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Vollständige Version anzeigen : Vertreibung Ost vs. Vertreibung Süd



Deutschmann
24.04.2009, 16:01
Wie wir alle wissen hat ja die Sowjetarmee in den von ihnen besetzten deutschen Gebieten gewütet wie ein Berserker. Ihr Ruf eilte ihnen voraus. Daraufhin ist eine Unmenge an Menschen aus den Ostgebieten geflohen.

Jetzt stellt sich die Frage: Bei uns in BW waren die Marokkaner die "Russen des Südens". Auch ihnen eilte der Ruf voraus hemmungslos gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen - und sie haben es auch gemacht.

Warum gab es also kein Flüchtlingstreck von Süden nach Norden - nur von Osten nach Westen? Und jetzt frage ich mal ganz provokant: Warum sind die Dänen nicht nach Norwegen geflüchtet oder die Griechen in die Türkei. Warum kein Ukrainer in Kaukasus. Warum kein Elsässer an die Atlantikküste?

Den einzigen Flüchtlingsstrom den es im WK2 gegeben hat, war die Bewegung von Ost nach West. (KZ´s, Juden oder andere bitte ich jetzt mal nicht zu erwähnen)

Was meint ihr warum das so war?

Falk
24.04.2009, 16:37
Den einzigen Flüchtlingsstrom den es im WK2 gegeben hat, war die Bewegung von Ost nach West.

Was meint ihr warum das so war?

Es sollte mich sehr wundern, wenn das zu jener Zeit tatsächlich der einzige Flüchtlingsstrom gewesen wäre. Es gab - wie in jedem anderen Krieg auch - diverse Flüchtlingsströme. Von Ost nach West war vor allem der Flüchtlingsstrom, der uns im kollektiven Gedächtnis geblieben ist, weil er uns unmittelbar betraf. Was sich in anderen Gegenden abgespielt hat, haben wir doch gar nicht mitbekommen - darüber weiß man hier zum Teil erschreckend wenig. So schob allein die Wehrmacht bereits 1941 in der SU 14 Mio. Flüchtlinge von West nach Ost vor sich her.

Quelle: http://www.zeit.de/2007/25/27-Millionen-Tote

Gruß Falk

Klopperhorst
24.04.2009, 18:10
Ostdeutschland war ja kein zusammenhängend deutsch besiedeltes Gebiet. Ich denke, das instinktive Bewusstsein, zum Mutterland fliehen zu müssen (weil es ja quasi nur Kolonien waren), hat die meisten in Bewegung gesetzt.


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Falk
24.04.2009, 18:50
Ostdeutschland war ja kein zusammenhängend deutsch besiedeltes Gebiet. Ich denke, das instinktive Bewusstsein, zum Mutterland fliehen zu müssen (weil es ja quasi nur Kolonien waren), hat die meisten in Bewegung gesetzt.

Der Hauptgrund war die berechtigte Angst vor der Rache der Russen. Insofern wäre es vor allem aus logistischer Sicht wohl eher Unsinn gewesen, Richtung Osten zu fliehen.

Die - wenn man so will - "Kolonialisierung" gerade Preußens ist allerdings schon so lange her (1225), daß sie schon fast nicht mehr wahr ist. Ostpreußen war deutsch - seit über 700 Jahren. Das Hlg. Römische Reich Deutscher Nation war gerade mal 2,5 Jahrhunderte älter. Ostpreußen war auch das eigentliche preußische Kernland, und die Hautstadt Preußens war ursprünglich Königsberg - nicht Berlin. Insofern will der Begriff "Kolonien" hier nicht so recht passen.

Etwas anders liegt der Fall bei Schlesien - aber der siebenjährige Krieg war ja eigentlich auch schon 'ne halbe Ewigkeit her, und davor gehörte Schlesien zu Österreich-Ungarn...

Gruß Falk

Klopperhorst
25.04.2009, 08:59
...
Die - wenn man so will - "Kolonialisierung" gerade Preußens ist allerdings schon so lange her (1225), daß sie schon fast nicht mehr wahr ist. Ostpreußen war deutsch - seit über 700 Jahren. Das Hlg. Römische Reich Deutscher Nation war gerade mal 2,5 Jahrhunderte älter. Ostpreußen war auch das eigentliche preußische Kernland, und die Hautstadt Preußens war ursprünglich Königsberg - nicht Berlin. Insofern will der Begriff "Kolonien" hier nicht so recht passen.
...

