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Vollständige Version anzeigen : Stechuhrrhythmen - Oder was man von dieser Lebensweise zu halten hat



Klopperhorst
18.02.2009, 09:43
Jahrtausende hat sich der Mensch an die natürlichen Rhythmen der Umwelt angepasst. Tag, Nacht, Jahreszeiten, Jagd, Geburt, Wachstum, Jugend, Tod, Entdeckungen, Kriege.

Diese Rhythmen bestimmten das Leben und Arbeiten. Man sagte vom faulen Germanen, er liege bis mittags im Bett, so schrieb es jedenfalls Tacitus. Und noch heute lebt der Buschmann eher in den Tag hinein, passt sich an das an, was ihm die Umwelt bietet. Wozu morgens auf die Jagd gehen, wenn der Gewinn erst am Abend vielversprechend ist?

Die Landwirtschaft hat andere Arbeitsrhythmen hervorgebracht. Jahreszeiten, Sonnenwendepunkte usw. zwangen zur Aussaat und Ernte. Gezähmte Viecher hatten Ansprüche, die ihnen von Menschen erfüllt werden mussten. Man musste plötzlich früher aufstehen, geregelter arbeiten. Zwang bestimmte fortan das natürliche Gefühl für Lebensrhythmen.

Die große Wende aber kam mit der Industriegesellschaft. Maschinen haben ihre eigenen Rhythmen, die Uhr misst die Zeit in starren Einheiten, komprimiert und verlängert, unabhängig der biologischen Uhr. Der Tag hat plötzlich feste Stunden, die man abzusitzen hat, am Fließband, oder im Büro oder auf der Baustelle. Kompression der Zeit ist das Zauberwort.

Doch im Inneren sagt etwas, daß diese Zeitvergewaltigung schädlich ist, was früher aus innerer Notwendigkeit erkannt wurde, wird heute erzwungen. Einhergehend damit wird alles dem Primat des Geldes unterworfen, welches in Zeit (Zinsen) gemessen wird. Verlängerung und Kompression der kreativen und nichtzeitlichen Vorgänge der Natur ist schädlich und führt zu Krisen, wie derzeit wieder der aktuellen Finanzkrise.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man auf die Zeit vertrauen kann. Die Zeit bringt und nimmt von sich aus, man muss sich lediglich in ihr Gefüge einpassen. Arbeiten gegen die Zeit,d.h. die eigene biologische Uhr, bedingt, daß man nicht mehr erreicht oder Zeit gewinnt - sondern Zeit verliert.

Übertragen auf die Gesellschaft verlieren wir Zeit, wenn wir sie einteilen und messen. Was der Mensch vollführt, wenn er sich gegen die natürlichen Rhythmen stellt, sehen wir in der gnadenlosen Landschafts- und Umweltzerstörung des Planeten.

Das Zeitalter der Stechuhrrhythmik gehört somit endgültig beendet.

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Kreuzbube
18.02.2009, 12:23
Hier ist das passende Lied dazu...:)
http://www.youtube.com/watch?v=2UCb-hcQZcU

-jmw-
18.02.2009, 18:07
"The clock, not the steam engine, is the key machine of the industrial age."
- Lewis Mumford

Humer
20.02.2009, 20:40
Die große Wende aber kam mit der Industriegesellschaft. Maschinen haben ihre eigenen Rhythmen, die Uhr misst die Zeit in starren Einheiten, komprimiert und verlängert, unabhängig der biologischen Uhr. Der Tag hat plötzlich feste Stunden, die man abzusitzen hat, am Fließband, oder im Büro oder auf der Baustelle. Kompression der Zeit ist das Zauberwort.

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Klopperhorst, Du hast meine Zustimmung. In Großgesellschaften bei Großproduktionen muss das wohl so sein. Aber es ist nicht menschengerecht, so ein Zeitkorsett, das ja auch Fremdbestimmung bedeutet. Ich muss, ist die Devise, nicht ich will. Nicht alle merken diesen Zwang, die sind bereits abgerichtet. Dazu passt auch die stete Beschleunigung aller Abläufe, als gäbe es irgendwo einen Antreiber, der verlangt immer schneller immer mehr in die Stunden zu packen. Effizienzsteigerung eben. Du hast das Stichwort schon genannt, ich bin mir sicher, es sind die Zinsen, die den Treibsatz darstellen, dagegen verläuft der Fortschritt linear, die Zinsen und im Gefolge die Schulden steigen aber expontential und wir hecheln hinterher, haben aber keine Chance.

Humer
20.02.2009, 20:57
Hier ein sehr guter Link zu dem Thema:

http://www.zeit.de/2006/05/ST-Beschleunigung

Odin
20.02.2009, 21:03
So ist es. Das sage ich seit vielen Jahren.

Tötet dieses unmenschliche Schindersystem.

Heinrich_Kraemer
20.02.2009, 23:10
kurze Ergänzung:

Zu Beginn der Industrialisierung ging man dann arbeiten, wenn man Geld benötigte, Hunger hatte. War man erfolgreich z.B. beim Angeln ging man auch den nächsten Tag nicht arbeiten usw.

Das stellte Probleme bei der Rationalisierung der Produktion dar. War das Wetter/ die Zeit gut - z.B. in die Pilze zu gehen -, kam kaum einer in die Fabrik. Man fing deshalb an für die Arbeiter Häuser in Fabriknähe zu bauen, um diese in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bekommen. So wurde Schrittweise der Arbeiter an das Unternehmen gebunden.

Klopperhorst
21.02.2009, 09:15
kurze Ergänzung:

Zu Beginn der Industrialisierung ging man dann arbeiten, wenn man Geld benötigte, Hunger hatte. War man erfolgreich z.B. beim Angeln ging man auch den nächsten Tag nicht arbeiten usw....

Angeln ist ein guter Punkt. Ich bin selbst Angler und würde ja nie auf die Idee kommen, jeden Tag angeln zu gehen. Erstens: Weil nicht jeden Tag was beisst und zweitens, weil man nicht jeden Tag Fisch essen will und einem das Erlebnis des Angelns bei monotoner Wiederholung völlig verloren geht.

Erst die Spezialisierung der Arbeitsbereiche, die Erschaffung von Fachidioten usw. hat dazu geführt, daß wir täglich den gleichen Dreck machen müssen.


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