richtigen zum Töten empfunden hätte.

Leo Navis
12.06.2009, 12:10
Wir haben keinen Ersatz dafür. Manchmal Pseudoersatz, Bungee, Rafting, Rasen mit der Karre, bewußt gesuchte Risiken weil keine natürlichen mehr da sind.
Wer in existentieller Not ist läuft nicht Amok.
Genau.

Interessanterweise wird allerdings auch jegliche Zurschaustellung von Mut und Lust durch verschiedene Mechanismen sofort unterdrückt, passt sie nicht in gesellschaftliche Maßstäbe.


Im letzten Grade stimmt das natürlich.
Aber sagen wir mal so:
Es gibt Leute, bei denen man es geradezu entsetzlich fände - und auch solche, bei denen man sich sagt: "EIGENTLICH soll man das nicht tun, aber...", und es dann zumindest schwer hat, das Geschehene wirklich als schlimm zu empfinden.
Tja, das liegt am Mensch. Für mich sollte man alles tun, was man eigentlich tun sollte, und alles nicht tun, was man eigentlich nicht tun sollte.

Leo Navis
12.06.2009, 12:10
Du bist wahrscheinlich der Einzige auf der Welt, der Saddam Hussein nicht als den Richtigen zum Töten empfunden hätte.
Von einem großen Teil der Iraker erst mal abgesehen, nein.

Ein Prinzip gitl entweder ganz oder gar nicht. Wer versucht, Prinzipien zu beugen, verdreht sich selbst.

Sauerländer
12.06.2009, 12:20
Tja, das liegt am Mensch. Für mich sollte man alles tun, was man eigentlich tun sollte, und alles nicht tun, was man eigentlich nicht tun sollte.
Man sollte seinen Ehepartner eigentlich nicht betrügen. Trotzdem geschieht es immer wieder. Man sollte eigentlich nicht im vollen Umfang dieses Wortes hassen (auch nicht den betrogen habenden Ehepartner), trotzdem tun es fast alle Menschen irgendwann, und viele auch in größerem Umfang. Man sollte eigentlich keine Drogen (beliebig welche) konsumieren, denn im einen oder anderen Sinne sind die alle schädlich. Trotzdem tun es praktisch alle von uns, wobei sich auch viele nicht auf eine beschränken. Man sollte eigentlich keinen Menschen beleidigen, egal aus welchem Grund. Wir tun es dennoch alle, einige öfter, andere seltener. Man sollte nicht neidisch sein auf das, was andere haben - aber kaum jemand kann sich vom Neid wirklich freisprechen. Und so kann man diese Liste noch lange fortsetzen. Das "eigentlich" scheitert einfach am realen Leben.

Sauerländer
12.06.2009, 12:22
(...)Kaas spricht es an, wenn ein Außenseiter es schafft, für seine Peiniger Verständnis und Liebe aufzubringen, so wird für ihn die Welt von der Hölle zum Himmel,(...)
Das möchte ich übrigens arg bezweifeln. Man kann sich in die Rolle fügen, der Arsch zu sein, aber dadurch wird diese Rolle um keinen Milimeter spaßiger.

Leo Navis
12.06.2009, 12:50
Das möchte ich übrigens arg bezweifeln. Man kann sich in die Rolle fügen, der Arsch zu sein, aber dadurch wird diese Rolle um keinen Milimeter spaßiger.
Man ist nur "der Arsch", wenn man glaubt, "der Arsch" zu sein.

Das muss nicht sein. Realität ist das, was Du draus machst.


Man sollte seinen Ehepartner eigentlich nicht betrügen. Trotzdem geschieht es immer wieder. Man sollte eigentlich nicht im vollen Umfang dieses Wortes hassen (auch nicht den betrogen habenden Ehepartner), trotzdem tun es fast alle Menschen irgendwann, und viele auch in größerem Umfang. Man sollte eigentlich keine Drogen (beliebig welche) konsumieren, denn im einen oder anderen Sinne sind die alle schädlich. Trotzdem tun es praktisch alle von uns, wobei sich auch viele nicht auf eine beschränken. Man sollte eigentlich keinen Menschen beleidigen, egal aus welchem Grund. Wir tun es dennoch alle, einige öfter, andere seltener. Man sollte nicht neidisch sein auf das, was andere haben - aber kaum jemand kann sich vom Neid wirklich freisprechen. Und so kann man diese Liste noch lange fortsetzen. Das "eigentlich" scheitert einfach am realen Leben.
Nur, weil "fast alle" irgendetwas tun, ziehe ich daraus keine Lehre für mich selbst.