Sicher, aber man lebte immer noch mit Polen und Slawen zusammen.

Es war nicht das homogene Gebiet, eher Satelliten, besonders Ostpreussen. Daß es geräumt werden musste, war nur eine Frage der Zeit.

Pommern war meines Erachtens auch so ein abgelegener Landstrich. Die Enklave Danzig sowieso auf verlorenem Posten. Auch die Sudetendeutschen waren sozusagen abgeschnitten. Schlesien mag ich nicht beurteilen, da ich keine Verwandtschaft daher hatte.

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Falk
25.04.2009, 11:46
Sicher, aber man lebte immer noch mit Polen und Slawen zusammen.

Mit Slawen und Balten, wenn ich klugscheißen darf ;).


Es war nicht das homogene Gebiet, eher Satelliten, besonders Ostpreussen.

Nein besonders homogen war es nicht. Besonders die Randgebiete waren ein Schmelztiegel. Sehr schön zu sehen ist das hier: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:German1910.png&filetimestamp=20071126200401

Gleichwohl hatte die Bevölkerungszusammensetzung 1939 für Gesamt-Ostdeutschland ein Verhältnis von 9.620.800 (gesamt) zu 45.600 (andere Nationalitäten = 4,7%). (Quelle) (http://de.wikipedia.org/wiki/Ostgebiete_des_Deutschen_Reiches) Die Ergebnisse der Volksabstimmung von 1920 sind in dieser Hinsicht auch sehr aufschlußreich. (Wobei ich mich gerade frage, wie das mit 14 Mio Vertriebenen zusammenpassen kann, von denen ich an anderer Stelle las.)


Daß es geräumt werden musste, war nur eine Frage der Zeit.

Interessant ist, daß offenbar nicht viel Phantasie dazu gehörte, dies vorauszusagen. Das tat z.B. Ernst Reuter auf seiner letzten Rede 1933 bevor ihn die Nazis als Magdeburger OB absägten: "Wir werden den Osten verlieren..." und weiter ging's sinngemäß: 'wenn wir nicht im Bund der Völker friedlich miteinander' usw...

Gruß Falk

Würfelqualle
04.05.2009, 12:53
Warum gab es also kein Flüchtlingstreck von Süden nach Norden - nur von Osten nach Westen? Und jetzt frage ich mal ganz provokant: Warum sind die Dänen nicht nach Norwegen geflüchtet oder die Griechen in die Türkei. Warum kein Ukrainer in Kaukasus. Warum kein Elsässer an die Atlantikküste?


Was meint ihr warum das so war?



Man wusste in Ostdeutschland, wenn die Russen kommen, dann gibts Tote und Verwüstungen. Deshalb entschloss man sich zur Flucht gen Westen.

jak_22
04.05.2009, 13:09
Aus Erzählungen meiner Tanten (um Bad Buchau aufgewachsen)
weiss ich, dass es sehr wohl Fluchtbestrebungen insbesondere
weiblicher Bevölkerung vor der französischen Soldateska gab.

Das ist allerdings nur anekdotisch und nicht empirisch mit Zahlen
belegbar. In der Nachkriegszeit gab es noch einige andere "ethnische
Bereinigungen", bzw. Vertreibungen, die in dem Durcheinander
kaum auffielen, und nur wenig oder gar nicht bewusst sind:

+ Vertreibung von Polen aus den polnischen Ostprovinzen in die
deutschen Ostgebiete durch die Sowjetarmee
+ Vertreibung von bis zu 300.000 Italienern aus Istrien
+ Verteibung von +700.000 Magyaren aus der Slowakei
+ Vertreibung der Albaner aus Griechenland

(Liste nicht vollständig, dient nur als Beispiel)


Es sollte mich sehr wundern, wenn das zu jener Zeit tatsächlich der einzige Flüchtlingsstrom gewesen wäre. Es gab - wie in jedem anderen Krieg auch - diverse Flüchtlingsströme. Von Ost nach West war vor allem der Flüchtlingsstrom, der uns im kollektiven Gedächtnis geblieben ist, weil er uns unmittelbar betraf. Was sich in anderen Gegenden abgespielt hat, haben wir doch gar nicht mitbekommen - darüber weiß man hier zum Teil erschreckend wenig. (...)

Vollkommen richtig.

Gruß

Jan