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-jmw-
10.05.2009, 21:26
Der Titel ist irreführend.

Ich hab nur etwas herausgenommen aus einem anderen Faden, dies v.a. deshalb, weil ich PN-Diskussionen nicht mag. :)

Es ist nicht als Einladung zu verstehen, mitzureden.
(Natürlich aber auch nicht als Verbot.)


Freiheit macht die Menschen unersättlich -nach allem. Der Mensch braucht Ordnung, klare Grenzen und vor allem eine Perspektive, einen Platz in der Gesellschaft. Hier soll und muss er seine Pflicht erfüllen können. Nur das zählt. In der materialistischen Gesellschaft, in der nicht das Ideal zählt, sondern das Geld, muss der Mensch zwangsläufig zivilisatorisch zum Barbar werden, zu einer Bestie, die nicht mehr zu kontrollieren ist.

Das Projekt der Freiheit ist gescheitert. Nie war die Welt so chaotisch, nie waren die Menschen so unberechenbar wie heute. Freiheit heißt vor allem, Freiheit von Kultur, Moral und Sitte. Und das kommt dabei heraus.

Wer sich darüber wundert, ist ein unfreiwilliger Teil der ganzen Scheiße.

-jmw-
10.05.2009, 21:26
Freiheit macht die Menschen unersättlich -nach allem. Der Mensch braucht Ordnung, klare Grenzen und vor allem eine Perspektive, einen Platz in der Gesellschaft. Hier soll und muss er seine Pflicht erfüllen können. Nur das zählt.
Wer legt die Pflicht fest?
Und wie?

Nachtrag: Und laufen wir nicht die Gefahr, dass jemand sein je besonderes Freiheitsverständnis als "Pflicht" uns präsentiert - gar unbewusst?

-jmw-
10.05.2009, 21:28
NITUP schreibt:



Wer legt die Pflicht fest?
Und wie?

Ist das wichtig? Wenn wir soweit sind, dass der Pöbel die Notwendigkeit erst einmal erkennt, können wir darüber reden, was unsere Pflichten sind. Nur eines vorweg: Unsere Pflicht besteht zuvorderst darin, das zu tun, was man tun muss, und nicht, was man gerne tun will. Da steckt eine Menge "Antwort" drin...

-jmw-
10.05.2009, 21:29
Ist das wichtig?
Mir schon.


Wenn wir soweit sind, dass der Pöbel die Notwendigkeit erst einmal erkennt, können wir darüber reden, was unsere Pflichten sind. Nur eines vorweg: Unsere Pflicht besteht zuvorderst darin, das zu tun, was man tun muss, und nicht, was man gerne tun will. Da steckt eine Menge "Antwort" drin...

Da steckt eben meine Frage drin: Was müssen wir denn?

In der Geschichte wurden Antworten versucht.
Können wir uns auf eine einigen?
Man konnte es bisher nicht!
Was aber, wenn wir uns nicht einigen können?
Nehmen sich dann einige die Freiheit, festzulegen, welche Antwort zu gelten hat?
Oder diskutieren wir es aus?
Wenn ja, dann begegnen wir uns dabei notwendig wieder als Freie im Diskurs.

Das lässt sich jetzt wohl beliebig fortsetzen.

Philosophisch hochproblematisch, die ganze Angelegenheit!

Moser
10.05.2009, 21:30
NITUP hat Recht.

Aber gleich kommen wieder die liberalen Schwätzer und erzählen von goldenen Netzen, Villa und Porsche...

-jmw-
10.05.2009, 21:31
An meinen Fragen wirst Du feststellen können, dass NITUP insoweit (noch) garnicht recht haben kann, weil er (noch) garnix gesagt hat, bei dem man recht haben könnte. :)


Du darfst aber gerne Deine Einlassung noch ausführen und uns begründen, worin genau er warum recht hat. :)

Moser
10.05.2009, 21:35
An meinen Fragen wirst Du feststellen können, dass NITUP insoweit (noch) garnicht recht haben kann, weil er (noch) garnix gesagt hat, bei dem man recht haben könnte. :)


Du darfst aber gerne Deine Einlassung noch ausführen und uns begründen, worin genau er warum recht hat. :)


Mit folgenden Aussagen, zitiert aus Post 1 in diesem Thread, hat NITUP Recht:


Zitat von NITUP:
Freiheit macht die Menschen unersättlich -nach allem. Der Mensch braucht Ordnung, klare Grenzen und vor allem eine Perspektive, einen Platz in der Gesellschaft. Hier soll und muss er seine Pflicht erfüllen können. Nur das zählt. In der materialistischen Gesellschaft, in der nicht das Ideal zählt, sondern das Geld, muss der Mensch zwangsläufig zivilisatorisch zum Barbar werden, zu einer Bestie, die nicht mehr zu kontrollieren ist.

Das Projekt der Freiheit ist gescheitert. Nie war die Welt so chaotisch, nie waren die Menschen so unberechenbar wie heute. Freiheit heißt vor allem, Freiheit von Kultur, Moral und Sitte. Und das kommt dabei heraus.

Wer sich darüber wundert, ist ein unfreiwilliger Teil der ganzen Scheiße.

WIENER
10.05.2009, 21:41
Mir schon.



Da steckt eben meine Frage drin: Was müssen wir denn?

In der Geschichte wurden Antworten versucht.
Können wir uns auf eine einigen?
Man konnte es bisher nicht!
Was aber, wenn wir uns nicht einigen können?
Nehmen sich dann einige die Freiheit, festzulegen, welche Antwort zu gelten hat?
Oder diskutieren wir es aus?
Wenn ja, dann begegnen wir uns dabei notwendig wieder als Freie im Diskurs.

Das lässt sich jetzt wohl beliebig fortsetzen.

Philosophisch hochproblematisch, die ganze Angelegenheit!

Obwohl ich mich, intellektuell gesehen, als euch nicht ebenbürdig betrachte, möchte ich trotzdem versuchen mitdiskutieren.

Der Mensch hat Pflichten

seiner Familie gegenüber
seinem "Nächsten" gegenüber
seinem Volk gegenüber
und zum Schluß der Menschheit gegenüber.

Was ich damit ausdrücken will, es gibt eine Reihenfolge die eingehalten werden muß. Man kann nicht mit Nr. 4 glänzen wollen und Nr1 oder 2 vernachlässigen.

Religion hab ich bewußt herausgehalten.

Man muß jetzt Punkt für Punkt vorgehen, also erst einmal feststellen, welche Pflicht hab ich meiner Familie gegenüber, dann kann man erst weitergehen.

-jmw-
10.05.2009, 21:55
Mit folgenden Aussagen, zitiert aus Post 1 in diesem Thread, hat NITUP Recht:
Der Pflichtbegriff darin ist aber leer.

Pflicht wozu? - WIENER gab ja freundlicherweise schon einige Vorschläge zur Herangehensweise.

Und: Pflicht durch wen? Wer verpflichtet denn? Warum der und kein anderer? Wie tut er das? Wie bestimmt er die Pflicht?

Wenn ich sage: Moser hat die Pflicht XYZ , hat Moser sie dann?
Warum?
Warum nicht?

Kern meiner Überlegung ist dabei: Wenn ich, was ich tue, "Freiheit" bestimme als "nach seinen eigenen Regeln leben" und wenn ich mir dann jemanden vorstelle, der "Pflicht" sagt und andere verpflichtet, das aber quasi dazu führt, dass alle nach von ihm vorgebenen Regeln leben, dann genügt dieser keiner Pflicht, sondern ist "frei" im obigen Sinne.

(Unverständlich?)

-jmw-
10.05.2009, 21:58
Obwohl ich mich, intellektuell gesehen, als euch nicht ebenbürdig betrachte, möchte ich trotzdem versuchen mitdiskutieren.
Ein paar Kenntnisse der Philosophie schaden nicht, sind aber auch nicht notwendig.
Man braucht nur ein bissel Hausverstand, um da mitreden zu können. :)


Der Mensch hat Pflichten

seiner Familie gegenüber
seinem "Nächsten" gegenüber
seinem Volk gegenüber
und zum Schluß der Menschheit gegenüber.
[...]
Man muß jetzt Punkt für Punkt vorgehen, also erst einmal feststellen, welche Pflicht hab ich meiner Familie gegenüber, dann kann man erst weitergehen.
Könnte man als Ausgangspunkt nehmen, ja.

Wobei sich trotzdem noch die Frage stellt, wie Du darauf kommst und was wir machen, wenn jemand sich einfaxch hinstellt und sagt "Stimmt so nicht!" - denn dann müssen wir ja entscheiden, wer warum richtig liegt. :)

Und: Mir selber geht es weniger um den Pflichtbegriff an sich, als um NITUPs Beitrag und Verständnis des Beitrages. :)

Ajax
10.05.2009, 22:02
Sehr guter Beitrag von NITUP.

In einer Welt, die keine wirklichen Ziele mehr verfolgt, kann man allerdings schlecht "die Pflicht" festlegen. Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Menschen vor sich hindümpeln, wo es keine großen Ideen und Ideale gibt, die man verwirklichen will. Das einzige Ideal ist das möglichst bequeme Leben, der immer größere Wohlstand im Hier und Jetzt. Demokratische Gesellschaften sind arg gegenwartsbezogen. Weiter als bis zur nächsten Wahl wird nicht gedacht.

Es ist doch gerade eine (fragwürdige) Errungenschaft des Liberalismus, dass sie jeden Menschen von einer etwaigen Pflicht ausgenommen hat und ihm seine Freiheit tun und lassen zu können, was er will, gegeben hat. Wir wandern ziellos umher und kümmern uns um Lapalien, Nichtigkeiten und Banalitäten. Sobald der moderne Mensch in die Pflicht gegenüber Volk und Staat genommen wird, jault er auf. Man will sich im Grunde niemandem mehr unterordnen, sondern frönt dem hemmungslosen Individualismus und der Selbstverwirklichung.

Wo alle Menschen gleich sind, ist niemand in der Pflicht. Die demokratischen Gesellschaften negieren die Grundsätze einer natürlichen Hierarchie, wodurch es nur noch Könige gibt, aber keine Diener (überspitzt formuliert). Ohne Religion (Gott als höchstes Wesen) oder ohne einen hierarchische Ordnung, verliert der Mensch seine Demut und ergeht sich in grenzenloser Hybris.

Das Geschwafel von Gleichheit und die Auslöschung der Religion sind also für diese Entwicklung verantwortlich. Will man also die Pflicht des Einzelnen festlegen, bedarf es klarer Strukturen, einer gottgebenen Ordnung und die Aufhebung der Gleichheit.

WIENER
10.05.2009, 22:17
Ein paar Kenntnisse der Philosophie schaden nicht, sind aber auch nicht notwendig.
Man braucht nur ein bissel Hausverstand, um da mitreden zu können. :)


Könnte man als Ausgangspunkt nehmen, ja.

Wobei sich trotzdem noch die Frage stellt, wie Du darauf kommst und was wir machen, wenn jemand sich einfaxch hinstellt und sagt "Stimmt so nicht!" - denn dann müssen wir ja entscheiden, wer warum richtig liegt. :)

Und: Mir selber geht es weniger um den Pflichtbegriff an sich, als um NITUPs Beitrag und Verständnis des Beitrages. :)

Na dann warten wir mal was Nitup dazu sagt.


Was ich dazu zu sagen habe ist folgendes;

Menschen sind wie kleine Kinder, sie testen immer Grenzen aus. Das ist auch der Antrieb der Evolution, der Forschung, des Fortschritts. Und immer wieder überschreiten Menschen diese Grenze, was oft letale Folgen für diese und andere Menschen hat.

