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Vollständige Version anzeigen : Mein Lieblingsgedicht !



Mohammed
23.02.2005, 22:07
Louise Aston

Lied einer schlesischen Weberin


Wenn's in den Bergen rastet,
Der Mühlbach stärker rauscht,
Der Mond in stummer Klage
Durch's stille Strohdach lauscht;
Wenn trüb die Lampe flackert
Im Winkel auf dem Schrein:
Dann fallen meine Hände
Müd in den Schooß hinein.

So hab' ich oft gesessen
Bis in die tiefe Nacht,
Geträumt mit offnen Augen,
Weiß nicht, was ich gedacht;
Doch immer heißer fielen
Die Thränen auf die Händ' -
Gedacht mag ich wohl haben:
Hat's Elend gar kein End? -

Gestorben ist mein Vater, -
Vor Kurzem war's ein Jahr -
Wie sanft und selig schlief er
Auf seiner Todtenbahr'!
Der Liebste nahm die Büchse,
Zu helfen in der Noth;
Nicht wieder ist er kommen,
Der Förster schoß ihn todt. -

Es sagen oft die Leute:
"Du bist so jung und schön,
Und doch so bleich und traurig
Sollst du in Schmerz vergehn?" -
"Nicht bleich und auch nicht traurig!"
Wie spricht sich das geschwind
Wo an dem weiten Himmel
Kein Sternlein mehr ich find'!

Der Fabrikant ist kommen,
Sagt mir: "mein Herzenskind,
Wohl weiß ich, wie die Deinen
In Noth und Kummer sind;
Drum willst Du bei mir ruhen
Der Nächte drei und vier,
Sieh' dieses blanke Goldstück!
Sogleich gehört es Dir!"

Ich wußt' nicht, was ich hörte -
Sei Himmel du gerecht
Und lasse mir mein Elend,
Nur mache mich nicht schlecht!
O lasse mich nicht sinken!
Fast halt' ich's nicht mehr aus,
Seh' ich die kranke Mutter
Und's Schwesterlein zu Haus'!

Jetzt ruh'n so still sie alle,
Verloschen ist das Licht,
Nur in der Brust das Wehe,
Die Thränen sind es nicht.
Kannst du, o Gott, nicht helfen,
So lass' uns lieber gehn,
Wo drunten tief im Thale
Die Trauerbirken steh'n! -

Schwind
24.02.2005, 02:25
Was verbindest du mit dem Gedicht, und weshalb ist es dein Lieblingsgedicht?

Ich habe gar kein explizites Lieblingsgedicht... Viele, die mir gefallen. Doch als erstes fiel mir "Prometheus" von Goethe ein. Lese ich immer wieder gerne.

MfG
Eneb

Mohammed
24.02.2005, 08:51
Mir gefällt die verwendete Sprache, sie ist nicht zu primitiv, aber auch nicht so abstrakt. Es transportiert sehr gut die Stimmung. Die allermeisten Gedichte, mag ich nicht.

