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Vollständige Version anzeigen : War die Reformation sinnvoll?



Ajax
06.02.2009, 23:30
Seitdem die Medienhetze gegen den Papst und den Katholizismus immer mehr zugenommen hat, drängt sich mir die Frage auf, ob die Spaltung der Kirche durch die Reformationsbewegung wirklich positiv zu bewerten ist.

Durch die Spaltung in Katholiken und Protestanten wurden die Völker, insbesondere das deutsche, innerlich zerrissen. Sie führte zu grausamen Bruderkriegen und selbst heute noch wird von den Vertetern der evangelischen Kirche gegen die Katholiken gehetzt. Die Protestanten haben mit christlichen Werten heute nur noch wenig am Hut und biedern sich lieber dem gutmenschlichen Zeitgeist an. Fromme Christen werden gerade wegen dieser Frömmigkeit, die doch für gläubige Christen die Regel sein sollte, und einer stark konservativen Ausrichtung öffentlich verleumdet. Da fragt man sich doch, was die Lutheraner noch mit christlichem Glauben zu tun haben, wenn ihnen ein zu starkes und frommes Ausleben desselben als verachtenswürdig und nicht akzeptabel erscheint.

Stünde es um uns heute nicht besser, wenn die abendländische Christenheit geeint zusammenstünde, um so ein Bollwerk gegen den Islam zu bilden?
Würden wir uns in dem Maße, wie es heute der Fall ist, von den Juden auf der Nase herumtanzen lassen?

Europas Völker sind durch die liberale Ideologie schon genug gestraft und auseinander gerissen, jeglicher Werte und Moral beraubt, ohne Stolz, sinnentleert und dekadent. Ein geeinter Glaube, wie ihn ein gesamteuropäischer Katholizismus darstellen würde, wäre eine wesentlich bessere Alternative und vor allem ein geistiges Fundament, das wir einem Islam und anderen Feinden unserer Werte entgegenstellen könnten.

Die Kirche von einst war stark, doch heute ist sie schwach, weswegen ich die Reformation für einen der größten Fehlentwicklungen in der abendländischen Geschichte halte.

Efna
07.02.2009, 00:08
Die Reformation war Notwendig auch für die Katholische Kirche gut. Die Protestanten haben meiner Meinung nach sogar wesentlich mehr mit dem Christlichen Glauben gemein als die Katholiken.

Moselfranke
07.02.2009, 01:13
Die Reformation an sich (genauso wie die Gründung der Orthodoxen Kirche im Byzantischen Reich) war nicht sinnvoll, denn sie hat die religiöse und politische Einheit Europas über Jahrhunderte hin verhindert, mit den bekannten Folgen für den Kontinent...

Allerdings kann die Aufsplittung in verschiedene Konfessionen für die Zukunft auch eine Chance sein. Nämlich dann, wenn die ganzen Glaubensverwässerer und "Modernisierer", d.h. das ganze linksliberale, progressive Pseudo-Christentum, das sich jetzt in der EKD sammelt und diese vollkommen übernommen hat, der katholischen Kirche weiter fernbleiben oder sie in Richtung Protestantentum verlassen. Umgekehrt haben dann die konservativen Protestanten mit der katholischen Kirche ebenfalls eine Anlaufstelle. So könnte sich also die Spreu vom Weizen trennen und die katholische Kirche würde ihren alten abendländischen Charakter wieder annehmen.

Leila
07.02.2009, 04:11
Lieber Ajax!

Deinen Strang halte ich für eine riesengroße Hypothese. Da ich Märchen und Sagen, überhaupt Geschichten und Geschichte liebe und Utopien nicht abgeneigt bin, stelle ich mir folgendes vor:

Gäbe es nur die eine einzige katholische Kirche, dann wäre ich die in Samt und Seide gekleidete perlen- und edelsteingeschmückte Tochter eines mächtigen Fürsten. Mein Schlaf würde bewacht wie mein Wachen, und in jedem meiner Augenaufschläge sähen die mir zu Diensten Stehenden einen Befehl, den sie unverzüglich ausführen würden. Die weltliche Macht meines Vaters würde gestützt von seinem Bruder, welcher als Papst das Oberhaupt aller Christen ist.

Allmählich erwachend, noch etwas verträumt

Leila, die tageshelle Schönheit der Nacht

P.S.: Warum trittst Du nicht der Interessengemeinschaft der größenwahnsinnigen Gartenzwerge bei?

-jmw-
07.02.2009, 09:35
Ich bin nicht atheistisch genug, hier eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen.

Ajax
07.02.2009, 11:39
Die Reformation war Notwendig auch für die Katholische Kirche gut. Die Protestanten haben meiner Meinung nach sogar wesentlich mehr mit dem Christlichen Glauben gemein als die Katholiken.

Das bezweifle ich. Du kannst mir aber gern versuchen zu erklären, was an einer Kirche, welche ganz im Geiste der 68er steht, christlich sein soll.

Psyche
07.02.2009, 11:48
Die Reformation war Notwendig auch für die Katholische Kirche gut. Die Protestanten haben meiner Meinung nach sogar wesentlich mehr mit dem Christlichen Glauben gemein als die Katholiken.

Ja, die Protestanten verherrlichen Jesus mehr als die Katholiken und brandmarken Maria nicht als Hure. :)

Bierbaron
07.02.2009, 12:01
Das bezweifle ich. Du kannst mir aber gern versuchen zu erklären, was an einer Kirche, welche ganz im Geiste der 68er steht, christlich sein soll.

Luther handelte also im Geiste der 68er? Naja, man lernt nie aus... :))

Ansonsten beweist du einmal mehr über was für eine beschränkte Weltsicht du doch verfügst, indem du hier alle Protestanten über einen Kamm scherst. Im Gegensatz zu dir beziehe ich mein Wissen nicht ausschließlich aus dem Internet und konnte so einige Mitglieder von protestantischen Freikirchen kennenlernen. Mit der Geisteshaltung der 68er indes haben diese Freikirchen reichlich wenig gemein. ;)

Grüße
Bierbaron

Voortrekker
07.02.2009, 12:04
Die Grundlehren des Luthertums sind bei Weitem christlicher und bibeltreuer als der Katholizismus.

Nur das was die EKD daraus heutzutage macht, ist genau das Gegenteil, das könnte man nämlich als 68er Kirche bezeichnen.

Ajax
07.02.2009, 12:21
Luther handelte also im Geiste der 68er? Naja, man lernt nie aus... :))

Ansonsten beweist du einmal mehr über was für eine beschränkte Weltsicht du doch verfügst, indem du hier alle Protestanten über einen Kamm scherst. Im Gegensatz zu dir beziehe ich mein Wissen nicht ausschließlich aus dem Internet und konnte so einige Mitglieder von protestantischen Freikirchen kennenlernen. Mit der Geisteshaltung der 68er indes haben diese Freikirchen reichlich wenig gemein. ;)

Grüße
Bierbaron

Es ist nicht zu leugnen, dass ein Großteil der Protestanten heutzutage dem wirren, linken Weltbild der medialen Meinungsmacher anhängt. Ich beziehe mein Wissen darüber auch nicht ausschließlich aus dem Netz. Mein Bild beruht auch auf Erfahrungen mit gläubigen Protestanten, darunter auch einem Pastor.

Gärtner
07.02.2009, 12:31
Seitdem die Medienhetze gegen den Papst und den Katholizismus immer mehr zugenommen hat, drängt sich mir die Frage auf, ob die Spaltung der Kirche durch die Reformationsbewegung wirklich positiv zu bewerten ist.

http://img525.imageshack.us/img525/7726/25405598el1.jpgun ja. Es hat im Verlauf der Kirchengeschichte ja regelmäßig Bewegungen der Erneuerungen gegeben, um eine sich vom ursprünglichen Pfad der Tugend entfernende Kriche wieder auf denselben zurückzuführen. Sei es die Erfindung des monastischen Lebens durch den hl. Benedikt im 6. Jhdt, sei es die cluniazensische Ordensreform im 10. Jhdt, seien es die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner im 13. Jhdt: sie alle zogen zunächst durchaus kritische Blicke der Kirchenleitung auf sich, bis man in Rom deren Potential erkannte, kritische Strömungen innerhalb der Kirche zu halten und offene Brüche zu vermeiden. Was jeweils zu weitreichenden, positiven Veränderungen im Gefüge der Kirche führte, selbst wenn diese inhaltlich von Rom gar nicht intendiert waren.

Das erste Mal ist das mit Luthers Reformation schief gegangen, dies nicht zuletzt, weil die theologischen Fragen zunehmend von nationalen Interessen ("die" Deutschen gegen "die" Italiener) überlagert wurden. Mir sagte mal ein in Rom ein Kirchengeschichtler: "Wäre es durch die Reformation nicht zur Kirchenspaltung gekommen, Luther wäre heute einer unserer größten Heiligen."

Sauerländer
07.02.2009, 14:21
Die Reformation ist eine Tragödie - das umso mehr, als sie in ihren anfänglichen Beweggründen begreiflich, ja zum Teil unterstützenswert ist. Es dazu kommen zu lassen, kann man durchaus der römischen Zentrale ankreiden - was nichts daran ändert, dass mit dem vollzogenen Schritt aus der Kirche heraus ein Tor aufgestoßen war, durch das seitdem Dämonengeist aller Art marschiert ist.

Efna
07.02.2009, 14:28
http://img525.imageshack.us/img525/7726/25405598el1.jpgun ja. Es hat im Verlauf der Kirchengeschichte ja regelmäßig Bewegungen der Erneuerungen gegeben, um eine sich vom ursprünglichen Pfad der Tugend entfernende Kriche wieder auf denselben zurückzuführen. Sei es die Erfindung des monastischen Lebens durch den hl. Benedikt im 6. Jhdt, sei es die cluniazensische Ordensreform im 10. Jhdt, seien es die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner im 13. Jhdt: sie alle zogen zunächst durchaus kritische Blicke der Kirchenleitung auf sich, bis man in Rom deren Potential erkannte, kritische Strömungen innerhalb der Kirche zu halten und offene Brüche zu vermeiden. Was jeweils zu weitreichenden, positiven Veränderungen im Gefüge der Kirche führte, selbst wenn diese inhaltlich von Rom gar nicht intendiert waren.

Das erste Mal ist das mit Luthers Reformation schief gegangen, dies nicht zuletzt, weil die theologischen Fragen zunehmend von nationalen Interessen ("die" Deutschen gegen "die" Italiener) überlagert wurden. Mir sagte mal ein in Rom ein Kirchengeschichtler: "Wäre es durch die Reformation nicht zur Kirchenspaltung gekommen, Luther wäre heute einer unserer größten Heiligen."