Die Grenzen des Zusammenlebens zu überschreiten, muß ebenso letale Folgen für dies"Überschreiter" haben. Selbstverständlich müssen Spielregeln für dieses Zusammenleben gelten. Wenn ich deine Frage richtig verstanden habe, willst du nun wissen, wer diese Grenzen festlegt. Das ist wohl in der Tat das Schwierigste, vor allem deshalb weil diese Grenzen immer wieder in Frage gestellt werden. Und hier bin ich doch, entgegen Nitups Meinung, der Ansicht das diese Grenzen in der heutigen modernen Welt demokratisch festgelegt werden müßten, und zwar ohne Bevorzugung irgendwelcher sogenannten Eliten. DAs ist ja das derzeitige Dilemma. MAn muß dazu kein Professor sein, wie du gesagt hast, reicht in diesen Dingen der gesunde Menschenverstand aus. Man muß sich nicht gekünstelt ausdrücken können um zu wissen was Gut und Böse ist. Dieses Wissen trät die Menschheit in ihren Genen.

Tormentor
10.05.2009, 22:44
[...]

Das Geschwafel von Gleichheit und die Auslöschung der Religion sind also für diese Entwicklung verantwortlich. Will man also die Pflicht des Einzelnen festlegen, bedarf es klarer Strukturen, einer gottgebenen Ordnung und die Aufhebung der Gleichheit.

Diesen Aspekt sehe ich als äußerst problematisch an,denn die Tatsache,dass die Existenz eines Gottes für den Aufbau einer gesellschaftstragenden Ordnung nützlich wäre,ist ja kein Argument dafür,dass es einen Got gibt. Ungeachtet der Zunahme der (auf dem Papier) muslimischen Zuwanderer und immernoch vieler Kirchgänger leben wir in Zeiten,in denen immer weniger Menschen die Frage,ob es so einen Gott gibt,mit ja beantworten. Daher bietet sich Religion als Grundlage einer pflichtschaffenden Ordnung in einem aufgeklärten Land wie unserem nicht an. In einem Land des Nahen Ostens ist das natürlich etwas anderes,doch den Prozeß des Nachdenkens und des Entsagens der Religion wirst du hierzulande nicht mehr aufhalten bzw. rückgängig machen können.

Ich bin der festen Überzeugung,dass es bestimmte Dinge und Ziele gibt,die praktisch allen Menschen am Herzen liegen,sei es ein Leben in Frieden,sei es ein gewisses Maß an Wohlstand,sei es soziale Absicherung,sei es die Garantie von Bürgerrechten. Auf der Grundlage dieser Dinge lässt sich eine allgemeingültige Ethik entwickeln,die als Leitfaden fungieren könnte. Jeder hat ein Interesse am Schutz seines Eigentums,also ist Diebstahl verboten. Jeder hat Interesse an der Wahrung der Sicherheit der eigenen Person,also sind Aktionen gegen die Sicherheit anderer nicht erwünscht. Jeder hat ein Interesse an einer Absicherung für den Fall von Krankheit und anderen Unglücken,also ist es die Pflicht jedes Bürgers,seine Arbeitskraft einzusetzen,um den Staat am Laufen zu halten.
Dies muss natürlich auch mit einem gewissen Zwang verbunden werden. Wer dem zuwiderhandelt,was aufgrund der Interesses der Einzelpersonen als Grundprinzip des Staates fungiert,betrügt damit sich selbst und die gesamte Gemeinschaft. Seine Absicherungen fallen weg,seine Rechte werden eingeschränkt,er könnte auch schlicht aus der Gemeinschaft verstoßen werden. Aus Interesse der Gemeinschaft entwächst die Pflicht jedes Einzelnen.

Sauerländer
10.05.2009, 23:17
Ich bin der festen Überzeugung,dass es bestimmte Dinge und Ziele gibt,die praktisch allen Menschen am Herzen liegen,sei es ein Leben in Frieden,sei es ein gewisses Maß an Wohlstand,sei es soziale Absicherung,sei es die Garantie von Bürgerrechten. Auf der Grundlage dieser Dinge lässt sich eine allgemeingültige Ethik entwickeln,die als Leitfaden fungieren könnte. Jeder hat ein Interesse am Schutz seines Eigentums,also ist Diebstahl verboten. Jeder hat Interesse an der Wahrung der Sicherheit der eigenen Person,also sind Aktionen gegen die Sicherheit anderer nicht erwünscht. Jeder hat ein Interesse an einer Absicherung für den Fall von Krankheit und anderen Unglücken,also ist es die Pflicht jedes Bürgers,seine Arbeitskraft einzusetzen,um den Staat am Laufen zu halten.
Dies muss natürlich auch mit einem gewissen Zwang verbunden werden. Wer dem zuwiderhandelt,was aufgrund der Interesses der Einzelpersonen als Grundprinzip des Staates fungiert,betrügt damit sich selbst und die gesamte Gemeinschaft. Seine Absicherungen fallen weg,seine Rechte werden eingeschränkt,er könnte auch schlicht aus der Gemeinschaft verstoßen werden. Aus Interesse der Gemeinschaft entwächst die Pflicht jedes Einzelnen.
Ich möchte widersprechen. Das ist Kontraktualismus, der immer notwendig mit der Fiktion eines gehabten Konsenses arbeiten muss und nie dem, der nicht zustimmt, begründen kann, warum er das sollte oder warum seine Nichtzustimmung irrelevant ist. Wenn das Individuum souverän ist und nur von ihm er Rechte und Pflichten zu begründen sind, kommt man freilich um solche Fiktionen nicht herum, sofern man weiter Zusammenhalt simulieren will.
Ich für meinen Teil bin der festen Überzeugung, dass das Individuum, dem NICHTS vorangeht, weder Gott, noch Stamm noch Volk noch Vaterland, ein unbeschriebenes Blatt ist, dass nur deshalb Universalität beanspruchen kann, weil auf JEDE Eigenschaftssetzung verzichtet wird.
Es ist gleichzeitig Alles und Nichts, eine Hohlkonstruktion.
Da kann es auch keine Gemeinschaft geben. Gemeinschaften erwachsen nur aus dem NICHT universalen, insofern sie über die Grenzen des Wir das Wir stiften. Nichteinmal Religionen sind in diesem Sinne wirklich universal, denn sie haben faktisch immer noch die Grenze der Bekenner.

Sauerländer
10.05.2009, 23:19
Sehr guter Beitrag von NITUP.
In einer Welt, die keine wirklichen Ziele mehr verfolgt, kann man allerdings schlecht "die Pflicht" festlegen. Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Menschen vor sich hindümpeln, wo es keine großen Ideen und Ideale gibt, die man verwirklichen will. Das einzige Ideal ist das möglichst bequeme Leben, der immer größere Wohlstand im Hier und Jetzt. Demokratische Gesellschaften sind arg gegenwartsbezogen. Weiter als bis zur nächsten Wahl wird nicht gedacht.
Sehr wahr. Unter diesen Umständen bringt uns auch der abstrakte Gedanke der Pflicht nur bedingt weiter, denn es fehlt weitgehend das, in dessen Diensten sie stehen könnte. Es wäre eine leere Pflicht, ohne etwas, WORAUF verpflichtet wird.
Das bringt uns zu Artur Moeller van den Brucks Feststellung, konservativ sei es, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt.

Koslowski
10.05.2009, 23:24
Ist ja schön ung gut, was ihr schreibt. Aber ihr würdet nicht einmal Katholiken und Protestanten zusammen bringen. Wie wollt ihr da erst mich überzeugen?

Sauerländer
10.05.2009, 23:28
Ist ja schön ung gut, was ihr schreibt. Aber ihr würdet nicht einmal Katholiken und Protestanten zusammen bringen. Wie wollt ihr da erst mich überzeugen?
Genau das meine ich. Je heterogener eine Gesellschaft wird, desto schwieriger bis letztlich unmöglich wird es, die Leute noch verbindlich auf IRGENDWAS zu verpflichten.

-jmw- wird jetzt wahrscheinlich sagen:

Das Zauberwort heisst "Separation". ;):D

Koslowski
10.05.2009, 23:29
Genau das meine ich. Je heterogener eine Gesellschaft wird, desto schwieriger bis letztlich unmöglich wird es, die Leute noch verbindlich auf IRGENDWAS zu verpflichten.

-jmw- wird jetzt wahrscheinlich sagen:

Das Zauberwort heisst "Separation". ;):D

Ich habe da eher eine Rückeroberung im Sinn.:whis:

Tormentor
10.05.2009, 23:32
Ich möchte widersprechen. Das ist Kontraktualismus, der immer notwendig mit der Fiktion eines gehabten Konsenses arbeiten muss und nie dem, der nicht zustimmt, begründen kann, warum er das sollte oder warum seine Nichtzustimmung irrelevant ist. Wenn das Individuum souverän ist und nur von ihm er Rechte und Pflichten zu begründen sind, kommt man freilich um solche Fiktionen nicht herum, sofern man weiter Zusammenhalt simulieren will.
Ich für meinen Teil bin der festen Überzeugung, dass das Individuum, dem NICHTS vorangeht, weder Gott, noch Stamm noch Volk noch Vaterland, ein unbeschriebenes Blatt ist, dass nur deshalb Universalität beanspruchen kann, weil auf JEDE Eigenschaftssetzung verzichtet wird.
Es ist gleichzeitig Alles und Nichts, eine Hohlkonstruktion.
Da kann es auch keine Gemeinschaft geben. Gemeinschaften erwachsen nur aus dem NICHT universalen, insofern sie über die Grenzen des Wir das Wir stiften. Nichteinmal Religionen sind in diesem Sinne wirklich universal, denn sie haben faktisch immer noch die Grenze der Bekenner.


Volk und Vaterland sind aber leider nur für wenige Menschen ein Wert,für den sie leben,der sie antreibt und der sie egoistische Triebe vernachlässigen lässt. Letztendlich geht bei den meisten Menschen kaum ein Gedanke über die simple Frage,was es einem persönlich für Vorteile bringt,hinaus. Ein leidiger Beigeschmack des Individualismus,an den sich die Menschen gewöhnt haben. Meine Betrachtung setzt an diesem Punkt an,da ich mir zwar wünschen würde, dass Volk und Vaterland wieder allgemein geschätzte Werte sind,ich aber meine Zweifel habe,ob das überhaupt realistisch ist. In Gesellschaften wie unseren muss man den Leuten zwangsläufig mit der Berücksichtigung des eigenen Vorteils kommen,sonst weckt man kein Interesse. Man will etwas,also muss man etwas tun,denn alle anderen wollen das auch; halten sich umgekehrt sie anderen nicht daran,erhält man es selbst nicht,weshalb es dieser Ordnung bedarf.

Dein Einwurf schafft es jedoch nicht,mir ein Bild von einer Gesellschaft zu geben, in der die von dir angsprochenen Probleme gelöst wären. Daher frage ich einfach mal direkt: wie würde dein Ansatz zur Lösung dieses Dilemmas aussehen?

Sauerländer
10.05.2009, 23:35
Ich habe da eher eine Rückeroberung im Sinn.:whis:
Da kenne ich noch einen.:D
Auch wenn uns das blöderweise in ein, zwei Punkten zu Gegnern machen wird. ;):D

Sauerländer
10.05.2009, 23:38
Volk und Vaterland sind aber leider nur für wenige Menschen ein Wert,für den sie leben,der sie antreibt und der sie egoistische Triebe vernachlässigen lässt. Letztendlich geht bei den meisten Menschen kaum ein Gedanke über die simple Frage,was es einem persönlich für Vorteile bringt,hinaus. Ein leidiger Beigeschmack des Individualismus,an den sich die Menschen gewöhnt haben. Meine Betrachtung setzt an diesem Punkt an,da ich mir zwar wünschen würde, dass Volk und Vaterland wieder allgemein geschätzte Werte sind,ich aber meine Zweifel habe,ob das überhaupt realistisch ist. In Gesellschaften wie unseren muss man den Leuten zwangsläufig mit der Berücksichtigung des eigenen Vorteils kommen,sonst weckt man kein Interesse. Man will etwas,also muss man etwas tun,denn alle anderen wollen das auch; halten sich umgekehrt sie anderen nicht daran,erhält man es selbst nicht,weshalb es dieser Ordnung bedarf.