spongebob goebbels
24.02.2005, 13:37
howl

Ich sah die besten Köpfe meiner Generation zerstört vom
Wahnsinn, ausgemergelt hysterisch nackt,
wie sie im Morgengrauen sich durch die Negerstraßen schleppten
auf der Suche nach einer wütenden Spritze,
Hipster mit Engelsköpfen, süchtig nach dem alten himmlischen
Kontakt zum Sterndynamo in der Maschinerie der Nacht,
die armselig und abgerissen und hohläugig und high wach
hockten und rauchten im übernatürlichen Dunkel von Altbauwohnungen, in Jazz-Meditiation schwebend über dem Häusermeer der Städte,
die dem Himmel ihre Hirne entblößten unter der Hochbahn und
mohammedanische Engel taumeln sahen auf Mietskasernendächern in Strömen von Licht,
die durch Universitäten gingen mit verklärten wissenden Augen und
Halluzinationen hatten von Arkansas und düsteren Blake- Tragödien zwischen den Scholaren des Kriegs,
die von den Akademien relegiert wurden als Irre und weil sie
obszöne Oden kritzelten auf die Fenster des Totenschädels,
die in unrasierten Buden kauerten im Unterzeug, ihr Geld in
Papierkörben verbrannten, mit dem Terror von nebenan im Ohr,
die beim Grenzübergang in Laredo mit ihren Schamhaar- Bärten
auffielen und verhaftet wurden mit einem Gürtel von Marihuana für New York,
die Fusel schluckten in Penner-Absteigen oder sich mit Terpentin
zu Tode soffen in der Paradies Alley oder ihre Körper durchs Fegefeuer trieben, Nacht für Nacht,
mit Träumen, mit Drogen, mit Wahnvorstellungen, Alkohol und
Schwanz und endlosem Rumficken,
unvergleichlich blinde Straßen mit zuckenden Wolken und Blitzen
im Hirn, die übersprangen auf Telegrafenmasten von Kanada & Paterson und die ganze stillstehende Welt der Zeit dazwischen illuminierten,
Hausflure, pelzig und dick wie Peyote, hinterhof-baumgrüne
Friedhofsdämmerungen, Weintrunkenheit über den Dächern, rauschhafte Marihuanafahrten durch Einkaufsviertel mit Neonreklamen und blinkenden Ampeln, Sonne und Mond und Baumvibrationen in den brüllenden Winternächten von Brooklyn, Wutausbrüche zwischen Mülltonnen und Versöhnung im erhabenen Licht des Geistes,
die sich an U-Bahnen ketteten zur endlosen Fahrt vom Battery
Park zur heiligen Bronx, high von Benzedrin, bis der Lärm von Rädern und Kindern sie ernüchterte, schauernd, mit gelähmter Zunge, erschlagen und mit dumpfen Hirnen ohne einen Funken Brillianz, im trostlosen Dämmerlicht des Zoos,
die nächtelang versanken im Unterwasserlicht von Bickford´s,
hinaustrieben und die Nachmittage bei schalem Bier absaßen im trübseligen Fugazzi´s, wo sie aus der Wasserstoff- Jukebox das Donnern des Jüngsten Gerichts hörten,
die siebzig Stunden lang ununterbrochen redeten, zwischen
Park und Bude und Bar und Bellevue und Museum und Brooklyn Bridge,
ein verlorener Haufen platonischer Schwafler, die von der Veranda
sprangen, von Feuerleitern herunter, von Fenstersimsen, vom Empire State, aus den Kratern des Mondes,
die Fakten und Erinnerungen und Anekdoten und visuelle Kicks
und Schocks aus Hospitälern und Zuchthäusern und Kriegen herunterrasselten hinausbrüllten auskotzten flüsterten,
ganze Intellekte mit fieberglänzenden Augen in sieben Tagen und
Nächten ausgewürgt bis zum letzten Erinnerungsfetzen, Fleisch für die Synagoge, hingeworfen auf das Straßenpflaster,
die ins Niemandsland eines Zen New Jersey verschwanden
und nichts hinterließen als eine Spur von zweideutigen Ansichtskarten mit dem Rathaus von Atlantic City drauf,
ihre Schweißausbrüche im Fernen Osten und Gliederschmerzen
in Tanger und Migränen in China noch einmal durchlitten beim Rauschgiftentzug in Newarks ödem möblierten Zimmer,
die um Mitternacht sämtliche Güterzüge des Rangierbahnhofs
abklapperten und überlegten, wohin sie fahren sollten, und schließlich abfuhren, ohne daß ihnen jemand nachtrauerte,
die Zigaretten rauchten in Güterwaggons, Güterwaggons,
Güterwaggons auf der ratternden Fahrt durchs verschneite Land, einsamen Farmen in der großväterlichen Nacht entgegen,
die sich mit Plotin beschäftigten, mit Poe, Johannes vom Kreuz,
Telepathie und der Kabbala des Bebop, weil sie in Kansas instinktiv die Schwingungen des Kosmos unter ihren Füßen spürten,
die einsam durch die Straßen von Idaho irrten auf der Suche
nach visionären indianischen Engeln, die visionäre indianische Engel waren,
die dachten, sie seien nur verrückt, als Baltimore in übernatürlicher
Ekstase erstrahlte,
die in Limousinen sprangen mit dem Chinesen von Oklahoma,
weil es ihnen gerade so in den Sinn kam im Regen unter einer mitternächtlichen Straßenlaterne in einer kleinen Stadt im Winter,
die hungrig und verlassen durch Houston schlurften und nach
Jazz oder Sex oder einer Suppe suchten und sich dem brillanten Spanier anschlossen, um mit ihm über Amerika und die Ewigkeit zu reden, eine aussichtslose Sache, so daß sie das nächste Schiff nach Afrika nahmen,
die in die Vulkane von Mexiko verschwanden und nicht hinterließen
als den Schatten von Drillichhosen und die Lava und Asche verbrannter Gedichte im offenen Kamin von Chicago,
die an der Westküste wieder auftauchten und gegen das FBI
ermittelten, bärtig und in Shorts, mit großen pazifistischen Augen, sexy in ihren braungebrannten Gesichtern, und unverständliche Flugblätter austeilten,
die sich mit Zigaretten Löcher in die Arme brannten, aus Protest
gegen den betäubenden Tabakmief des Kapitalismus,
die superkommunistische Pamphlete verteilten auf dem Union
Square, sich weinend die Kleider auszogen, während die Sirenen von Los Almos sie niederheulten und die Wall Street entlangheulten und die Staten-Island-Fähre ebenfalls heulte,
die schluchzend zusammenbrachen in weißen Turnhallen,
nackt und zitternd vor der Maschinerie anderer Skelette,
die Polizisten in den Nacken bissen und vor Freude kreischten
in den Streifenwagen, weil ihr einziges Verbrechen darin bestand, daß sie hemmungslose Päderasten und Süchtige waren,
die in der U-Bahn auf den Knien lagen und es hinausheulten,
vom Dach gezerrt wurden und Genitalien und Manuskripte schwenkten,
die sich von Motorrad-Engeln in den Arsch ficken ließen und
schrien vor Lust,
die die Matrosen bliesen, diese Seraphen in Menschengestalt,
und sich von ihnen blasen ließen und die Zärtlichkeiten atlantischer und karibischer Liebe erlebten,
die morgens und abends bumsten in Rosengärten, im Gras der
Parks und auf Friedhöfen und ihren Samen verschenkten an jeden, der wollte,
die endlosen Schluckauf bekamen, als ihnen das Kichern im Hals
steckenblieb, und schließlich wurde es ein Schluchzen hinter einer Trennwand in einem Türkischen Bad, als der nackte blonde Engel kam, um sie mit dem Schwert zu durchbohren,
die ihre Love-Boys an die drei alten Vetteln des Schicksals
verloren: die einäugige Vettel des heterosexuellen Dollars, die einäugige Vettel, die mit den Schamlippen zwinkert, und die einäugige Vettel, die bloß auf ihrem Arsch sitzt und am Webstuhl des Schöpfers die geistigen Goldfäden durchschnipst,
die ekstatisch und unersättlich kopulierten mit einer Bierflasche,
einem Sweetheart, einer Schachtel Zigaretten, einer Kerze, und aus dem Bett fielen und auf dem Boden weitermachten und draußen im Flur und am Ende halb bewußtlos an der Wand zusammensanken mit einer Vision vom vollkommenen Fick, mit dem sie endgültig dem Bewußtsein entkommen,
die einer Million Girls, zitternd in der Abendröte, die Mösen
saftig kitzelten und am Morgen mit roten Augen noch bereit waren, auch der aufgehenden Sonne die Möse naßzumachen, indem sie ihr mit dem blanken Hintern winkten unter Scheunendächern und nackt im Teich,
die nachts in Myriaden gestohlener Autos durch Colorado hurten,
N. C., geheimer Held dieser Gedichte, Bumser und Adonis vo Denver - mit Freuden gedenken wir der unzähligen Male, die er´s brachte mit Girls, auf leeren Grundstücken und hinter Restaurants, auf wackeligen Sitzreihen von Kinos, auf Bergen und in Höhlen, oder an vertrauten Straßenrändern, allein mit einer abgemagerten Kellnerin, der er den Petticoat lüpfte, und besonders in der heimlichen Abgeschiedenheit von Tankstellen-Klos, und in den Gassen seiner Heimatstadt auch,
die sich in endlos verderbten Filmen verloren, in ihren Träumen
umgetrieben wurden, plötzlich in Manhattan erwachten, sich hochrappelten und aus Kellern krochen, verkatert von herzlosem Tokaier und eisernen Schreckensträumen der Third Avenue, und zum nächsten Arbeitsamt wankten,
die nächtelang mit Schuhen voll Blut über die verschneiten
Docks gingen und darauf warteten, daß sich im East River eine Tür auftat zu einem Raum voll Saunadampf und Opium,
die große dramatische Selbstmorde inszenierten auf den
Apartment-Klippen des Hudson unterm blauen Flutlicht des kriegsmäßig verdunkelten Mondes, und mit Lorbeerkränzen gekrönt sollen sie in die Ewigkeit eingehen,
die das geschmorte Lammfleisch der Imagination aßen oder die
Sackratten verdauten im Schlick der Fuselströme von Bowery,
die den romantischen Straßen nachweinten mit ihren Schubkarren
voll Zwiebeln und ihrer schlechten Musik,
die in Pappkartons saßen und die Dunkelheit einsogen unter der
Brücke und aufstanden, um Cembalos zu bauen auf ihren Dachböden,
die in Harlem husteten im sechsten Stock, gekrönt vom
Feuerschein des tuberkulösen Himmels, umgeben von Orangenkisten voll Theologie,
die nächtelang in Trance ihre hehren Hymnen kritzelten, und am
gelben Morgen waren es nur noch sinnlose Knittelverse,
die sich Borschtsch kochten aus angefaultem Fleisch, Herz
Lunge Füße Schwanz, und Tortillas backten und dabei vom reinen vegetarischen Pflanzenreich träumten,
die sich unter Fleischerwagen warfen und nach einem Ei suchten,
die ihre Armbanduhren vom Dach warfen und sich eine Ewigkeit
jenseits der Zeit erwählten, und während der nächsten zehn Jahre viel ihnen jeden Tag ein Wecker auf den Kopf,
die sich dreimal hintereinander die Pulsadern öffneten, ohne
Erfolg, es aufgaben und gezwungen waren, Antiquitätenläden zu eröffnen, in denen sie sich alt vorkamen und weinten,
die auf der Madison Avenue bei lebendigen Leib verbrannten
in ihren unschuldigen Flanellanzügen, unter einem Schwall von bleiernen Sprüchen & dem Panzergerassel eiserner Moderegimenter & den spitzen Nitroglyzerinschreien schwuler Werbefritzen & dem Senfglas diabolisch intelligenter Verlagslektoren, oder von den besoffenen Taxis der Absoluten Realität überfahren wurden,
die von der Brooklyn Bridge sprangen, das ist wirklich passiert,
und unerkannt und vergessen in die gespenstische Umnachtung von Chinatown verschwanden, in enge Straßen voll Suppengerüchen und Löschzügen der Feuerwehr, wo sie nicht mal ein einziges Bier umsonst bekamen,
die aus ihren Fenstern sangen in ihrer Verzweiflung, in der U-Bahn
aus dem Fenster fielen, in den verdreckten Passaic sprangen, Neger anfielen, die ganze Straße volljammerten, barfuß auf den Scherben von Weingläsern herumtanzten, nostalgische europäische Schallplatten mit deutschem Jazz aus den dreißiger Jahren zerschlugen, die Whiskeyflasche leertranken und alles stöhnend wieder auswürgten in die blutige Kloschüssel, Gewimmer in den Ohren und das Dröhnen kolossaler Dampfpfeifen,
die über die Highways der Vergangenheit rasten, um sich
gegenseitig die Golgathas ihrer Straßenrennen zu zeigen, die Zuchthäuser ihrer einsam durchwachten Nächte oder den Ort ihrer Jazz-Inkarnation in Birmingham,
die zweiundsiebzig Stunden quer durchs Land fuhren, um zu
sehen, ob ich eine Vision hatte oder du oder er, um die Ewigkeit zu finden,
die nach Denver reisten, die starben in Denver, die zurückkamen
nach Denver und vergeblich warteten, die wachten über Denver & grübelten & einsam waren in Denver und schließlich fortgingen um zu sehen was es geschlagen hatte, & jetzt ist Denver einsam und sehnt sich nach seinen Helden,
die auf die Knie fielen in Kathedralen ohne Hoffnung und
füreinander beteten, um Erlösung und Licht und Brüste, bis sich ihre Seele für einen Augenblick einen Glorienschein aufs Haar setzte,
die sich nach Mexico zurückzogen, um besser mit einer
Heroinsucht durchzukommen, oder nach Rocky Mount zum gütigen Buddha, oder nach Tanger wegen der Boys dort, oder zur Southern Pacific und ihrer schwarzen Lokomotive, oder nach Harvard zu Narcissus und Woodlawn und Ringelreihen oder Tod,
die dem Rundfunk hypnotische Praktiken vorwarfen und einen
Prozeß der geistigen Gesundung forderten & am Ende dastanden mit ihrer Geisteskrankheit & ihren Händen & einem Patt bei den Geschworenen,
die in Dadaismus-Vorlesungen am City College von New York
die Lektoren mit Kartoffelsalat bewarfen und sich anschließend kahlgeschoren und mit grotesken Selbstmorddrohungen auf den Granitstufen des Irrenhauses präsentierten und sofortige Lobotomie verlangten,
und die statt dessen bedacht wurden mit der konkreten Leere
von Insulin Metrasol Elektroschock Hydrotherapie Psychotherapie Beschäftigungstherapie Tischtennis & Amnesie,
die dafür keinen Humor hatten und in symbolischem Protest
eine einsame Tischtennisplatte umwarfen und mal kurz zu Katatonikern wurden,
die Jahre später, jetzt wirklich kahl bis auf eine Perücke aus Blut,
und Tränen und Finger, zurückkehrten in die sichtbar todgeweihte geschlossene Gesellschaft der Wahnsinnigen in den Irrenstädten der Ostküste,
in die stinkenden Hallen von Rocklands Pilgrim State und
Greystone, wo sich die klagenden Echos der Seele brachen, wo sie schlingerten in epileptischen Rock ´n Roll auf einsamen Bänken um Mitternacht im Grabmal der Liebe, ihr Traum vom Leben zum Alptraum geworden, ihre Körper versteinert und schwer wie der Mond,
mit Mutter schließlich ******, und das letzte phantastische Buch
aus dem Mietskasernenfenster geschleudert, und die letzte Tür geschlossen um 4 Uhr morgens und das letzte Telefon als Antwort an die Wand gedonnert und das letzte möblierte Zimmer ausgeräumt bis aufs letzte Stück des geistigen Inventars, eine gelbe Papierrose, um einen Kleiderbügel im Wandschrank gedreht, und selbst das imaginär, nichts als ein sehnsüchtiges kleines bißchen Halluzination -
ach, Carl, solange du nicht in Sicherheit bist, bin ichs auch nicht,
und jetzt bist du wirklich im totalen tierischen Sumpf der Zeit -
und die deshalb durch die eisigen Straßen rannten, besessen von
einer plötzlichen Einsicht in die alchimistische Verwendung der Ellipse des Katalogs des Metermaßes & des vibrierenden Hobels,
die träumten und mit Oppositionsmetaphern organische Löcher
in Zeit & Raum sprengten, den Erzengel der Seele zwischen zwei bildlichen Vorstellungen einfingern, die elementaren Verben verbanden, Substantiv und Trennungsstrich des Bewußtseins einten, erregt vom Allmachtsgefühl eines Pater Omnipotens Aeterna Deus,
um Syntax und Rhythmus der verarmten menschlichen Prosa
zu erneuern und vor euch zu stehen, sprachlos vor Intelligenz und zitternd vor Scham, zurückgewiesen, doch frei ihre Seele bekennend im Einklang mit dem Rhythmus der Gedanken im nackten und grenzenlosen Hirn,
als Irrer, Tramp und Engel, geschlagen in der Zeit, unbekannt,
doch hier um festzuhalten was vielleicht noch zu sagen bleibt in der Zeit nach dem Tod,
und die aufstanden, wiedergeboren im Geistergewand des Jazz
im goldschimmernden Schatten der Band, und die quälende Sehnsucht der nackten amerikanischen Seele nach Liebe hinausröhrten in einem eli eli lamma lamma sabacthani Saxophonschrei, der die Städte bis aufs letzte Radio erzittern ließ,
und das absolute Herz des Lebensgedichts, das sie sich aus dem
Leib rissen, bietet Nahrung für tausend Jahre.