Naja Luther war nicht der erste aber der erste der damit erfolg hatte. Hus wäre da noch zu nennen und die Hussiten Kriege. Aber hier war man nicht all zu erfolgreich weil man zu sehr auf das Tschechische Nationalgefühl setzte. Die Katholische Kirche des 15. Jahrhundert war in einen Miserablen Zustand und es gab einige die sich um eine Reform bemühten doch es war klar das einige an Macht(vor allem der Pontifex) und deswegen scheiterten die meisten. Dazu kamen viele Kirchenspaltung die seit der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche vieles aufzerrte. Luther und die Protestanten zwangen die katholische Kirche zur einer Reform. Den nur wenige Jahrzehnte nach den Thesenschlag waren die einzigsten Gebiete wo der Katholische Glaube komplett vorherrschte nur noch Italien und Spanien. Erst mit dieser von aussen erzwungen Reform konnte eben Gegenreformation starten die einige Gebiete wieder dem Katholizismus öffnete. aber diese Kirche war eine andere als vor dem Thesenschlag.

Leila
07.02.2009, 14:32
Ob die Reformation sinnvoll war oder nicht: sie fand statt, wie die unsinnigste aller Reformen: die mehrfach reformierte Rechtschreibreform.

Gruß von Leila

Krabat
07.02.2009, 15:01
Naja Luther war nicht der erste aber der erste der damit erfolg hatte. Hus wäre da noch zu nennen und die Hussiten Kriege. Aber hier war man nicht all zu erfolgreich weil man zu sehr auf das Tschechische Nationalgefühl setzte. Die Katholische Kirche des 15. Jahrhundert war in einen Miserablen Zustand und es gab einige die sich um eine Reform bemühten doch es war klar das einige an Macht(vor allem der Pontifex) und deswegen scheiterten die meisten. Dazu kamen viele Kirchenspaltung die seit der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche vieles aufzerrte. Luther und die Protestanten zwangen die katholische Kirche zur einer Reform. Den nur wenige Jahrzehnte nach den Thesenschlag waren die einzigsten Gebiete wo der Katholische Glaube komplett vorherrschte nur noch Italien und Spanien. Erst mit dieser von aussen erzwungen Reform konnte eben Gegenreformation starten die einige Gebiete wieder dem Katholizismus öffnete. aber diese Kirche war eine andere als vor dem Thesenschlag.

Natürlich war die katholische Kirche im 15. Jahrhundert in einer Krise. Die gesamte Christenheit war in einer Krise. 1453 haben die Türken mit der Eroberung Konstantinopels die gesamte griechisch-orthodoxe Christenheit zerschlagen und waren auf dem Weg dasselbe auch mir der katholischen Kirche zu tun.

Als Luther seine Thesen annagelte standen die türkischen Heere an den Grenzen des Reiches. Europa war kurz davor islamisch zu werden.

Es war aber nicht Luther, der die Kirche gespalten hat, sondern es waren die deutschen Reichsfürsten, die basierend auf Luther sich vom Kaiser freimachen wollten und deswegen die lutherische Lehre annahmen.

In jedem Fall begann damals das Ende des Heiligen Römischen Reiches. Napoleon brauchte 1806 nur noch exekutieren.

Sirius
07.02.2009, 15:39
Die Reformation war Notwendig auch für die Katholische Kirche gut. Die Protestanten haben meiner Meinung nach sogar wesentlich mehr mit dem Christlichen Glauben gemein als die Katholiken.

Dem stimme ich zu. Vielleicht wäre es ja besser gewesen, wenn sich alle Katholiken der Reformation angeschlossen hätten.

Aber letztendlich nahm der Einfluss der Reformation mit der Aufklärung ja so weit ab, dass es heutzutage ohnehin keine Rolle mehr spielen würde.


Luther handelte also im Geiste der 68er? Naja, man lernt nie aus... :))

Grüße
Bierbaron

Ja interessant wie weit deren Einfluss reicht. Aber gut, im 16. Jahrhundert gab´s ja noch keine Linken, denen man die Schuld in die Schuhe schieben kann. Aber Juden gabs doch, warum sind nicht einfach wieder mal die Juden schuld, hm?

Sauerländer
07.02.2009, 17:00
Dem stimme ich zu. Vielleicht wäre es ja besser gewesen, wenn sich alle Katholiken der Reformation angeschlossen hätten.
Wenn ich den Zustand des heutigen Protestantismus betrachte, habe ich da ärgste Zweifel.
Vorsichtig formuliert.

Sirius
07.02.2009, 19:19
Wenn ich den Zustand des heutigen Protestantismus betrachte, habe ich da ärgste Zweifel.
Vorsichtig formuliert.

Ganz davon abgesehen, dass ich sowieso kein Christ bin, ist mir die protestantische Auslegung bei weitem sympatischer.

Efna
07.02.2009, 19:35
Natürlich war die katholische Kirche im 15. Jahrhundert in einer Krise. Die gesamte Christenheit war in einer Krise. 1453 haben die Türken mit der Eroberung Konstantinopels die gesamte griechisch-orthodoxe Christenheit zerschlagen und waren auf dem Weg dasselbe auch mir der katholischen Kirche zu tun.

Als Luther seine Thesen annagelte standen die türkischen Heere an den Grenzen des Reiches. Europa war kurz davor islamisch zu werden.

Es war aber nicht Luther, der die Kirche gespalten hat, sondern es waren die deutschen Reichsfürsten, die basierend auf Luther sich vom Kaiser freimachen wollten und deswegen die lutherische Lehre annahmen.

In jedem Fall begann damals das Ende des Heiligen Römischen Reiches. Napoleon brauchte 1806 nur noch exekutieren.

Die Eroberung Konstantinopels hatte nur wenig mit der Kirchenkrise des 15. Jahrhundert zu tun. Sie begann eigentlich schon im 14. Jahrhundert. einmal war es der Grundsatz der damaligen Katholischen Kirche die alles andere als Realistisch war. die Kirche lebte noch nach den Vorstellungen der Gregorianischen Reformen. der Papst als weltlichen und Religiöser Führer der katholischen Christenheit und auch war war die Kirche viel mehr als heute an der Person des Papstes gebunden so das Weltliche Propleme, Herarchiefragen sowie Theologischen Fragen eben oft damit endetet das Gegenpäpste ernannt wurden und gerade wegen sowas kam dann das Kirchenschisma im 15. Jahrhundert zustande wo es drei Päpste gegeben hat. Der Kaiser machte ihn dann auf dem Konzil von Konstanz nach erfolglosen Vermittlungsversuchen ein ende und sezte alle drei Päpste ab und ernannte ohne Wahl einen neuen Papst. Eine drastische Massnahme aber wohl verständlich.
Ein anderer Punk war der Ausverkauf des Glaubens. Reliquien und Pilgereisen wurden von den örtlich Weltlichen Fürsten und Geistlichen nahezu vermarktet wurden und gehandelt wurden wie eben auch andere Güter. Das selbe galt für den Ablasshandel. Den Vogel schoss Etzel ab(der mit Luther auf dem Markt stritt) der den ablass im Marktschreierischer Manier auf dem Markt verkaufte.
Der Kaiser Karl V war zur Zeit wohl der Leidtragenden, vom Osten kaman die Türken gegen die er bis 1544 Krieg führte(es kam ein Friedenschluss zustande) und im Westen gegen Frankreich(bis 1556), war er dazu vielleicht sogar noch gefährlicheren Innenpolitischen Propleme gestellt(Bauernkrieg, Wiedertäufer sowie die Konflikte zwischen Protestanten und Katholiken. zuerst versuchte er die Protestanten zu bekämpfen dann beide Seiten zufrieden zu stellen. Der augsburgereligionsfriede wurde ihn von beiden Seiten aufgezwungen(Die Katholischen Fürsten liessen in ihm Stich, die Protestanten waren eh seine Feinde). Und gerade deswegen war er der erste Kaiser der freiwillig abdankte weil er auf innenpolitischen Gebiet vollkommen versagte. Und auch seine weniger begabten Nachfolger schafften es nicht den Proplem Herr zu werden. Auf dem Reichstag 1608 kam es zum Eklat. Da waren die Weichen zum Dreissigjährigen gestellt und mit ihr mischten sich auch Auswertige Mächte mit ein.

EinDachs
07.02.2009, 20:18
Das Problem ist allerdings, dass man nicht genau sehen kann, was alternativ gekommen wäre, wenn die Kirche sich nicht gespalten hätte. Nicht wenige Historiker meinen, die Abwesenheit einer zentralen, religiösen Autorität in Europa hätte erst Säkularismus und schließlich die Moderne möglich gemacht. Und das es ohne protestantische Ethik wohl keine Marktwirtschaft gäbe, wußte schon der gute Max Weber.

Sauerländer
08.02.2009, 13:08
Ganz davon abgesehen, dass ich sowieso kein Christ bin, ist mir die protestantische Auslegung bei weitem sympatischer.
Für mich ist Protestantismus zu buchfixiert. Theoretikerchristentum. Blutleer.
Ergreift nicht. Das mag in den Urgründen, die es angestoßen haben, begreifbar sein, aber wenn dieser Schritt erstmal gegangen ist, ist der Weg frei zu einem "Christentum", das immer weiter abstrahiert, bis niemand mehr etwas damit anfangen kann und alles im Pantheismus und schließlich Atheismus endet.
Protestantismus ist für mich einer von vielen Schritten im Großen Mythenraub und damit Weltbetrug.

Sauerländer
08.02.2009, 14:08
Das Problem ist allerdings, dass man nicht genau sehen kann, was alternativ gekommen wäre, wenn die Kirche sich nicht gespalten hätte. Nicht wenige Historiker meinen, die Abwesenheit einer zentralen, religiösen Autorität in Europa hätte erst Säkularismus und schließlich die Moderne möglich gemacht. Und das es ohne protestantische Ethik wohl keine Marktwirtschaft gäbe, wußte schon der gute Max Weber.
Es gibt gute Gründe, das zu vermuten.
Und davon abgeleitet umso stärkere, zu wünschen, die Reformation hätte sich nie ereignet.

marc
08.02.2009, 14:14
Und das es ohne protestantische Ethik wohl keine Marktwirtschaft gäbe, wußte schon der gute Max Weber.

Wobei man vielleicht sagen muss, dass das Resultat von Webers Untersuchungen war, dass es eigentlich die "calvinistische Ethik und der Geist des Kapitalismus" lauten müsste.
Habe ich zumindest so in Erinnerung. *Grübel*
Wobei: dass "evangelisch, lutheranisch" und "protestantisch" oft als Synonym verwendet werden, ist ja erst seit kurzer Zeit so. Naja, egal auch.

Aber ganz interessant: die These Nietzsches, dass Luther durch die Reformation das Christentum noch einmal gerettet habe, da es durch den Humanismus z.B. kurz davor war, wegzusterben -- bis es durch die Reformation wieder Aufschwung erhielt.

Felidae
08.02.2009, 14:17
Sie war nötig und hätte die Katholische Kirche völlig erfassen müssen. Das Papsttum hätte damals schon zu existieren aufhören sollen.

