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Vollständige Version anzeigen : "Die Elite hat den Groll des Prekariats verdient."



marc
08.04.2009, 10:47
Gestern erschien auf SpOn mal wieder einer dieser Franz-Walter-Texte.
Es ging um eine Prekariats-Studie, über das untere Drittel der Gesellschaft, das ziemlich doof sei, überfordert und -das ist der wichtigste Punkt- dessen weitgehende Ablehnung heutiger Politik nicht resignierte Erkenntnis, sondern Folge von Dummheit, Überforderung, Nicht-Erkennen sei.
Nun erschien eine Erwiderung von Gabor Steingart:


Was wäre davon zu halten, wenn das Prekariat Recht hätte und der Professor irrte? Wenn die Abwendung von der Politik nicht vom Nicht-Verstehen, sondern vom Durchschauen verursacht wäre? Wenn das Zuviel an Nähe von Journalist und Politiker nicht in der Einbildung, sondern in der Wirklichkeit existierte? Wenn es der deutschen Demokratie tatsächlich an der Fähigkeit ermangelte, Probleme nicht nur zu benennen, sondern sie auch zu lösen? Das Auseinanderklaffen von Wort und Tat wird im Hartz-IV-Milieu naturgemäß eher bemerkt als in der wohltemperierten Welt des Bundesangestelltentarifs.

Ein lesenswerter Text, wie ich finde.

http://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,618088,00.html


Wenn nicht alles täuscht, dann wünscht sich das einfache Volk weder Hitler noch Jauch im Bundeskanzleramt. Es wäre mit einem zweiten Helmut Schmidt vollauf zufrieden.

Edit:
Ganz vergessen: hier der ursprüngliche Text von Walter:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,617625,00.html

jak_22
08.04.2009, 10:51
Nun, es ist ja erwiesenermassen so, das der Großteil der Varianz,
was die intellektuellen Fähigkeiten angeht, erblich ist. Und da die
Akademiker sich im Vergleich weniger häufig fortpflanzen als die
"spezieller Begabten", ist eine fortschreitende Verdummung der
Gesellschaft eine natürliche, logische, und durch Zahlen belegbare
Folge. Verstärkt wird dieses Phänomen durch die Zuwanderung
wiederum geistig im Schnitt weniger leistungsfähigeren Schichten,
die sich ihrerseits überproportional reproduzieren.

In diesem Sinne ist der Eingangsthese durchaus zuzustimmen, und
die Erwiderung Steingarts nicht zu halten.

Mit einem zweiten Helmut Schmidt könnte ich mich dagegen anfreunden.

Er müsste vorher allerdings 90% seinjer Partei entlassen, oder
eine neue gründen, denn in der gegenwärtigen SPD wäre er nicht
mehr zu Hause.

Mütterchen
08.04.2009, 10:58
Den Artikel finde ich auch interessant.

Ich habe noch eine Frage - ich weiß nicht richtig, wie ich Prekariat, unterstes Drittel, kleine Leute einordnen soll.
Wer zählt dazu?
Wie wird sowas eingestuft? Nach Bildung? Einkommen? Ab wann zählt man denn zum untersten Drittel? Sobald man arbeitslos ist? Wenn man unter einem bestimmten Bildungsniveau liegt?

Edit: Ich hatte ganz vergessen: Intelligenz? Sozialkompetenz? Sind das alles Faktoren, die zählen?

FranzKonz
08.04.2009, 10:59
Ein lesenswerter Text, wie ich finde.
Eine grauenhafte Untertreibung. Dein Kommentar, nicht der Text. ;)

FranzKonz
08.04.2009, 11:02
Den Artikel finde ich auch interessant.

Ich habe noch eine Frage - ich weiß nicht richtig, wie ich Prekariat, unterstes Drittel, kleine Leute einordnen soll.
Wer zählt dazu?
Wie wird sowas eingestuft? Nach Bildung? Einkommen? Ab wann zählt man denn zum untersten Drittel? Sobald man arbeitslos ist? Wenn man unter einem bestimmten Bildungsniveau liegt?

In dem Zusammenhang sind wohl diejenigen gemeint, deren Bildung und Verstand vermeintlich nicht ausreichen, die komplexen Zusammenhänge der heutigen Welt zu verstehen. Also Du und ich.

henriof9
08.04.2009, 11:12
Den Artikel finde ich auch interessant.

Ich habe noch eine Frage - ich weiß nicht richtig, wie ich Prekariat, unterstes Drittel, kleine Leute einordnen soll.
Wer zählt dazu?
Wie wird sowas eingestuft? Nach Bildung? Einkommen? Ab wann zählt man denn zum untersten Drittel? Sobald man arbeitslos ist? Wenn man unter einem bestimmten Bildungsniveau liegt?