Allen Ginsberg - San Francisco - 1955/56

MarekD
13.06.2005, 17:10
Mein Jettchen

Von Robert Johannes

Seit die Jette ich begegent,
is mich alles ganz eingal,
und wenn's Schornsteinfeger regent,
sie bleibt doch mein Ideahl.
Wo ich steh und wo ich sitze,
überall denk ich an ihr -
ob bei Kälte, ob bei Hitze,
immer steht se neben mir!

Wie ich ihr zuerst gesehen -
draußen vor das Kenigstor -,
ging vom Kopf bis zu den Zehen
in mir so e Kribbeln vor.
Mitten durch die Menschenmassen
drängeld ich ihr immer nach -
"Gott! Wer hat dem rausgelassen!?"
Schrie se laut. Mir wurd ganz schwach!

Ich zog de Mitz; ich mißd doch grießen,
und ich fragd: "Wo gehn Se hin?"
Da wurd se rot von Kopf bis Fießen,
se fragt mich, ob ich dammlich bin.
Un denn kißd ich kiehn, verwegen
ihr auf ihre Lippen schnell -
und se hädd gar nichts dagegen -
es war e reizende Mergell!

Und wir gingen wie bedammelt,
Hand in Hand - wir duzden uns.
Der Mozartzopp war losgebammelt,
un de Jungens uzden uns.
Ich tat mit die Augen plinken,
sie sah immer von mir weg;
"Jettche!" sagd ich, "willst was trinken?"
"Nei!" meint se, "e Schalche Fleck!"

Un wir nu ziddraht im Keller -
un se aß und trank fer vier;
se beleckd auch noch de Teller,
un ich hätt - kein Geld bei mir.
Wie es endlich kam zum Zahlen,
lachd se los und lief hinaus,
un der Wirt, was soll ich prahlen,
haud mir durch un schmiß mir raus
:rolleyes:

Hannibal
13.06.2005, 17:15
Mein Jettchen

Von Robert Johannes



Und wenn es draußen stürmt und wettert,
Herr Dachs auf seine Dächsin klettert.

MarekD
13.06.2005, 17:17
Ich mags Jettchen!

Alternativtitel: Kenigsberjer Allerleij :cool:

Hannibal
13.06.2005, 17:19
Kenigsberjer Allerleij :cool:
Kutteln, Brotsuppe oder auch Haggis sind für mich kalt

MarekD
13.06.2005, 17:23
Naja...sei froh, daß du nie Fleck essen mußtest. Meine Oma hat mir das einmal gemacht, als ich mit besoffenem Kopf vor ihr stand.

"Komm Jungche, kriegst e schalche Fleck und bist wieder nüchtern, das nuscht mehr merkst."

Man, so was wünsch ich meinem ärgsten Feind nicht. Zum k...

Moselfranke
13.06.2005, 21:09
Ihr nennt euch Richter, doch ihr seid nur Henker
und gegen des Gewissens Stimme taub.
Ihr haßt das Volk der Dichter und Denker,
mit uns soll Deutschland knien vor euch im Staub.
Ihr tut so stolz, ihr großen Wortemacher.
Ihr sprecht von Gott, von Freiheit und Recht
und treibt mit Gott und Recht und Freiheit Schacher
indem ihr die Besiegten schuldig sprecht.
Laßt euer Urteil ruhig in der Tasche.
Wir wissen längst, es ist um uns geschehen.
Doch werden einmal noch aus unserer Asche
die Rächer dieses Mordes auferstehen.
Ihr seid Gefangene eures eigenen Tuns.
Es wird auch dafür einen Zahltag geben.
Wir haben unser Nürnberg hinter uns.
Ihr müßt das eure noch erleben!


(Ein Mann ,der den Frieden retten wollte....)

discipulus
13.06.2005, 23:07
Johannes R. Becher

Kinderschuhe aus Lublin

Von all den Zeugen, die geladen,
Vergeß ich auch die Zeugen nicht,
Als sie in Reihn den Saal betraten,
Erhob sich schweigend das Gericht.

Wir blickten auf die Kleinen nieder,
ein Zug zog paarweis durch den Saal.
Es war, als tönten Kinderlieder,
Ganz leise, fern, wie ein Choral.

Es war ein langer bunter Reigen,
Der durch den ganzen Saal sich schlang.
Und immer tiefer ward das Schweigen
Bei diesem Gang und Kindersang.

Voran die kleinsten von den Kleinen,
sie lernten jetzt erst richtig gehen
-Auch Schuhchen können lachen, weinen -.
Ward je ein solcher Zug gesehn!

Es tritt ein winzig Paar zur Seite,
Um sich ein wenig auszuruhn,
Und weiter zieht es in die Weite-
Es war ein Zug von Kinderschuhn.

Man sieht, wie sie den Füßchen passten-
Sie haben niemals weh getan,
Und Händchen spielten mit den Quasten.
Das Kind zog gern die Schuhchen an.

Ein Paar aus Samt, ein Paar aus Seiden,
Und eines war bestickt sogar
Mit Blumen, wie sie ziehn, die beiden
Sind ein schmuckes Hochzeitspaar.

Mit Bändchen, Schnallen und mit Spangen,
Zwergenhafte Wesen, federleicht-
Und viel’ sind viel zu lang gegangen,
Und sind vom Regen durchgeweicht.

Man sieht die Mutter auf den Armen
Das Kind, vor einem Laden stehn:
„Die Schuhchen, die, die weichen, warmen,
Ach, Mutter, sind die Schuhchen schön!“

„Wie soll ich nur die Schuhchen zahlen.
Wo nehm das Geld ich dafür her...“
Es naht ein Paar von Holzsandalen,
Es ist schon müd und schleppt sich schwer.
Es muß ein Strümpfchen mit sich schleifen,
Das wundgescheuert ist am Knie...
Was soll der Zug? Wer kann’s begreifen?
Und diese ferne Melodie...

Auch Schuhchen können weinen, lachen...
Da fährt in einem leeren Schuh
Ein Püppchen wie in einem Nachen
Und winkt uns wie im Märchen zu.