Sauerländer
08.02.2009, 14:17
Auch ganz interessant: die These Nietzsches, dass Luther durch die Reformation das Christentum noch einmal gerettet habe, da es durch den Humanismus z.B. kurz davor war, wegzusterben -- bis es durch die Reformation wieder Aufschwung erhielt.
Nunja, dass in Rom...nennen wir es mal eine gewisse Dekadenz Einzug gehalten hatte und dass das, was Luther vorfand, eine intern reichlich verfaulte Kirche war, ist ja nicht wirklich von der Hand zu weisen.
Das macht eben die ganze Sache so tragisch und gereicht auch Rom nicht zur Ehre: Dass der, der Korrektor hätte sein sollen, Spalter wurde (werden musste?).

Felidae
08.02.2009, 14:18
Wenn ich den Zustand des heutigen Protestantismus betrachte, habe ich da ärgste Zweifel.
Vorsichtig formuliert.

Jau, der Glaube an einen liebenden und verzeihenden Gott, der nicht verdammt, ist ja auch pöse.

Sauerländer
08.02.2009, 14:19
Sie war nötig und hätte die Katholische Kirche völlig erfassen müssen. Das Papsttum hätte damals schon zu existieren aufhören sollen.
Sicher, wenn sich die organisierte Religion völlig erledigt hätte und jeder sich zurechtdefinieren könnte, was ihm beliebt, wäre das aus libertärer Sicht besser.
Gut also, dass es das Papsttum noch gibt.
Wenn einen der Feind lobt, macht man was falsch. Solange er flucht und einem zürnt, kann man nicht völlig auf dem Holzweg sein.

Sauerländer
08.02.2009, 14:22
Jau, der Glaube an einen liebenden und verzeihenden Gott, der nicht verdammt, ist ja auch pöse.
Das Zerfließen in völliger Beliebigkeit und hündische Anbiedern an den Zeitgeist und jede weltliche Verirrung, das das "Christentum" bis zur völligen Konturlosigkeit verformt und damit zunehmend noch weitaus weniger Bindekraft entfaltet, als die hierarchisch-dogmatisch-römische Form, bis schließlich auf dem subtilen Weg der "Individualisierung" das Christentum als geistige Macht völlig zerstört ist - DAS ist böse.

marc
08.02.2009, 14:23
Jau, der Glaube an einen liebenden und verzeihenden Gott, der nicht verdammt, ist ja auch pöse.

Ich zweifle irgendwie, ob man Protestantismus sinnigerweise auf den "liebenden und verzeihenden Gott" beschränken sollte, der im Gegensatz zu dem bösen Gott der Katholiken steht. Der echte Luther z.B. sah dann doch irgendwie anders aus, als Joseph Fiennes.

marc
08.02.2009, 14:24
Das Zerfließen in völliger Beliebigkeit und hündische Anbiedern an den Zeitgeist und jede weltliche Verirrung, das das "Christentum" bis zur völligen Konturlosigkeit verformt und damit zunehmend noch weitaus weniger Bindekraft entfaltet, als die hierarchisch-dogmatisch-römische Form, bis schließlich auf dem subtilen Weg der "Individualisierung" das Christentum als geistige Macht völlig zerstört ist - DAS ist böse.

Btw:

Die Sorte Christentum, wo theologische Standpunkte politisch ausgehandelt werden, die gibt es bereits: Sie heißt Protestantismus und besteht zur Zeit aus circa dreißigtausend Denominationen. Bei dem Tempo, mit dem die Sektiererei dort voranschreitet, hat Benedikt XVI. gute Chancen, die Gründung der einhunderttausendsten evangelischen Kirche noch selbst zu erleben und ihrem Gründer eine handsignierte Jubiläumsbibel zu überreichen.
http://www.korrektheiten.com/2009/02/06/tu-es-petrus/

:))

Felidae
08.02.2009, 14:28
Sicher, wenn sich die organisierte Religion völlig erledigt hätte und jeder sich zurechtdefinieren könnte, was ihm beliebt, wäre das aus libertärer Sicht besser.
Gut also, dass es das Papsttum noch gibt.
Wenn einen der Feind lobt, macht man was falsch. Solange er flucht und einem zürnt, kann man nicht völlig auf dem Holzweg sein.

Das Papsttum hat schon immer die Bibel verdreht und ihren Geist zerstört. Luther hatte Recht mit seiner Aussage, dass das Papsttum eine unchristliche Sache ist.

Felidae
08.02.2009, 14:30
Das Zerfließen in völliger Beliebigkeit und hündische Anbiedern an den Zeitgeist und jede weltliche Verirrung, das das "Christentum" bis zur völligen Konturlosigkeit verformt und damit zunehmend noch weitaus weniger Bindekraft entfaltet, als die hierarchisch-dogmatisch-römische Form, bis schließlich auf dem subtilen Weg der "Individualisierung" das Christentum als geistige Macht völlig zerstört ist - DAS ist böse.

DIe hierachisch-dogmatische Form steht im Gegensatz zur Lehre der Bibel, somit ist sie unchristlich.

Sauerländer
08.02.2009, 14:31
Das Papsttum hat schon immer die Bibel verdreht und ihren Geist zerstört. Luther hatte Recht mit seiner Aussage, dass das Papsttum eine unchristliche Sache ist.
Und im Gefolge Luthers wird mit der Bibel ehrlich umgegangen? :D

Don
08.02.2009, 14:33
Jau, der Glaube an einen liebenden und verzeihenden Gott, der nicht verdammt, ist ja auch pöse.

Nö. Bestenfalls kindisch.

Felidae
08.02.2009, 14:34
Und im Gefolge Luthers wird mit der Bibel ehrlich umgegangen? :D

Auf jeden Fall. Die Lutheraner erfinden nämlich nichts dazu, sie interpretieren nur das Vorhandene. Nennt sich "Sola Scriptura" - allein die Bibel ist maßgeblich und nicht die Hinzuerfindungen der Katholischen Kirche.

Oder steht irgendwo in der Bibel, dass Maria sündlos empfangen wurde oder leiblich in den Himmel kam, Königin des Himmels oder gar des Universums wäre? Nein! Das haben die Katholiken erfunden.

Sauerländer
08.02.2009, 14:36
DIe hierachisch-dogmatische Form steht im Gegensatz zur Lehre der Bibel, somit ist sie unchristlich.
Petrus ist der Fels, auf dem die Kirche gebaut wird.
Undogmatisches Vorgehen mag praktikabel sein, solange es eine sehr überschaubare Anzahl an Gläubigen gibt. Wenn sie aber wächst, gibt es unweigerlich Differenzen, die entschieden werden müssen. Ohne eine definitive Instanz, die das tun kann, wird alles zu einer Frage politischen Verhandelns. Das aber ist fast schon ein Akt der Insubordination des Weltlichen gegen den Kern des Glaubens - und damit ist der Glaube auch bereits nur noch einen Schritt vom Verlust seiner Legitimation entfernt.

Sauerländer
08.02.2009, 14:38
Auf jeden Fall. Die Lutheraner erfinden nämlich nichts dazu, sie interpretieren nur das Vorhandene. Nennt sich "Sola Scriptura" - allein die Bibel ist maßgeblich und nicht die Hinzuerfindungen der Katholischen Kirche.
Sie interpretieren, soso. Und auf welcher Grundlage tun sie das? Völlig losgelöst von allen umweltlichen Prägungen?
Wenn es keine feste Grundlage gibt und das interpretierende Individuum mit der Schrift im luftleeren Raum hängt, kann dabei alles und nichts rauskommen - wie uns der Verlauf seitdem ja auch eindrucksvoll zeigt.

Felidae
08.02.2009, 14:38
Petrus ist der Fels, auf dem die Kirche gebaut wird.
Undogmatisches Vorgehen mag praktikabel sein, solange es eine sehr überschaubare Anzahl an Gläubigen gibt. Wenn sie aber wächst, gibt es unweigerlich Differenzen, die entschieden werden müssen. Ohne eine definitive Instanz, die das tun kann, wird alles zu einer Frage politischen Verhandelns. Das aber ist fast schon ein Akt der Insubordination des Weltlichen gegen den Kern des Glaubens - und damit ist der Glaube auch bereits nur noch einen Schritt vom Verlust seiner Legitimation entfernt.

Unsinn. Die Kirche braucht keine Dogmen.

Felidae
08.02.2009, 14:40
Sie interpretieren, soso. Und auf welcher Grundlage tun sie das? Völlig losgelöst von allen umweltlichen Prägungen?
Wenn es keine feste Grundlage gibt und das interpretierende Individuum mit der Schrift im luftleeren Raum hängt, kann dabei alles und nichts rauskommen - wie uns der Verlauf seitdem ja auch eindrucksvoll zeigt.

Sie tun es auf der Grundlage der Gegenbenheiten zur Zeit, als die Bibel entstand. Man kann sie nicht 1:1 auf heute übernehmen. Aber kann ihren Geist erfassen und anwenden.

Sauerländer
08.02.2009, 14:41
Unsinn. Die Kirche braucht keine Dogmen.
Natürlich braucht sie die. Religion ohne Dogma ist nur ewiger Diskurs ethischer Lehren mit gewissem mythischem Anstrich, in dem jeder seine höchst eigene Lösung finden kann oder auch nicht. Das wäre für eine Lehre, die den Anspruch hat, auf elementaren Wahrheiten zu gründen, ein Akt von Selbstwiderlegung.

Psyche
08.02.2009, 14:41
Petrus ist der Fels, auf dem die Kirche gebaut wird.
Undogmatisches Vorgehen mag praktikabel sein, solange es eine sehr überschaubare Anzahl an Gläubigen gibt. Wenn sie aber wächst, gibt es unweigerlich Differenzen, die entschieden werden müssen. Ohne eine definitive Instanz, die das tun kann, wird alles zu einer Frage politischen Verhandelns. Das aber ist fast schon ein Akt der Insubordination des Weltlichen gegen den Kern des Glaubens - und damit ist der Glaube auch bereits nur noch einen Schritt vom Verlust seiner Legitimation entfernt.

Petrus ist, wie sein Vater Jahwe, ein Jude!

Sauerländer
08.02.2009, 14:42
Sie tun es auf der Grundlage der Gegenbenheiten zur Zeit, als die Bibel entstand. Man kann sie nicht 1:1 auf heute übernehmen. Aber kann ihren Geist erfassen und anwenden.
So, kann man das? Wie erschließt man sich denn die Gegebenheiten der Entstehungszeit? Bzw WER tut das? Jemand, der ohne Prägung seiner Gegenwart ist und natürlich jedes erkenntnisleitende Interesse auszuschalten gewillt und in der Lage ist?

Don
08.02.2009, 14:42
Auf jeden Fall. Die Lutheraner erfinden nämlich nichts dazu, sie interpretieren nur das Vorhandene. Nennt sich "Sola Scriptura" - allein die Bibel ist maßgeblich und nicht die Hinzuerfindungen der Katholischen Kirche.