Edit: Ich hatte ganz vergessen: Intelligenz? Sozialkompetenz? Sind das alles Faktoren, die zählen?

Da driftet Theorie und Praxis wiedereinmal auseinander.

In der Soziologie wird der Begriff in etwas so erklärt ( aus Wiki ) :


Betroffen sind einkommensschwache Selbstständige, Arbeiter und teilweise auch Angestellte auf Zeit, Praktikanten, auch chronisch Kranke, Alleinerziehende, Zeitarbeitnehmer und Langzeitarbeitslose, aber zunehmend auch in wissenschaftlichen Arbeitsverhältnissen Angestellte.
Prekariat definiert keine sozial homogene Gruppierung.

Umgangssprachlich wird auf problematische Personen der abwertende Begriff „Asoziale” („Asi”) und in Massenmedien auf einkommensschwache Personen auch der wissenschaftlich nicht exakte Begriff „Neue Unterschicht” angewendet. Diese Begriffe werden synonym benutzt. Viele Soziologen ordnen diese Begriffe jedoch anders zu bzw. lehnen sie als zu plakativ und unpräzise ab.


Was nun das Thema betrifft, halte ich es für arrogant dem so gen. Prekariat zu unterstellen, daß es zu dumm ist die Zusammenhänge zu begreifen.
Schließlich reicht es für viele Dinge, wenn man sein Hirn einschaltet und 1 + 1 zusammenzählt.

Meiner Meinung nach wird diese Ausrede nämlich gern dafür benutzt, damit sich die Politik und wer sonst noch alles damit zu tun hat, nicht eingestehen muß, daß sie reichlich Mist verzapfen und sich um die wirklichen Belange der Bevölkerung ( des Volkes ) nicht wirklich kümmern können oder wollen.
Auch kann man es super als Ausrede verwenden, wenn man nicht in der Lage ist die Zusammenhänge wahrheitsgemäß zu erklären.

Ich erinnere mich daran, daß z.B. Oskar Lafontaine mal äußerte, daß das Volk es nicht versteht. Ich weiß nur leider nichtmehr in welchem Zusammenhang er dies sagte.

Lichtblau
08.04.2009, 11:26
Die Schaffung einer Unterschicht war politisch gewollt.
Die Politiker wollten damit das Problem der Arbeitslosigkeit, auf Kosten der einfachen Menschen, lösen, da sie sich an internationale Wirtschaftsreformen nicht herangetraut haben.

Die Elite hat den Hass des Prekariats tatsächlich verdient, und muss aufpassen das ihre Schäfchen nicht mit scharfen Krallen aufwachen.

marc
08.04.2009, 11:26
Ich habe noch eine Frage - ich weiß nicht richtig, wie ich Prekariat, unterstes Drittel, kleine Leute einordnen soll.
Wer zählt dazu?
Wie wird sowas eingestuft? Nach Bildung? Einkommen? Ab wann zählt man denn zum untersten Drittel? Sobald man arbeitslos ist? Wenn man unter einem bestimmten Bildungsniveau liegt?

Hah, ja; da fangen die Diskussionen an.
Nach EU-Norm bist du z.B. arm, wenn dir weniger als 60% des Durchschnittseinkommens zur Verfügung steht.
D.h.: wenn Bill Gates Deutscher werden würde, würde es auch mehr Armut geben.

Ansonsten sind die Begriffe oft nicht scharf voneinander abgetrennt oder sehr deutlich definiert. Teilweise werden sie sogar unterschiedlich benutzt.
Bei Marx gab es neben dem Proletariat noch das "Lumpenproletariat", also z.B. Bettler und Nutten, aktuell war dann "Prekariat" (Zeitarbeiter, Aufstocker) und "abgehängtes Prekariat" (Arbeitslose ohne Schulabschluß), dann gab's noch das "abgekoppelte Prekariat" und die "Neue Unterschicht", die etwas vornehmer klingt.

Normalerweise fallen unter "Prekariat" Arbeitslose und Zeitarbeiter, Aufstocker und "ungeschützt arbeitende". Dann stellt sich natürlich die Frage, was du mit irgendwelchen Selbstständigen machst, "Kreativen" oder so, die ebenfalls "ungeschützt" arbeiten und kaum was verdienen. So kam es dann irgendwann zum Begriff des "intellektuellen Prekariats"; die ganzen Kleinkünstler aus Kreuzberg und so.

