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Vollständige Version anzeigen : "Nea Stoa oder was?" - welches Wertesystem brauchen und wollen wir?



Beverly
05.03.2009, 12:20
Immer, wenn die Rede auf eines der bestehenden "Wertesysteme" - Religion. "Identität", Weltanschauung - kommt, geschieht Folgendes:

1. Vielen ist klar, dass sie verarscht werden. Von allen. Mit wachsender Geistlosigkeit und immer größerer Dreistigkeit X( !

2. Viele flüchten aus Protest gegen die in ihrer Gesellschaft herrschende Ideologie in eine möglichst konträre Ideologie. Im atheistischen Staatssozialismus rannten sie in die Kirche, im iranischen Gottesstaat werden sie zu Atheisten.

3. Die Flucht in eine Gegenideologie - 2. - ist immer eine Illusion.

Für mich offenbar aus der Flucht aus dem gottlosen Sozialismus in die Religion, aber sogar bei atheistischen Iranern sind mir 1-2mal Zweifel gekommen. Konkret - bezogen auf den Glaubenstrerror - haben sie ja Recht, ihre "Theokratie" zum Teufel zu wünschen. Aber diesbezüglich hatten auch polnischen Katholiken Recht, die im Staatssozialismus ein ihnen aufgezwungenes System sahen.

4. Wenn infolge von 3. die Gegenideologie gesiegt hat, kommt der große Katzenjammer. Polen nach dem Kommunismus ist anders, aber nicht besser als vor dem Kommunismus.

5. Es kann sogar zur Gegenbewegung der Gegenbewegung kommen.
Aus Protest gegen die korrupte Religion der Vormoderne entstand der moderne Säkularismus und Agnostizismus. Aus Protest gegen die korrupte Moderne entstehen religiöse Gegenbewegungen. Wenn die Einfluss gewinnen, züchten sie ihrerseits wieder radikale Atheisten als ihre Gegebewegung.

In 1. bis 5. offenbart sich ein heilloses Chaos, aufgrund dessen man die Frage

"Welches Wertesystem brauchen wir?"

am liebsten mit "Keins!" antworten will.

Diese Antwort hat auch Charles Manson gegeben. Oder Adolf Hilter. Der Serienmörder John Gacy. Das "'Wirken" solcher Gestalten lässt zwei Schlüsse zu:

1. Jeder Verzicht auf ein Wertesystem - bei Manson und Gacy - führt zu totaler Willkür jedes gegen jeden. Anstatt ohne die "blöden Ideologien" zu Freiheit und Erkenntnis zu gelangen, lebt man in Angst und Unsicherheit.

2. Der Verzicht auf ein Wertesystem, das diesen Namen verdient, hat im Falle von Hitlers Herrschaft zu einer anderen und ungleich brutaleren Form des Zwangs geführt. Jesus zwingt einen, die niederen Instinkte zu unterdrücken, wenn er Nächstenliebe fordert. Hitler zwingt einem ein Leben im Kampf und ständiger Angst - denn man kann ja verlieren - auf, wenn er fordert, die niederen Instinkte als Teil eines Kollektivs voll aus zu leben.

Derzeit ist meines Erachtens eine light-Version des Verzichtes auf Wertesysteme prägend für die modernen Gesellschaften. Man will nicht wie der A. H. oder Manson als Monster mit Blut an den Händen da stehen. Man will sich aber auch keinen "Werten", egal welcher Art, in irgendeiner Weise unterordnen.

Deswegen gibt es Folgendes:

1. Geschichte wird als ziellos, richtungslos dargestellt, als Prozess nicht zu hinterfragender "sozialer Evolution" im "freien Spiel der Kräfte".
2. Um Entgleisungen wie bei Hitler oder Manson zu vermeiden, sind die "Spielregeln" da. Sie vermeiden dysfunktionale und peinliche Amokläufe, geben aber der Willkür der Mächtigen viel Raum. Vor Gericht gilt da nach wie vor die Regel "Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen".
3. Anstatt "Nächstenliebe" - Jesus - oder der "blonden Bestie" - Nazis - hat der Mensch "Selbstverantwortung" und "Eigeninitiative" zu beherzigen.

