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Vollständige Version anzeigen : Hütet euch vor Liberalen



Florian
04.05.2009, 10:03
http://www.sezession.de/wp-content/uploads/2009/05/vorsicht.jpg
Ein schönes und wahres Gedicht fand sich heute in der Sezession im Netz (http://www.sezession.de/4157/das-mai-gedicht-huetet-euch.html):




Hütet euch vor Liberalen
Die nur reden, die nur prahlen
Nur mit Worten stets bezahlen
Aber arm an Taten sind:
Die bald hier-, bald dorthin sehen
Bald nach rechts, nach links sich drehen
Wie die Fahne vor dem Wind.

Hütet euch vor Liberalen
Jene blassen, jene fahlen
Die in Zeitung und Journalen
Philosophisch sich ergehn:
Aber bei des Bettlers Schmerzen
Weisheitsvoll, mit kaltem Herzen
Ungerührt vorübergehn.

Hütet euch vor Liberalen
Die bei schwelgerischen Mahlen
Bei gefüllten Festpokalen
Turm der Freiheit sich genannt
Und die doch um einen Titel
Zensor werden oder Büttel
Oder gar ein Denunziant.

Robert Prutz (etwa 1848)

eintiroler
04.05.2009, 12:42
http://www.og-regen.de/grafixs/smilies/daumen-hoch.jpg

jak_22
04.05.2009, 12:56
Ein schönes Gedicht.

Bleibt jedoch anzumerken, dass der Liberalismus des Vormärz, den
der Autor unzeifelhaft meinte, mit heutigen Liberalen keinesfalls als
deckungsgleich begriffen werden kann. So waren die Liberalen des
Hambacher festes ja geradezu Träger nationaler Ideen.

Allerdings kann nicht übersehen werden, dass es unter den "Liberalen"
in dieser Zeit mehrere Fraktionen gab, von bürgerlich bis früh-sozialistisch.

Welche Liberalen der Poet genau mit diesen Zeilen bedacht hat,
lässt sich aus dem Gedicht nicht herauslesen. Weiss es der
Thread-Ersteller?

borisbaran
04.05.2009, 13:11
Ein schönes Gedicht.

Bleibt jedoch anzumerken, dass der Liberalismus des Vormärz, den
der Autor unzeifelhaft meinte, mit heutigen Liberalen keinesfalls als
deckungsgleich begriffen werden kann. So waren die Liberalen des
Hambacher festes ja geradezu Träger nationaler Ideen.

Allerdings kann nicht übersehen werden, dass es unter den "Liberalen"
in dieser Zeit mehrere Fraktionen gab, von bürgerlich bis früh-sozialistisch.

Welche Liberalen der Poet genau mit diesen Zeilen bedacht hat,
lässt sich aus dem Gedicht nicht herauslesen. Weiss es der
Thread-Ersteller?
Nein, der Thread-Ersteller weiss nicht, wovon er redet.

eintiroler
04.05.2009, 13:45
Ein schönes Gedicht.

Bleibt jedoch anzumerken, dass der Liberalismus des Vormärz, den
der Autor unzeifelhaft meinte, mit heutigen Liberalen keinesfalls als
deckungsgleich begriffen werden kann. So waren die Liberalen des
Hambacher festes ja geradezu Träger nationaler Ideen.

Allerdings kann nicht übersehen werden, dass es unter den "Liberalen"
in dieser Zeit mehrere Fraktionen gab, von bürgerlich bis früh-sozialistisch.

Welche Liberalen der Poet genau mit diesen Zeilen bedacht hat,
lässt sich aus dem Gedicht nicht herauslesen. Weiss es der
Thread-Ersteller?

Gute Anmerkung. Aus historischer Sicht mag dieses Gedicht sehr reaktionistisch sein. Zu Unrecht. Heute mag es für manchen ebenso reaktionistisch sein. Zu Recht. Wenn der Liberalismus die Zukunft sein soll, dann bin ich Reaktionär, mit Überzeugung. Den der Untergang von Völkern, Bräuchen, Sitten, Sprachen, Staaten, Regionen, Religionen und Sozialem Denkens kann nicht die Zukunft sein, sondern nur der Tod.

marc
04.05.2009, 13:49
Aber bei des Bettlers Schmerzen
Weisheitsvoll, mit kaltem Herzen
Ungerührt vorübergehn.

Wenn hierzuforum jemand auf "der Bettler Schmerzen" hinweisen würde, wäre die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er von genau denjenigen als beschissener Gutmensch diffamiert wird, die sonst auch gerne über böse Liberale schimpfen.

Biskra
04.05.2009, 13:57
Schellenkappe, Pickelhaube

können niemals, wie ich glaube,

auf die Dauer sich entzwein;

Pickelhaube, Schellenkappe,

wenn ich richtig es ertappe,

scheinen eines mir zu sein.

