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Vollständige Version anzeigen : Antisemitismus in Polen



Krabat
23.02.2005, 20:03
Wie es zum Antisemitismus in Polen kam

Die Juden waren der innere Feind




Adam Mickiewicz, Polens größter romantischer Dichter, sah im 19. Jahrhundert sein zerschlagenes Land als »Christus der Völker«. Zugleich nannte er Israel den »älteren Bruder« Polens. Viele seiner Landsleute führte die Vorstellung von der Märtyrerrolle nicht zu dieser brüderlichen Sicht, sondern zur Schuldzuweisung an die Juden. Nach der Aufteilung der alten Adelsrepublik durch die imperiale Triade Preußen, Russland und Österreich Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich die Nation ohne Staat auch existenziell bedroht gefühlt. Die Angst vor dem inneren Feind wurde auf die Juden projiziert.

Vor allem die Nationaldemokraten setzten ihre Hoffnung auf einen ethnisch und konfessionell homogenen, mithin polnisch-katholischen Staat. Sie waren es auch, die nach der staatlichen Wiedergeburt 1918 die 3,5 Millionen Juden – zehn Prozent der Bevölkerung – als die größte innenpolitische Gefahr ansahen. Stimmen vom rechten Rand verlangten die Vertreibung der jüdischen Mitbürger »nach Madagaskar«. Schon in den dreißiger Jahren kam es zu Ausschreitungen und Boykottdrohungen gegen jüdische Geschäfte. Der einfache Klerus war vielerorts mit von der Partie, auch die Regierung benachteiligte die Juden mehr und mehr. 1938 beschloss das Parlament, jüdische Schulen nicht länger zu unterstützen. In den Volksschulen mussten sich jüdische Kinder auf die hinteren Bänke setzen.

Im August 1939 schlossen Hitler und Stalin ihren Nichtangriffspakt und teilten sich die Einflusssphären. Jedwabne gehörte zum sowjetischen Besatzungsgebiet, in dem Stalins Kommissare in den folgenden Monaten ihr System mit brutaler Gewalt durchsetzten. Viele polnische Familien wurden nach Sibirien deportiert. So fürchteten die Polen in den Ostgebieten die Russen mehr als die Deutschen. Als diese Ende Juni 1941, nach Hitlers Angriff auf die Sowjetunion, dort einmarschierten, wurden sie in vielen Orten mit Jubel empfangen.

Den Juden hingegen hatte die Rote Armee zumindest die Rettung vor den Deutschen gebracht. Zunächst bot die sowjetische Besatzungsmacht der jüdischen Bevölkerung auch bessere Posten in Verwaltung, Schulwesen und verstaatlichten Betrieben an. Solche Aufstiegsmöglichkeiten hatten ihr die polnischen Behörden erschwert oder verwehrt. Es dauerte allerdings nur kurze Zeit, bis auch die Juden den gleichen Repressionen wie die übrige Bevölkerung unterworfen wurden.

Für viele Polen aber waren sie Kollaborateure. Nach dem Rückzug der Russen 1941, so der polnische Historiker Marek Wierzbicki, verstärkte sich der noch begrenzte Antisemitismus der Vorkriegszeit »im sowjetischen Besatzungsgebiet ohnegleichen. Man identifizierte die Juden mit dem Sowjetsystem und übertrug allen Hass auf sie. Somit wurde, durch die sowjetische Besatzung von 1939 bis 1941, der Antisemitismus in gewissem Sinne zu einem Element des polnischen Patriotismus in den Ostprovinzen.«

Von Dessen ungeachtet retteten viele Polen Juden vor dem Holocaust. In Jad Vaschem werden 5.800 Polen als Gerechte unter den Völkern geführt. Aus keiner anderen Nation sind auch nur annähernd so viele Menschen von Israel ausgezeichnet worden. Andererseits gab es auch nach dem Kriegsende noch Pogrome. Viele Überlebende der Schoah verließen das Land. 1968 bürgerten die Kommunisten während ihrer antisemitischen Kampagne fast 20.000 Juden aus. Das war das eigentliche Ende der jüdischen Gemeinde, die heute noch 10.000 Menschen zählt. Christian Schmidt-Häuer

http://www.zeit.de/2005/06/Polen-Kasten

Wie schätzt Ihr den Antisemitismus der Polen seit der (Wieder-) Staatsgründung 1918 ein?

10 Prozent der damaligen Bevölkerung waren Juden. Es gab offenbar schlimmen Judenhaß, der sich nach der Besetzung Ostpolens durch die Rote Armee weiter verstärkt hat. Juden wurden, wie Schmidt-Häuer schreibt, für Kollaborateure der Sowjets gehalten, da diese sie offenbar gegenüber den Polen durch die Zuteilung von Posten bevorzugt haben.

Wieviel Schuld hat Polen an der Judenvernichtung?

carlson.vom.dach
23.02.2005, 21:21
Wie schätzt Ihr den Antisemitismus der Polen seit der (Wieder-) Staatsgründung 1918 ein?


Ich weiss nicht ob es seit 1918 der Fall ist.Vor 2 Jahren war ich in Krakau[bekannt fuer sein juedisches Viertel] und dort meinte eine Einheimische, das der Antisemitismus in Polen sehr weit verbreitet ist und ein wirkliches Problem darstellt.
Dennoch gibt es in Krakau wieder eine juedische Gemeinde,wenn sie auch sehr klein ist.