So hat man aber nach der Verwerfung sowohl von Wertesystemen als auch des Brutal-Nihilismus alten Stils nur ein neues und repressives Wertesystem geschaffen. Das "du sollst" der Religionen wird zum "du musst" des Marktteilnehmers. Spielregeln, die es verbieten, hier wieder Menschen zu vergasen und ein bisschen Hedonismus sind die einzigen positiven Aspekte des Systems. Sie wirken wie Kontrollmechanismen, ohne die es so explodieren oder implodieren würde wie der Nazi-Wahn. Trotzdem ist es repressiv genug und Freiheit nur, für die die es sich leisten können.

Die Frage "Welches Wertesystem brauchen wir" ist damit noch immer nicht beantwortet. Und im Großen und Ganzen auf Wertesysteme zu verzichten, macht sie um so dringlicher.

Skaramanga
05.03.2009, 12:28
"Was Du nicht willst dass man Dir tu..." ist immer noch das einfachste und wirksamste System.

-jmw-
05.03.2009, 12:31
Hiesse, wenn mich nicht stört, dass Du mich tothaust, darf ich Dich tothauen?

Sauerländer
05.03.2009, 12:35
So hat man aber nach der Verwerfung sowohl von Wertesystemen als auch des Brutal-Nihilismus alten Stils nur ein neues und repressives Wertesystem geschaffen. Das "du sollst" der Religionen wird zum "du musst" des Marktteilnehmers. Spielregeln, die es verbieten, hier wieder Menschen zu vergasen und ein bisschen Hedonismus sind die einzigen positiven Aspekte des Systems. Sie wirken wie Kontrollmechanismen, ohne die es so explodieren oder implodieren würde wie der Nazi-Wahn. Trotzdem ist es repressiv genug und Freiheit nur, für die die es sich leisten können.
Das sehe ich anders. Gerade das Fehlen jeglicher Repression, wurzelnd im völligen Desinteresse, ist es in meinen Augen, was diese Gesellschaft auszeichnet. Alles wird im individualistischen Atomismus aufgelöst, und das hängt durchaus auch mit dem -meistens auch noch reichlich vulgären- Hedonismus zusammen. Ich habe kein Recht, den Anderen dahingehend einzuschränken, sein Leben geht mich nichts an - also geht es mich auch im Positiven nichts an. Der Andere ist nur ein vorbeifliegendes Bild, ein Lichtblitz, eine nur noch erahnbare Realität. Weil eben die Abwesenheit der Repression, der Freiheitsabsolutismus die Nähe, die immer auch Unfreiheit ist, negieren muss. Alles wird irreal. Auch das Leid der Anderen.
Mit-Leid, die ethische Quelle der Solidarität, ist unfreiheitlich. Und findet daher kaum noch statt.

Sauerländer
05.03.2009, 12:36
Hiesse, wenn mich nicht stört, dass Du mich tothaust, darf ich Dich tothauen?
:))
Vorzüglich.

Schwarzer Rabe
05.03.2009, 12:45
Sozialdarwinismus ist gut!

Bratschnik
05.03.2009, 13:35
Sozialdarwinismus ist gut!

Daran solltest Du denken wenn Du zufällig mal von einem Muselschläger auf natürliche Weise ausselektiert wirst.

Bratschnik
05.03.2009, 13:41
Immer, wenn die Rede auf eines der bestehenden "Wertesysteme" - Religion. "Identität", Weltanschauung - kommt, geschieht Folgendes:

1. Vielen ist klar, dass sie verarscht werden. Von allen. Mit wachsender Geistlosigkeit und immer größerer Dreistigkeit X( !

da sollte eine sinnvolle Religion ansetzen. Das unüberprüfte Übernehmen von Behauptungen anderer sollte zur schlimmsten Sünde und Bildung zum höchsten Gut erklärt werden.

Felidae
05.03.2009, 13:43
In erster Linie müssen wir dem religiösen und politischen Fanatismus den Kampf ansagen.

Schwarzer Rabe
05.03.2009, 13:48
Daran solltest Du denken wenn Du zufällig mal von einem Muselschläger auf natürliche Weise ausselektiert wirst.

Vorher hat dieser eine Kugel im Bauch! :]

Skaramanga
05.03.2009, 13:50
Hiesse, wenn mich nicht stört, dass Du mich tothaust, darf ich Dich tothauen?