Oder steht irgendwo in der Bibel, dass Maria sündlos empfangen wurde oder leiblich in den Himmel kam, Königin des Himmels oder gar des Universums wäre? Nein! Das haben die Katholiken erfunden.


Matthäus, 8-25
Die Geburt JESUS Christi war aber also: Als nämlich Maria, seine Mutter, dem Joseph verlobt war, wurde sie, ehe sie zusammengekommen waren, schwanger erfunden von dem Heiligen Geist. Joseph aber, ihr Mann, indem er gerecht war und sie nicht öffentlich zur Schau stellen wollte, gedachte sie heimlich zu entlassen. Indem er aber solches bei sich überlegte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen; denn das in ihr Gezeugte ist von dem Heiligen Geiste. Und sie wird einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen JESUS heißen; denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden. Dies alles geschah aber, auf dass erfüllt würde, was von dem Herrn geredet ist durch den Propheten, welcher spricht: "Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Emmanuel heißen", was verdolmetscht ist: GOTT mit uns. Joseph aber, vom Schlafe erwacht, tat, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm sein Weib zu sich; und er erkannte sie nicht, bis sie ihren erstgeborenen Sohn geboren hatte; und er hieß seinen Namen JESUS.

Sauerländer
08.02.2009, 14:44
Petrus ist, wie sein Vater Jahwe, ein Jude!
Im Ursprung sicherlich. Im Urpsprung war ja auch Jesus selbst Jude. Wo ist jetzt das Problem?

Don
08.02.2009, 14:45
Sie tun es auf der Grundlage der Gegenbenheiten zur Zeit, als die Bibel entstand. Man kann sie nicht 1:1 auf heute übernehmen. Aber kann ihren Geist erfassen und anwenden.

Ach, die Lutheraner kennen die Gegebenheiten zu der Zeit als die Bibel entstand?

Wann entstand sie denn?

Psyche
08.02.2009, 14:46
Im Ursprung sicherlich. Im Urpsprung war ja auch Jesus selbst Jude. Wo ist jetzt das Problem?

Das Problem ist das die Katholen Juden verfolgen, obwohl Ihr Schöpfer Gott selbst ein Jude ist. So der Vater, so der Sohn.

Ausonius
08.02.2009, 14:47
Ob die Reformation sinnvoll war, darüber lässt sich lange streiten.
Sie trug freilich zur Zersetzung des Reiches bei und führte indirekt - obwohl man die Machtinteressen hier nicht außen vor lassen sollte - zum erbittertsten Krieg, der jemals in deutschen Landen geführt wurde.

Andererseits führte die tatsächlich schrifttreuere Auslegung zu einer gewissen Strenge im Denken und Handeln, und dass wiederum zur protestantischen Ethik, von der die meisten wirtschaftlich erfolgreichen Staaten der Neuzeit geprägt worden sind.

Sauerländer
08.02.2009, 14:48
Das Problem ist das die Katholen Juden verfolgen, obwohl Ihr Schöpfer Gott selbst ein Jude ist. So der Vater, so der Sohn.
Ich zum Beispiel verfolge keine Juden. Und die allermeisten anderen Katholiken, die mir persönlich bekannt sind, tun das ebenfalls nicht. Auch aus der Zentrale gibt es keine entsprechenden Anweisungen, im Gegenteil.

marc
08.02.2009, 14:48
Unsinn. Die Kirche braucht keine Dogmen.

Natürlich braucht die Kirche Dogmen.
Sola scriptura?
"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben."

Sauerländer
08.02.2009, 14:49
Andererseits führte die tatsächlich schrifttreuere Auslegung zu einer gewissen Strenge im Denken und Handeln, und dass wiederum zur protestantischen Ethik, von der die meisten wirtschaftlich erfolgreichen Staaten der Neuzeit geprägt worden sind.
Dann sollte man aber zumindest all die Schattenseiten dieses wirtschaftlichen "Erfolgs" nicht aus den Augen verlieren.

marc
08.02.2009, 14:49
Das Problem ist das die Katholen Juden verfolgen, obwohl Ihr Schöpfer Gott selbst ein Jude ist. So der Vater, so der Sohn.

Bisher habe ich noch nie gehört, dass das Opus Dei weichgespült und unkatholisch wäre:

http://www.opusdei.de/art.php?p=31968

Felidae
08.02.2009, 14:50
So, kann man das? Wie erschließt man sich denn die Gegebenheiten der Entstehungszeit? Bzw WER tut das? Jemand, der ohne Prägung seiner Gegenwart ist und natürlich jedes erkenntnisleitende Interesse auszuschalten gewillt und in der Lage ist?

Was hat es mit der gegenwärtlichen Prägung zu tun, wenn wir Texte aus dem Altertum nach den damaligen Gegegebenheiten beurteilen?

Sauerländer
08.02.2009, 14:52
Was hat es mit der gegenwärtlichen Prägung zu tun, wenn wir Texte aus dem Altertum nach den damaligen Gegegebenheiten beurteilen?
Das Stichwort lautet -ich deutete es bereits an- "erkenntnisleitendes Interesse."
Wenn selbiges nicht durch das ewige Dogma auf Kurs gehalten wird, ist alles möglich.

Felidae
08.02.2009, 14:52
Natürlich braucht die Kirche Dogmen.
Sola scriptura?
"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben."

Richtig. Jesus ist die Wahrheit. Das ist aber kein Dogma (alle Dogmen der Katholischen Kirche sind nicht direkt aus der Bibel abgeleitet), sondern eben Teil der Schrift. Übrigens: Das steht nichts davon, dass Maria leiblich in den Himmel aufgenommen wurde, nichts davon, das sie sündlos war und nichts davon, dass der Papst unfehlbar sein könnte.

Felidae
08.02.2009, 14:54
Das Stichwort lautet -ich deutete es bereits an- "erkenntnisleitendes Interesse."
Wenn selbiges nicht durch das ewige Dogma auf Kurs gehalten wird, ist alles möglich.

Schon Calvin sagte, dass die Kirche beständiger Erneuerung bedarf.

marc
08.02.2009, 15:00
Richtig. Jesus ist die Wahrheit. Das ist aber kein Dogma

Ein Dogma ist ein Lehrsatz, der als unumstößliche Wahrheit definiert wird, die im Gegensatz zum Relativismus und zum Subjektivismus stehen.

Es ist ja im übrigen merkwürdig, dass sich ausgerechnet diejenigen auf das Prinzip des "Sola Scriptura" beziehen, für die Gott nicht mehr ist als eine zärtliche Disneylandprojektion einerseits, und eine Rechtfertigung andererseits, im Namen dieser "Liebe" jedes Land zu bombardieren, dass sich nicht westlichen Werten unterwirft.

Psyche
08.02.2009, 15:01
Bisher habe ich noch nie gehört, dass das Opus Dei weichgespült und unkatholisch wäre:

http://www.opusdei.de/art.php?p=31968

Aber der Gott der Christen ist ein Jude. germane

Wenn Katholiken das nicht einsehen, sind sie die Mörder Gottes.

Felidae
08.02.2009, 15:02
Ein Dogma ist ein Lehrsatz, der als unumstößliche Wahrheit definiert wird, die im Gegensatz zum Relativismus und zum Subjektivismus stehen.

Es ist ja im übrigen merkwürdig, dass sich ausgerechnet diejenigen auf das Prinzip des "Sola Scriptura" beziehen, für die Gott nicht mehr ist als eine zärtliche Disneylandprojektion einerseits, und eine Rechtfertigung andererseits, im Namen dieser "Liebe" jedes Land zu bombardieren, dass sich nicht westlichen Werten unterwirft.

Wo habe ich meine Auffassung vom Bomben feindlicher Länder mit Gott gerechtfertigt? Ich glaube, er ist nicht unbedingt ein Fan dieser Auffassung, aber ich bin eben so sicher, dass er sie mir vergeben wird.

Sauerländer
08.02.2009, 15:03
Schon Calvin sagte, dass die Kirche beständiger Erneuerung bedarf.
Calvin...:rolleyes:
Dass ein Irrender den Irrtum affirmiert, ja als Notwendigkeit zu deuten bemüht ist, leuchtet ein.
Am Rande sei auch darauf hingewiesen, wie wenig grün -um es ganz vorsichtig zu formulieren- sich Lutheraner und Calvinisten lange Zeit waren.

Felidae
08.02.2009, 15:05
Calvin...:rolleyes:
Dass ein Irrender den Irrtum affirmiert, ja als Notwendigkeit zu deuten bemüht ist, leuchtet ein.
Am Rande sei auch darauf hingewiesen, wie wenig grün -um es ganz vorsichtig zu formulieren- sich Lutheraner und Calvinisten lange Zeit waren.

Warum gehst du nicht in eine Freikirche? Du hörst dich genauso an wie die.

marc
08.02.2009, 15:07
Ich glaube, er ist nicht unbedingt ein Fan dieser Auffassung, aber ich bin eben so sicher, dass er sie mir vergeben wird.

Das ist ja die Problematik: jemand, der befürchtet, für Massenbombardements von Gott bestraft zu werden, kann letztlich produktiver in die Welt arbeiten, als einer, der sich gewiss ist, noch die schlimmsten Morde schlicht verziehen zu bekommen.

Die Justierung zwischen "Frohbotschaft" und "Drohbotschaft" ist sicherlich schwierig, aber sie kann nicht nur fehlschlagen zu einer Seite hin: "Ihr kommt sowieso alle in die Hölle!" - sondern auch zur anderen: "Mach, was du willst, Gott wird dir sowieso verzeihen."

Sauerländer
08.02.2009, 15:08
Warum gehst du nicht in eine Freikirche?
Warum sollte ich?

Sauerländer
08.02.2009, 15:09
(...) sondern auch zur anderen: "Mach, was du willst, Gott wird dir sowieso verzeihen."
Und genau das erleben wir heute. Leider.

marc
08.02.2009, 15:10
Aber der Gott der Christen ist ein Jude. germane

Wenn Katholiken das nicht einsehen, sind sie die Mörder Gottes.

Aus christlicher Sicht war Jesus in seinem menschlichen Teil Jude.
Aber Gott ist größer als eine Religionsgemeinschaft.

Es heißt ja auch: Hier ist weder Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann noch Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.

Felidae
08.02.2009, 15:11
Das ist ja die Problematik: jemand, der befürchtet, für Massenbombardements von Gott bestraft zu werden, kann letztlich produktiver in die Welt arbeiten, als einer, der sich gewiss ist, noch die schlimmsten Morde schlicht verziehen zu bekommen.

Die Justierung zwischen "Frohbotschaft" und "Drohbotschaft" ist sicherlich schwierig, aber sie kann nicht nur fehlschlagen zu einer Seite hin: "Ihr kommt sowieso alle in die Hölle!" - sondern auch zur anderen: "Mach, was du willst, Gott wird dir sowieso verzeihen."

Nein, Gott verzeiht nicht "einfach so", auch dort im Himmel nicht. Der Mensch wird sicher über seine Fehler nachzudenken haben.