Aktuell wichtig war ja diese Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die ziemlichen Wirbel verursacht hat:
http://www.fes.de/aktuell/documents/061017_Gesellschaft_im_Reformprozess_komplett.pdf


Die „Drei-Drittel-Gesellschaft“

Alles in allem zeigt sich das Bild einer Drei-Drittel-Gesellschaft. Die Menschen im „oberen“ Drittel haben
recht gesicherte Chancen und Lebensperspektiven. Allerdings ist dieses Drittel politisch gespalten zwischen
eher linksliberalen (Kritische Bildungseliten, Engagiertes Bürgertum) und liberalkonservativen (Leistungsin-
dividualisten, Etablierte Leistungsträger) Gruppen. In der „Mitte“ der Gesellschaft ist die Verunsicherung
längst angekommen. Je nachdem wie die eigenen Chancen aussehen und die politischen Orientierungen sind,
stehen die Gruppen dem Wandel aufgeschlossen (Zufriedene Aufsteiger) oder skeptischer (Bedrohte Arbeit-
nehmermitte) gegenüber. Im „unteren“ Bereich (Selbstgenügsame Traditionalisten, Autoritätsorientierte Ge-
ringqualifizierte) wächst die Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Realitäten und der Politik sowie das
Risiko der sozialen und politischen Abkopplung (Abgehängtes Prekariat). In allen drei Dritteln gilt jedoch,
dass bestimmte Grundwerte wie „soziale Gerechtigkeit“ besonders wichtig sind. Die (nicht einfache) strategi-
sche Herausforderung liegt darin, die solidarischen Gruppen im oberen Teil der Gesellschaft, die verunsicher-
te Arbeitnehmermitte und die erreichbaren Gruppen im unteren Bereich politisch zu integrieren.


Die politischen Typen in der Übersicht

Die Untersuchung kommt zu neun „Politischen Typen“ nach ihren politischen Wertevorstellungen und
Einstellungen:

Die Leistungsindividualisten (11 % Anteil an der Wahlbevölkerung) sind Gegner staatlicher Eingrif-
fe und wollen eine Gesellschaft, die sich in erster Linie am Leistungsprinzip orientiert. Zwei Drittel
sind männlich. Politisch bevorzugen sie das bürgerliche Lager und überdurchschnittlich die FDP.

Die Etablierten Leistungsträger (15%) repräsentieren vor allem das kleinstädtische gehobene (libe-
ral-)konservative Milieu. Sie sind stark leistungsorientiert, elitebewusst und haben eine überdurch-
schnittliche Bindung an die Union.

Die Kritischen Bildungseliten (9%) stellen die politisch am weitesten links stehende, jüngste und
zugleich qualifizierteste Gruppe dar. Die Kritischen Bildungseliten haben den höchsten Anteil partei-
und gesellschaftspolitisch Aktiver. Über vier Fünftel von ihnen wählen eine der drei linken Parteien,
die gegenwärtig im Deutschen Bundestag vertreten sind.

Das Engagierte Bürgertum (10%) ist ein weiteres, wenn auch stärker bürgerliches rot-grünes Kern-
milieu. Frauen sowie qualifizierte Beschäftigte im öffentlichen Dienst sowie sozio-kulturelle Berufe
sind stark überdurchschnittlich vertreten. Von allen Typen wird die SPD vom Engagierten Bürgertum
am besten bewertet.

Die Zufriedenen Aufsteiger (13%) stehen für eine leistungsorientierte moderne Arbeitnehmermitte.
Sie kommen überwiegend aus einfacheren Verhältnissen, nehmen aber nun durch ihren eigenen Auf-
stieg eine Position in der gesellschaftlichen Mitte ein. Politisch neigen sie überproportional zur Union,
ein gutes Drittel tendiert aber auch zur SPD.

Die Bedrohte Arbeitnehmermitte (16%) repräsentiert die vor allem (klein-)städtische und stärker
industriell geprägte Arbeitnehmerschaft. Hinsichtlich der Parteipräferenz ist eine starke SPD-
Orientierung festzustellen, allerdings gibt es auch eine Offenheit für die Union und zunehmend (aus
Enttäuschung über die SPD) für die Linkspartei.

Die Selbstgenügsamen Traditionalisten (11%) sind von allen Gruppen am stärksten auf die beiden Volks-
parteien ausgerichtet. Sie sind stark an Konventionen orientiert und wollen einen regulierenden Staat. Der
Politik wird wenig Vertrauen entgegengebracht, auch, weil viele Prozesse nicht mehr verstanden werden.