Dein Einwurf schafft es jedoch nicht,mir ein Bild von einer Gesellschaft zu geben, in der die von dir angsprochenen Probleme gelöst wären. Daher frage ich einfach mal direkt: wie würde dein Ansatz zur Lösung dieses Dilemmas aussehen?
Akzeptieren, dass die gegenwärtigen Verhältnisse selbsteliminativ und im einen oder anderen Sinne dem Untergang geweiht sind. Gar nicht erst VERSUCHEN, sich zu überlegen, wie man gegen alle immer stärkeren Zentrifugalkräfte das Gegenwärtige zusammenhalten könnte, sondern das als sinnfrei ansehen, den Knall erwarten, dafür planen, sich überlegen, wie es nach dem Knall weitergehen kann.

Koslowski
10.05.2009, 23:40
Da kenne ich noch einen.:D
Auch wenn uns das blöderweise in ein, zwei Punkten zu Gegnern machen wird. ;):D

Das Schicksal wird entscheiden. Und nur darauf kommt es letztlich an.

Sauerländer
10.05.2009, 23:42
Das Schicksal wird entscheiden. Und nur darauf kommt es letztlich an.
Amen.:]

Ajax
10.05.2009, 23:45
Sehr wahr. Unter diesen Umständen bringt uns auch der abstrakte Gedanke der Pflicht nur bedingt weiter, denn es fehlt weitgehend das, in dessen Diensten sie stehen könnte. Es wäre eine leere Pflicht, ohne etwas, WORAUF verpflichtet wird.
Das bringt uns zu Artur Moeller van den Brucks Feststellung, konservativ sei es, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt.

Richtig. Das heutige Gesellschaftsmodell bietet keinen Ersatz dafür an, da alle Werte negiert werden, die nicht dem unmittelbaren Interesse des Einzelnen dienen.

Wir schaffen auch nichts, was erhaltenswert wäre. Eher im Gegenteil. Insofern kann der Ansatz nur sein die derzeitige Ordnung in den Mülleimer der Geschichte zu werfen und uns die Werte der Vergangenheit zu eigen zu machen und damit etwas Neues zu beginnen, was den Nihilismus der Gegenwart überwindet.

Sauerländer
10.05.2009, 23:48
Richtig. Das heutige Gesellschaftsmodell bietet keinen Ersatz dafür an, da alle Werte negiert werden, die nicht dem unmittelbaren Interesse des Einzelnen dienen.

Wir schaffen auch nichts, was erhaltenswert wäre. Eher im Gegenteil. Insofern kann der Ansatz nur sein die derzeitige Ordnung in den Mülleimer der Geschichte zu werfen und uns die Werte der Vergangenheit zu eigen zu machen und damit etwas Neues zu beginnen, was den Nihilismus der Gegenwart überwindet.
Und zwar ein Neues, dass keine Kopfgeburt von Leuten ist, die imaginieren, was sein KÖNNTE, sondern das aus der Restglut dessen lebt, was bereits war.
Ein paar letzte glühende Kohlen sind ja durchaus noch da. Für sich genommen sind sie nichts.
Wir müssen ordentlich Stroh draufschmeissen, damit ein Feuer draus wird.

Tormentor
11.05.2009, 00:02
Akzeptieren, dass die gegenwärtigen Verhältnisse selbsteliminativ und im einen oder anderen Sinne dem Untergang geweiht sind. Gar nicht erst VERSUCHEN, sich zu überlegen, wie man gegen alle immer stärkeren Zentrifugalkräfte das Gegenwärtige zusammenhalten könnte, sondern das als sinnfrei ansehen, den Knall erwarten, dafür planen, sich überlegen, wie es nach dem Knall weitergehen kann.


Das setzt eine gewisse Lernfähigkeit der Menschen und die Machtübernahme einer Vereinigung von Leuten,die den Willen und die Fähigkeit haben,eine Vision von einer Ordnung nach dem Knall zu entwickeln,voraus,wenn ich dich richtig verstanden habe.

Es stellt sich allerdings schon die Frage,ob es einen so gewaltigen Knall geben wird,dass generationenlange Prägung des Denkens,des Sinnes für richtig und falsch und des nahezu grenzenlosen Egoismus zugunsten einer neuen Gesellschaft revidiert werden kann.

Sauerländer
11.05.2009, 00:17
Das setzt eine gewisse Lernfähigkeit der Menschen und die Machtübernahme einer Vereinigung von Leuten,die den Willen und die Fähigkeit haben,eine Vision von einer Ordnung nach dem Knall zu entwickeln,voraus,wenn ich dich richtig verstanden habe.

Es stellt sich allerdings schon die Frage,ob es einen so gewaltigen Knall geben wird,dass generationenlange Prägung des Denkens,des Sinnes für richtig und falsch und des nahezu grenzenlosen Egoismus zugunsten einer neuen Gesellschaft revidiert werden kann.
Fehltentwicklungen von Jahrhunderten werden nicht über Nacht repariert.
Wenn es gelingt, im Chaos nach sagen wir 10 Jahren ein funktionables Regime zu schaffen, ist das ordentlich. Und manches wird erst beim Übergang auf die nächste und vor allem übernächste Generation machbar sein.
Wir dürfen unsere eigenen Möglichkeiten nicht über- , aber auch nicht unterschätzen.
Es ist NIE so gewesen, dass breite Massen voll und ganz im Bewusstsein gepackt, von einem Geist durchdrungen worden wären.
Immer gab und gibt es einen harten Kern, der führt, verschiedene Stufen von Unterführern und die Masse der Geführten. Dazu müssen diese Ränge gar nicht verinstitutionalisiert sein, sie bilden sich auch im ganz normalen Verhalten untereinander gänzlich ohne Uniform und Rangabzeichen heraus.
Mit Intensität kann der Kern nicht alles, aber doch manches kompensieren.

In vielerlei Hinsicht muss die "Vision" ja gar nicht aus der Luft entwickelt werden, sondern ist im positivsten Sinne eine reaktionäre Angelegenheit.


Es ist denkbar, dass es nicht mehr zur Wende kommt, der Verfall keinen spektakulären Abschluss findet, sodern als immer weiteres Erodieren der bereits stark verfaulten Gesellschaftsstrukturen abläuft, bis wir eine Welteinheitsgesellschaft des bunten Breis haben, mit ökonomischen und sozialen Konflikten und einem auf niedriger Stufe gefahrenen permanenten Bürgerkrieg der diversen Subgemeinschaften, insofern keine übergeordnete Gemeinschaft existiert.
Dafür ist es aber nicht nötig, zu planen.
Hitler (in dessen Tradition ich mich weiss Gott nicht stellen möchte, es geht hier ausschließlich um die Geste) schrieb in seinem Testament, seinen Besitz vermache er die Partei. So díe nicht mehr existiere, dem deutschen Staat. Sollte auch der nicht mehr existieren, sei eine weitere Entscheidungs seinerseits überflüssig.
Genau das wäre dann gegeben.

Mütterchen
11.05.2009, 07:27
Zitat von NITUP

Freiheit macht die Menschen unersättlich -nach allem. Der Mensch braucht Ordnung, klare Grenzen und vor allem eine Perspektive, einen Platz in der Gesellschaft. Hier soll und muss er seine Pflicht erfüllen können.


Wer legt die Pflicht fest?
Und wie?

Nachtrag: Und laufen wir nicht die Gefahr, dass jemand sein je besonderes Freiheitsverständnis als "Pflicht" uns präsentiert - gar unbewusst?

Ich versuche auch mal, darauf zu antworten. Ich glaube, in jeder Gemeinschaft oder Gesellschaft, die Bestand haben möchte, überlebensfähig, bilden sich die jeweiligen Pflichten und das Maß an Freiheit, das man dem Einzelnen zugestehen möchte, heraus. Es findet sich ein Konsens, eine Wertebasis. Keine Verordnung, sondern ein gewachsenes Fundament.
Diese Wertevermittlung wird von einer Generation an die andere weitergegeben.
Die Eltern vermitteln dies an ihre Kinder. Diese Kinder sehen auch eine Gesellschaft, die nach diesen Werten funktioniert. Sie erleben Sanktionen. So werden die Vorstellungen verinnerlicht, für richtig befunden, man orientiert sein Leben danach.
Ich glaube, es ist sehr schwer, sich später, als erwachsener Mensch, von solchen grundlegenden Vorstellungen zu lösen.

Ich teile übrigens deswegen auch die Einstellung von @NITUP, nämlich, dass absolute Freiheit für einen Menschen gar nicht möglich ist. Oder vielleicht anders: sie ist nur möglich zu Lasten der Gemeinschaft.

-jmw-
11.05.2009, 17:09
Man muß sich nicht gekünstelt ausdrücken können um zu wissen was Gut und Böse ist. Dieses Wissen trät die Menschheit in ihren Genen.
Wird man sich da aber dann nicht nur auf ein Mindestmass an Regeln einigen können?
Denn ganz offensichtlich ist es ja so, dass wiewohl man für einige Dinge "gut" und "böse" quasi-konsensual (Ist das jetzt gekünstelt? :D) wird festlegen können, es bei anderen wieder nicht geht: Da sagt der eine "gut", der andere "böse", der dritte "scheissegal"...
Und dann hat man ein Problem. :)

-jmw-
11.05.2009, 17:15
Man will sich im Grunde niemandem mehr unterordnen, sondern frönt dem hemmungslosen Individualismus und der Selbstverwirklichung.
Guter Punkt!

Mein Grund für das eröffnen dieses Fadens bzw. meine Frage an NITUP ist eben der: Wie stellen wir fest, dass wenn jemand sagt "Pflicht", er das nicht tut als Selbstverwirklichung?
Wenn alle tun, was ich will, bin ich in gewisser Hinsicht frei.
Aber wie kann ich dann noch von aller Pflicht sprechen?

Mit anderen Worten: Woher wissen wir, dass jemand, der anderen ihre Plätze zuweist, auf den Platz zugewiesen gehlört, von dem aus Plätze zugewiesen werden?

Noch anders: Wie bestimmen wir die Unabhängigkeit der Gründe von der Person, die sie vorbringt?

Hintergrund dabei: Erfahrungsgemäss sagen viele Leute "müssen" aus ganz eigenen, eigensinnigen Motiven, weil sie es eben gut fänden o.ä.
Das aber ist dann tatsächlich "Selbstverwirklichung" und nicht mehr "Pflicht" o.ä.


Will man also die Pflicht des Einzelnen festlegen, bedarf es klarer Strukturen, einer gottgebenen Ordnung und die Aufhebung der Gleichheit.
Dann kann man die Pflicht(en) festlegen, keine Frage!

Aber sind es dann nicht nur irgendwelche Pflichten und nicht die Pflichten?
Gibt es "die Pflichten" überhaupt?

-jmw-
11.05.2009, 17:20
Genau das meine ich. Je heterogener eine Gesellschaft wird, desto schwieriger bis letztlich unmöglich wird es, die Leute noch verbindlich auf IRGENDWAS zu verpflichten.
Es gibt dann übrigens auch immer weniger Leute, die's schlucken, wenn jemand mit "Pflicht" daherkommt, sondern blöde nachfragen, ob da nicht nix dahinterstecke. :D


-jmw- wird jetzt wahrscheinlich sagen:

Das Zauberwort heisst "Separation". ;):D
Der Zauberspruch ist definitiv länger, aber "Separation" kommt mindestens einmal darin vor, ja, in der Tat. :D

-jmw-
11.05.2009, 17:21
Ich habe da eher eine Rückeroberung im Sinn.:whis:
Aber löst das das Problem anders als in einem ganz vulgär praktischen Sinne?