Ausonius
08.02.2009, 16:03
Dann sollte man aber zumindest all die Schattenseiten dieses wirtschaftlichen "Erfolgs" nicht aus den Augen verlieren.

Ohne Frage. Wie gesagt, ist das alles kritisch zu sehen. Persönlich halte ich die Zeit der Konfessionskämpfe für eine der entscheidendsten wie verhängnisvollsten Epochen der deutschen Geschichte, und mir war noch nie klar, warum man eigentlich vom "finsteren Mittelalter" spricht, wo es viel berechtigter wäre, von einer "finsteren Neuzeit" zu sprechen (zumindest, was das 16./17. Jhdt. angeht).

Sauerländer
08.02.2009, 16:33
Ohne Frage. Wie gesagt, ist das alles kritisch zu sehen. Persönlich halte ich die Zeit der Konfessionskämpfe für eine der entscheidendsten wie verhängnisvollsten Epochen der deutschen Geschichte, und mir war noch nie klar, warum eigentlich vom "finsteren Mittelalter" spricht, wo es viel berechtigter wäre, von einer "finsteren Neuzeit" zu sprechen (zumindest, was das 16./17. Jhdt. angeht).
Ein Sprachgebrauch, den ich mir längst angewöhnt habe - das kommt so mit der Zeit, wenn man sich viel mit Mediävisten umgibt. :rolleyes:
Wobei ich das keineswegs auf das 16. und 17. Jahrhundert beschränken würde. Wenn wir etwa an die Folgen der späteren Bevölkerungsexplosion, an die Industrialisierung und deren Folgen für Mensch und Natur, an das Entstehen des städtischen Massenmenschentums, an das Aufkommen der weltlichen (Massen)ideologien und das Blutbad des 20. Jahrhunderts denken, und nicht auf die Idee kommen, der Irrsinn sei nach 1945 vorbei, sondern uns anschauen, welch immer entsetzlichere geistige Verwüstung die Moderne in den Menschen anrichtet - dann ist es seit dem 17. Jahrhundert nicht besser geworden, im Gegenteil.

Ausonius
08.02.2009, 16:41
Ein Sprachgebrauch, den ich mir längst angewöhnt habe - das kommt so mit der Zeit, wenn man sich viel mit Mediävisten umgibt. :rolleyes:
Wobei ich das keineswegs auf das 16. und 17. Jahrhundert beschränken würde. Wenn wir etwa an die Folgen der späteren Bevölkerungsexplosion, an die Industrialisierung und deren Folgen für Mensch und Natur, an das Entstehen des städtischen Massenmenschentums, an das Aufkommen der weltlichen (Massen)ideologien und das Blutbad des 20. Jahrhunderts denken.

Na, immerhin liegt dazwischen doch noch die deutsche Klassik bzw. Romantik mit Goethe, Kant, Beethoven, die auch im Kanon der Wertkonservativen und Kulturpessimisten einen hohen Stellenwert einnimmt, oder lieg ich da falsch?

Ansonsten seh ich die Entwicklung der letzten 300 Jahre eher als philosophische Frage, ob man Kulturpessimist ist oder Geschichtspositivist. Ich bin auf jeden Fall eher letzteres. Davon abgesehen, halte ich - gerade was die Auswirkungen auf die Bevölkerung betrifft - den Dreißigjährigen Krieg für die schlimmste Katastrophe der deutschen Geschichte. Aus meiner Warte muss es danach also in unserem Land zumindest ein bißchen besser geworden sein.

Sauerländer
08.02.2009, 17:00
Na, immerhin liegt dazwischen doch noch die deutsche Klassik bzw. Romantik mit Goethe, Kant, Beethoven, die auch im Kanon der Wertkonservativen und Kulturpessimisten einen hohen Stellenwert einnimmt, oder lieg ich da falsch?
Nein, keinswegs - wobei je nach genauer Definition des Konservativen aus dessen Perspektive Kant zum Beispiel auch alles andere als unproblematisch ist.
Und mag man im Weltgefühl der Romantik auch noch so aufgehen, noch so tief versinken (und ich persönlich tue das in starkem Maße), dann bleibt doch die Tatsache, dass die Romantik eher den Akt einer kollektiven wehmütigen Erinnerung darstellt, ein intensives Zurücksehnen nach dem, von dem man weiss, dass es nicht wiederkehrt. Weshalb die Romantik ja auch eigentlich keine sonderlich heitere Angelegenheit ist und gerade in dem Land, in dem sie am stärksten durchschlug (also in Deutschland), ihren Ausklang in düsteren Untergangsszenarien nibelungenartigen Zuschnitts fand.
Man könnte sie also verstehen als eine Reaktion eines gesunden, aber ohnmächtigen Gemüts auf den übermächtig-unerträglichen Weltzustand. In diesem Sinne hat sie ja auch so häufig einen gewissen Fluchtcharakter.

Ansonsten seh ich die Entwicklung der letzten 300 Jahre eher als philosophische Frage, ob man Kulturpessimist ist oder Geschichtspositivist. Ich bin auf jeden Fall eher letzteres.
Man muss da meines Erachtens gar keine Grundsatzfrage draus machen. Man kann durchaus die Entwicklung der letzten Jahrhunderte als negativ bewerten, ohne einen grundsätzlichen Weg des Verfalls in der Geschichte am Werke zu sehen. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich selbst der kulturpessimistischen Sichtweise einigermaßen nahe stehe, zumindest mit dem Gedanken vom linearen Fortschritt (Spengler sprach vom "Bandwurm") überhaupt nichts anfangen kann.

Davon abgesehen, halte ich - gerade was die Auswirkungen auf die Bevölkerung betrifft - den Dreißigjährigen Krieg für die schlimmste Katastrophe der deutschen Geschichte. Aus meiner Warte muss es danach also in unserem Land zumindest ein bißchen besser geworden sein.
Auf den unmittelbaren Vorgang bezogen - sicherlich. Wenn die meisten ein Dach über dem Kopf haben und die Zahl der unmittelbar Verhungernden gen Null tendiert, sieht das auf den ersten Blick natürlich besser aus als eine Zeit, in der das Land endvölkert ist, marodierende Söldnerheere den Überlebenden das Leben zur Hölle machen und Hunger und Seuchen denen, die DANN noch am Leben sind, den endgültigen Stoß geben.
Aber der Mensch besteht ja doch aus etwas mehr als dem bloßen Existieren und materiellen Überleben. Er ist nicht zuletzt ein Geist- und Kulturwesen. Und in DIESER Hinsicht ist es seit damals in meinen Augen rapide abwärts gegangen bzw geht es immer noch.

EinDachs
08.02.2009, 17:30
Wobei man vielleicht sagen muss, dass das Resultat von Webers Untersuchungen war, dass es eigentlich die "calvinistische Ethik und der Geist des Kapitalismus" lauten müsste.
Habe ich zumindest so in Erinnerung. *Grübel*
Wobei: dass "evangelisch, lutheranisch" und "protestantisch" oft als Synonym verwendet werden, ist ja erst seit kurzer Zeit so. Naja, egal auch.

Ja, da mag etwas dran sein, dass er sehr viel mehr über Calivinisten als über eigentliche Prostestanten zu sagen hat, aber Weber betrachtete die Calvinisten ja auch nur als eine logische Folge der Reformation im allgemeinen.



Aber ganz interessant: die These Nietzsches, dass Luther durch die Reformation das Christentum noch einmal gerettet habe, da es durch den Humanismus z.B. kurz davor war, wegzusterben -- bis es durch die Reformation wieder Aufschwung erhielt.

Ja, die war auch sehr interessant, aber ich betrachte das ein wenig skeptisch.
Der Humanismus war damals zwar aufstrebend, aber immer noch sehr mit christlichen Grundgedanken durchzogen und die Wissenschaft konnte auf viele Fragen damals noch keine Antworten geben, die sie heute bereits hat. Ich denke, Nietzsche hat da ein wenig von seiner Zeit auf die Zeit der Reformation geschlossen.

Aber interessant finde ich auch, welche Auswirkungen die Reformation auf die Ideenpluralität in Europa hatte. Gerade als Buchdruck möglich wurde und sich Ideen schneller verbreiteten, wurde der Einfluss der letzten zentralen Schiedsinstanz Europas massiv zurückgerdängt (was garantiert kein Zufall war und vmtl musste allein als Folge technischer Innovation soetwas wie die Reformation kommen). Mit der Folge, dass es irrelevant wurde, wenn der Papst ein Buch verbot, da man selbiges dann schlimmstenfalls in der Schweiz oder den Niederlanden drucken konnte. Ich denke daher auch, dass die Wissenschaft nicht gerade wenig von dieser Spaltung profitierte.

Beverly
08.02.2009, 23:12
Angesichts des Unfugs mit dem Ablasshandel und anderer Verfallserscheinungen erschien die Reformation zunächst sinnvoll. Schluss mit Dogmen und Unfug aus Rom, jeder sollte sich in Fragen des Glaubens ein eigenes Urteil bilden!

Nur führte die Reformation anstatt des einen großen Unsinns der einzig wahren Kirche nur zu schnell zu viel verschienden kleinen Unsinn vieler verschiedener Kirchen. Der Augsburger Religionsfrieden, wonach der Landesherr den Glauben seiner Untertanen bestimmte, war so ein Machwerk, das er den Sinn der Reformation in Frage stellte. Eigentlich konnte es den einfachen Menschen da egal sein, ob ihnen "Rom" oder ihr Landesherr vorschrieb, was sie zu glauben hatten.

Zum calvinistischen Konzept der Prädestination, wonach wirtschaftlicher Erfolg ein Zeichen der Gunst Gottes sei, erlaube ich mir ein :vogel: - da treffen sich nur religiösen und ökonomischer Obskurantismus und es muss offen bleiben, wer die größeren Deppen sind: Theologen, die so etwas glaubten oder Gesellschaftswissenschaftler, die meinen, so ein Unfug habe die Wirtschaft vorangebracht.

Spätestens die Gegenreformation brachte dann die konfessionelle Spaltung Deutschlands und das mit Auswüchsen, welche noch die 40 Jahre Teilung in BRD und DDR übertrafen. Noch in der Nachkriegszeit hatten die Katholen und Evangelen "die Mauer im Kopf" und waren sich spinnefeind.
Zuvor hatte es schon den Dreißigjährigen Krieg gegeben. Der hatte IMHO zwar keine religiösen Ursachen, aber die Kriegsparteien definierten sich über die Religion.
So verkam die Reformation zum religiösen Deckmäntelchen für politische und wirtschaftliche Interessen. Die Reformatoren begingen den gleichen Fehler wie die Christen in der Spätantike: sie ließen sich mit den Fürsten ein, mit der Macht, mit dem Staat, um von ihm protegiert und gefördert zu werden. Als Ergebnis schufen sie anstatt einer großen korrupten Kirche mehrere kleine korrupte Kirchen.
Bestenfalls bereiteten sie den Weg für diejenigen, die den Sinn von Kirche und Christentum und Religion insgesamt in Frage stellten. Weil es da außer wöchentlichen Versammlungen und sozialen Einrichtungen nicht viel Positives gibt. Ein Dogma, das ... naja, und eine latente oder akute Gier nach der Macht und alleinigen Deutungshoheit, dem Monopol auf Welterklärung, ohne die Welt zu erklären und dem Monopol nach Sinnstiftung, um nur Unsinn zu predigen.