Die Autoritätsorientierten Geringqualifizierten (7%) sind die am stärksten autoritär-ethnozentris-
tisch eingestellte Gruppe. Aus meist einfachen Verhältnissen kommend, wurde ein „Aufstieg im Klei-
nen“ erreicht. Ihre überdurchschnittliche Zustimmung zur SPD geht einher mit einer fundamentalisti-
schen Ablehnung der Grünen und ihrer politischen Vorstellungen

Das Abgehängte Prekariat (8%) ist geprägt von sozialem Ausschluss und Abstiegserfahrungen. Die-
se Gruppe hat einen hohen Anteil berufsaktiver Altersgruppen, weist den höchsten Anteil an Arbeits-
losen auf und ist zugleich ein stark ostdeutsch und männlich dominierter Typ. Mit der Großen Koaliti-
on sind sie in hohem Maße unzufrieden. Nichtwähler sind ebenso überproportional vertreten wie Wäh-
ler der Linkspartei und rechtsextremer Parteien.

Kreuzbube
08.04.2009, 11:28
Den Artikel finde ich auch interessant.

Ich habe noch eine Frage - ich weiß nicht richtig, wie ich Prekariat, unterstes Drittel, kleine Leute einordnen soll.
Wer zählt dazu?
Wie wird sowas eingestuft? Nach Bildung? Einkommen? Ab wann zählt man denn zum untersten Drittel? Sobald man arbeitslos ist? Wenn man unter einem bestimmten Bildungsniveau liegt?

Edit: Ich hatte ganz vergessen: Intelligenz? Sozialkompetenz? Sind das alles Faktoren, die zählen?

Faustregel: Wenn man mehr als zwei Tätowierungen hat, mehr als zwei Flaschen Bier am Tag trinkt und in einem Satz mehr als zwei Fehler macht!:)):ironie:

politisch Verfolgter
08.04.2009, 12:05
Ab welchem "mentalen %Rang" ist man 'Elite'?
Oder hat das damit nix zu tun?

Bergischer Löwe
08.04.2009, 12:14
Hah, ja; da fangen die Diskussionen an.
Nach EU-Norm bist du z.B. arm, wenn dir weniger als 60% des Durchschnittseinkommens zur Verfügung steht.
D.h.: wenn Bill Gates Deutscher werden würde, würde es auch mehr Armut geben.

Ansonsten sind die Begriffe oft nicht scharf voneinander abgetrennt oder sehr deutlich definiert. Teilweise werden sie sogar unterschiedlich benutzt.
Bei Marx gab es neben dem Proletariat noch das "Lumpenproletariat", also z.B. Bettler und Nutten, aktuell war dann "Prekariat" (Zeitarbeiter, Aufstocker) und "abgehängtes Prekariat" (Arbeitslose ohne Schulabschluß), dann gab's noch das "abgekoppelte Prekariat" und die "Neue Unterschicht", die etwas vornehmer klingt.

Normalerweise fallen unter "Prekariat" Arbeitslose und Zeitarbeiter, Aufstocker und "ungeschützt arbeitende". Dann stellt sich natürlich die Frage, was du mit irgendwelchen Selbstständigen machst, "Kreativen" oder so, die ebenfalls "ungeschützt" arbeiten und kaum was verdienen. So kam es dann irgendwann zum Begriff des "intellektuellen Prekariats"; die ganzen Kleinkünstler aus Kreuzberg und so.

Aktuell wichtig war ja diese Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die ziemlichen Wirbel verursacht hat:
http://www.fes.de/aktuell/documents/061017_Gesellschaft_im_Reformprozess_komplett.pdf

Sehr interessante Studie. Zwar ein bißchen in der Wolle gefärbt (Na, FES eben) aber trotzdem lesenswert.

Stadtknecht
08.04.2009, 12:19
Faustregel: Wenn man mehr als zwei Tätowierungen hat, mehr als zwei Flaschen Bier am Tag trinkt und in einem Satz mehr als zwei Fehler macht!:)):ironie:

Oder Kinder hat, die Mandy, Sandy, Silvio oder Ronny heißen, eine Vokuhila-Frisur trägt, mehr als zwei Handys besitzt, alle mittäglichen Talkshows kennt und gerne Freizeitparks besucht.

politisch Verfolgter
08.04.2009, 12:21
Arbeitsgesetzlich ist eine Leistungsunterbindungsgesellschaft politisch gewollt.
Die Eink./Verm.-Verteilung hat mit der mentalen Verteilung nichts zu tun, was mir Wissenschaftler (Ökonomen, Juristen, Soziologen und Neurologen) immer wieder bestätigen.
Daher nenne ich den Sozialstaat Idiotenzwinger.
Per Gesetz wird es so erzwungen.

henriof9
08.04.2009, 15:48
Oder Kinder hat, die Mandy, Sandy, Silvio oder Ronny heißen, eine Vokuhila-Frisur trägt, mehr als zwei Handys besitzt, alle mittäglichen Talkshows kennt und gerne Freizeitparks besucht.