Anders formuliert: Hast Du recht mit etwas, nur weil ich Dir nicht mehr widersprechen kann?

-jmw-
11.05.2009, 17:23
Wir müssen ordentlich Stroh draufschmeissen, damit ein Feuer draus wird.
Ich sollt mir die Haare färben...

-jmw-
11.05.2009, 17:28
Ich versuche auch mal, darauf zu antworten.[...]
Du meinst also, es wuselt sich irgendwie zurecht?
Hat was für sich, ja.
Und faktisch gesehen stellt es sich wohl auch so dar.

Allein, was machen wir dann mit der Aussage, es gäbe "zuviel" Freiheit, "zuwenig" Pflicht, "zuviel" Selbstverwirklichung, "zuwenig" Ordnung udgl.?
Von welchem Standpunkt aus ist es dann noch zuviel oder zuwenig?

Wenn man ein "Primat des Sichzurechtwuselns" behauptet, ist dann nicht das, was wir haben, richtig;
und das, was wir hatten;
und das, was wir haben werden?

Das wäre sozusagen Reaktionismus in einem richtig engen Wortsinne.

Ist der Standpunkt von oben obejtkiv?
Oder subjektiv?
Wenn er subjektiv ist, ist er dann nicht aber auch mitsamt seinen Forderungen eine Form der Selbstverwirklichung?

(Womit wir wieder bei meiner Kernfrage für diesen Faden wären.)

Koslowski
11.05.2009, 17:29
Aber löst das das Problem anders als in einem ganz vulgär praktischen Sinne?

Anders formuliert: Hast Du recht mit etwas, nur weil ich Dir nicht mehr widersprechen kann?

Ich bin vulgär praktisch veranlagt. Wenn du mir nicht mehr widersprechen kannst, mußt du dir auch keine Gedanken mehr über Pflichten machen. :D Sollte ich bei dem Versuch scheitern, ist mein Schicksal erfüllt und es geht direkt zur goldenen Halle.

-jmw-
11.05.2009, 17:48
Ich bin vulgär praktisch veranlagt. Wenn du mir nicht mehr widersprechen kannst, mußt du dir auch keine Gedanken mehr über Pflichten machen. :D Sollte ich bei dem Versuch scheitern, ist mein Schicksal erfüllt und es geht direkt zur goldenen Halle.
Trotzdem ist das Problem nicht gelöst! :)

Mütterchen
11.05.2009, 18:11
Vollzitat


Ich schätze mal, es ist so, dass sich auch Gesellschaften eben verändern- das wird schon immer so gewesen sein, durch Kriege, Krankheiten, Einwanderung...was weiß ich. Vielleicht oder sicher auch durch irgendwelche Missstände, durch die die gesellschaftliche Ordnung eben durcheinandergebracht wurde. Dann muss ein neuer Konsens gefunden werden.

Dass unsere Gesellschaft so, wie sie jetzt aufgebaut ist, wirklich funktioniert, glaube ich nicht. Im Prinzip werden doch viele Freiheiten, die wir alle haben, dadurch ermöglicht, dass sich der Staat immer stärker verschuldetet. Und ob all die verschiedenen Lebensentwürfe auf Dauer überhaupt zugestanden werden können, das muss sich doch erst beweisen. Das ist nur ein Anspruch, den man sich zum Ziel gesetzt hat, aber ob es durchführbar ist, das ist doch noch eine ganz andere Sache. Deswegen meinte ich ja, ein Staat, eine Gesellschaft, muss sich selbst richtig tragen können. Und zwar in einem ausgewogenen Verhältnis.
Vielleicht kann man daran erkennen, ob es Pflichterfüllung oder Selbstverwirklichung ist, was der Einzelne gerade betreibt.

Stechlin
11.05.2009, 19:56
An meinen Fragen wirst Du feststellen können, dass NITUP insoweit (noch) garnicht recht haben kann, weil er (noch) garnix gesagt hat, bei dem man recht haben könnte. :)


Du darfst aber gerne Deine Einlassung noch ausführen und uns begründen, worin genau er warum recht hat. :)

Prima Idee dieser Strang. Dann will ich mal ausführlicher werden.

Im Grunde genommen ist die Sache ziemlich einfach. Zur Individualität des Menschen gehört die Eigenschaft, ein gemeinschaftsbildendes Wesen zu sein, und dies wird bedingt durch seine Fähigkeit, bewusst zu denken, zu arbeiten und, daraus folgernd, eine Kultur zu entwickeln. Weiterhin ergeben sich Bedürfnisse, deren Befriedigung eine notwendige Bedingung darstellen, die geistigen und handwerklichen Fähigkeiten, also sein Wesen zur Entfaltung zu bringen. Ergo muss die Gesellschaft, die der Mensch mit anderen bildet, dafür Sorge tragen, dass diese Bedürfnisse erfüllt werden. Daraus ergibt sich die Pflicht eines jeden Menschen, denn darin liegt der Sinn, der einzige Sinn(!), des Lebens: Sich und andere Menschen stetig zu verbessern.

Was ist dazu nötig? Nahrung, Wohnung, Bildung, Kultur und Arbeit. Das ist alles keine Frage der Quantität, sondern der Qualität. Erste Pflicht: Genügsamkeit. Zweite Pflicht: sich klaglos und seinen Fähigkeiten entsprechend dem Staat unterzuordnen. Jeder, ausnahmslos! Vom Herrscher bis zum Bergmann. Alle verstehen sich als Diener des Staates.

Die Politik eines solchen Staates würde sich nur nach den Kriterien richten müssen, die am besten geeignet sind, jedem Menschen die Möglichkeit zu bieten, sein geistiges und handwerkliches Potential zur vollen Blüte zu bringen. Diesem Ziel hat sich das gesamte gesellschaftliche Leben unterzuordnen; daraus ergibt sich eines jeden Pflicht. Außerhalb dieser Pflichten, und wenn sie selbigen nicht abträglich sind, soll jeder nach seiner Facon selig werden. Er soll glauben, was er will, denken, was er will, und auch schreiben und sagen, was er will.

Natürlich folgt daraus die Einsicht, Parteien und die elende Demokratie endgültig dem Orkus der Geschichte zu übergeben. Denn das Ziel ist eindeutig formuliert. Dieses Ziel bedingt Kontinuität, Ordnung und Beständigkeit.

Was benötigt würde, das wäre eine eindeutig formulierte Verfassung, die keinen Zweifel an den Mechanismen der Politik zur Durchsetzung dieser Ziele ließe.

Wir können gerne über Einzelheiten diskutieren. Doch als ersten Gedanken zur Erläuterung meiner Idee soll es genügen.

Ich gebe zu, dass das ziemlich utopisch anmuten lässt und wahrscheinlich nie realisiert werden wird. Aber was wäre die Welt ohne Ideale...

Stechlin
11.05.2009, 19:59
Ein paar Kenntnisse der Philosophie schaden nicht, sind aber auch nicht notwendig.
Man braucht nur ein bissel Hausverstand, um da mitreden zu können. :)


Könnte man als Ausgangspunkt nehmen, ja.

Wobei sich trotzdem noch die Frage stellt, wie Du darauf kommst und was wir machen, wenn jemand sich einfaxch hinstellt und sagt "Stimmt so nicht!" - denn dann müssen wir ja entscheiden, wer warum richtig liegt. :)

Und: Mir selber geht es weniger um den Pflichtbegriff an sich, als um NITUPs Beitrag und Verständnis des Beitrages. :)

Wie wäre es mit Kants Kategorischen Imperativ: "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte."

Stechlin
11.05.2009, 20:07
Sehr guter Beitrag von NITUP.

In einer Welt, die keine wirklichen Ziele mehr verfolgt, kann man allerdings schlecht "die Pflicht" festlegen. Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Menschen vor sich hindümpeln, wo es keine großen Ideen und Ideale gibt, die man verwirklichen will. Das einzige Ideal ist das möglichst bequeme Leben, der immer größere Wohlstand im Hier und Jetzt. Demokratische Gesellschaften sind arg gegenwartsbezogen. Weiter als bis zur nächsten Wahl wird nicht gedacht.

Es ist doch gerade eine (fragwürdige) Errungenschaft des Liberalismus, dass sie jeden Menschen von einer etwaigen Pflicht ausgenommen hat und ihm seine Freiheit tun und lassen zu können, was er will, gegeben hat. Wir wandern ziellos umher und kümmern uns um Lapalien, Nichtigkeiten und Banalitäten. Sobald der moderne Mensch in die Pflicht gegenüber Volk und Staat genommen wird, jault er auf. Man will sich im Grunde niemandem mehr unterordnen, sondern frönt dem hemmungslosen Individualismus und der Selbstverwirklichung.

Wo alle Menschen gleich sind, ist niemand in der Pflicht. Die demokratischen Gesellschaften negieren die Grundsätze einer natürlichen Hierarchie, wodurch es nur noch Könige gibt, aber keine Diener (überspitzt formuliert). Ohne Religion (Gott als höchstes Wesen) oder ohne einen hierarchische Ordnung, verliert der Mensch seine Demut und ergeht sich in grenzenloser Hybris.

Das Geschwafel von Gleichheit und die Auslöschung der Religion sind also für diese Entwicklung verantwortlich. Will man also die Pflicht des Einzelnen festlegen, bedarf es klarer Strukturen, einer gottgebenen Ordnung und die Aufhebung der Gleichheit.

Ich kann dem vorbehaltlos zustimmen. Schon Plato hat richtig festgestellt, dass das Streben nach Freiheit zur Unersättlichkeit führt. Die Freiheit ist nun mal ihrem Wesen nach die Abwesenheit von Grenzen und von Regeln. Jeder fühlt sich danach im Recht, sein eigenes Schlaraffenland zu fordern. Und je nachdem, über welche materiellen und/oder monetären Grundlagen ein jeder verfügt, kann er sich diesen Wunsch erfüllen. Deshalb muss die "Freiheit" zu Ungerechtigkeit führen, denn die materiellen Ressourcen der Erde würden niemals ausreichen, um jedem seine Villa und seinen Porsche zu ermöglichen. Und eine Freiheit, die an Geld gebunden ist, ist nichts wert.

Freiheit heißt immer Einsicht in die Notwendigkeit. Innerhalb dieses Rahmens soll jeder tun, was er will. Solange er sittsam, fleißig und tugendhaft ist.

Stechlin
11.05.2009, 20:18
Na dann warten wir mal was Nitup dazu sagt.


Was ich dazu zu sagen habe ist folgendes;

Menschen sind wie kleine Kinder, sie testen immer Grenzen aus. Das ist auch der Antrieb der Evolution, der Forschung, des Fortschritts. Und immer wieder überschreiten Menschen diese Grenze, was oft letale Folgen für diese und andere Menschen hat.

Die Grenzen des Zusammenlebens zu überschreiten, muß ebenso letale Folgen für dies"Überschreiter" haben. Selbstverständlich müssen Spielregeln für dieses Zusammenleben gelten. Wenn ich deine Frage richtig verstanden habe, willst du nun wissen, wer diese Grenzen festlegt. Das ist wohl in der Tat das Schwierigste, vor allem deshalb weil diese Grenzen immer wieder in Frage gestellt werden. Und hier bin ich doch, entgegen Nitups Meinung, der Ansicht das diese Grenzen in der heutigen modernen Welt demokratisch festgelegt werden müßten, und zwar ohne Bevorzugung irgendwelcher sogenannten Eliten. DAs ist ja das derzeitige Dilemma. MAn muß dazu kein Professor sein, wie du gesagt hast, reicht in diesen Dingen der gesunde Menschenverstand aus. Man muß sich nicht gekünstelt ausdrücken können um zu wissen was Gut und Böse ist. Dieses Wissen trät die Menschheit in ihren Genen.