Hier geht ein Paar von einem Jungen,
Das hat sich schon als Schuh gefühlt,
Das ist gelaufen und gesprungen
Und hat auch wohl schon Ball gespielt.

Ein Stiefelchen hat sich verloren
Und findet den Gefährten nicht,
Vielleicht ist er am Weg erfroren-
Ach, damals fiel der Schnee so dicht...

Zum Schluß ein Paar, ganz abgetragen,
Das macht noch immer mit, wozu?
Als hätte es noch was zu sagen,
Ein Paar zerrissener Kinderschuh.

Ihr heimatlosen, kinderlosen,
Wer schickt euch? Wer zog euch aus?
Wo sind die Füßchen, all die bloßen?
Ließt ihr sie ohne Schuh’ zu Haus...?

Der Richter kann die Frage deuten.
Er nennt der toten Kinder Zahl...
Ein Kinderchor. Ein Totenläuten.
Die Zeugen gehen durch den Saal.

Die Deutschen waren schon vertrieben,
Da fand man diesen schlimmen Fund.
Wo sind die Kinder nur geblieben?
Die Schuhe tun die Wahrheit kund:

Es war ein harter, dunkler Wagen.
Wir fuhren mit der Eisenbahn.
Und wie wir in dem Dunkel lagen,
so kamen wir im Dunkel an.

Es kamen aus den Läden allen
Viel Schuhchen an in einem fort,
Und manche stolpern schon und fallen,
Bevor sie treffen ein am Ort.

Die Mutter sagte: “Wieviel Wochen
Wir hatten schon nichts Warmes mehr!
Nun wird ich uns ein Süppchen kochen.“
Ein Mann mit Hund ging nebenher:

„Es wird sich schon ein Plätzchen finden“,
So lachte er, „und warm ist’s auch,
Hier braucht sich keiner abzuschinden...“
Bis in den Himmel kroch ein Rauch.

„Es wird euch nicht an Wärme fehlen,
Wir heizen immer tüchtig ein.
Ich kann Lublin nur warm empfehlen,
Bei uns herrscht ewiger Sonnenschein.“

Und es war eine deutsche Tante,
die uns im Lager von Lublin
Empfing und „Engelspüppchen“ nannte,
Um uns die Schuhchen auszuziehn,

Und als wir fingen an zu weinen,
Da sprach die Tante: „Sollt mal sehn,
Gleich wird die Sonne prächtig scheinen,
Und darum dürft ihr barfuß gehen...

Stellt euch mal auf und lasst euch zählen,
So, seid ihr auch hübsch unbeschuht?
Es wird euch nicht an Wärme fehlen,
Dafür sorgt unsere Sonnenglut...
Was, weint ihr noch? ‚s ist eine Schande!
Was tut euch denn, ihr Püppchen, weh?
Ich bin die deutsche Märchentante!
Die gute deutsche Puppenfee.

’s ist Zeit, ihr Püppchen, angetreten!
Was fällt euch ein denn, hinzuknien.
Auf, lasst uns singen und nicht beten!
Es scheint die Sonne in Lublin!“

Es sang ein Lied die deutsche Tante.
Strafft sich den Rock und geht voraus,
Und dort, wo heiß die Sonne brannte,
Zählt sie uns nochmals vor dem Haus.

Zu hundert, nackt in einer Zelle,
Ein letzter Kinderschrei erstickt...
Dann wurden von der Sammelstelle
Die Schuhchen in das Reich geschickt.

Es schien sich das Geschäft zu lohnen,
Das Todeslager von Lublin.
Gefangenenzüge, Prozessionen.
Und- eine deutsche Sonne schien...

Wenn Tote einst als Rächer schreiten,
Und über Deutschland hallt ihr Schritt,
Und weithin sich die Schatten breiten-
Dann ziehen auch die Schuhchen mit.

Ein Zug von abertausend Zwergen,
So ziehen sie dahin in Reihn,
Und wo die Schergen sich verbergen,
Dort treten sie unheimlich ein.

Sie schleichen sich herauf die Stiegen,
Sie treten in die Zimmer leis.
Die Henker wie gefesselt liegen
Und zittern vor dem Schuldbeweis.

Es wird die Sonne brennend scheinen.
Die Wahrheit tut sich allen kund.
Es ist ein großes Kinderweinen,
Ein Grabgesang aus Kindermund...
Der Kindermord ist klar erwiesen.
Die Zeugen all bekunden ihn.
Und nie vergeß ich unter diesen
Die Kinderschuhe aus Lublin.

Das Ende
13.06.2005, 23:51
Find ich ganz interresant. Aber bitte jetzt nix falsches von mir denken

Das Lied aus der Linde (1850)

Alter des Lindenbaumes

Alte Linde bei der heiligen Klamm,
Ehrfurchtsvoll betast' ich deinen Stamm,
Karl den Großen hast du schon gesehn,
Wenn der Größte kommt, wirst du noch stehe'n

Dreißig Ellen mißt dein grauer Saum,
aller deutschen Lande ältester Baum,
Kriege, Hunger schautest, Seuchennot,
Neues Leben wieder, neuen Tod.

Schon seit langer Zeit dein Stamm ist hohl,
Roß und Reiter bargest du einst wohl,
Bis die Kluft dir sacht mit milder Hand
Breiten Reif um deine Stirne wand.

Alte Linde, die du alles weißt,
Teil uns gütig mit von deinem Geist,
Send ins Werden deinen Seherblick,
Künde Deutschlands und der Welt Geschick!


Schicksal Deutschlands

Großer Kaiser Karl, in Rom geweiht,
Eckstein sollst du bleiben deutscher Zeit,
Hundertsechzig sieben Jahre Frist
Deutschland bis ins Mark getroffen ist.

Fremden Völkern front dein Sohn als Knecht,
Tut und läßt, was ihren Sklaven recht,
Grausam hat zerrissen Feindeshand
Eines Blutes, einer Sprache Band.

Zehre, Magen, zehr' vom deutschen Saft,
Bis mir einmal endet deine Kraft,
Krankt das Herz, siecht ganzer Körper hin,
Deutschlands Elend ist der Welt Ruin.

Ernten schwinden doch die Kriege nicht,
und der Bruder gegen Bruder ficht,
Mit der Sens' und Schaufel sich bewehrt,
Wenn verloren gegen Flint' und Schwert.

Arme werden reich des Geldes rasch,
Doch der rasche Reichtum wir zur Asch'
Ärmer alle mit dem größ'ren Schatz.
Minder Menschen, enger noch der Platz.


Zustände nach dem Ende der Monarchien

Da die Herrscherthrone abgeschafft,
Wird das Herrschen Spiel und Leidenschaft,
Bis der Tag kommt, wo sich glaubt verdammt;
Wer berufen wird zu einem Amt.

Bauer heuert bis zum Wendetag,
All sein Müh'n ins Wasser nur ein Schlag,
Mahnwort fällt auf Wüstensand,
Hörer findet nur der Unverstand.
Wer die meisten Sünden hat,
Fühlt als Richter sich und höchster Rat,
Raucht das Blut, wird wilder nur das Tier,
Raub zur Arbeit wird und Mord zur Gier.


Verfolgung des kath. Klerus in Rom

Rom zerhaut wie Vieh die Priesterschar,
Schonet nicht den Greis im Silberhaar,
Über Leichen muß der Höchste flieh'n
Und verfolgt von Ort zu Orte ziehn.

Gottverlassen scheint er, ist es nicht,
Felsenfest im Glauben, treu der Pflicht,
Leistet auch in Not er nicht Verzicht,
Bringt den Gottesstreit vors nah' Gericht.


Dreitägige Finsternis

Winter kommt, drei Tage Finsternis,
Blitz und Donner und der Erde Riß,
Bet' daheim, verlasse nicht das Haus!
Auch am Fenster schaue nicht den Graus!

Eine Kerze gibt die ganze Zeit allein,
Wofern sie brennen will, dir Schein,
Giftiger Odem dringt aus Staubesnacht,
Schwarze Seuche, schlimmste Menschenschlacht.

Gleiches allen Erdgebor'nen droht,
Doch die Guten sterben sel'gen Tod,
Viel Getreue bleiben wunderbar
Frei von Atemkrampf und Pestgefahr.


Untergang vieler Städte

Eine große Stadt der Schlamm verschlingt,
Eine and're mit dem Feuer ringt,
Alle Städte totenstill,
Auf dem Wiener Stephansplatz wächst Dill.


Viele Tote und Verrückte

Zählst du alle Menschen auf der Welt,
wirst du finden, daß ein Drittel fehlt,
Was noch übrig, schau in jedes Land,
Hat zur Hälft' verloren den Verstand.


Kurzzeitherrscher bringen Völker in Armut

Wie im Sturm ein steuerloses Schiff,
Preisgegeben einem jeden Riff,
Schwankt herum der
Eintags-Herrscher-Schwarm,
Macht die Bürger ärmer noch als arm.