Was bitte ist denn eine Vokuhila-Frisur ??(

jak_22
08.04.2009, 15:50
Was bitte ist denn eine Vokuhila-Frisur ??(

Vorne kurz, hinten lang. Meist noch mit Oliba (Oberlippenbart) ergänzt.

http://www.saschi.com/spoekes/foosball_web/thumbnails/065_foosball.jpg

henriof9
08.04.2009, 16:08
Vorne kurz, hinten lang. Meist noch mit Oliba (Oberlippenbart) ergänzt.

http://www.saschi.com/spoekes/foosball_web/thumbnails/065_foosball.jpg

:lach::lach:

Aber der auf dem Foto sieht weniger nach Prekariat aus, eher nach " Ich bin Mr. Unwiederstehlich ".

bernhard44
08.04.2009, 16:20
früher waren es die Märchen und Sagen die einen wahren Kern hatten und so Stimmungen transportierten und Verhaltensweisen prägten. Heute sind es die Stammtische! Oft übertrieben, mit hinzugedichteten oder weggelassenen Fakten aber meist mit wahrem Bezug!
Das Volk ist nicht so dumm wie es unsere Politiker gern hätten, nein sie sind es, die in einer Scheinwelt, fern der Realität leben und denken!

Klopperhorst
08.04.2009, 16:56
Ab welchem "mentalen %Rang" ist man 'Elite'?
Oder hat das damit nix zu tun?


Menschenkenntnis z.B. ist viel wichtiger für eine Elite. Jemand, der andere für sich einspannen kann, ist ja auch begabt und irgendwie sogar intelligenter als so ein arbeitsloser Tropf, wie du es bist, der andere nicht für sich arbeiten lassen kann.

Elite nur auf den Mentalrang reduzieren zu wollen, gleicht einer Ausblendung der sozialen und biologischen Wirklichkeit.


---

Mütterchen
08.04.2009, 18:45
Hah, ja; da fangen die Diskussionen an.
Nach EU-Norm bist du z.B. arm, wenn dir weniger als 60% des Durchschnittseinkommens zur Verfügung steht.
D.h.: wenn Bill Gates Deutscher werden würde, würde es auch mehr Armut geben.

Ansonsten sind die Begriffe oft nicht scharf voneinander abgetrennt oder sehr deutlich definiert. Teilweise werden sie sogar unterschiedlich benutzt.
Bei Marx gab es neben dem Proletariat noch das "Lumpenproletariat", also z.B. Bettler und Nutten, aktuell war dann "Prekariat" (Zeitarbeiter, Aufstocker) und "abgehängtes Prekariat" (Arbeitslose ohne Schulabschluß), dann gab's noch das "abgekoppelte Prekariat" und die "Neue Unterschicht", die etwas vornehmer klingt.

Normalerweise fallen unter "Prekariat" Arbeitslose und Zeitarbeiter, Aufstocker und "ungeschützt arbeitende". Dann stellt sich natürlich die Frage, was du mit irgendwelchen Selbstständigen machst, "Kreativen" oder so, die ebenfalls "ungeschützt" arbeiten und kaum was verdienen. So kam es dann irgendwann zum Begriff des "intellektuellen Prekariats"; die ganzen Kleinkünstler aus Kreuzberg und so.

Aktuell wichtig war ja diese Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die ziemlichen Wirbel verursacht hat:
http://www.fes.de/aktuell/documents/061017_Gesellschaft_im_Reformprozess_komplett.pdf

Vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort, marc.

Ich habe die beiden von dir verlinkten Artikel ja gelesen.

Mit dem ersten Text ( Walter) komme ich ich nicht klar. Zum einen, weil der Autor da aus wirklich großer Distanz zu schreiben scheint. Naja, ich stehe dem unteren Drittel der Gesellschaft sicher auch näher als der Autor, vielleicht befremdet mich daher seine distanzierte Beobachtungsweise. Es liest sich ein bisschen,als schreibe er über fremde Völker oder eine merkwürdige Spezies, finde ich. Auch die Ausdrucksweise: unterstes Segment der Gesellschaft klingt für mich sehr überheblich.

Ich bin mir auch immer noch nicht über den Begriff Prekariat im Klaren. Das unterste Drittel der Gesellschaft, das wären gute 30%.
Du, marc hast den Begriff vor allem am Gehalt festgemacht. An Armut. ( weniger als 60% des Durchschnitts).
@Kreuzbube hat einen Prekariats-Zugehörigen mit Tattoo und Bierflasche gezeichnet, @ Stadtknecht hat etwas Ähnliches skizziert.
@henriof 9 hat aus Wiki zitiert, demnach sind es auch eher Arme und Leute, die man als asozial wertet ->neue Unterschicht.