Und wie soll das funktionieren? Verkündet Bild dann, was die "demokratische" Mehrheit will?

Du vergisst, dass es keine wirkliche Aufklärung gibt. Aufgeklärt ist der Mensch erst dann, wenn er keine Vordenker benötigt, um zu den für ihn richtigen Einsichten zu gelangen. Parteien mit ihren Ideologien sind aber nun mal Vordenker.

Nein. Allein die Pflicht zur Genügsamkeit würde keine "demokratische" Mehrheit finden. Tomaten nur noch im Sommer? Eingeschränkte Reisefreiheit? Kein Privatfernsehen mehr? Ein spürbar eingeschränktes Komsumangebot? Eine Presse, die kein Gewerbe ist? Niemals ergäbe sich dafür eine Mehrheit. Die Demokratie ist der Totengräber der Vernunft. Sie muss es zwangsläufig sein, denn die Demokratie lebt vom "Wettbewerb" der Ideologien. Hier zählt nur Attraktivität und Vorteile für allerhand Klientel. Da kann nichts vernünftiges zustande kommen.

"Die Mehrheit? Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen'gen nur gewesen. Der Staat muß untergehen, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet." Friedrich Schiller, aus "Demetrius"

Klopperhorst
11.05.2009, 20:21
NITUP hat Recht.

Kampf und Pflicht ist auch mein Motto. Aber bitte kein Denkmal dafür bekommen.

Aber die Tugend des Herzens kann keine Pflicht sein.

Denn echte Liebe erwächst nur aus Ungezwungenheit.


---

Stechlin
11.05.2009, 20:24
Richtig. Das heutige Gesellschaftsmodell bietet keinen Ersatz dafür an, da alle Werte negiert werden, die nicht dem unmittelbaren Interesse des Einzelnen dienen.

Wir schaffen auch nichts, was erhaltenswert wäre. Eher im Gegenteil. Insofern kann der Ansatz nur sein die derzeitige Ordnung in den Mülleimer der Geschichte zu werfen und uns die Werte der Vergangenheit zu eigen zu machen und damit etwas Neues zu beginnen, was den Nihilismus der Gegenwart überwindet.

Das widerspricht ja auch der Religion des Marktes. Nur Dinge von kurzer Dauer halten den Laufring des Konsumismus am Rotieren. Unsere heutige Gesellschaft empfängt ihren Lebenssinn nur noch im blinden Konsumieren und im Hedonismus. Hier müssen Werte, Kultur und Tugenden auf der Strecke bleiben. Denn deren Basis ist der Verzicht zu Gunsten eines höheren Ideals.

Stechlin
11.05.2009, 20:32
NITUP hat Recht.

Kampf und Pflicht ist auch mein Motto. Aber bitte kein Denkmal dafür bekommen.

Aber die Tugend des Herzens kann keine Pflicht sein.

Denn echte Liebe erwächst nur aus Ungezwungenheit.


---

Was ist die Tugend des Herzens? Eine Neigung. Sie mag edel sein, richtig und gut. Aber sie darf nicht zur Triebfeder zur Erfüllung unserer Pflichten werden, weil sie nicht genügt. Allein die Vernunft ist das Maß und die Ordnung aller Dinge. Jedoch steht es jedem frei, dieser Intention die Tugend des Herzens hinzuzufügen.

Klopperhorst
11.05.2009, 20:34
Was ist die Tugend des Herzens? Eine Neigung. Sie mag edel sein, richtig und gut. Aber sie darf nicht zur Triebfeder zur Erfüllung unserer Pflichten werden, weil sie nicht genügt. Allein die Vernunft ist das Maß und die Ordnung aller Dinge. Jedoch steht es jedem frei, dieser Intention die Tugend des Herzens hinzuzufügen.

In dieser Auffassung unterscheiden wir uns. Nun ja, ich hab den alten Kant, der zeitlebens unglücklich war und sich deswegen alles zur Pflicht machen musste, schon längst überwunden.

Die Tugend des Herzens ist der moralische Charakter. Der kann schwerlich verordnet werden. Entweder ist einer gut oder nicht.

---

Koslowski
11.05.2009, 20:40
Trotzdem ist das Problem nicht gelöst! :)

Wenn alle tot sind, ist jedes Problem gelöst.

Stechlin
11.05.2009, 20:40
In dieser Auffassung unterscheiden wir uns. Nun ja, ich hab den alten Kant, der zeitlebens unglücklich war und sich deswegen alles zur Pflicht machen musste, schon längst überwunden.

Das ist sehr wenig.


Die Tugend des Herzens ist der moralische Charakter. Der kann schwerlich verordnet werden. Entweder ist einer gut oder nicht.

---

Und eben weil nicht jeder gut ist und, wie Du richtig feststellst, die Tugend des Herzens der moralische Charakter ist, muss es ein noch höheres, ein verpflichtendes Ideal geben, dem sich jeder zu unterwerfen hat. Dieses Ideal kann nur die Vernunft diktieren.

Klopperhorst
11.05.2009, 20:45
...
Und eben weil nicht jeder gut ist und, wie Du richtig feststellst, die Tugend des Herzens der moralische Charakter ist, muss es ein noch höheres, ein verpflichtendes Ideal geben, dem sich jeder zu unterwerfen hat. Dieses Ideal kann nur die Vernunft diktieren.

Das ist eine Tautologie, weil die Vernunft hier zur Triebfeder moralischen Handelns gemacht wird, was sie jedoch begrifflich schon nicht sein kann.

Das Gegenteil ist der Fall.

Die Vernunft gehorcht dem Herzen und dem zugrundeliegenden Willen. Sie ist nur ein Werkzeug, für den Samariter und Verbrecher gleichermaßen.

---

Stechlin
11.05.2009, 20:50
Das ist eine Tautologie, weil die Vernunft hier zur Triebfeder moralischen Handelns gemacht wird, was sie jedoch begrifflich schon nicht sein kann.

Das Gegenteil ist der Fall.

Die Vernunft gehorcht dem Herzen und dem zugrundeliegenden Willen. Sie ist nur ein Werkzeug, für den Samariter und Verbrecher gleichermaßen.

---

Aber wer behauptet denn, dass ein jeder seine Pflichten selbst definieren darf? Warum der Mob morgens früh zur Arbeit erscheint und selbige ausführt, ist mir egal. Hauptsache, er tut es. Wenn nicht, muss er die Konsequenzen tragen.

Klopperhorst
11.05.2009, 20:54
Aber wer behauptet denn, dass ein jeder seine Pflichten selbst definieren darf? Warum der Mob morgens früh zur Arbeit erscheint und selbige ausführt, ist mir egal. Hauptsache, er tut es. Wenn nicht, muss er die Konsequenzen tragen.

Ich habe nichts gegen Pflichten, im Gegenteil. Gerade, weil die meisten Menschen von Natur aus Egoisten und im Grunde ihres Herzens schlecht sind, müssen sie vom Staat reglementiert werden.

Aber dadurch wird die Vernunft nicht zur Herzensangelegenheit und macht auch dem Schlechten nicht sein Handeln besser.

---

Stechlin
11.05.2009, 20:57
Ich habe nichts gegen Pflichten, im Gegenteil. Gerade, weil die meisten Menschen von Natur aus Egoisten und im Grunde ihres Herzens schlecht sind, müssen sie vom Staat reglementiert werden.

Aber dadurch wird die Vernunft nicht zur Herzensangelegenheit und macht auch dem Schlechten nicht sein Handeln besser.

---

Ich glaube aber, dass das Diktat der Vernunft den Schlechen daran hindern wird, schlechtes zu tun.

Die Vernunft soll ja auch gar keine Herzensangelegenheit sein. Vielleicht denke ich da zu nüchtern, aber ich mag nun mal kein emotionales Durcheinander.

Klopperhorst
11.05.2009, 21:02
Ich glaube aber, dass das Diktat der Vernunft den Schlechen daran hindern wird, schlechtes zu tun.

Die Vernunft soll ja auch gar keine Herzensangelegenheit sein. Vielleicht denke ich da zu nüchtern, aber ich mag nun mal kein emotionales Durcheinander.

Moralisches Handeln kann keine Pflicht sein. Das schließt sich aus.

Pflicht ist richtigerweise schon Abschreckung, eben Zwang. Eine Pflichtgesellschaft ist somit im Kern eine schlechte Gesellschaft, die nur durch Zwänge bestehen kann.

Eine bessere Gesellschaft ist jene, in der die Triebfedern für gutes Handeln nicht verordnet oder für schlechtes Handeln abgeschreckt werden müssen.

Der Grundfehler von Kant war, daß er meinte, durch Nachdenken ein besserer Mensch zu sein. Ob ich aber einen Mord aus Gründen der Ehre oder aus Gründen von äusserer Abschreckung nicht ausführe, ist dasselbe, eben unmoralisch.


---

Eldrad Ulthran
11.05.2009, 21:11
Das ist sehr wenig.



Und eben weil nicht jeder gut ist und, wie Du richtig feststellst, die Tugend des Herzens der moralische Charakter ist, muss es ein noch höheres, ein verpflichtendes Ideal geben, dem sich jeder zu unterwerfen hat. Dieses Ideal kann nur die Vernunft diktieren.

Der Kult um die Vernuft, der als allumfassende Richtschnur dienen soll, ist eine Überschätzung ihrer Fähigkeiten. Die Maximen und Denkstrukturen der Aufklärung sind zweifelsohne von überragender Bedeutung, und als Ideal einer Gesellschaft wohl ein hervorragendes Beispiel dafür, was der Mensch zu erdenken fähig ist, gleichwohl sind sie aber aufgrund ihres Anspruches dazu verurteilt auf ewig ein fernes Ideal zu bleiben. Wie eben jedes philosophische Gedankengebilde.
Der Mensch ist zu Gutem wie zum Schlechten fähig. Er kann und soll sein zwitterhaftes Wesen nicht verleugnen, verleugnet er seinen Verstand, wird er zum Tier, verleugnet er aber seine Gefühle, seine Irrationalität, wird er zum bloßen Automaten, er wird ebenso unmenschlich.

Gryphus
12.05.2009, 10:04
Die Erkenntnis der Menschheit, dass tatsächlich jeder einzelne Mensch Pflicht und Verantwortung aufgelastet bekommt sobald er das Licht der Welt erblickt, wäre eine Erkenntnis, die die menschliche Zivilisation auf eine fortgeschrittene Ebene führen würde. Nur ist die Erkenntnis über die Pflicht im Grunde ein epochaler Schritt der Menschheit der auf politischem Wege nicht ohne weiteres getan werden kann, doch ist die Notwendigkeit der Pflicht für eine Zivilisation aber unabdingbar, da unterstreiche ich NITUPs Gedanken bezüglich der Freiheit.

Wie also soll das Bestehen einer Pflichtmoral in die Gesellschaft Einzug finden? Am produktivsten wäre hierbei selbstverständlich das Pflichtbewusstsein, die Erkenntnis zur Notwendigkeit, diese erfordert aber das Erreichen einer gewissen geistigen Reife einer menschlichen Zivilisation oder schlicht und einfach eine globale Ausweglosigkeit die über früh oder spät das Bewusstsein verändern könnte. Da sowohl ersteres als auch zweiteres zur aktuellen Stunde eher irrelevant ist bleibt uns nur eine gesellschaftlich weniger moralische und daher auch kulturell und zivilisatorisch weniger produktive Struktur – der Zwang zur Pflicht. Da das Wahrnehmen der Menschenpflichte eine Konstante ist ohne die eine Zivilisation wahrlich nicht auskommt, muss diese vehement auch über Zwang erreicht werden.