Tiger
25.02.2005, 12:25
Es scheint in Polen wirklich viel Antisemitismus gegeben zu haben.
Prof. David L. Hoggan schriebt darüber einiges in seinem Buch "Der erzwungene Krieg"
Tatsache ist: Die Polen wolllten, wie die meisten europäischen Nationen, ihre Juden loshaben.
Inwieweit sie am Holocaust mitgewirkt haben ist mir nicht genau bekannt, aber dagegen gewehrt, wie beispielsweise die Bulgaren, haben sie sich auch nicht.
In den Vernichtungslagern gab es auch viel Nichtdeutsche Wärter, aber ich habe keine Zahlen über den Prozentsatz der Polen, es waren aber viel aus dem Baltikum dabei.

Gothaur
25.02.2005, 12:40
nicht ein Phänomen des gesamten Ostens???
Gothaur

Black Hawk
25.02.2005, 13:45
nicht ein Phänomen des gesamten Ostens???

Ne, eigentlich ganz Europas!

Roter Prolet
25.02.2005, 13:46
Ne, eigentlich ganz Europas!

Nein, das ist vielmehr ein globales Problem.

Black Hawk
25.02.2005, 13:52
Nein, das ist vielmehr ein globales Problem.

o.k., wenn man weit ausholen will ;) ! Aber sehr ausgeprägt in Westeuropa!

Gothaur
25.02.2005, 13:56
Ne, eigentlich ganz Europas!
und da sollte man nicht vereinheitlichen, weil er im Osten ein anderen Hintergrund darstellt, wie im Westen, ebenfalls sind wohl doch andere Personen als Antisemiten auszumachen.
Gothaur

Tiger
25.02.2005, 14:00
Gibt es Quellen über die nationale Zusammensetzung von KZ-Personal?
Ich weiß, viele lände versuchen ihre Kolaboration zu verschleiern, aber es wäre dennoch sehr wichtig und interessant, weil immer nur von Deutschen die Rede ist.

Tut mir leid, da ist mir nichts bekannt. Aber ich habe schon gelesen das viele Juden auf den Weg in den Tod weniger als eine Handvoll Deutscher zu Gesicht bekamen. Wenn ich mich recht erinnre war das in dem Buch "Geschichte der Waffen-SS" von George H. Stein. Dieser Mann ist ein seriöser Wissenschaftler, er hat wohl Quellen um seine Aussagen zu untermauern.

Black Hawk
25.02.2005, 14:02
und da sollte man nicht vereinheitlichen, weil er im Osten ein anderen Hintergrund darstellt, wie im Westen, ebenfalls sind wohl doch andere Personen als Antisemiten auszumachen.

Naja, ich glaube der Antisemitismus in Ost wie West , begründet sich auf die Eifersucht auf die Juden! Darum glaub ich, dass es keine großen Unterschiede gibt! Hast du vielleicht Quellen?

Krabat
26.02.2005, 19:37
Es scheint in Polen wirklich viel Antisemitismus gegeben zu haben.
Prof. David L. Hoggan schriebt darüber einiges in seinem Buch "Der erzwungene Krieg"
Tatsache ist: Die Polen wolllten, wie die meisten europäischen Nationen, ihre Juden loshaben.
Inwieweit sie am Holocaust mitgewirkt haben ist mir nicht genau bekannt, aber dagegen gewehrt, wie beispielsweise die Bulgaren, haben sie sich auch nicht.
In den Vernichtungslagern gab es auch viel Nichtdeutsche Wärter, aber ich habe keine Zahlen über den Prozentsatz der Polen, es waren aber viel aus dem Baltikum dabei.

Der Autor stelt eine Verbindung dar zwischen polnischen Nationalbewußtsein und Judenhaß. Ich finde, da hat er nicht Unrecht. In katholischen Gegenden finden sich gerne die traditionellen religiösen Judenhasser, weniger die modernen rasischen Antisemiten.

Krabat
26.02.2005, 19:39
Nein, das ist vielmehr ein globales Problem.

Wohl war: ein globales Problem! Von Ostküste bis Westküste.

Tiger
26.02.2005, 20:02
Der Autor stelt eine Verbindung dar zwischen polnischen Nationalbewußtsein und Judenhaß. Ich finde, da hat er nicht Unrecht. In katholischen Gegenden finden sich gerne die traditionellen religiösen Judenhasser, weniger die modernen rasischen Antisemiten.

Zumal in Polen Nationalstolz und die katholische Religion enger als in vielen anderen ländern verknüpft sind. :]

moxx
06.03.2005, 10:44
Ne, eigentlich ganz Europas!

es gibt ausnahmen, z.b. GB, dass sogar einen jüdischen premier hatte.

Krabat
06.03.2005, 15:39
es gibt ausnahmen, z.b. GB, dass sogar einen jüdischen premier hatte.

Ist mir neu. Wer war das?

moxx
06.03.2005, 15:51
benjamin disreali

hier ne kurzbeschreibung:
http://www.britannia.com/bios/disraeli.html

Krabat
06.03.2005, 19:25
benjamin disreali

hier ne kurzbeschreibung:
http://www.britannia.com/bios/disraeli.html

Interessant. Bayern hatte ja auch mal einen jüdischen Ministerpräsidenten, der gleichzeitig Außenminister Bayerns war. Kurt Eisner.

Kurzinformation:
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/EisnerKurt/