Das wären, nach der Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung, demnach
autoritätshörige Geringqualifizierte (7%) und das abgehängtes Prekariat (8%).
Was dann 15% wären. Im Walter-Text wird aber von guten 30% gesprochen. Und das liest sich auch eher so, als seien z.B auch Arbeiter, kleine Angestellte (und die Rentner, die mal diese Jobs hatten), Prekariat, unterstes Segment unserer Gesellschaft. Also Leute, die i eine Ausbildung haben, arbeiten oder gearbeitet haben, ihre Steuern zahlen.

Gärtner
08.04.2009, 18:54
Gestern erschien auf SpOn mal wieder einer dieser Franz-Walter-Texte.
Es ging um eine Prekariats-Studie, über das untere Drittel der Gesellschaft, das ziemlich doof sei, überfordert und -das ist der wichtigste Punkt- dessen weitgehende Ablehnung heutiger Politik nicht resignierte Erkenntnis, sondern Folge von Dummheit, Überforderung, Nicht-Erkennen sei.
Nun erschien eine Erwiderung von Gabor Steingart:

Ein lesenswerter Text, wie ich finde.

http://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,618088,00.html

http://img376.imageshack.us/img376/2565/56705739qs2.jpga, manchmal kann mich der Steingart richtig überraschen. Er erholt sich offensichtlich, nachdem er letztes Jahr noch in Dutzenden Artikeln aus Washington Zeugnis von seiner Kurzsichtigkeit gegegeben hatte und erst Hillary Clinton und dann John McCain den sicheren Sieg gegen einen vorgeblich chancen- und konzeptlosen Obama prophezeite.

Zum Stranghema: es gab letzten Monat in den FAZ-Blogs einen höchst lesenwerten EIntrag mit einer noch lesenswerteren Debatte im Anschluß:


Klassenkampf oder was davon übrig ist

Ich denke, die meisten Klassiker des kommunistischen Denkens habe ich gelesen; die russische Revolution von Trotzki und Stalins Linguistikbriefe, Lenins Was tun und natürlich auch den Anarchisten Bakunin. Diese Leute waren gar nicht dumm, die waren wirklich klug, und lebten sie noch, würde ich ihre Werke sicher nicht so bequem auf meiner Terrasse mit Bergblick lesen. Aber sie sind tot, und ihre in Internet jaulenden Nachfolger... ich glaube, zumindest Trotzki würde vermutlich lieber mit mir plaudern, statt mit solchen Leuten gemein zu machen.
Weiterlesen! (http://faz-community.faz.net/blogs/stuetzen/archive/2009/03/18/klassenkampf-oder-was-davon-uebrig-ist.aspx)

Kreuzbube
08.04.2009, 19:01
Oder Kinder hat, die Mandy, Sandy, Silvio oder Ronny heißen, eine Vokuhila-Frisur trägt, mehr als zwei Handys besitzt, alle mittäglichen Talkshows kennt und gerne Freizeitparks besucht.

Das ist aber sehr pauschalisierend!:)

jak_22
08.04.2009, 19:05
:lach::lach:

Aber der auf dem Foto sieht weniger nach Prekariat aus, eher nach " Ich bin Mr. Unwiederstehlich ".

Das ist übrigens Manfred "Manni" Kaltz, einer der besten rechten
Aussenverteidiger seiner Zeit, ein Flankengott und tödlich vom
Elfmeterpunkt. Spielte in der großen HSV-Mannschaft mit Magath,
Hrubesch usw.

Aber die Frisuren dieser Zeit waren einfach Scheiße.

marc
08.04.2009, 20:36
Zum Stranghema: es gab letzten Monat in den FAZ-Blogs einen höchst lesenwerten EIntrag mit einer noch lesenswerteren Debatte im Anschluß:


Ich denke, die meisten Klassiker des kommunistischen Denkens habe ich gelesen; die russische Revolution von Trotzki und Stalins Linguistikbriefe, Lenins Was tun und natürlich auch den Anarchisten Bakunin. Diese Leute waren gar nicht dumm, die waren wirklich klug, und lebten sie noch, würde ich ihre Werke sicher nicht so bequem auf meiner Terrasse mit Bergblick lesen. Aber sie sind tot, und ihre in Internet jaulenden Nachfolger... ich glaube, zumindest Trotzki würde vermutlich lieber mit mir plaudern, statt mit solchen Leuten gemein zu machen.