Dexter
08.02.2009, 23:14
Unsinn. Die Kirche braucht keine Dogmen.

Zentrales Dogma: Es gibt einen Gott.
Das ist übrigens ein anderes als es gibt Götter. Sogar innerhalb der Christen gibt es da dogmatische Unterschiede, die zu Spaltungen geführt haben. Trinitismus ist bei weitem nicht die einzige Auslegungsmöglichkeit.

Merkst du es eigentlich, wenn du absoluten Unsinn vor dich hintippst?

Felidae
08.02.2009, 23:26
Zentrales Dogma: Es gibt einen Gott.
Das ist übrigens ein anderes als es gibt Götter. Sogar innerhalb der Christen gibt es da dogmatische Unterschiede, die zu Spaltungen geführt haben. Trinitismus ist bei weitem nicht die einzige Auslegungsmöglichkeit.

Merkst du es eigentlich, wenn du absoluten Unsinn vor dich hintippst?

Das ist kein Dogma, sondern eine Grundannahme. Wenn du dich an die Philosophie erinnern magst: Du wirst nie ohne Axiom auskommen. Ein Axiom muss qua definitionem auch nicht bewiesen werden. Somit kannst du auch jede politische Richtung, jedes Denken als dogmatisch betrachten.

Dexter
08.02.2009, 23:39
Das ist kein Dogma, sondern eine Grundannahme. Wenn du dich an die Philosophie erinnern magst: Du wirst nie ohne Axiom auskommen. Ein Axiom muss qua definitionem auch nicht bewiesen werden. Somit kannst du auch jede politische Richtung, jedes Denken als dogmatisch betrachten.

Ich zitiere den ersten Satz der Definition von Dogma der Wikipedia. Du solltest aber auch gleiche Definitionen überall anders finden, aber ich bin gerade zu faul meinen Duden zu holen, und das abzutippen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Dogma

Unter einem Dogma (griech. δόγμα, dógma, „Meinung, Denkart, Lehrsatz“; Plural Dogmen oder seltener nach dem Griechischen Dogmata) versteht man eine festlegende Definition oder eine grundlegende Lehrentscheidung, der ein unumstößlicher Wahrheitsgehalt zugeschrieben wird.

Ein Dogma ist eine grundlegende Annahme. I rest my case.

Für die moderne Politik, die unter massiven Legitimationsdruck steht, recht es bei weitem nicht aus, Axiome zu verlautbaren. Wenn du dich mit Politik beschäftigt hättest, würde dir auffallen, dass dort sehr oft Studien und Modelle herangezogen werden, um Entscheidungen zu rechtfertigen oder zu fordern.

Felidae
09.02.2009, 08:28
Ich zitiere den ersten Satz der Definition von Dogma der Wikipedia. Du solltest aber auch gleiche Definitionen überall anders finden, aber ich bin gerade zu faul meinen Duden zu holen, und das abzutippen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Dogma


Ein Dogma ist eine grundlegende Annahme. I rest my case.

Für die moderne Politik, die unter massiven Legitimationsdruck steht, recht es bei weitem nicht aus, Axiome zu verlautbaren. Wenn du dich mit Politik beschäftigt hättest, würde dir auffallen, dass dort sehr oft Studien und Modelle herangezogen werden, um Entscheidungen zu rechtfertigen oder zu fordern.

Unfug. Daran sieht man, dass du dich selbst nicht damit befasst hast. Auch der Liberalismus kennt Axiome, wie z. B. das, dass der Staat an die Menschenrechte als vorstaatliches Recht gebunden ist.

cajadeahorros
09.02.2009, 09:35
Ohne Frage. Wie gesagt, ist das alles kritisch zu sehen. Persönlich halte ich die Zeit der Konfessionskämpfe für eine der entscheidendsten wie verhängnisvollsten Epochen der deutschen Geschichte, und mir war noch nie klar, warum man eigentlich vom "finsteren Mittelalter" spricht, wo es viel berechtigter wäre, von einer "finsteren Neuzeit" zu sprechen (zumindest, was das 16./17. Jhdt. angeht).

Man spricht von einem finsteren Mittelalter weil die Zeit außer kaiserlichen Verwaltungsschriftstücken, kirchlichen Zehntverzeichnissen, eher rückständiger Kunst und allgemeiner Leibeigenschaft wenig hervorgebracht hat. "Konfessionskämpfe" gab es nicht, der Pöbel glaubte zwar fest daran aber wie sogar Krabat schon bemerkt hat kämpften nach der Reformation durchaus weltliche Interessen gegeneinander, sogar Katholiken gegen Katholiken. Wie relativ problemlos im Rahmen von angeblichen "Konfessionskämpfen" der Übergang vom feudalen Mittelalter zur frühkapitlistischen Neuzeit geschehen kann zeigt England.

Ausonius
09.02.2009, 10:17
Man spricht von einem finsteren Mittelalter weil die Zeit außer kaiserlichen Verwaltungsschriftstücken, kirchlichen Zehntverzeichnissen, eher rückständiger Kunst und allgemeiner Leibeigenschaft wenig hervorgebracht hat.

Eine m.E. typische Sichtweise, bei der das in vieler Hinsicht innovative Spätmittelalter unter den Tisch fällt. Immerhin fällt darin die Entwicklung des Städte- und Zunftwesens, der ersten Universitäten und auf einer quasi-verfassungsrechtlichen Ebene haben wir z.B. die Landfriedensentwicklung, die Gründung der Städtebünde oder auch die "Goldene Bulle" und die Reichsreform. Es wurden viele neue Wege gesucht, so dass man m.E. erstmals von einem technischen und ideellen Fortschritt seit der Antike sprechen kann.

Sauerländer
09.02.2009, 10:44
Eine m.E. typische Sichtweise, bei der das in vieler Hinsicht innovative Spätmittelalter unter den Tisch fällt. Immerhin fällt darin die Entwicklung des Städte- und Zunftwesens, der ersten Universitäten und auf einer quasi-verfassungsrechtlichen Ebene haben wir z.B. die Landfriedensentwicklung, die Gründung der Städtebünde oder auch die "Goldene Bulle" und die Reichsreform. Es wurden viele neue Wege gesucht, so dass man m.E. erstmals von einem technischen und ideellen Fortschritt seit der Antike sprechen kann.
Zumal immer wieder die Frage aufzuwerfen ist, inwiefern eigentlich eine Zeit, die "wenig hervorbringt", zwingend eine schlechte sein muss.

Sauerländer
09.02.2009, 10:46
Zum calvinistischen Konzept der Prädestination, wonach wirtschaftlicher Erfolg ein Zeichen der Gunst Gottes sei, erlaube ich mir ein :vogel: - da treffen sich nur religiösen und ökonomischer Obskurantismus und es muss offen bleiben, wer die größeren Deppen sind: Theologen, die so etwas glaubten oder Gesellschaftswissenschaftler, die meinen, so ein Unfug habe die Wirtschaft vorangebracht.
Oh, vorangebracht hat es sie ganz gewiss. Woran wir wieder mal sehen, dass "Vorwärts" zumindest nicht automatisch positiv ist.
Den Gehalt der Lehre betreffend hingegen muss ich zustimmen - das ist nicht einfach nur Ketzerei, das ist bösartig.

cajadeahorros
09.02.2009, 11:34
Eine m.E. typische Sichtweise, bei der das in vieler Hinsicht innovative Spätmittelalter unter den Tisch fällt. Immerhin fällt darin die Entwicklung des Städte- und Zunftwesens, der ersten Universitäten und auf einer quasi-verfassungsrechtlichen Ebene haben wir z.B. die Landfriedensentwicklung, die Gründung der Städtebünde oder auch die "Goldene Bulle" und die Reichsreform. Es wurden viele neue Wege gesucht, so dass man m.E. erstmals von einem technischen und ideellen Fortschritt seit der Antike sprechen kann.

Und die Reformation war eine der geistigen Folgen. Das katholische Christentum das von einem Papst in Rom und den nutzlosen Zweitgeborenen der Feudalherren auf den Bischofsstühlen vertreten wurde "passte" nicht mehr zur Zeit. Es wurde nicht zum ersten Mal in Frage gestellt, aber die wirtschaftliche und die geistige Entwicklung war noch nicht reif für eine Reformation. Jan Hus büßte dies 100 Jahre vorher mit dem Tod, denn Hus fand noch keine breite Unterstützung und unterlag der geschlossenen Phalanx des geistigen und wirtschaftlichen Mittelalters. Luther fand diese Unterstützung weil sich "der Glaube macht selig und nicht die Werke" in die Formel "fließt Kapital nach Rom ab oder nicht" übersetzen ließ.

cajadeahorros
09.02.2009, 11:37
Zumal immer wieder die Frage aufzuwerfen ist, inwiefern eigentlich eine Zeit, die "wenig hervorbringt", zwingend eine schlechte sein muss.

Wenn man damit zufrieden ist, 30 Jahre hinter einem Pflug herzutrotten um dann schließlich an einem lächerlichen Wehwehchen einzugehen, dann war das Mittelalter selbstverständlich eine große Zeit.

Sauerländer
09.02.2009, 11:57
Wenn man damit zufrieden ist, 30 Jahre hinter einem Pflug herzutrotten um dann schließlich an einem lächerlichen Wehwehchen einzugehen, dann war das Mittelalter selbstverständlich eine große Zeit.
Es war vor allen Dinge eine große Zeit im Hinblick auf die Abwesenheit all dessen, was das Leben heute zum permanenten Terror macht. Vermassungs, Millionenstädte, die Unmöglichkeit, aus irgendeinem Bach zu trinken, ohne sich den Tod zu holen.
Ein unmittelbarer Bezug zum SINN der eigenen Arbeit. Die Abwesenheit eines abstrakten, einen zu jedem Zeitpunkt erfassenden Staates, die Abwesenheit permanenter Besteuerung, die Abwesenheit der permanenten Aufhetzung und Gegenaufhetzung durch eine Massenpresse, die Abwesenheit eines bürokratischen Irrsinnsapparates, die Abwesenheit einer allgegenwärtigen Zeitmessung und terrorartigen Durchplanung des Tages, die Abwesenheit der abstrakten Arbeit.
Heute überleben wir möglicherweise Infektionen, die uns damals dahingerafft hätten - aber dafür sind wir eben auch mittlerweile viel zu viele.
Und kriegen all die psychischen Ausfallserscheinungen, die daraus resultieren.
Dann doch lieber 30 Jahre Pflug.