Nur, weil andere glauben, aufgrund des "realen Lebens" müsse man Laster mit sich herumtragen und Dinge tun, die man eigentlich nicht tun will, bedeutet das nicht, dass ich Laster mit mir herumtrage und Dinge tue, die ich eigentlich nicht tun will.

Das Leben ist eigentlich sehr einfach, wenn man es einfach sieht, wie es ist.

Und nein, nicht alle, nur fast alle.

Beispiel Neid: Wenn man erst mal erkannt hat, dass Besitz ohne den kollektiven Gedanken dahinter für das Individuum nichts wert ist, kann man sich davon lösen, darin mehr Wert zu sehen, als darin ist. Wenn man das Denken der anderen erkennt, so kann man es einerseits akzeptieren andererseits ihm aber im schlechten nicht folgen.

Sauerländer
12.06.2009, 13:21
Man ist nur "der Arsch", wenn man glaubt, "der Arsch" zu sein.
Das muss nicht sein. Realität ist das, was Du draus machst.
Das ist in seiner Ich-Bezogenheit fast schon Solipsismus.
Ich kann mir auch bei Zahnschmerzen einzureden versuchen, dass ich gerade ein angenehmes Gefühl verspüre. Aber entweder scheitere ich dabei, oder ich entwickle einen krankhaften Masochismus, durch den ich den Schmerz TATSÄCHLICH genieße.
Mist ist Mist, und wer auf einen Eimer Mist blickt und darin eine gar köstliche Torte erblickt, hat nicht mehr alle Latten am Zaun.
Leiden im Bezug auf negative Zustände ist ein Audruck von gesundem Empfinden.

Deshalb halte ich auch nicht in allen, aber doch vielen Fällen zum Beispiel den Gang zum Psychotherapeuten für rausgeschmissenes Geld (ich kenne über ein paar Ecken ein, zwei von diesen Gestalten). Im Prinzip ist deren Funktion, zu bewirken, dass die Maschinerie ohne Störung durch dich weiterlaufen kann, und da sie das nicht kann, wenn Du produktivitätslähmend verzweifelt oder gar gefährlich bist, sollst Du darauf gedrillt werden, "auch die positive Seite zu sehen", überhaupt alles "positiv" zu sehen, dich auf Optimismus konditionieren zu lassen, letztlich: Dich zum Idioten machen zu lassen.

Nur, weil "fast alle" irgendetwas tun, ziehe ich daraus keine Lehre für mich selbst.
Das ist ja prinzipiell auch richtig, alles andere wäre demokratischer Unsinn.

Nur, weil andere glauben, aufgrund des "realen Lebens" müsse man Laster mit sich herumtragen und Dinge tun, die man eigentlich nicht tun will, bedeutet das nicht, dass ich Laster mit mir herumtrage und Dinge tue, die ich eigentlich nicht tun will.
Das Problem ist weniger, Dinge zu tun, die man nicht tun will, sondern eher, Dinge zu wollen, die man nicht wollen sollte.

Das Leben ist eigentlich sehr einfach, wenn man es einfach sieht, wie es ist.
Das sehe ich GÄNZLICH anders. Je genauer man sich das Leben anschaut, desto komplizierter und auch unschöner wird es.

Beispiel Neid: Wenn man erst mal erkannt hat, dass Besitz ohne den kollektiven Gedanken dahinter für das Individuum nichts wert ist, kann man sich davon lösen, darin mehr Wert zu sehen, als darin ist. Wenn man das Denken der anderen erkennt, so kann man es einerseits akzeptieren andererseits ihm aber im schlechten nicht folgen.
Ich bin zum Beispiel zu meiner Schulzeit nie neidisch gewesen auf die Markenklamottenträger, im Gegenteil, die habe ich in diesem Punkt als bemitleidenswerte Würstchen betrachtet, da sie viel Geld verbraten haben, um sich...ja was... einen Status zu erkaufen (?)...während mich dieses ganze Gehabe einfach nicht interessiert hat.
Andererseits ist es aber nicht nur materieller Besitz, auf den sich Neid richten kann, und nicht alles, auf das sich Neid richten kann, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als leere Seifenblase. In manchen Fällen ist die Lage schlicht die: Jemand anderer hat etwas, was zu haben WIRKLICH wünschenswert ist - und Du hast es NICHT, und wirst es auch nicht bekommen. Ohne weiteren Zusatz.