Weiterlesen! (http://faz-community.faz.net/blogs/stuetzen/archive/2009/03/18/klassenkampf-oder-was-davon-uebrig-ist.aspx)

Ja, das ist zweifellos ein interessanter Text, für dessen Verlinkung ich dir gleich einen Grünen geben werde.
Emotional hat er ein etwas indifferentes Unbehagen bei mir ausgelöst - rational weiß ich noch nicht recht, wie ich ihn (und dessen Verfasser) einschätzen soll.

Allerdings habe ich jetzt spontan auch Zweifel, dass der Verfasser erstens "die meisten Klassiker des kommunistischen Denkens" gelesen hat,
und daran anschließend zweitens, dass sich der Zustand "der da Unten" hinsichtlich derjenigen Kriterien, auf die der Blogger anspielt ("Warum machen sie bei DSDS mit, statt Revolution zu machen?") so grundsätzlich verändert hat.

Zum ersten Zweifel: ob Lenin den Marxismus neu interpretiert, der Zeit angepasst, weiterentwickelt oder missbraucht hat, sei jetzt mal dahingestellt - aber er ging davon aus, und das betont er schon in "Was tun?", dass das Proletariat nicht von sich heraus zu der "selbstständigen Bewegung" heranwachsen würde, an die Marx geglaubt hat.
Das entsprechende (Klassen-)Bewußtsein müsse erst von außen, von "der Intelligenz" an sie herangetragen werden.
(Man braucht jetzt keine Ahnung von Geschichte zu haben, um zu erkennen, wie gefährlich so ein Gedanke werden kann.)

Es ist also nicht immer leicht, diese ganzen Marxisten zu charakterisieren.
Marx selber hat sich ja auch sehr negativ über die blöden Arbeiter geäußert, und diese Mischung aus Verachtung und Solidarisierung, die findet man oft bei ihnen. (Im Grunde bei allen Revolutionären und solchen, die das seien wollen.)

Heute gibt es in der Regel nur die Verachtung oder die Solidarisierung.
Die Erregung, das Erstaunen über den mangelnden Aktivismus der da Unten ist aber jedenfalls nicht neu.
(Und dass Linkspartei zur Zeit keinen wachsenden Zuspruch erfährt, liegt sicher nicht an ihren wirtschaftlichen Positionen, sondern an ihren gesellschaftspolitischen.)

Neben diesem Punkt aus dem Marxismus-Leninismus müsste man noch auf den Neomarxismus verweisen, den man meiner Meinung nach unbedingt braucht, falls man das Verlangen verspürt, den Marxismus irgendwie in die Gegenwart zu retten, oder eine wenigstens "innere Logik" in der Gegenwart zu erhalten. Ich hatte hier auch mal n' Diskussion über Adorno, dem ja auch oft Arroganz und der elitäre Habitus vorgeworfen wird. Damals schrieb ich:


Hier lohnt ein Blick darauf, was Adorno eigentlich wollte und darauf, was diejenigen getan haben, die sich von derlei Ansichten beeinflußen liessen: Maurizio Pollini, Luigi Nono, Claudio Abbado usw usf. -was haben die denn getan? Die haben kostenlose Konzerte für Arbeiter gegeben, an Universitäten, in Fabriken, Schulen - die sind rausgegangen und wussten, dass sie da etwas in den Händen hatten, das wertvoller war als Schnulzen und Schlager, die aus Adornoscher Sicht nur Scharniermittel für das herrschende System waren, gleichzeitig Folge des Tauschprinzips (Kulturindustrie) und gleichzeitig ein Grund, warum dieses System überhaupt am Leben bleibt: Brot und Spiele. Tittytainment. Das ist für mich nicht elitär - im Gegenteil!

Elitär sind die heutigen Ökospießer, die auf Lebenszeit verbeamtet in ihrem Penthouse sitzen, dann gemütlich den Ströbele wählen und hinter ihrer angeblichen Toleranz nur Abschottung und Segretation verbergen. Die früheren Linken waren von ihrem Habitus her vielleicht elitär, aber sie wollten diese Grenzen insofern aufreißen, weil sie die Arbeiterklasse, das Proletariat, den Pöbel wie auch immer heben wollten - die heutigen Linken senken sich nieder, klatschen zu "Gib mir ma n Flasche Bier" und verkaufen das dann noch als "Volksnähe" die eigentlich nichts anderes ist, als die subtile Fundamentierung der Unmündigkeit.

Das meinte ich mit: "Heute gibt es entweder Verachtung oder Solidarisierung."
Wobei es im Grunde schon eine verhunzte, karikierte oder schlichtweg vorgetäusche Solidarisierung ist.

Und ja - wie in dem Zitat gesagt: der Neomarxismus ist gerade dann wichtig, wenn man einerseits auf die marxistischen Klassiker anspielt, das nicht-vorhandene Engagement und andererseits auf den TV-Trash. Nach Horkheimer und Adorno nämlich "Kulturindustrie", Schmierfett eines in sich widersprüchlichen Systems. Und auch deshalb komme es nicht zu dem, was Marx vorhergesagt hat.