Daß ich näher es entwickel',

scheint die Schelle mir ein Pickel,

süß belebt von Melodie:

Und ein Pickel, auf der Stelle,

ist nur eine tote Schelle –

Und die freilich klingen nie.

Drum den beiden Potentaten

möcht' ich ganz ergebenst raten,

Karneval und Polizei,

ob für Ritter nicht und Knappe

Pickelhaube, Schellenkappe

einmal umzutauschen sei.

Statt der Kappen, statt der Schellen,

Rheinlands fröhliche Gesellen,

setzt die Pickelhauben auf!

Mit dem Degen an der Seite,

so zum Becher wie zum Streite,

und die Freiheit führt den Lauf!

Horch, die Hörner, wie sie blasen,

horch, die Trommeln, wie sie rasen,

goldig steigt der Tag herauf –

Die Gensd'armen unterdessen,

um auch die nicht zu vergessen,

setzen Schellenkappen auf.

Sauerländer
04.05.2009, 14:37
Wenn hierzuforum jemand auf "der Bettler Schmerzen" hinweisen würde, wäre die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er von genau denjenigen als beschissener Gutmensch diffamiert wird, der sonst auch gerne über böse Liberale schimpft.
Weil viele, viele, die über "Gutmenschen" schimpfen, nunmal keine "Rechten", sondern Rechtsliberale sind. Im Grunde, und das macht einen Großteil der Absurdität des bundesrepublikanischen und auch hier zu beobachtenden Diskurses aus, besteht ja nur noch ein Flügelkampf zwischen Rechts- und Linksliberalen, während eine völlig ausserliberale Rechte genausowenig noch Präsenz hat wie eine völlig ausserliberale Linke.
Mal ganz abgesehen von Kräften mit ebenso starker Überzeugung, die diesem Lagerdenken noch vorangehen.

Florian
05.05.2009, 11:11
Allerdings kann nicht übersehen werden, dass es unter den "Liberalen"
in dieser Zeit mehrere Fraktionen gab, von bürgerlich bis früh-sozialistisch.

Welche Liberalen der Poet genau mit diesen Zeilen bedacht hat,
lässt sich aus dem Gedicht nicht herauslesen. Weiss es der
Thread-Ersteller?

Ich denke, diese Unterscheidung spielt aus rechtskonservativer Sicht keine Rolle. Ausgenommen werden können heutzutage meiner Ansicht nach die Minderheit der Paläolibertären, falls sie sehr gelenkig sind.

Biskra
05.05.2009, 14:31
Ich denke, diese Unterscheidung spielt aus rechtskonservativer Sicht keine Rolle.

Dann spielt wohl bei der Interpretation des Gedichts aus rechtskonservativer Sicht auch keine Rolle, daß der Autor desselben selbst liberal war?

jak_22
05.05.2009, 14:36
Dann spielt wohl bei der Interpretation des Gedichts aus rechtskonservativer Sicht auch keine Rolle, daß der Autor desselben selbst liberal war?

Klasse, jetzt wirds kompliziert.

Ich denke, das kann man auflösen, wenn man ein "solchen" in
das Gedicht hineininterpretiert. Also

"Hütet euch vor solchen Liberalen (...)"

Dann macht es auch einen Sinn, wenn der Autor selbst Liberaler
(im Vormärz (!)) war - er wollte damit vor eben jenen warnen, die
sich "liberal" nennen, in Wahrheit aber keiner Überzeugung so
richtig angehören.

Ist aber - wie gesagt - nur meine Interpretation.

Biskra
05.05.2009, 14:49
Klasse, jetzt wirds kompliziert.

Ich denke, das kann man auflösen, wenn man ein "solchen" in
das Gedicht hineininterpretiert. Also

"Hütet euch vor solchen Liberalen (...)"

So sehe ich das auch. Die Frage bleibt aber, ob das aus rechtskonservativer Sicht nicht völlig Banane wäre. Dann könnte man z.B. aus rechtskonservativer Sicht auch Brecht als Kronzeugen gegen den Kommunismus auffahren. Aus rechtskonservativer Sicht argumentierte es sich dann nämlich wie aus jedem geschlossenen Denksystem sehr unterkomplex.

Settembrini
05.05.2009, 18:13
Dieser Beitrag wurde von Leo Navis gelöscht. Grund: Upps, zuerst Thread lesen, dann denken, dann posten

Vorbildlich! :D

Gabriel
06.05.2009, 09:58
Dass diese Worte aus dem Munde eines zutiefst radikalen Geistes kommen, ist ihnen nicht zuträglich.

Florian
06.05.2009, 12:15
Dann spielt wohl bei der Interpretation des Gedichts aus rechtskonservativer Sicht auch keine Rolle, daß der Autor desselben selbst liberal war?

Ein Beweis dieser Aussage anhand von Belegen wäre beeindruckend.