Wer aber soll diesen Zwang zur Pflichtwahrnehmung schaffen, wenn die Menschheit noch nicht die Einsicht der Notwendigkeit erreicht hat? Nun, hierbei werden wiederum wie so oft in der Geschichte menschliche Geistesgrößen benötigt die über ihren Zivilisationsstand herausragen – unrealistisch? Wie die Geschichte zeigt nein, durchaus nicht – Das Erreichen von alleine schon dem Zwang zur Pflicht ist vergleichbar mit der Entwicklung der Ethik. Es ist ein Wachstum menschlicher Geistesgröße gewesen, als er (der Mensch) sich selbst Umgangsformen und Kodexe für das bestmögliche Zusammenleben gab, nur geschah auch dies über Jahrhunderte hinweg und wurde von Einzelpersonen die die Notwendigkeit der Ethik für Fortschritt und Verbesserung erkannten angetrieben (seien es Religionsstifter, Philosophen oder Revolutionäre gewesen), sie wurde nicht über Nacht zur Erkenntnis sondern musste eben durch Angst (zB in religiösem Sinne) oder Zwang (zB in politischem Sinne) erreicht werden – und bei weitem, die Ethik ist auch heute noch oftmals kaltherzig und in vielerlei Fällen nicht als Erkenntnis zu verstehen sondern als Zwang. Die Ethik als solche markiert den Übergang zu einer neuen Zivilisationsstufe, der Ausbau der Erhabenheit des Menschentums.

Eine solche Entwicklung muss auch beim Zwang zur Pflicht stattfinden, eine autoritäre oder institutionelle Macht muss durch den Zwang die Pflicht als solche durchsetzen und langfristig betrachtet auf eine Erkenntnis dieser Notwendigkeit hinarbeiten, oder diesen Zwang eben durch die Erläuterung des Bedarfes erklären und legitimieren.

Ist also das Pflichtbewusstsein ein utopischer Wunschtraum und kann gesammtmenschlich und zivilisatorisch nicht erreicht werden? Auch hier belehrt uns die Geschichte eines Besseren.

Der Mensch hat es schließlich schon einmal geschafft aus einer Ständegesellschaft heraus deren Ideale sich in die Köpfe der Menschen prägten die Erkenntnis zu gewinnen und umzusetzen (!), dass jeder Mensch ein freies (nicht in liberalem Sinne!) und gleich geborenes Wesen ist. Das ist eine total Kollapse in der Entwicklung und Logistik der Gesellschaft – warum? Weil die Zivilisation über die Gesellschaft erhaben ist und schlussendlich die Vernunft obsiegen kann (im Falle der Aufklärung wurde diese Erkenntnis durch das Leid hervorgerufen, dass die Unvernunft hervorbrachte). Es ist also prinzipiell möglich und es wäre nicht vergebens darauf hinzuarbeiten, bzw. es ist sogar eine Notwendigkeit um die wiederum nächste Zivilisationsstufe zu erreichen usw.

Ich bitte um Korrektur, Kritik oder Ergänzung fals vorhanden.

JetLeechan
12.05.2009, 10:32
[...]
Ich bitte um Korrektur, Kritik oder Ergänzung fals vorhanden.

Guter Beitrag, allerdings habe ich ein paar (Verständnis)Fragen.

Kann im Zwang die nötige Geistesgröße entstehen, sodass sich die Vernunft durch Reproduktion in den Köpfen festsetzt? Also anders herum ausgedrückt, ist es überhaupt möglich, dass die pflichtsetzende Macht die "Erkenntnis zur Notwendigkeit" -im Zwang- durchsetzt? Ist nicht eigentlich erst ein gewisser Grad an Freiheit bzw. an in dieser Freiheit gemachten Erfahrungen notwendig, um diese Geistesgröße zu erreichen?
Ich spinne den Gedanken weiter, ich behaupte es ist gar nicht möglich ohne Zwang auszukommen, denn jede Generation, ja eigentlich jedes Individuum müsste selbst zu dieser Einsicht gelangen.

Meine andere Frage spielt auf den Kulturstrang an. Was ist eine Zivilisation und würdest du den Begriff Zivilisationsstufe konkretisieren? Wenn Zivilisation der "Ausbau der Erhabenheit des Menschentums" ist, als was lassen sich die Stufengrenzen beschreiben?

Viele Grüße

Gryphus
12.05.2009, 10:50
Guter Beitrag, allerdings habe ich ein paar (Verständnis)Fragen.

Kann im Zwang die nötige Geistesgröße entstehen, sodass sich die Vernunft durch Reproduktion in den Köpfen festsetzt? Also anders herum ausgedrückt, ist es überhaupt möglich, dass die pflichtsetzende Macht die "Erkenntnis zur Notwendigkeit" -im Zwang- durchsetzt? Ist nicht eigentlich erst ein gewisser Grad an Freiheit bzw. an in dieser Freiheit gemachten Erfahrungen notwendig, um diese Geistesgröße zu erreichen?
Ich spinne den Gedanken weiter, ich behaupte es ist gar nicht möglich ohne Zwang auszukommen, denn jede Generation, ja eigentlich jedes Individuum müsste selbst zu dieser Einsicht gelangen.

Meine andere Frage spielt auf den Kulturstrang an. Was ist eine Zivilisation und würdest du den Begriff Zivilisationsstufe konkretisieren? Wenn Zivilisation der "Ausbau der Erhabenheit des Menschentums" ist, als was lassen sich die Stufengrenzen beschreiben?

Viele Grüße

Was hierbei durchaus ein Ausschlaggebender Punkt sein könnte. Die Lehre oder die Argumentation für die Legitimation der Pflichtsetzung, kann durchaus auf negativen Erfahrungen der Unvernunft aufbauen (siehe Beispiel bezüglich der Aufklärung), diese können wir heute schon aus dem Liberalismus beziehen, der in seinem Wesen eine Blockade der zivilisatorischen Weiterentwicklung ist, wir könnten auch auf die ultimative Legitimation warten und den Moment abwarten bis der Liberalismus die Menschheit in den total Zerfall treiben würde und uns auf ethische und geistige Größe von Barbaren zurückstufen würde, was aber durchaus nicht erforderlich sein muss.

Da verhält es sich wie mit der Ethik, das wird von der Gesellschaft von kleinauf annerzogen (oder besser gesagt "injeziert", Erziehung kann auch scheitern) und prägt sich in das Bewusstsein eines Menschen, das macht den Unterschied zwischen Ansicht und Erkenntnis oder wenn man so will Erleuchtung aus.

Eine Zivilisation ist die menschliche Eigenheit sich selbst (die Menschheit) und den eigenen Wert auszubauen und zu verbessern, durch Schöpfung von Erhabenheit über andere Wesen und niedere Zivilisationsformen (sprich eine stetige Aufwertung bis zum Erreichen der Maxime, was anders ausgedrückt eine Utopie wäre).

Erreichen eines höheren Bewusstseins - wäre ganz utopisch gesagt im Endeffekt Kommunismus (die genannte Maxime).

Ich habe hier ja schon das Beispiel mit der Ethik gebracht, ein anderes wäre zum Beispiel die Annerkennung des schriftlichen Rechtes und dergleichen.

-jmw-
13.05.2009, 19:54
Ich sollte wohl häufiger Fäden eröffnen! :)

Stechlin
13.05.2009, 23:08
Ich sollte wohl häufiger Fäden eröffnen! :)

Ja, und Du solltest dabei aber auch auf die Antworten eingehen, die man auf Deine Fragen gab. Sonst ergibt das ganze wenig Sinn.

-jmw-
14.05.2009, 07:42
Ja, und Du solltest dabei aber auch auf die Antworten eingehen, die man auf Deine Fragen gab. Sonst ergibt das ganze wenig Sinn.
Wieso, stirbst Du vor dem Wochenende oder so? ?( ;)

Stechlin
14.05.2009, 13:58
Wieso, stirbst Du vor dem Wochenende oder so? ?( ;)

Diese Möglichkeit kann niemand ausschließen. :]

-jmw-
14.05.2009, 17:30
Nun, in dem Falle hättest Du Pech gehabt.
Oder Glück.
Hängt von meiner Laune beim Schreiben ab. :D

Stechlin
14.05.2009, 23:21
Moralisches Handeln kann keine Pflicht sein. Das schließt sich aus.

Die Pflicht ist ein Teil der Moral; wenn nicht gar der entscheidende.


Pflicht ist richtigerweise schon Abschreckung, eben Zwang. Eine Pflichtgesellschaft ist somit im Kern eine schlechte Gesellschaft, die nur durch Zwänge bestehen kann.

Ich glaube, das ist eine Frage des Weltbildes. Die Pflicht ist keine Abschreckung, sondern eine notwendige Konsequenz der bewussten Intelligenz des Menschen. Ohne Pflicht übermannt den Menschen die Begierde, der Trieb und die Neigung. Sein Handeln richtet sich irgendwann nur noch an der Frage aus, was will ich. Und je mehr der Mensch aufgrund des technischen Fortschrittes in die Lage versetzt wird, sich pausenlos Wünsche erfüllen zu können, die sich nicht danach richten, ob sie der Allgemeinheit, sondern nur, ob sie dem Einzelnen dienen, so führt genau diese Lebensart in die Unersättlichkeit. Am Ende dieser Entwicklung verkehrt sich die -ich nenne sie mal pathetisch so- gottgleiche Gabe der bewussten Intelligenz in ihr Gegenteil und hinterlässt faule, tumbe und sich dem Hedonismus hingebende Kreaturen, bar jeder Kultur, Sitte und Anstand. Die Postmoderne beweist es jeden Tag im Privatfernsehen als Spiegel der Gesellschaft.

Nur die Pflicht kann den Menschen vor diesem Schicksal bewahren, weil die Pflicht nicht danach fragt, was man tun will, sondern was man tun muss. Hier findet der Mensch seine höchste Moral, und in der Pflicht seine größte Erfüllung.

Nenn es Zwang, ich will´s nicht bestreiten. Nur füge ich hinzu, dass es ein Zwang zur Vernunft ist. Und die Vernunft ist das Maß aller Dinge und alternativlos. Weg mit dem Gift der Ideologien.


Eine bessere Gesellschaft ist jene, in der die Triebfedern für gutes Handeln nicht verordnet oder für schlechtes Handeln abgeschreckt werden müssen.

Das wollen die Kommunisten auch. Ein Schlaraffenland aus lauter guten Menschen. Der Staat stirbt ab, und mit ihm das Gesetz!

Die Triebfedern des Einzelnen sind mir herzlich egal. Rational zählt nur, dass jeder seine Pflicht auch erfüllt, ohne danach zu fragen, warum und weshalb, wenn ihm seine eigene Vernunft diese Fragen nicht zu beantworten vermag. Das verlangt ja auch niemand. Nur tun soll er sie!


Der Grundfehler von Kant war, daß er meinte, durch Nachdenken ein besserer Mensch zu sein. Ob ich aber einen Mord aus Gründen der Ehre oder aus Gründen von äusserer Abschreckung nicht ausführe, ist dasselbe, eben unmoralisch.

Ich glaube, hier verkürzt Du Kants Philosophie unzulässigerweise. Sicherlich ist das Nachdenken notwendige Vorraussetzung, ein "besserer", ich würde sagen ein würdevollerer Mensch zu werden. Hinreichend jedoch bedarf es der Aufklärung, um jedem Menschen zur Einsicht gelangen zu lassen, dass, um mal bei Deinem Beispiel zu bleiben, man einen Mord weder aus Gründen der Abschreckung noch aus Gründen der Ehre oder dergleichen verübt. Nicht jeder Mensch wird in die Höhen dieser Einsichten gelangen. Diesen Anspruch hatte Kant gar nicht. Aber deshalb ist der Weg, den Kant aufwies, nicht gleich falsch. Er ist schwer zu gehen, aber einen anderen gibt es nicht.