Fun ist ein Stahlbad. Die Vergnügungsindustrie verordnet es unablässig. Lachen wird in ihr zum Instrument des Betrugs am Glück.
Vergnügtsein heißt Einverstandensein. Vergnügen heißt allemal: nicht daran denken müssen, das Leiden vergessen, noch wo es gezeigt wird. Ohnmacht liegt ihm zu Grunde. Es ist in der Tat Flucht, aber nicht, wie es selbst behauptet, vor der schlechten Realität, sondern vor dem letzten Gedanken an Widerstand, den jene noch übriggelassen hat.

Naja, es gebe jetzt noch viel zu zu sagen, um von Neomarxismus, der sich weiter auch dadurch vom klassischen Marxismus unterschied, dass er von steigendem materiellen Wohlstand für Arbeiter ausging, zum heutigen Zustand kommen, wo Begriffe wie "Proletariat" nicht mehr sinnvoll anzuwenden sind - zu einem allgm. Pessimismus ggü. "großen Ideen" etc. etc. eigentlich weiß ich auch gar nicht, warum ich dich jetzt damit volltexte :D, aber es ist 21:30 und ich muss jetzt ncohmal schnell zum Supermarkt.
:P

Pandulf
08.04.2009, 21:08
Auf dieser Welt geht es nur darum Probleme zu lösen. Das Establishment in Europa besteht aber nicht aus Pragmatikern, sondern aus Ideologen. Und zwar Ideologen des Linksliberalismus. Wenn eine Ideologie keinen Nutzen mehr hier in der Welt schafft, desertieren die Angeführten. Erst die unteren Schichten und dann kriegsentscheidend die Mittelschicht. Vor dieser Phase stehen wir im Westen. Die Wut der Unterschicht wird zur Wut der Mittelschicht. Das Ende der Vorherrschaft des Linksliberalismus ist nicht mehr fern, da das Establishment keine Antworten mehr auf die Probleme hat, die es selbst geschaffen hat.

Margrit
08.04.2009, 21:49
Gestern erschien auf SpOn mal wieder einer dieser Franz-Walter-Texte.
Es ging um eine Prekariats-Studie, über das untere Drittel der Gesellschaft, das ziemlich doof sei, überfordert und -das ist der wichtigste Punkt- dessen weitgehende Ablehnung heutiger Politik nicht resignierte Erkenntnis, sondern Folge von Dummheit, Überforderung, Nicht-Erkennen sei.
Nun erschien eine Erwiderung von Gabor Steingart:



Ein lesenswerter Text, wie ich finde.

http://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,618088,00.html



Edit:
Ganz vergessen: hier der ursprüngliche Text von Walter:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,617625,00.html



Du schmeißt was durcheinadner. Das einfache Volk ist nicht unbedingt das Prekariat.

Das Prekariat wurde ja angesprochen und das kann mit einem Helmut Schmidt ncihts anfangen.
Das Prekariat würde sehr wohl einen 2.Hitler wählen, wenn der ihnen das Heil verspricht.
So wie jetzt die Linken dieals einziges Programm haben die Sätze von Hartz IV zu erhöhen.
Für die unterste Unterschichtmutti, 22 Jahre, 4 Kinder von 4 verschiedenen Männer, ist das doch ein tolle Botschaft
Zu mehr reicht der Verstand nicht

derRevisor
08.04.2009, 23:11
http://img376.imageshack.us/img376/2565/56705739qs2.jpga, manchmal kann mich der Steingart richtig überraschen. Er erholt sich offensichtlich, nachdem er letztes Jahr noch in Dutzenden Artikeln aus Washington Zeugnis von seiner Kurzsichtigkeit gegegeben hatte und erst Hillary Clinton und dann John McCain den sicheren Sieg gegen einen vorgeblich chancen- und konzeptlosen Obama prophezeite.

Zum Stranghema: es gab letzten Monat in den FAZ-Blogs einen höchst lesenwerten EIntrag mit einer noch lesenswerteren Debatte im Anschluß:


Weiterlesen! (http://faz-community.faz.net/blogs/stuetzen/archive/2009/03/18/klassenkampf-oder-was-davon-uebrig-ist.aspx)

Der Gelehrte kennt also Don Alphonso.

Wie gern würde ich euch mal im verbalen Zweikampf sehen :D

Ganz empfehlenswert ist von Ihm übrigens auch

http://faz-community.faz.net/blogs/stuetzen/archive/2009/02/11/vom-ende-der-reichen-russen.aspx