Eben nicht. Der klassische Trugschluss. Aus einer negativen Forderung kann niemals eine positive folgen. Gefordert wird nur ein Unterlassen. Auch wenn Du das Erschlagen werden für Dich für erstrebenswert hältst, wird daraus keinesfalls ein Gebot oder eine Erlaubnis, mit anderen so zu verfahren. Es heißt lediglich dass Du Dich von diesem Grundsatz ausnehmen willst. Für Dich - für niemanden sonst. Du verzichtest auf Dein Recht auf Leben und Unversehrtheit. Fein. Deshalb müssen das andere aber noch lange nicht. Klar soweit?

eintiroler
05.03.2009, 13:56
Jedenfalls keinen Sozialdarwinismus. Friedliches nebeneinanderleben (ja, nebeneinander!) von Kulturen und Rassen. Unsere Kulturraum bleibt nach wie vor christlich!

Lobo
05.03.2009, 14:21
Jedenfalls keinen Sozialdarwinismus. Friedliches nebeneinanderleben (ja, nebeneinander!) von Kulturen und Rassen. Unsere Kulturraum bleibt nach wie vor christlich!

Es geht doch um da Ausgrenzung von Leistungsschmäleran, diese sin’ in für
se vorgesehene Einrichtung’n zu verfracht’n um dort eina ihr’n Kompetenz’n entsprechend’n Tätigkeit bei normala Verpflegung nachzu geh’n. Unproduktivä Arbeitsmitt’l sin’ auf humane Weisä vom Rest da Gesellschaft abzusondan.

Generell muss’ne Abkehr von Mänsch’nrechtswahn un’ Gutmenschentum einzug in unsa Denk’n halt’n, damit da Elitä auch bei schwindend’n natürlich’n Ressourc’n, bess’re Überlebenschanc’n hat.

Bratschnik
05.03.2009, 15:07
Vorher hat dieser eine Kugel im Bauch! :]

Bowling, Zauber oder Schokoladenkugel?

Schwarzer Rabe
05.03.2009, 15:14
bowling, zauber oder schokoladenkugel?

kaliber: 357 sig

D-Moll
05.03.2009, 15:49
Gegen ein christliches Wertesystem , wie vor dem 2VK ist nichts einzuwenden und erflüllt alle Krtierien. Damit kann auch ein Rechter gut leben.

-jmw-
05.03.2009, 18:13
Sozialdarwinismus ist gut!
Ich übersetze: Marc Dutroux ist ein Verbrecher, weil er erwischt worden ist.

-jmw-
05.03.2009, 18:15
@ Skaramanga

Akzeptable Antwort. :)

Beverly
05.03.2009, 18:47
Das sehe ich anders. Gerade das Fehlen jeglicher Repression, wurzelnd im völligen Desinteresse, ist es in meinen Augen, was diese Gesellschaft auszeichnet. Alles wird im individualistischen Atomismus aufgelöst, und das hängt durchaus auch mit dem -meistens auch noch reichlich vulgären- Hedonismus zusammen. Ich habe kein Recht, den Anderen dahingehend einzuschränken, sein Leben geht mich nichts an - also geht es mich auch im Positiven nichts an. Der Andere ist nur ein vorbeifliegendes Bild, ein Lichtblitz, eine nur noch erahnbare Realität. Weil eben die Abwesenheit der Repression, der Freiheitsabsolutismus die Nähe, die immer auch Unfreiheit ist, negieren muss. Alles wird irreal. Auch das Leid der Anderen.
Mit-Leid, die ethische Quelle der Solidarität, ist unfreiheitlich. Und findet daher kaum noch statt.

Dein Standpunkt in allen Ehren, aber dieser Atomismis und dieses Desinteresse ergibt sich nicht von selbst. Hierzulande von materieller Not und Zwang befreite Menschen wollen weder immer allein sein noch ist ihnen die nähere und weitere Welt, in der sie leben, egal geworden. Im Gegenteil, sie haben Zeit und Muße, sich für alles zu interessieren.
Oder sollte ich schreiben: hatten :rolleyes: ?
Weil vor einer Generation eine freie und emanzipierte Gesellschaft auch eine solidarische und engagierte Gesellschaft war - wenn auch alles andere als Heile Welt :rolleyes: Engagement und Solidarität wurden und werden uns mit Methoden ausgetrieben, die in ihrer Zusammenschau schon etwas Repressives und insbesondere Totalitäres haben.