Denn des Elend einz'ger Hoffnungsstern
Eines bessern Tages ist endlos fern.
"Heiland, sende den du senden mußt!"
Tönt es angstvoll aus des Menschen Brust.


Polsprung, Erdachsenkippung

Nimmt die Erde plötzlich andern Lauf (Polumkehrung, Polsprung?, d. Hg.),
Steigt ein neuer Hoffnungsstern herauf?
"Alles ist verloren!" hier's noch klingt,
"Alles ist gerettet", Wien schon singt.


Ordnungsstifter aus dem Osten

Ja, vom Osten kommt der starke Held,
Ordnung bringend der verwirrten Welt.
Weiße Blumen um das Herz des Herrn,
Seinem Rufe folgt der Wack're gern.
alle Störer er zu Paaren treibt,
Deutschem Reiche deutsches Recht er schreibt,
Bunter Fremdling, unwillkomm'ner Gast,
Flieh die Flur, die du gepflügt nicht hast.

Gottes Held ein unzertrennlich Band
Schmiedest du um alles deutsche Land.


Rückkehr des Papstes nach Rom, Kaiserweihe, 21. Konzil

Den Verbannten führest du nach Rom
Großer Kaiserweihe schaut der Dom.

Preis dem einundzwanzigsten Konzil,
Das den Völkern weist ihr höchstes Ziel,
Und durch strengen Lebenssatz verbürgt,
Daß nun reich und arm sich nicht mehr würgt.


Rolle Deutschlands

Deutscher Nam', du littest schwer,
Wieder glänzt um dich die alte Ehr',
Wächst um den verschlung'nen Doppelast,
Dessen Schatten sucht gar mancher Gast.

Dantes und Cervantes welscher Laut
Schon dem deutschen Kinde ist vertraut,
Und am Tiber - wie am Ebrostrand
Liegt der braune Freund von Hermannsland.


Der engelsgleiche Völkerhirte

Wenn der engelgleiche Völkerhirt'
Wie Antonius zum Wandrer wird,
Den Verirrten barfuß Predigt hält,
Neuer Frühling lacht der ganzen Welt.


Einheitskirche unter einem Hirten
Alle Kirchen einig und vereint,
eine Herde einz'ger Hirt erscheint.
Halbmond mählich weicht dem Kreuze ganz,
Schwarzes Land erstrahlt im Glaubensglanz.


Goldenes Friedensreich
Reiche Ernten schau ich jedes Jahr,
Weiser Männer eine große Schar,
Seuch' und Kriegen ist die Welt entrückt,
Wer die Zeit erlebt, ist hochbeglückt.

Dieses kündet deutschem Mann und Kind
Leidend mit dem Land die alte Lind',
Daß der Hochmut mach' das Maß nicht voll,
Der Gerechte nicht verzweifeln soll!

discipulus
14.06.2005, 00:10
So und da bei mir in der Nähe, nämlich auf Rügen, mal wieder 4 Jugendliche von nem Betrunkenen totgefahren wurden:

Warum Mami?
Alkohol am Steuer: Tod einer Unschuldigen
--------------------------------------------------------------------------
TOD EINER UNSCHULDIGEN
Ich ging zu einer Party, Mami, und dachte an Deine Worte. Du hattest mich gebeten, nicht zu trinken, und so trank ich keinen Alkohol.

Ich fühlte mich ganz stolz, Mami, genauso, wie Du es vorhergesagt hattest. Ich habe vor dem Fahren nichts getrunken, Mami, auch wenn die anderen sich mokierten.

Ich weiß, dass es richtig war, Mami, und dass Du immer recht hast. Die Party geht langsam zu Ende, Mami, und alle fahren weg.

Als ich in mein Auto stieg, Mami, wusste ich, dass ich heil nach Hause kommen würde: aufgrund Deiner Erziehung - so verantwortungsvoll und fein.

Ich fuhr langsam an, Mami, und bog in die Strasse ein. Aber der andere Fahrer sah mich nicht, und sein Wagen traf mich mit voller Wucht.

Als ich auf dem Bürgersteig lag, Mami, hörte ich den Polizisten sagen, der andere sei betrunken. Und nun bin ich diejenige, die dafür büßen muss.

Ich liege hier im Sterben, Mami, ach bitte, komm' doch schnell. Wie konnte mir das passieren? Mein Leben zerplatzt wie ein Luftballon.

Ringsherum ist alles voll Blut, Mami, das meiste ist von mir. Ich höre den Arzt sagen, Mami, dass es keine Hilfe mehr für mich gibt.

Ich wollte Dir nur sagen, Mami, ich schwöre es, ich habe wirklich nichts getrunken. Es waren die anderen, Mami, die haben einfach nicht nachgedacht.

Er war wahrscheinlich auf der gleichen Party wie ich, Mami. Der einzige Unterschied ist nur: Er hat getrunken, und ich werde sterben.

Warum trinken die Menschen, Mami? Es kann das ganze Leben ruinieren. Ich habe jetzt starke Schmerzen, wie Messerstiche so scharf.

Der Mann, der mich angefahren hat, Mami, läuft herum, und ich liege hier im Sterben. Er guckt nur dumm.

Sag' meinem Bruder, dass er nicht weinen soll, Mami. Und Papi soll tapfer sein. Und wenn ich dann im Himmel bin, Mami, schreibt "Papis Mädchen" auf meinen Grabstein.

Jemand hätte es ihm sagen sollen, Mami, nicht trinken und dann fahren. Wenn man ihm das gesagt hätte, Mami, würde ich noch leben.

Mein Atem wird kürzer, Mami, ich habe große Angst. Bitte, weine nicht um mich, Mami. Du warst immer da, wenn ich Dich brauchte.

Ich habe nur noch eine letzte Frage, Mami, bevor ich von hier fortgehe: Ich habe nicht vor dem Fahren getrunken, warum bin ich diejenige, die sterben muss?

Rikimer
14.06.2005, 18:20
Deutsche Größe

Deutsche Größe

Darf der Deutsche in diesem Augenblick, wo er ruhmlos aus
seinem tränenvollen Kriege geht, wo zwei übermütige Völker
ihren Fuß auf seinen Nacken setzen, und der Sieger sein Geschick
bestimmt - darf er sich fühlen? Darf er sich seines Namens rüh-
men und freuen? Darf er sein Haupt erheben und mit Selbst-
gefühl auftreten in der Völker Reihe?

Wo der Franke wo der Brite Mit dem stolzen Siegerschritte Über seinen Nacken tritt?

Schweigend in der Ferne stehen Und die Erde teilen sehen

Traurig mit gesenktem Blick Keine freie Bürgerkrone Wie der Franke seinem Sohne Keinen Lorbeer mit zurück.

J a er darfs! Er geht unglücklich aus dem Kampf, aber das, was
seinen Wert ausmacht, hat er nicht verloren. Deutsches Reich und
deutsche Nation sind zweierlei Dinge. Die Majestät des Deutschen
ruhte nie auf dem Haupt s[einer] Fürsten. Abgesondert von dem
Politischen hat der Deutsche sich einen eigenen Wert gegründet,
und wenn auch das Imperium untergegangen, so bliebe die deut-
sche Würde unangefochten.

Stürzte auch in Kriegesflammen Deutschlands Kaiserreich zusammen Deutsche Größe bleibt bestehn.

Sie ist eine sittliche Größe, sie wohnt in der Kultur und im
Charakter der Nation die von ihren politischen Schicksalen un-
abhängig ist. - Dieses Reich blüht in Deutschland, es ist in
vollem Wächsen und mitten unter den gotischen Ruinen einer
alten barbarischen Verfassung bildet sich das Lebendige aus . . .
und indem das politische Reich wankt hat sich das geistige immer
fester und vollkommener gebildet.

Finster zwar und grau von Jahren, Aus den Zeiten der Barbaren Stammt der Deutschen altes Reich. Doch lebendge Blumen grünen Über gotischen Ruinen gleich.

Das ist [nicht] des Deutschen Größe Ob[zu]siegen mit dem Schwert, In das Geisterreich zu dringen Männlich mit dem Wahn zu ringen Das ist s[eines] Eifers wert. Schwere Ketten drückten alle Völker auf dem Erdenballe Als der Deutsche sie zerbrach Fehde bot dem Vatikane Krieg ankündigte dem Wahne Der die ganze Welt bestach. Höhern Sieg hat der errungen Der der Wahrheit Blitz geschwungen, Der die Geister selbst befreit Freiheit der Vernunft erfechten Heißt für alle Völker rechten Gilt für alle ewge Zeit.