-jmw-
09.02.2009, 13:07
Auch der Liberalismus kennt Axiome, wie z. B. das, dass der Staat an die Menschenrechte als vorstaatliches Recht gebunden ist.
Ist das nicht eine verkürzte Liberalismusvorstellung?
Immerhin, hätten wir damit nicht eine ganze Reihe von Leuten, die keine "Liberalen" mehr wären, aber nur schwerlich anders eingeordnet wären können?

cajadeahorros
09.02.2009, 16:29
Es war vor allen Dinge eine große Zeit im Hinblick auf die Abwesenheit all dessen, was das Leben heute zum permanenten Terror macht. Vermassungs, Millionenstädte, die Unmöglichkeit, aus irgendeinem Bach zu trinken, ohne sich den Tod zu holen.
Ein unmittelbarer Bezug zum SINN der eigenen Arbeit. Die Abwesenheit eines abstrakten, einen zu jedem Zeitpunkt erfassenden Staates, die Abwesenheit permanenter Besteuerung, die Abwesenheit der permanenten Aufhetzung und Gegenaufhetzung durch eine Massenpresse, die Abwesenheit eines bürokratischen Irrsinnsapparates, die Abwesenheit einer allgegenwärtigen Zeitmessung und terrorartigen Durchplanung des Tages, die Abwesenheit der abstrakten Arbeit.
Heute überleben wir möglicherweise Infektionen, die uns damals dahingerafft hätten - aber dafür sind wir eben auch mittlerweile viel zu viele.
Und kriegen all die psychischen Ausfallserscheinungen, die daraus resultieren.
Dann doch lieber 30 Jahre Pflug.

Tut mir ja leid wenn du hier und jetzt überfordert bist aber den paradiesischen weil hirnschonenden Zustand der Leibeigenschaft kannst du dir für dich selbst zurückwünschen.

Sauerländer
09.02.2009, 17:58
Tut mir ja leid wenn du hier und jetzt überfordert bist aber den paradiesischen weil hirnschonenden Zustand der Leibeigenschaft kannst du dir für dich selbst zurückwünschen.
Zunächstmal habe ich die damalige Zeit keineswegs als "paradiesisch" bezeichnet. Ich könnte selber eine lange Liste aufmachen, was damals alles furchtbar war. Na und? Kann ich heute auch - nur ist diese Liste da erheblich länger, während die dem entgegenstehende Positivliste zwar vorhanden, aber doch erheblich kürzer ist.
Zweitens hört sich das hier fast so an, als sei Leibeigenschaft nur ein anderer Begriff für Schindsklaverei. Und das ist nun wirklich GÄNZLICH albern.
Man stellt das heute gerne so da, als sei ein Adeliger grundsätzlich ein peitschenschwingender Taugenichts gewesen, der dem armen Bauern das bischen Essen abnahm, das dem nach als permanent gedachten Missernte blieb, um den daraus erzielten Gewinn dann zu versaufen und dann im Suff die Töchter der Bauernschaft schänden zu gehen.
Das ist Propaganda, die dem Progressivisten dazu dient, an dem Bild festhalten zu können, durch den "Fortschritt" sei das Leben besser geworden.
Und wir beim Thema "hirnschonend" sind: Wenn ich neben das Gemüt des damaligen Bauern das stelle, was mir heute jeden Tag so über den Weg läuft, dann fällt dieser Vergleich für den heutigen Menschen wenig schmeichelhaft aus.

Felidae
09.02.2009, 17:59
Ist das nicht eine verkürzte Liberalismusvorstellung?
Immerhin, hätten wir damit nicht eine ganze Reihe von Leuten, die keine "Liberalen" mehr wären, aber nur schwerlich anders eingeordnet wären können?

Nein. Letztlich ist Liberalismus die Anerkennung dieser grundlegenden Rechte, die vor dem Staat existierten, ja die ihm gar erst seine Rechtfertigung geben. Der Staat rechtfertigt seine Existenz nur durch den Schutz dieser Rechte. Deshalb kann es übrigens auch keine sog. positiven Grundrechte geben.

PAZIFIX
09.02.2009, 18:12
Seitdem die Medienhetze gegen den Papst und den Katholizismus immer mehr zugenommen hat, drängt sich mir die Frage auf, ob die Spaltung der Kirche durch die Reformationsbewegung wirklich positiv zu bewerten ist.

...


Das ist sie auf alle Fälle. Luther war ein cooler Typ :cool2:,
und auch so mancher andere Reformator. Es gabe radikale christliche Gruppen und Gemeinschaften, oft als Ketzer bezeichnet, die doch an Jesus näher dran waren als diese ganzen kirchlichen Institutionen, auch wenn sie hier & da mal ein bischen ausflippten. That´s Life. In den Sechzigern gab´s die Jesus People und LoveReligion-Freaks, die standen irgendwie schon in der Tradition der antikirchlichen freien christlichen Gruppen. Heute gibt´s die Jesus Freaks (VolxBibel), die mag ich auch! Vielleicht gibt es ja bald eine erneute Reformation. Hauptsache wieder nahe an Jesus dran.
Durch die McDonaldisierung zum Fast-Food-Christentum, dürfte sich ein wahrer Jesus-Freund wohl heute kaum noch als Christ bezeichnen. Wer Jesus liebt muß die institutionalisierte Kirche verachten, alles nur Pharisäer!:mf_popeanim:

PAZIFIX
09.02.2009, 18:17
Wer Jesus liebt muß die institutionalisierte Kirche verachten, alles nur Pharisäer!:mf_popeanim:

VolxBibel lesen!

marc
09.02.2009, 18:25
VolxBibel lesen!

"In diesem ganzen Eheding steckt für mich voll ein Geheimnis."
http://wiki.volxbibel.com/index.php/Epheser_5
:(

"Frauen sollen mal lernen, im Gottesdienst nicht die ganze Zeit so rumzuquatschen. Sie sollen tun, was man ihnen sagt."
http://wiki.volxbibel.com/index.php/1.Timotheus_2

Oh - ich bin mal gespannt, wie sie das hier übersetzen:

Darauf könnt ihr wetten, Leute, keiner, der sexmäßig Mist baut, der irgendwelche Dinge oder Ideen zu seinem Gott macht, der fremdgeht, Stricher, Diebe, Leute, die nur hinter Kohle her sind, Drogensüchtige, Alkis, Menschen, die ständig ablästern oder Banken überfallen, keiner von denen wird bei Gott im Paradies dabei sein, wenn er so weiterlebt.
http://wiki.volxbibel.com/index.php/1.Korinther_6

Hm. :D

PAZIFIX
09.02.2009, 18:42
"In diesem ganzen Eheding steckt für mich voll ein Geheimnis."
http://wiki.volxbibel.com/index.php/Epheser_5
:(

"Frauen sollen mal lernen, im Gottesdienst nicht die ganze Zeit so rumzuquatschen. Sie sollen tun, was man ihnen sagt."
http://wiki.volxbibel.com/index.php/1.Timotheus_2

Oh - ich bin mal gespannt, wie sie das hier übersetzen:

Darauf könnt ihr wetten, Leute, keiner, der sexmäßig Mist baut, der irgendwelche Dinge oder Ideen zu seinem Gott macht, der fremdgeht, Stricher, Diebe, Leute, die nur hinter Kohle her sind, Drogensüchtige, Alkis, Menschen, die ständig ablästern oder Banken überfallen, keiner von denen wird bei Gott im Paradies dabei sein, wenn er so weiterlebt.
http://wiki.volxbibel.com/index.php/1.Korinther_6

Hm. :D

Nun ja, keiner ist von Sünde frei, aber Jesus liebte die Sünder. Darauf kommt es an! Und wenn ein Sünder sich bemüht nicht mehr (bewußt) zu sündigen, was ist daran so schlimm, er kann ja nur das Paradies ernten:D. Es gibt wohl schlimmeres;)
Das Problem der meisten Christen ist wohl, das sie gerne den Tugendfinger auf andere richten. Damit werden sie schon wieder selbst zu Sündern, wenn darin ein anklagen & richten enthalten ist, was meist der Fall ist.
Wer ohne Sünde werfe den ersten Stein. Ein zentraler Jesussatz. That´s it!

-jmw-
09.02.2009, 19:36
Nein. Letztlich ist Liberalismus die Anerkennung dieser grundlegenden Rechte, die vor dem Staat existierten, ja die ihm gar erst seine Rechtfertigung geben.
Hmm...
Damit wäre jemand, der ein, sagen wir: klassisch-liberales Programm verfolgt, aber nicht an "vorgeschaltete" Menschenrechte glaubt, kein Liberaler, sondern ein... ja, was?


Deshalb kann es übrigens auch keine sog. positiven Grundrechte geben.
Ich meine mich erinnern zu können, dass von Dir schonmal anders gehört zu haben. :)

Felidae
09.02.2009, 19:58
Hmm...
Damit wäre jemand, der ein, sagen wir: klassisch-liberales Programm verfolgt, aber nicht an "vorgeschaltete" Menschenrechte glaubt, kein Liberaler, sondern ein... ja, was?

Ein Jemand mit liberalen Ideen, aber nicht der liberalen Ideologie anhängender.



Ich meine mich erinnern zu können, dass von Dir schonmal anders gehört zu haben. :)

Ich habe schon immer mit Naturrechten argumentiert. Ich bin ein Fan von Rothbard.

Felidae
09.02.2009, 20:00
Nun ja, keiner ist von Sünde frei, aber Jesus liebte die Sünder. Darauf kommt es an! Und wenn ein Sünder sich bemüht nicht mehr (bewußt) zu sündigen, was ist daran so schlimm, er kann ja nur das Paradies ernten:D. Es gibt wohl schlimmeres;)
Das Problem der meisten Christen ist wohl, das sie gerne den Tugendfinger auf andere richten. Damit werden sie schon wieder selbst zu Sündern, wenn darin ein anklagen & richten enthalten ist, was meist der Fall ist.
Wer ohne Sünde werfe den ersten Stein. Ein zentraler Jesussatz. That´s it!

Lies vielleicht mal etwas von den Texten Frere Rogers:

www.taize.fr/de

Das Bild dieses kunterbunten Freaks-Jesus kann ich nicht wirklich teilen.

-jmw-
09.02.2009, 20:28
Ein Jemand mit liberalen Ideen, aber nicht der liberalen Ideologie anhängender.
Ich find's, wie gesagt, ziemlich problematisch, alle nicht-naturrechtlichen Liberalen zu Nichtliberalen zu deklarieren.


Ich habe schon immer mit Naturrechten argumentiert. Ich bin ein Fan von Rothbard.
Warst Du nicht vor ein paar Wochen / Monaten noch ein selbsterklärter Links'liberaler' o.s.ä.? ?(

Felidae
09.02.2009, 20:39
Ich find's, wie gesagt, ziemlich problematisch, alle nicht-naturrechtlichen Liberalen zu Nichtliberalen zu deklarieren.