Gawen
14.05.2009, 23:36
Die Triebfedern des Einzelnen sind mir herzlich egal. Rational zählt nur, dass jeder seine Pflicht auch erfüllt, ohne danach zu fragen, warum und weshalb, wenn ihm seine eigene Vernunft diese Fragen nicht zu beantworten vermag. Das verlangt ja auch niemand. Nur tun soll er sie!

Ohne Ideal keine Pflicht, denn ohne Begründung für den Befehl produzierst Du nur Verpisser.

Was ist das Ideal, das Ziel, Nitup? Wofür eine Pflicht erfüllen wollen?

Ohne Wille, Herz und Traum kein Erfolg...

-jmw-
15.05.2009, 07:43
An dieser Stelle, trotz Zeitmangel, möcht ich doch mal einhaken:


Die Triebfedern des Einzelnen sind mir herzlich egal. Rational zählt nur, dass jeder seine Pflicht auch erfüllt, ohne danach zu fragen, warum und weshalb, wenn ihm seine eigene Vernunft diese Fragen nicht zu beantworten vermag. Das verlangt ja auch niemand. Nur tun soll er sie!
Aber setzt Du nicht auf Deine eigene Vernunft, um zu erkennen, was "Pflicht" sein soll?
Und setzt Du nicht auch auf Deine eigene Vernunft, um zu erkennen, was richtig und was falsch ist, wenn andere von "Pflicht" sprechen?

Gehst Du also mithin nicht davon aus, dass Deine Vernunft eine solche ist, die sehr wohl zu beantworten mag, die anderer hingegen vielfach nicht?

Was aber, wenn jemand die Position einnähme, Deine reiche auch nicht?
Wie wolltest Du feststellen, dass er diese Position einnimmt aus (überlegener) Vernunft, nicht aber aus "Begierde", "Trieb", "Neigung"?

Anders: Du misst "Pflicht" an einem Masstab - der Vernunft.
Du gehst davon aus, dass diese nicht gleichverteilt ist.
Du gehst auch davon aus, dass, wer in der Verteilung zu kurz gekommen ist, sich auf die anderen stützen sollte.
Aber nach welchem Masstab?
Wieder der Vernunft?
Soll ihm seine Vernunft sagen, er sei unvernünftig oder mindervernünftig?
Und wenn das: Sagt Dir Deine Vernunft das auch?
Wann? Wobei? Wie?

Oder auch, kürzer: Wenn ich jetzt sagte: "NITUP, sorry, Du liegst meilenweit daneben. Ich hab Vernunftgründe, das zu sagen, aber wo Du eh schon so weit vom Schuss ab bist mit Deinem Vorschlag, werd ich sie Dir nicht erklären, Du verstündest sie eh nicht.", antwortetest Du dann eher "Quatsch" oder eher "okay"?

Du erkennst das Problem?


Zum Stichwort "Kant":

Auch hieran können wir die Schwierigkeit veranschaulichen.
Ayn Rand schrieb einmal, der Herr Kant sei der böseste Mensch in der Geschichte - bezogen nicht auf seine Person, sondern auf seine Philosophie.
Frau Rand meinte dies vom Standpunkte ihrer "objektivistischen" Philosophie (oder, wohl besser: "Philosophie") aus, also aus "Vernunftgründen".
Nehmen wir an, ich stelle mich auf den Standpunkt, nicht die Fähigkeiten zu haben, zu beurteilen, wer richtig läge, aber doch noch weit genug denken zu können, um in vielen Punkten eher eine Übereinstimmung mit Frau Rands Ansichten festzustellen.
Dann würde ich mich aus Vernunftgründen dem Urteil Ayn Rands unterordnen, das sie aus Vernunftgründen über den Herrn Kant fällte.

Damit wäre ich den Regeln gefolgt, die Du vorschlägst - aber käme zu einem anderen Ergebnis, als Du es tust.
Wir hätten dann Unvereinbarkeit, ein Patt quasi!
Was täten wir dann?
Dann könnten wir lediglich jeder für sich behaupten, die eigene Vernunft stünde noch soweit über der des anderen, dass sie reiche, sich der Vernunft eines Dritten (Kants bzw. Rands) unterzuordnen.
Das wäre aber keine Lösung des Problems, das wir haben!

-jmw-
15.05.2009, 07:44
Wir können auch ganz kurz fragen:

Was machen wir, wenn die Vernünftigen sich nicht einigen können?

-jmw-
15.05.2009, 16:53
Man betrachte #64 und #65 als Sammelantwort auf alle vorigen Beiträge. *faul*

Gawen
15.05.2009, 18:57
Dann könnten wir lediglich jeder für sich behaupten, die eigene Vernunft stünde noch soweit über der des anderen, dass sie reiche, sich der Vernunft eines Dritten (Kants bzw. Rands) unterzuordnen.
Das wäre aber eine Lösung des Problems, das wir haben!

These, Antithese, Synthese.

Was wäre denn die Synthese aus Kant und Rand, Hegelianer? ;)

-jmw-
15.05.2009, 19:04
Was wäre denn die Synthese aus Kant und Rand?
Schreckliche Migräne?

Stechlin
15.05.2009, 23:51
Ohne Ideal keine Pflicht, denn ohne Begründung für den Befehl produzierst Du nur Verpisser.

Was ist das Ideal, das Ziel, Nitup? Wofür eine Pflicht erfüllen wollen?

Ohne Wille, Herz und Traum kein Erfolg...

Die Pflicht eines jeden sollte sein, seinem Leben einen Sinn zu geben. Und der Sinn des Lebens besteht einzig darin, sich selbst und alle anderen stets zu verbessern. Nun lasst doch mal Eure Phantasie spielen, würde jeder Mensch in die Lage versetzt, sein Potential an Intellekt und Fertigkeiten voll auszuschöpfen! Wäre das nicht ein lohnendes Ziel? Wer diese Pflicht für eine Last hält, der darf sie gerne als Zwang betrachten. Je nachdem wie groß die Bereitschaft des Einzelnen ist, sich auf die Unausweichlichkeit der Aufklärung -der Kantschen wohlgemerkt- einzulassen, desto mehr weicht die empfundene Last der Einsicht. Es läge ja an jedem selbst.

Das ist eine Grundsatzfrage!

-jmw-
15.05.2009, 23:56
Nun lasst doch mal Eure Phantasie spielen
Könnten wir bitte bei der Vernunft bleiben? ;)

Stechlin
16.05.2009, 00:22
An dieser Stelle, trotz Zeitmangel, möcht ich doch mal einhaken:


Aber setzt Du nicht auf Deine eigene Vernunft, um zu erkennen, was "Pflicht" sein soll?
Und setzt Du nicht auch auf Deine eigene Vernunft, um zu erkennen, was richtig und was falsch ist, wenn andere von "Pflicht" sprechen?

Gehst Du also mithin nicht davon aus, dass Deine Vernunft eine solche ist, die sehr wohl zu beantworten mag, die anderer hingegen vielfach nicht?

Was aber, wenn jemand die Position einnähme, Deine reiche auch nicht?
Wie wolltest Du feststellen, dass er diese Position einnimmt aus (überlegener) Vernunft, nicht aber aus "Begierde", "Trieb", "Neigung"?

Anders: Du misst "Pflicht" an einem Masstab - der Vernunft.
Du gehst davon aus, dass diese nicht gleichverteilt ist.
Du gehst auch davon aus, dass, wer in der Verteilung zu kurz gekommen ist, sich auf die anderen stützen sollte.
Aber nach welchem Masstab?
Wieder der Vernunft?
Soll ihm seine Vernunft sagen, er sei unvernünftig oder mindervernünftig?
Und wenn das: Sagt Dir Deine Vernunft das auch?
Wann? Wobei? Wie?

Oder auch, kürzer: Wenn ich jetzt sagte: "NITUP, sorry, Du liegst meilenweit daneben. Ich hab Vernunftgründe, das zu sagen, aber wo Du eh schon so weit vom Schuss ab bist mit Deinem Vorschlag, werd ich sie Dir nicht erklären, Du verstündest sie eh nicht.", antwortetest Du dann eher "Quatsch" oder eher "okay"?

Du erkennst das Problem?


Zum Stichwort "Kant":

Auch hieran können wir die Schwierigkeit veranschaulichen.
Ayn Rand schrieb einmal, der Herr Kant sei der böseste Mensch in der Geschichte - bezogen nicht auf seine Person, sondern auf seine Philosophie.
Frau Rand meinte dies vom Standpunkte ihrer "objektivistischen" Philosophie (oder, wohl besser: "Philosophie") aus, also aus "Vernunftgründen".
Nehmen wir an, ich stelle mich auf den Standpunkt, nicht die Fähigkeiten zu haben, zu beurteilen, wer richtig läge, aber doch noch weit genug denken zu können, um in vielen Punkten eher eine Übereinstimmung mit Frau Rands Ansichten festzustellen.
Dann würde ich mich aus Vernunftgründen dem Urteil Ayn Rands unterordnen, das sie aus Vernunftgründen über den Herrn Kant fällte.

Damit wäre ich den Regeln gefolgt, die Du vorschlägst - aber käme zu einem anderen Ergebnis, als Du es tust.
Wir hätten dann Unvereinbarkeit, ein Patt quasi!
Was täten wir dann?
Dann könnten wir lediglich jeder für sich behaupten, die eigene Vernunft stünde noch soweit über der des anderen, dass sie reiche, sich der Vernunft eines Dritten (Kants bzw. Rands) unterzuordnen.
Das wäre aber eine Lösung des Problems, das wir haben!


Wir können auch ganz kurz fragen:

Was machen wir, wenn die Vernünftigen sich nicht einigen können?

Es ist immer sehr schwierig zu antworten, wenn man das Gefühl hat, der Opponent ignoriere die Prämissen.

Aber nun gut. Ich bekenne ja, dass die Definition dessen, was man als vernunftgeleitete Ideen betrachten sollte, schwierig ist, vor allem hinsichtlich des Strebens, daraus eine Universalität abzuleiten, welche die "Vernünftigen" einigt! Jedoch geht es doch gar nicht darum, diese Vernunft in ihrer Vollständigkeit nachzuzeichnen. Der Punkt ist vielmehr, eine Ideen-Basis aus der Tragödie des Weltenjammers herzuleiten, deren Verständnis selbstredend nur ein Anfang der Weisheit, nicht aber auch deren Ende sein kann. Und an dieser Stelle erlaube ich mir, jene Basis nochmals darzustellen. Denn ich schrieb:


Im Grunde genommen ist die Sache ziemlich einfach. Zur Individualität des Menschen gehört die Eigenschaft, ein gemeinschaftsbildendes Wesen zu sein, und dies wird bedingt durch seine Fähigkeit, bewusst zu denken, zu arbeiten und, daraus folgernd, eine Kultur zu entwickeln. Weiterhin ergeben sich Bedürfnisse, deren Befriedigung eine notwendige Bedingung darstellen, die geistigen und handwerklichen Fähigkeiten, also sein Wesen zur Entfaltung zu bringen. Ergo muss die Gesellschaft, die der Mensch mit anderen bildet, dafür Sorge tragen, dass diese Bedürfnisse erfüllt werden. Daraus ergibt sich die Pflicht eines jeden Menschen, denn darin liegt der Sinn, der einzige Sinn(!), des Lebens: Sich und andere Menschen stetig zu verbessern.