Nicht aus dem Schoß der Verderbnis, nicht am feilen Hof der
Könige schöpft sich der Deutsche eine trostlose Philosophie des
Eigennutzes, einen traurigen Materialism . . . Darum blieb ihm
das Heilige heilig.
Keine Hauptstadt und kein Hof übte eine Tyrannei über den
deutschen Geschmack aus. Paris. London.
So viele Länder und Ströme und Sitten, so viele eigene Triebe
und Arten.
Das köstliche Gut der deutschen Sprache die alles ausdrückt,
das Tiefste und das Flüchtigste, den Geist, die Seele, die voll
Sinn ist ...
Die Sprache ist der Spiegel einer Nation, wenn wir in diesen
Spiegel schauen, so kommt uns ein großes treffliches Bild von uns
selbst daraus entgegen. Wir können das Jugendlich-Griechische
und das Modern-Ideelle ausdrücken.

Mag der Brite die Gebeine Alter Kunst, die edeln Steine Und ein ganzes Herkulan (--) Gierig nach dem Kostbarn greifen Und auf seiner Insel häufen Was ein Schiff nur laden kann Ewig werden sie Verbannte Bleiben an dem fremden Strande, Nie [im Leben] heimisch sein

Denn der Witz hat mit dem Schönen Mit dem Hohen nichts gemein! Ewige Schmach dem deutschen Sohne Der die angeborne Krone Seines Menschenadels schmäht Der sich beugt vor fremden Götzen, Der des Briten toten Schätzen [ . . . und des Franken . . . ] lüstern späht

Nach dem Höchsten soll er streben - die Natur und das Ideal.
Er verkehrt mit dem Geist der Welten.
Ihm ist das Höchste bestimmt, die Menschheit die allgemeine
in sich zu vollenden, und das Schönste, was bei allen Völkern
blüht, in einem Kranze zu vereinen - und so wie er in der Mitte
von Europens Völkern sich befindet, so ist er der Kern der
Menschheit, jene sind die Blüte und das Blatt.
Er ist erwählt von dem Weltgeist, während des Zeitkampfs / an
dem ewgen Bau der Menschenbildung zu arbeiten, / zu bewahren
was die Zeit bringt . . . Alles was Schätzbares bei andern Zeiten
und Völkern aufkam, mit der Zeit entstand und schwand, hat er
aufbewahrt, es ist ihm unverloren, die Schätze von Jahrhunderten.
Nicht im Augenblick zu glänzen und seine Rolle zu spielen,
sondern den großen Prozeß der Zeit zu gewinnen. Jedes Volk
hat seinen Tag in der Geschichte, doch der Tag des Deutschen ist
die Ernte der ganzen Zeit -

Jedem Volk der Erde glänzt Einst sein Tag in der Geschichte, Wo es strahlt im höchsten Lichte Und mit hohem Ruhm sich kränzt, [Doch des Deutschen Tag wird scheinen . . .] Wenn der Zeiten Kreis sich füllt, Und des Deutschen Tag wird scheinen Wenn die Scha[ren] sich vereinen In der Menschheit schönes Bild!

Dem, der den Geist bildet, beherrscht, muß zuletzt die Herr-
schaft werden, denn endlich an dem Ziel der Zeit, wenn anders
die Welt einen Plan, wenn des Menschen Leben irgend nur Bedeu-
tung hat, endlich muß die Sitte und die Vernunft siegen, die
rohe Gewalt der Form erliegen - und das langsamste Volk wird
alle die schnellen flüchtigen einholen. Die andern Vöiker waren
dann die Blume, die abfällt -

Wenn die Blume abgefallen [bleibt die goldne Frucht übrig, bildet sich,] schwillt die Frucht der Ernte zu. Und im lochrichten Gefäße Rinnt - -

Friedrich Schiller 1797

Knüll
19.06.2005, 11:03
Mein Lieblingsgedicht ist "Ein Wintermärchen" von Heine, allerdings poste ich es hier nicht, zu lang.

asdfasdf
19.06.2005, 11:50
Ein großes deutsches Volk sind wir,
Sind mächtig und gerecht.
Ihr Franken das bezweifelt ihr?
Ihr Franken kennt uns schlecht!
Denn unser Fürst ist gut,
Erhaben unser Muth,
Süß uns'rer Trauben Blut,
Und uns're Weiber schön;
Wie kann's uns beßer geh'n?

Wir streiten nicht für Ruhm und Sold,
Nur für des Friedens Glück!
Wir kehren, arm an fremden Gold,
Zu unser'm Herd zurück.
Denn guten Bürgern nur
Blüht Segen der Natur
Auf Weinberg, Wald und Flur.
Gerecht ist unser Krieg;
Uns, uns gehört der Sieg!

Mit Piken, Sensen und Geschoß
Eilt Klein und Groß herbei!
Für's Vaterland stimmt Klein und Groß,
Stimmt an das Feldgeschrei!
Da steh'n wir unverwandt
Für Haus und Hof und Land
Mit Waffen in der Hand
Und schlagen muthig d'rein,
Wie viel auch ihrer sei'n!

Mann, Weib und Kind in Österreich
Fühlt tief den eig'nen Wert.
Nie, Franken! werden wir von euch
Besieget und bethört.
Denn unser Fürst ist gut,
Erhaben unser Muth,
Süß uns'rer Trauben Blut,
Und uns're Weiber schön;
Wie kann's uns beßer geh'n?

Mohammed
12.08.2005, 14:58
Naja, es gibt besseres asdfasdf

Secretarius litterarum
04.09.2005, 11:12
http://images-eu.amazon.com/images/P/3446158111.03.MZZZZZZZ.jpg


GÜNTER BRUNO FUCHS
FÜR EIN KIND

ICH HABE GEBETET. SO NIMM VON DER SONNE UND GEH.
DIE BÄUME WERDEN BELAUBT SEIN.
ICH HABE DEN BLÜTEN GESAGT, SIE MÖGEN DICH SCHMÜCKEN.

KOMMST DU ZUM STROM, DA WARTET EIN FÄHRMANN.
ZUR NACHT LÄUTET SEIN HERZ ÜBERS WASSER.
SEIN BOOT HAT GOLDENE PLANKEN, DAS TRÄGT DICH.

DIE UFER WERDEN BEWOHNT SEIN.
ICH HABE DEN MENSCHEN GESAGT, SIE MÖGEN DICH LIEBEN.
ES WIRD DIR EINER BEGEGNEN, DER HAT MICH GEHÖRT.


*
Das Gedicht ist für mich primär nicht religiös; den Fährmann gab es mythologisch schon seit Urzeiten, nicht erst seit Charon...
*
Der Autor lebte bis zu seinem Tod in Berlin; und war ein seltenes Unikum, ein Poet, ein unorthodoxer Denker, ein unangepasster Dichter.

*
http://www.beepworld4.de/bilderarchiv/bilder/tiere/anielefant

Sauerländer
04.09.2005, 12:03
Diese öden Scheißer

Die Toten kommen angerannt und
halten quer zur Laufrichtung
Reklameschilder für Zahnpasta hoch
die Toten sind besoffen
in der Silvesternacht
zufrieden an Weihnachten
dankbar am Erntedankfest
gelangweilt am 4. Juli
untätig am Tag der Arbeit
ratlos an Ostern
albern im Krankenhaus
nervös bei jeder Geburt;
die Toten kaufen sich Socken und Unterhosen
und Gürtel und Teppiche und Vasen
und Couchtische
die Toten tanzen mit Toten
die Toten schlafen mit Toten
die Toten tafeln mit Toten.

Die Toten kriegen Hunger
sobald sie einen Schweinskopf sehen.

Die Toten werden reich
die Toten werden toter.

Diese öden Scheißer.

Dieser Friedhof
über der Erde.

Ein Grabstein für den
ganzen Schlamassel, und darauf
gehört die Inschrift:
Menschheit, du hattest
von Anfang an nicht
das Zeug dazu.

Charles Bukowski

erdbeere
13.10.2005, 14:34
Mein Lieblingsgedicht:

Ottos Mops
Ottos Mops trotzt.
Otto: Fort Mops, fort!
Ottos Mops hopst fort.
Otto: Soso.

Otto holt Obst.
Otto holt Koks.
Otto hofft.
Otto: Mops? Mops?
Otto horcht.

Ottos Mops kommt.
Ottos Mops kotzt.
Otto: Ogottogott!

Salazar
13.10.2005, 17:43
Mein LIeblingsgedicht habe ich vor 2 Jahren einmal irgendwo gelesen. War ein spätes Gedicht von Gottfried Benn, finde es aber gerade nicht mehr. Wenn ichs habe poste iches.

prinzregent
13.10.2005, 17:47
Ich habe keine nicht wirklich ein Lieblingsgedicht - liegt daran, das es zuviele Schöne gibt. Außerdem orientiere ich mich mehr an Lyriken.

Und derzeit gefällt mir Eichendorffs Werk "In einem kühlen Grunde" ganz gut.

discipulus
16.10.2005, 23:58
BERT BRECHT

Lied einer deutschen Mutter

Mein Sohn, ich hab dir die Stiefel
Und dies braune Hemd geschenkt:
Hätt ich gewußt, was ich heute weiß
Hätt ich lieber mich aufgehängt.