Biskra
06.05.2009, 18:25
Ein Beweis dieser Aussage anhand von Belegen wäre beeindruckend.

Wollen wir doch mal sehen. Der Herr war

gegen
- Polizeiwillkür
- Justizwillkür
- Zensur
- Religion
- den autoritären (monarchistischen) Staat

für
- Gewaltenteilung
- politische Mitbestimmung
- Freiheit der Forschung & Lehre
- Freiheit des Wortes
- eine demokratische Verfassung

Das kannst du alles unter anderem aus seinen Gedichten erlesen, einen Großteil kannst du schon aus dem von dir selbst gebrachten Gedicht herauslesen. Besorg dir einfach einen Sammelband und versuchs mal mit verstehendem Lesen. Ach ja, hier mehr: R. Prutz: Theologie oder Politik? Staat oder Kirche?, 1847
http://www.payer.de/religionskritik/prutz01.htm

Hatte ich schon erwähnt, daß Prutz in der demokratisch-konstitutionellen Partei wirkte?


Und zum Schluss noch ein paar Gedichte:

Der Esel des Buridan

Rechts Heu und Klee, links Heu und Klee!
Die allerfettsten Weiden -
Dem Esel tut das Wählen weh,
er kann sich nicht entscheiden.
Er schnopert rechts, er schnopert links
und dreht sich dreimal um -
O Buridan, o Buridan,
was ist dein Esel dumm!

Rechts Gras und Korn, links Gras und Korn,
wie knurrt es ihm im Magen!
Und immer wieder geht's von vorn,
er mag die Wahl nicht wagen.
So zwischen beiden bleibt er stehn
und fällt vor Hunger um -
O Buridan, o Buridan,
was war dein Esel dumm! -

Rechts freie Presse, links Zensur,
rechts Wahrheit, links die Lüge -
Was stehen wir und grübeln nur
und haben's nicht Genüge?
Wir horchen rechts, wir horchen links
und fragen fern und nah -
O Buridan, o Buridan,
wär' doch dein Esel da!

Die Freiheit rechts, links Sklaverei,
wer könnt' es sich verhehlen!
Wir aber stehn und stehn dabei
und wissen nicht zu wählen.
So sind wir doch weit ärger noch
und dummer noch fürwahr,
o Buridan, o Buridan,
als wie dein Esel war!

(und nein, es geht nicht ums politische Rechts-Links-Schema)


Freiheit

Die Freiheit läßt sich nicht gewinnen,
sie wird von außen nicht erstrebt,
wenn nicht zuerst sie selbst tief innen,
im eignen Busen dich belebt.
Willst du den Kampf, den großen, wagen,
so setz zuerst dich selber ein:
Wer fremde Fesseln will zerschlagen,
darf nicht sein eigner Sklave sein.
Nur reinen Herzen, reinen Händen,
gebührt der Dienst im Heiligtum;
der Freiheit Werk rein zu vollenden,
dies, deutsches Volk, dies sei dein Ruhm.
Die Lüge winkt, die Schmeichler locken,
mit seiner Kette spielt der Knecht:
Du aber wandle unerschrocken,
und deine Waffe sei das Recht!


Nachts

Nun ist der Tag gesunken,
vom Berge steigt die Nacht,
und hell mit tausend Funken
die Sternlein sind erwacht.

Nun über Tal und Hügel,
herab vom Sternenzelt,
nun schwebt mit leisem Flügel
die Freiheit durch die Welt.

Sie tritt an alle Hütten,
sie pocht an jedes Tor,
sie flüstert leise Bitten
dem Schlummernden ins Ohr.

Sie weiht mit heißem Kusse
den Jüngling und den Mann
und haucht mit leisem Gruße
auch den Gefangnen an.

Sie prüft am Schwert die Schneide,
sie tritt zum Pulverfaß,
sie zählt mit stummem Neide
den Sand im Stundenglas:

Daß alle Seelen träumen,
daß alle Herzen glühn,
von Rossen, die sich bäumen,
von Taten, stolz und kühn,

daß hinter Eisengittern,
selbst der Gefangne lacht?
Daß im Palast, mit Zittern,
ein bleicher Mann erwacht!


Und speziell noch für dich:

Immer langsam voran,

Immer langsam voran,

Daß der preußische Fortschritt nachkommen kann!

Es ist ein vortreffliches Ding um den Geist,

Besonders wenn er sich hübsch still erweist –

Immer langsam voran,

Immer langsam voran,

Daß der preußische Fortschritt nachkommen kann!



http://www.zeno.org/Literatur/M/Prutz,+Robert+Eduard/Drama/Die+politische+Wochenstube/3.+Akt

:D

Moser
06.05.2009, 20:35
Absolut richtig, man sollte sich vor den Liberalen hüten!

Sieht man doch hier im Forum. Wtf und sein liberales Gefolge.