Was ist dazu nötig? Nahrung, Wohnung, Bildung, Kultur und Arbeit. Das ist alles keine Frage der Quantität, sondern der Qualität. Erste Pflicht: Genügsamkeit. Zweite Pflicht: sich klaglos und seinen Fähigkeiten entsprechend dem Staat unterzuordnen. Jeder, ausnahmslos! Vom Herrscher bis zum Bergmann. Alle verstehen sich als Diener des Staates.

Die Politik eines solchen Staates würde sich nur nach den Kriterien richten müssen, die am besten geeignet sind, jedem Menschen die Möglichkeit zu bieten, sein geistiges und handwerkliches Potential zur vollen Blüte zu bringen. Diesem Ziel hat sich das gesamte gesellschaftliche Leben unterzuordnen; daraus ergibt sich eines jeden Pflicht. Außerhalb dieser Pflichten, und wenn sie selbigen nicht abträglich sind, soll jeder nach seiner Facon selig werden. Er soll glauben, was er will, denken, was er will, und auch schreiben und sagen, was er will.

Heraus käme eine Verfassung, auf die man sich natürlich einigen müsste, deren inhaltliches Ziel jedoch aus den formulierten Ansprüchen bestünde. Das "Wie" ist eine ganz andere Baustelle, die sicherlich auch zu bearbeiten ist; nur stellt das den zweiten Schritt dar, und den geht man nicht vor dem Ersten. Lass uns also bitte über Schritt 1 disputieren.

PS: Wenn Alissa Sinowjewna Rosenbaum behauptete, dass Kant der "böseste Mensch in der Geschichte" gewesen sei, dann soll mich dieser Dünkel nicht weiter kratzen, und schon gar nicht Maßstab dafür sein, was denn nun vernünftig und was nicht vernüftig sei. Jedes Säkulum bringt seine Tintenkleckser hervor. ;)

Stechlin
16.05.2009, 00:23
Schreckliche Migräne?

:))

Da sind wir einer Meinung! ;)

-jmw-
16.05.2009, 09:31
Es ist immer sehr schwierig zu antworten, wenn man das Gefühl hat, der Opponent ignoriere die Prämissen.
Sieh es als Herausforderung! :D


Aber nun gut. Ich bekenne ja, dass die Definition dessen, was man als vernunftgeleitete Ideen betrachten sollte, schwierig ist, vor allem hinsichtlich des Strebens, daraus eine Universalität abzuleiten, welche die "Vernünftigen" einigt! Jedoch geht es doch gar nicht darum, diese Vernunft in ihrer Vollständigkeit nachzuzeichnen.
Eine Grundlinie dessen, wie man dieses Problem löst, würd mir ja reichen.

Ich werd mir aber nochmal überlegen, das (oder, bescheidener: mein ;)) Problem anders darzustellen.


Die Politik eines solchen Staates würde sich nur nach den Kriterien richten müssen, die am besten geeignet sind, jedem Menschen die Möglichkeit zu bieten, sein geistiges und handwerkliches Potential zur vollen Blüte zu bringen.
Darin ist wiederum eine Variation des oben von mir genannten Problems:

Welche Kriterien sind denn am besten geeignet?

Wie bestimmt man sie?
Wie kommt man zu ihnen?

Wir sind nicht d'accord darin, dass die beiden Schritte nacheinander bearbeitet werden müssen.
Ich meine vielmehr, sie sind zwei Seiten der selben Medaille, denn: Wenn wir nicht herausfinden können, wenn wir nicht bestimmen können aus guten Gründen, wie es funktioniert, dann glaube ich auch nicht, dass das Ziel selber ein vernünftiges ist.
Was richtig ist, muss auch klappen können!
Zumindest ansatzweise.
Die Inhaltsbestimmung oder, besser: die Methode der Inhaltsbestimmung ist entsprechend m.E. ganz grundlegend für das Thema.

Jetzt ist mir entfallen, was ich noch schreiben wollte... :)

Humer
16.05.2009, 10:18
Pflichten haben wir ja schon und das nicht zu wenig. Es geht im Kindergarten los, der nach neuesten Richtlinien bereits in den Dienst der Leistungsförderung gestellt werden soll. Über den Schulstress geht es dann in die Arbeitswelt mit ihren Forderungen nach mehr Leistung bei weniger Einkommen und stetiger Fortbildung. Man kann es auch Anpassungsdruck nennen. Diejenigen die nicht mitmachen dürfen, also Arbeitslose haben ebenfalls eine Menge Pflichten, sonst wird gekürzt.
Das Versprechen das es dafür dann auch Wohlstand gibt, wenn man sich unterordnet, wird zunehmend nicht mehr eingelöst. Der Hedonismus ist nur ein Oberflächenphänomen, eine Flucht in Zerstreuungen, dahinter lauert die Sinnkrise. Beispiel: Zunahme psychischer Krankheiten, insbesondere Depressionen.

Die Forderung, Pflichten zu definieren, die im Dienst des Gemeinwesens oder des Staates stehen, kann ich nachvollziehen. Wenn da nicht der begründete Verdacht wäre, diejenigen, welche die Definitionshoheit beanspruchen, auch nur wieder Partikularinteressen im Auge haben. Es sind selbsternannte Eliten, die versuchen, sich ihre Untertanen gefügig zu machen. Die Sehnsucht nach einer ständischen, wenn nicht autoritären Gesellschaftsordnung, wo jeder seinen Platz hat, ist das von mir unterstellte Motiv. Das Rad der Geschichte zurückdrehen, ist auch keine Lösung. Das kann auch deshalb nicht funktionieren, weil die heutige Ökonomie eine andere ist.
D. h. Wandel ist möglich, aber er muss von unten kommen und er vollzieht sich langsam. Etwa so, wie sich ein Umweltbewußtsein entwickelt hat, über das vor nicht sehr langer Zeit nur gespottet wurde. So einen Wandel befördert man nicht, wenn das Volk ständig nur als blöd und dekadent und konsumgeil beschimpft wird. Sein Volk gleichzeitig lieben und verachten, geht nicht.

Gawen
16.05.2009, 11:22
Die Pflicht eines jeden sollte sein, seinem Leben einen Sinn zu geben. Und der Sinn des Lebens besteht einzig darin, sich selbst und alle anderen stets zu verbessern. Nun lasst doch mal Eure Phantasie spielen, würde jeder Mensch in die Lage versetzt, sein Potential an Intellekt und Fertigkeiten voll auszuschöpfen! Wäre das nicht ein lohnendes Ziel? Wer diese Pflicht für eine Last hält, der darf sie gerne als Zwang betrachten. Je nachdem wie groß die Bereitschaft des Einzelnen ist, sich auf die Unausweichlichkeit der Aufklärung -der Kantschen wohlgemerkt- einzulassen, desto mehr weicht die empfundene Last der Einsicht. Es läge ja an jedem selbst.

Das ist eine Grundsatzfrage!

NITUP, Hitler hätte seine Freude an Dir gehabt.... ;)


"Gerecht ist eine Wirtschaftsordnung, wenn sie jedem die Möglichkeit gibt, die ihm mögliche Leistung zu entfalten. Die Wirtschaft ist gerecht, die im selben Grade darauf ausgeht, den Begabungen und Energien der Menschen Raum zu geben [...] Keine starre Gesellschaftsordnung und keine Vorurteile dürfen den Aufstieg wirklicher Begabungen hemmen, wie es bisher der Fall gewesen ist. Gerecht ist ferner die Wirtschaftsordnung, die jede Arbeitslosigkeit ausschließt! Denn die Arbeitslosigkeit nimmt dem Menschen sein größtes Recht: Leistung zu schaffen."

Don
16.05.2009, 11:24
NITUP schreibt:




Ist das wichtig? Wenn wir soweit sind, dass der Pöbel die Notwendigkeit erst einmal erkennt, können wir darüber reden, was unsere Pflichten sind. Nur eines vorweg: Unsere Pflicht besteht zuvorderst darin, das zu tun, was man tun muss, und nicht, was man gerne tun will. Da steckt eine Menge "Antwort" drin...

Wat mutt dat mutt. :D

-jmw-
16.05.2009, 11:42
Wat mutt? ;)

Klopperhorst
17.05.2009, 18:08
Die Pflicht ist ein Teil der Moral; wenn nicht gar der entscheidende.

Das malst du dir nur aus, damit die Moral besonders theatralisch erscheint.

Ob man aber z.B. einen Ertrinkenden retten will, ist keine Pflicht. Man liest nicht erst in einem Pflichtpfaden nach, ob man etwas gutes tun muss, sondern man tut oder unterlässt es aus seinem angeborenen moralischen Charakter heraus.



... Am Ende dieser Entwicklung verkehrt sich die -ich nenne sie mal pathetisch so- gottgleiche Gabe der bewussten Intelligenz in ihr Gegenteil und hinterlässt faule, tumbe und sich dem Hedonismus hingebende Kreaturen, bar jeder Kultur, Sitte und Anstand. Die Postmoderne beweist es jeden Tag im Privatfernsehen als Spiegel der Gesellschaft.

Nur die Pflicht kann den Menschen vor diesem Schicksal bewahren, weil die Pflicht nicht danach fragt, was man tun will, sondern was man tun muss. Hier findet der Mensch seine höchste Moral, und in der Pflicht seine größte Erfüllung.

Pflicht kann keine moralische Erfüllung sein. Denn wann mir jemand befielt, beispielsweise etwas schlimmes zu tun, dann kann ich mich vielleicht auf den Befehl berufen, aber nicht auf mein Gewissen.

Das ist ja das Dillemma, daß blinder Pflichtgehorsam oft die unmoralischsten Dinge fabriziert.



Und die Vernunft ist das Maß aller Dinge und alternativlos.

Oh man. Dieser Vernunftsfetischismus ist ein Dogma um seiner selbst Willen. Vernunft dient nur einem zugrundeliegenden Willen. Sie kann in der Hand eines Verbrechers oder eines Samariters für die Umsetzung von Zielen benutzt werden.

Vernunft ist nur ein Werkzeug, aber keine moralische Triebfeder.



Die Triebfedern des Einzelnen sind mir herzlich egal. Rational zählt nur, dass jeder seine Pflicht auch erfüllt, ohne danach zu fragen, warum und weshalb ...

Du drehst dich im Kreis. Die unhinterfragbare Pflicht stellst du als eine Art Gott hin. Was hat das noch mit Vernunft zu tun?


Hinreichend jedoch bedarf es der Aufklärung, um jedem Menschen zur Einsicht gelangen zu lassen, dass, um mal bei Deinem Beispiel zu bleiben, man einen Mord weder aus Gründen der Abschreckung noch aus Gründen der Ehre oder dergleichen verübt. Nicht jeder Mensch wird in die Höhen dieser Einsichten gelangen. Diesen Anspruch hatte Kant gar nicht. Aber deshalb ist der Weg, den Kant aufwies, nicht gleich falsch. Er ist schwer zu gehen, aber einen anderen gibt es nicht.

Ich sage: Man braucht gar keine Einsicht in die Moralität seines Handelns zu bekommen, weil es zwecklos ist. Ein schlechter, bösartiger Mensch kann sich nicht bessern, auch wenn man ihm noch so oft von seinen Pflichten vorschwadroniert.

Man kann einen bösen Menschen nur abschrecken, indem man ihm ein stärkeres Gegenmotiv zu seinem bösen Charakter liefert, z.B. Zuchthaus und Todesstrafe. Denn man muss immer nur ein stärkeres Motiv finden, was einen Charakter affizieren kann, ein schwächeres Motiv zu unterlassen. Dadurch ändert sich der Charakter jedoch nicht, und der Mensch wird auch nicht besser.

Alle Umerziehungsversuche eines erwachsenen Menschen müssen daher scheitern.


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