Mein Sohn, als ich deine Hand sah
Erhoben zum Hitlergruß
Wußte ich nicht, daß dem, der ihn grüßet
Die Hand verdorren muß.


Mein Sohn, ich hörte dich reden
Von einem Heldengeschlecht.
Wußte nicht, ahnte nicht, sah nicht:
Du warst ihr Folterknecht.


Mein Sohn, und ich sah dich marschieren
Hinter dem Hitler her
Und wußte nicht, daß, wer mit ihm auszieht
Zurück kehrt er nimmermehr.


Mein Sohn, du sagtest mir, Deutschland
Wird nicht mehr zu kennen sein.
Wußte nicht, es würd werden
Zu Asche und blutigem Stein.


Sah das braune Hemd dich tragen
Habe mich nicht dagegen gestemmt.
Denn ich wußte nicht, was ich heut weiß:
Es war dein Totenhemd.

JosephBlücher
17.10.2005, 00:03
Georg Trakl ist mit Abstand der eindringlichste Dichter aller Zeiten.

Reichsadler
17.10.2005, 00:09
Theodor Storm

Crucifixus

Am Kreuz hing sein gequält Gebeine,
Mit Blut besudelt und geschmäht;
Dann hat die stets jungfräulich reine
Natur das Schreckensbild verweht.

Doch die sich seine Jünger nannten,
Die formten es in Erz und Stein,
Und stellten's in des Tempels Düster
Und in die lichte Flur hinein.

So, jedem reinen Aug ein Schauder,
Ragt es herein in unsre Zeit;
Verewigend den alten Frevel,
Ein Bild der Unversöhnlichkeit.


Ein sehr gutes Gedicht, für alle Christen...

JosephBlücher
17.10.2005, 00:14
Theodor Storm

Crucifixus

Am Kreuz hing sein gequält Gebeine,
Mit Blut besudelt und geschmäht;
Dann hat die stets jungfräulich reine
Natur das Schreckensbild verweht.

Doch die sich seine Jünger nannten,
Die formten es in Erz und Stein,
Und stellten's in des Tempels Düster
Und in die lichte Flur hinein.

So, jedem reinen Aug ein Schauder,
Ragt es herein in unsre Zeit;
Verewigend den alten Frevel,
Ein Bild der Unversöhnlichkeit.


Ein sehr gutes Gedicht, für alle Christen...
Wirklich gut, aber ob es gegen die Juden angeführt werden sollte?

Pirx
17.10.2005, 06:23
Menschen getroffen

Ich habe Menschen getroffen, die,
wenn man sie nach ihrem Namen fragte,
schüchtern - als ob sie gar nicht beanspruchen könnten,
auch noch eine Benennung zu haben -
"Fräulein Christian" antworteten und dann:
"wie der Vorname", sie wollten einem die Erfassung
erleichtern,
kein schwieriger Name wie "Popiol" oder "Barbendererde" -
"wie der Vorname" - bitte belasten Sie Ihr
Erinnerungsvermögen nicht!

Ich habe Menschen getroffen, die
mit Eltern und vier Geschwistern in einer Stube
aufwuchsen, nachts, die Finger in den Ohren,
am Küchenherde lernten,
hochkamen, äußerlich schön und ladylike wie Gräfinnen -
und innerlich sanft und fleißig wie Nausikaa,
die reine Stirn der Engel trugen.

Ich habe mich oft gefragt und keine Antwort gefunden,
woher das Sanfte und Gute kommt,
weiß es auch heute nicht und muß nun gehn.

Gottfried Benn

prinzregent
17.10.2005, 16:47
Theodor Storm

Crucifixus

Am Kreuz hing sein gequält Gebeine,
Mit Blut besudelt und geschmäht;
Dann hat die stets jungfräulich reine
Natur das Schreckensbild verweht.

Doch die sich seine Jünger nannten,
Die formten es in Erz und Stein,
Und stellten's in des Tempels Düster
Und in die lichte Flur hinein.

So, jedem reinen Aug ein Schauder,
Ragt es herein in unsre Zeit;
Verewigend den alten Frevel,
Ein Bild der Unversöhnlichkeit.


Ein sehr gutes Gedicht, für alle Christen...
Wohl war ...

Settembrini
04.11.2005, 23:37
Georg Trakl ist mit Abstand der eindringlichste Dichter aller Zeiten.

:top:


Mein Lieblingsgedicht:

Ottos Mops
Ottos Mops trotzt.
Otto: Fort Mops, fort!
Ottos Mops hopst fort.
Otto: Soso.

Otto holt Obst.
Otto holt Koks.
Otto hofft.
Otto: Mops? Mops?
Otto horcht.

Ottos Mops kommt.
Ottos Mops kotzt.
Otto: Ogottogott!

:) Jandl ist besonders in Hoerbuchform zu empfehlen (von ihm selbst gelesen natuerlich)!


Als Zugabe ein sehr gefuehlvoller Vierzeiler von Wiglaf Droste:

In des Daseins
stillen Glanz
Platzt der Mensch
mit Ententanz


------------------------------------

Odin
04.11.2005, 23:50
Soldatenabschied


Lass mich gehn, Mutter, lass mich gehn!
All das Weinen kann uns nichts mehr nützen,
denn wir gehen, das Vaterland zu schützen!
Lass mich gehn, Mutter, lass mich gehn.
Deinen letzten Gruß will ich vom Mund dir küssen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!


Wir sind frei, Vater, wir sind frei!
Tief im Herzen brennt das heiße Leben,
frei wären wir nicht, könnten wir’s nicht geben.
Wir sind frei, Vater, wir sind frei!
Selber riefst du einst in Kugelgüssen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!


Uns ruft Gott, mein Weib, uns ruft Gott!
Der uns Heimat, Brot und Vaterland geschaffen,
Recht und Mut und Liebe, das sind seine Waffen,
uns ruft Gott, mein Weib, uns ruft Gott!
Wenn wir unser Glück mit Trauern büßen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!


Tröste dich, Liebste, tröste dich!
Jetzt will ich mich zu den andern reihen,
du sollst keinen feigen Knechten freien!
Tröste dich, Liebste, tröste dich!
Wie zum ersten Male wollen wir uns küssen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!


Nun lebt wohl, ihr Menschen, lebet wohl!
Und wenn wir für euch und unsere Zukunft fallen,
soll als letzter Gruß zu euch hinüberhallen:
Nun lebt wohl, ihr Menschen, lebet wohl!
Ein freier Deutscher kennt kein kaltes Müssen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!


Heinrich Lersch
1914

Odin
04.11.2005, 23:52
Odins Runenlied


Ich weiß, dass ich hing
am windigen Baum
neun lange Nächte,
vom Speer verwundet,
dem Odin geweiht,
ich selber mir selbst,
am Ast des Baumes,
von dem niemand weiß,
aus welcher Wurzel er wuchs.

Sie boten mir
nicht Brot noch Met;
da neigt' ich mich nieder
auf Runen sinnend,
lernte sie seufzend,
fiel endlich zur Erde.

Hauptlieder neun
lernt' ich vom weisen Sohn
Bölthorns, Bestlas Vater
und trank einen Trunk
des teuren Mets,
aus Odrörir geschöpft.

Runen wirst du finden
und Ratstäbe,
sehr starke Stäbe,
sehr mächtige Stäbe.
Erzredner ersann sie,
Götter schufen sie,
sie ritzte der hehrste der Herrscher,

Odin den Asen,
den Alfen Dáinn,
Dvalinn den Zwergen,
Álsvidur den Riesen,
einige schnitt ich selbst.
Weißt du zu ritzen?
Weißt du zu raten?
Weißt du zu finden?
Weißt du zu fragen?
Weißt du zu bitten?
Weißt du zu opfern?
Weißt du zu senden?
Weißt du zu tilgen?

Besser nicht gebetet
als zuviel geboten:
die Gabe will stets Vergeltung.
Besser nichts gesendet
als zuviel getilgt.
So ritzt' es Thulur
zur Richtschnur den Völkern.
Dann entwich er
dahin, wo er herkam.


Vor ewigen Zeiten

Odin
04.11.2005, 23:54
Unseren Toten

Wind!
Kommst du nach Osten in Steppe und Sumpf
und weiter zum Wolgastrand;
so grüß' unsre Toten dort,
die Helden im fernen Land.
Sag':
In der Heimat, da blüht jetzt der erste Mohn
und die Stare im Apfelbaum brüten schon;
kräftig und hoch steht im Felde der junge Klee
und die Lerchen steigen und singen wie eh' und je.
Wind, sag' es den Toten,
sag' es behutsam und leis;
Wind, vergiß es nicht -
sie liebten Deutschland so heiß!