Eine Realität, die man nur erkennen muss, die bei ihrem wirklichen Erkanntsein aus Konfliktfreiheit, ja Harmonie besteht, existiert nicht.

Leo Navis
12.06.2009, 15:51
Das ist in seiner Ich-Bezogenheit fast schon Solipsismus.
Ich kann mir auch bei Zahnschmerzen einzureden versuchen, dass ich gerade ein angenehmes Gefühl verspüre. Aber entweder scheitere ich dabei, oder ich entwickle einen krankhaften Masochismus, durch den ich den Schmerz TATSÄCHLICH genieße.
Mist ist Mist, und wer auf einen Eimer Mist blickt und darin eine gar köstliche Torte erblickt, hat nicht mehr alle Latten am Zaun.
Leiden im Bezug auf negative Zustände ist ein Audruck von gesundem Empfinden.
Was ist daran gesund, wenn man sich selbst einredet, man sei ein Loser, nur, weil es einem andere erzählen?

Das ergibt doch keinen Sinn. Zahnschmerzen dagegen ergeben Sinn, weil Dein eigener Körper verfault.


Deshalb halte ich auch nicht in allen, aber doch vielen Fällen zum Beispiel den Gang zum Psychotherapeuten für rausgeschmissenes Geld (ich kenne über ein paar Ecken ein, zwei von diesen Gestalten). Im Prinzip ist deren Funktion, zu bewirken, dass die Maschinerie ohne Störung durch dich weiterlaufen kann, und da sie das nicht kann, wenn Du produktivitätslähmend verzweifelt oder gar gefährlich bist, sollst Du darauf gedrillt werden, "auch die positive Seite zu sehen", überhaupt alles "positiv" zu sehen, dich auf Optimismus konditionieren zu lassen, letztlich: Dich zum Idioten machen zu lassen.
Exakt!

Und nur, weil die anderen mir sagten, ich solle das positive sehen, sah ich stets das negative, und so machen es alle. Denn das positive ist nicht brechbar; entweder 100 % oder 0.


Das Problem ist weniger, Dinge zu tun, die man nicht tun will, sondern eher, Dinge zu wollen, die man nicht wollen sollte.
Das ist die Illusion. Tatsächlich will man gar nichts, was man nicht wollen sollte.

Zigaretten wollen wir eigentlich nicht, wir nehmen sie nur, weil andere sie in einem Wertekodex für "eher positiv" bewerten.


Das sehe ich GÄNZLICH anders. Je genauer man sich das Leben anschaut, desto komplizierter und auch unschöner wird es.
Das ist nicht korrekt. Das ganze Leben ist einfach auf der Logik aufgebaut. Die Menschen glauben, sie würden sehr vielschichtig sein, doch tatsächlich basieren sie nur auf Gut und Schlecht; Binärcode. Darauf ist die menschliche Psyche aufgebaut, und wer sich logisch für das Gute entscheidet, der ist erlöst.


Ich bin zum Beispiel zu meiner Schulzeit nie neidisch gewesen auf die Markenklamottenträger, im Gegenteil, die habe ich in diesem Punkt als bemitleidenswerte Würstchen betrachtet, da sie viel Geld verbraten haben, um sich...ja was... einen Status zu erkaufen (?)...während mich dieses ganze Gehabe einfach nicht interessiert hat.
Andererseits ist es aber nicht nur materieller Besitz, auf den sich Neid richten kann, und nicht alles, auf das sich Neid richten kann, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als leere Seifenblase. In manchen Fällen ist die Lage schlicht die: Jemand anderer hat etwas, was zu haben WIRKLICH wünschenswert ist - und Du hast es NICHT, und wirst es auch nicht bekommen. Ohne weiteren Zusatz.
Es gibt nichts, was ich nicht hätte, was "wirklich" wünschenswert wäre.

Zumindest nichts, von dem ich wüsste, denn alles, was ich stets wollte, war Wissen, und jetzt weiß ich genug, und beobachte statt zu werten.


Eine Realität, die man nur erkennen muss, die bei ihrem wirklichen Erkanntsein aus Konfliktfreiheit, ja Harmonie besteht, existiert nicht.
Das ist Deine Illusion, die kollektive Illusion. Nur deshalb vermehren wir uns so rasant, weil die Menschen glauben, dadurch ihre Existenz "aufbessern" zu können.

Warum, glaubst Du, haben Menschen so viel Sex und denken, haben sie keinen, trotzdem lange Zeit daran?

bernhard44
08.09.2009, 15:50
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