Sterne!
Seht ihr im Norden das eisige Land
und spürt ihr sein tiefes Weh,
so grüßt unsre Toten dort,
die Helden in Nordlands Schnee.
Sagt:
In der Heimat, da spielt jetzt so manches Kind
und in goldene Haare greift leiser Wind;
Korn wogt im Felde und duftet im ersten Blüh' n
und die liebe Erde steht leuchtend im Maiengrün.
Sterne, sagt es den Toten,
sie ruhen in Nordlands Eis;
Sterne, vergeßt es nicht -
sie liebten Deutschland so heiß!

Sonne!
Kommst du nach Westen zum Dünenrand
und weiter zum grauen Meer,
so grüß' unsre Toten dort,
die Helden vom deutschen Heer.
Sag':
In der Heimat beginnt jetzt die schönste Zeit,
wo in schattigen Wäldern der Kuckuck schreit,
Trollblumen leuchten und Löwenzahnflocken wehn
und in hellen Farben die Wiesen in Blüte stehn.
Sonne, sag' es den Toten,
sie ruhen in Düne und Meer,
Sonne, vergiß es nicht -
sie liebten Deutschland so sehr!

Mond!
Kommst du nach Libyen und siehst du den Nil
und Afrikas heißes Land,
so grüß' unsre Toten dort,
die Helden vom Wüstensand.
Sag',
daß zu Hause noch immer der Brunnen klingt,
der von uralten traulichen Dingen singt;
Pfingstrosen stehen am sonnigen Gartenzaun
und dahinter - Frauen, die still in die Ferne schaun.
Mond, sag' es den Toten,
die Wüste ist stumm und leer;
Mond, vergiß es nicht -
sie liebten Deutschland so sehr!

Eines nur, Mond und liebes Sonnenlicht,
Eines, Eines nur sagt unsern Toten nicht,
verschweigt es tief, Sterne und leiser Wind,
sagt ihnen nicht - - - daß wir verraten sind!

(1945)

Odin
04.11.2005, 23:59
Wanderer, kommst du nach Sparta, so sage,
Du habest uns liegen gesehen, wie das Gesetz es befahl.



Gedenken an König Leonidas und seine Getreuen.

Odin
05.11.2005, 00:09
Wildgänse rauschen durch die Nacht


Wildgänse rauschen durch die Nacht
Mit schrillem Schrei nach Norden;
Unstete Fahrt habt Acht, habt Acht,
Die Welt ist voller Morden.

Fahrt durch die nachtdurchwogte Welt,
Graureisige Geschwader!
Fahlhelle zuckt und Schlachtruf gellt,
Weit wallt und wogt der Hader.

Rausch zu, fahr zu, du graues Heer!
Rauscht zu, fahrt zu nach Norden!
Fahrt ihr nach Süden übers Meer,
Was ist aus uns geworden?

Wir sind wie ihr ein graues Heer
Und fahr'n in Kaisers Namen
Und fahr'n wir ohne Wiederkehr,
Rauscht uns im Herbst ein Amen.


Walter Flex 1917
Im Jahre seines Heldentodes für Kaiser, Volk und Vaterland.

prinzregent
05.11.2005, 01:30
Z.Z. ist mein Lieblingsgedicht meine Signatur.

Odin
05.11.2005, 01:44
Vaterlandslied


Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
Der wollte keine Knechte,
Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß
Dem Mann in seine Rechte,
Drum gab er ihm den kühnen Mut,
Den Zorn der freien Rede,
Daß er bestände bis aufs Blut,
Bis in den Tod die Fehde.

So wollen wir, was Gott gewollt,
Mit rechter Treue halten
Und nimmer im Tyrannensold
Die Menschenschädel spalten;
Doch wer für Tand und Schande ficht,
Den hauen wir zu Scherben,
Der soll im deutschen Lande nicht
Mit deutschen Männern erben.

O Deutschland, heilges Vaterland!
O deutsche Lieb und Treue!
Du hohes Land! du schönes Land!
Dir schwören wir aufs neue:
Dem Buben und dem Knecht die Acht!
Der füttre Krähn und Raben!
So ziehn wir aus zur Hermannsschlacht
Und wollen Rache haben.

Laßt brausen, was nur brausen kann,
In hellen lichten Flammen!
Ihr Deutschen alle, Mann für Mann,
Fürs Vaterland zusammen!
Und hebt die Herzen himmelan!
Und himmelan die Hände!
Und rufet alle Mann für Mann:
Die Knechtschaft hat ein Ende!

Laßt klingen, was nur klingen kann,
Die Trommeln und die Flöten!
Wir wollen heute Mann für Mann
Mit Blut das Eisen röten,
Mit Henkerblut, Franzosenblut
O süßer Tag der Rache!
Das klinget allen Deutschen gut,
Das ist die große Sache.

Laßt wehen, was nur wehen kann,
Standarten wehn und Fahnen!
Wir wollen heut uns Mann für Mann
Zum Heldentode mahnen:
Auf! Fliege, stolzes Siegspanier
Voran dem kühnen Reihen!
Wir siegen oder sterben hier
Den süßen Tod der Freien.


Ernst Moritz Arndt 1812
im Anblick der Schande

Odin
05.11.2005, 01:45
Des Teutschen Vaterland


"Was ist des Teutschen Vaterland?
Ist's Preußenland? ist's Schwabenland?
Ist's, wo am Rhein die Rebe blüht?
Ist's, wo am Belt die Möve zieht?"--
"O nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer sein."--

"Was ist des Teutschen Vaterland?
Ist's Baierland? ist's Steierland?
Ist's, wo des Marsen Rind sich streckt?
Ist's, wo der Märker Eisen reckt?"--
"O nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer sein."--

"Was ist des Teutschen Vaterland?
Ist's Pommerland? Westfalenland?
Ist's, wo der Sand der Dünen weht?
Ist's, wo die Donau brausend geht?"--
"O nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer sein."--

"Was ist des Teutschen Vaterland?
So nenne mir das große Land!
Ist's Land der Schweizer? ist's Tirol?"--
"Das Land und Volk gefiel mir wohl;
"Doch nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer sein."--

"Was ist des Teutschen Vaterland?
So nenne mir das große Land!
Gewiß, es ist das Östereich,
An Ehren und an Siegen reich?"--
"O nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer sein."--

"Was ist des Teutschen Vaterland?
So nenne endlich mir das Land!"--
"So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt,
Das soll es sein!
Das, wackrer Teutscher, nenne dein!

Das ist des Teutschen Vaterland,
Wo Eide schwört der Druck der Hand,
Wo Treue hell vom Auge blitzt
Und Liebe warm im Herzen sitzt,--
Das soll es sein!
Das, wackrer Teutscher, nenne dein!

Das ist des Teutschen Vaterland,
Wo Zorn vertilgt den welschen Tand,
Wo jeder Franzmann heißet Feind,
Wo jeder Teutsche heißet Freund,--
Das soll es sein!
Das, ganze Teutschland soll es sein!

Das ganze Teutschland soll es sein!
O Gott vom Himmel, sieh darein,
Und gieb uns rechten deutschen Mut,
Daß wir es lieben treu und gut.
Das soll es sein!
Das, ganze Teutschland soll es sein!"


Ernst Moritz Arndt 1813

Baxter
23.11.2005, 00:29
Ich lag im Schatten

die Sonne verbrannte den Mond
es lag nicht an dir

es liegt immer an deinem dir eigenem Verständnis

Suche nicht die Antwort in der Außenwelt
sie ist einzig und alle in dir

Und ruhe stellt sich ein
du entspannst, die Anspannung löst sich auf
und du Verstehst du hast dich selbst gefunden

Erlösung aus der Unsicherheit, dein Gesicht strahlt
dein Geist voll leben.

So kannst du glücklich und zufrieden Leben.
Koste den Augenblick, die Erkenntnis und dein Glück,
halten an bis zu dem Tag an dem du Geboren bist

Denn nur einer hat dich vermisst, schau in den Spiegel
dann grüßt er dich.


Mit freundlichen Grüßen

Erstlingswerk von Baxter
Erstellt heute dauert 5 Min.

Manfred_g
23.11.2005, 03:10
Dr. Emil Klotz: "Jaromir der Mädchenräuber"

Igel
23.11.2005, 05:14
weils bald wieder weihnachten ist und ich mag es lustig oder wie in dem fall traurig.

Die Weihnachtsgans
von Heinz Erhardt

Tiefgefroren in der Truhe
liegt die Gans aus Dänemark.
Vorläufig lässt man in Ruhe
sie in ihrem weissen Sarg.
Ohne Kopf, Hals und Gekröse
liegt sie neben dem Spinat.
Ob sie wohl ein wenig böse
ist, dass man sie schlachten tat?
Oder ist es nur zu kalt ihr,
man siehts an der Gänsehaut.
Na, sie wird bestimmt nicht alt hier
morgen wird sie aufgetaut.
Hm, welch Duft zieht aus dem Herde,
durch die ganze Wohnung dann.
Mach, dass gut der Braten werde -
Morgen kommt der Weihnachtsmann

JosephBlücher
23.11.2005, 09:52
Verfall


Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indes wie blasser Kinder Todesreigen
um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.