Ich sagte schon: Es ist ok, sie liberal zu nennen. Nur grundliberal nicht.



Warst Du nicht vor ein paar Wochen / Monaten noch ein selbsterklärter Links'liberaler' o.s.ä.? ?(

Eine kurzweilige Verirrung meiner Person.

EinDachs
09.02.2009, 20:56
Unsinn. Die Kirche braucht keine Dogmen.

Bis auf die Existenz eines allmächtigen, barmherzigen, heiligen Gottes und das wir alle nach seinen Regeln leben müssen oder ewig in Feuer und Schwefel gemartet werden.

Oder kommt die Kirche ohne Gott aus?

PAZIFIX
10.02.2009, 11:33
Lies vielleicht mal etwas von den Texten Frere Rogers:

www.taize.fr/de

Das Bild dieses kunterbunten Freaks-Jesus kann ich nicht wirklich teilen.

Der Mann ist mir bekannt.

Felidae
10.02.2009, 11:33
Der Mann ist mir bekannt.

Und? Was sagst du zur Theologie von Taize?

Weiter_Himmel
10.02.2009, 11:46
Meiner Ansicht nach ist es in keinster Weise möglich ein einheitliches Bild von den Protestanten zu zeichnen .

Global gesehen halte ich sie für sehr religös sogar für religöser als die meisten Khatoliken . In Deutschland und Europa wirken sie jedoch weltlicher als die Khatoliken .Aber auch hier gibt es unter den Protestanten verschiedene Strömungen z.B. die oft genannten "68er christen" aber ebend auch ca 2,1 mio streng religöse evangelikale fundamentalisten .

Die Reformation ist insofern zu begrüßen da sie die Macht des Vatikans und seinen Einfluss auf die Europäischen Staaten zurückgedrängt hat .

PAZIFIX
10.02.2009, 11:52
Und? Was sagst du zur Theologie von Taize?

Ist auch nicht so ganz mein Ding, obwohl, wer es mag möge damit glücklich werden.
Ich persönlich folge keiner speziellen vorgegeben Theologie, auch wenn mich theologische Themen durchaus interessieren. Das was ich in der Bibel lese, das lasse ich einfach auf mich wirken und mache mir dazu meine eignen Gedanken.
Die kirchliche Institution interessiert mich auch nicht.
Ich mag Leute wie die Jesus-People oder auch die Quäker, (würde mich aber ihnen nicht anschließen), ihre Herangehensweise an die Bibel, diese als Inspiration zu sehen, finde ich ganz gut.
Ich mag aber auch so jemanden wie P.K. Dick, den SF-Autor, der sich in seiner VALIS-Triologie undogmatisch mit theologischen Fragen auseinandersetzt.

Felidae
10.02.2009, 12:13
Ist auch nicht so ganz mein Ding, obwohl, wer es mag möge damit glücklich werden.
Ich persönlich folge keiner speziellen vorgegeben Theologie, auch wenn mich theologische Themen durchaus interessieren. Das was ich in der Bibel lese, das lasse ich einfach auf mich wirken und mache mir dazu meine eignen Gedanken.
Die kirchliche Institution interessiert mich auch nicht.
Ich mag Leute wie die Jesus-People oder auch die Quäker, (würde mich aber ihnen nicht anschließen), ihre Herangehensweise an die Bibel, diese als Inspiration zu sehen, finde ich ganz gut.
Ich mag aber auch so jemanden wie P.K. Dick, den SF-Autor, der sich in seiner VALIS-Triologie undogmatisch mit theologischen Fragen auseinandersetzt.

Ich mag die Quäkerbeschreibung auch. Die Bibel ist nicht die Quelle, sondern nur die Beschreibung der Quelle, da die Bezeichnung "Wort Gottes" ja eigentlich nur Jesus Christus zusteht.

PAZIFIX
10.02.2009, 12:18
Ich mag die Quäkerbeschreibung auch. Die Bibel ist nicht die Quelle, sondern nur die Beschreibung der Quelle, da die Bezeichnung "Wort Gottes" ja eigentlich nur Jesus Christus zusteht.

Genau so. Das würde ich unterschreiben!

Felidae
10.02.2009, 13:56
Genau so. Das würde ich unterschreiben!

Wie gesagt habe ich mich innerlich aber sehr zu Taizé gewand. Ich bin zum ersten Mal auf diese Gemeinschaft gestoßen, als damals die Nachrichten von der Ermordung Frere Rogers berichteten. Er muss ein sehr feinfühliger, ja großartiger Mann gewesen sein.

-jmw-
10.02.2009, 16:14
Ich sagte schon: Es ist ok, sie liberal zu nennen. Nur grundliberal nicht.
Las sich im Gegenteil so, als sollten sie nicht "Liberale" genannt werden:

"Ein Jemand mit liberalen Ideen, aber nicht der liberalen Ideologie anhängender."


Eine kurzweilige Verirrung meiner Person.
Also ich hätte Dich in der ganzen Zeit, die ich hier bin, nicht in die Richtung Rothbards gerückt.
Und ich werde es in Zukunft auch nicht tun. :D

PAZIFIX
10.02.2009, 16:34
Wie gesagt habe ich mich innerlich aber sehr zu Taizé gewand. Ich bin zum ersten Mal auf diese Gemeinschaft gestoßen, als damals die Nachrichten von der Ermordung Frere Rogers berichteten. Er muss ein sehr feinfühliger, ja großartiger Mann gewesen sein.

Das denke ich auch, er hat sicher ein bleibendes Werk geschaffen und eine vorbildliche Gemeinschaft.

Ausonius
10.02.2009, 17:30
Es war vor allen Dinge eine große Zeit im Hinblick auf die Abwesenheit all dessen, was das Leben heute zum permanenten Terror macht. Vermassungs, Millionenstädte, die Unmöglichkeit, aus irgendeinem Bach zu trinken, ohne sich den Tod zu holen.


Ein Städter des Mittelalters konnte praktisch kein Wasser trinken, weil es innerhalb der Städte an Frischwasser fehlte. Es hatte schon seinen Grund, dass weitgehend verdünnter Alkohol (Wein oder Bier) getrunken wurde.

Beverly
10.02.2009, 23:01
Oh, vorangebracht hat es sie ganz gewiss. Woran wir wieder mal sehen, dass "Vorwärts" zumindest nicht automatisch positiv ist.
Den Gehalt der Lehre betreffend hingegen muss ich zustimmen - das ist nicht einfach nur Ketzerei, das ist bösartig.

Max Weber handelt das Voranbringen in seinem Essay Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Die_protestantische_Ethik_und_der_%E2%80%9EGeist%E 2%80%9C_des_Kapitalismus) ab. Reformation und Protestantismus als geistige Wegbereiter des Kapitalismus - das liest sich für mich alles andere als gut. Noch ein Grund mehr, in der Reformation zwar verständliche, aber letztendlich gescheiterte und ins Gegenteil verkehrte Bestrebungen zu sehen?

Ajax
10.02.2009, 23:52
Max Weber handelt das Voranbringen in seinem Essay Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Die_protestantische_Ethik_und_der_%E2%80%9EGeist%E 2%80%9C_des_Kapitalismus) ab. Reformation und Protestantismus als geistige Wegbereiter des Kapitalismus - das liest sich für mich alles andere als gut. Noch ein Grund mehr, in der Reformation zwar verständliche, aber letztendlich gescheiterte und ins Gegenteil verkehrte Bestrebungen zu sehen?

Der Protestantismus war natürlich eine treibende Kraft für den Siegeszug des Kapitalismus, war der Wettbewerb und Geldhandel bei den Katholiken doch verpönt. Der pure Kapitalismus setzt nämlich vor allem ein werteloses, diesseitsgläubiges Menschenbild voraus, das sein Glück in materiellen, irdischen Dingen sucht. Der Katholik, der das Leben nur als Übergang und zu duldendes Leid empfindet, wird schwerlich für materialistische Güter seine Seele verkaufen, wo er doch sein Heil erst nach dem Tode, im Jenseits erwartet. Der Protestantismus war somit der Wegbreiter einer immer werteloseren, rein materialistischen Weltsicht, die heute im Hedonismus der Gegenwart die finale Form gefunden hat.
Man könnte also sagen, der Katholizismus ist das genaue Gegenteil und der Feind des kapitalistischen Systems.

Beverly
11.02.2009, 11:04
Der Protestantismus war natürlich eine treibende Kraft für den Siegeszug des Kapitalismus, war der Wettbewerb und Geldhandel bei den Katholiken doch verpönt. Der pure Kapitalismus setzt nämlich vor allem ein werteloses, diesseitsgläubiges Menschenbild voraus, das sein Glück in materiellen, irdischen Dingen sucht. Der Katholik, der das Leben nur als Übergang und zu duldendes Leid empfindet, wird schwerlich für materialistische Güter seine Seele verkaufen, wo er doch sein Heil erst nach dem Tode, im Jenseits erwartet. Der Protestantismus war somit der Wegbreiter einer immer werteloseren, rein materialistischen Weltsicht, die heute im Hedonismus der Gegenwart die finale Form gefunden hat.

Das Finale liegt weder im "Materialismus" noch im "Hedonismus". Beides sind nur Hilfsmittel: Wissenschaft und Technik sollen Ressourcen und Machtmittel schaffen und der Hedonismus dient der Befriedigung von Bedürfnissen, die sich nicht unterdrücken lassen.
Dem "Materialismus" - Wissenschaft und Technik - und dem Hedonismus stehe ich an sich aufgeschlossen gegenüber. Aber sie erfahren im Kapitalismus IMHO eine Instrumentalisierung für ein bösartiges System, das ohne sie längst zusammengebrochen wäre. Der Kern dieses System ist nicht einmal die Diesseitigkeit, sondern der Nihilismus. Nicht als philosophische Kopfgeburt, sondern als gelebte und gedachte Praxis.
So könnte Diesseitigkeit bedeuten, man schafft im Diesseits eine gute Welt, weil sie für die Menschen gut ist. Wer an Gott glaubt, mag zu der Ansicht kommen, dass er sich nur dann für ein besseres Leben nach dem Tode als würdig erweist, wenn er alles zur Verbesserung dieser Welt getan hat. Hier verbrannte Erde zu hinterlassen und im Jenseits auf Spiel und Spaß zu hoffen, scheint mir jedenfalls selbst als Atheistin nicht sonderlich plausibel.
Aber das ist nicht die Diesseitigkeit des Kapitalismus. Sein Diskurs kennt im Diesseits nur "die Wirtschaft" und den homo oeconomicus. Wofür ist die Wirtschaft gut außer für sich selbst? Richtig, für nichts. Dieser Nihilismus führt zu Weltverachtung und Menschenverachtung. Letztendlich passt das nicht einmal zur Aufklärung, welche diese Welt und den Menschen in ihm als wichtigstes Gut ansieht.

Felidae
11.02.2009, 12:21
Wenn man jetzt davon spricht, dass der Protestantismus die religiös-ethische Grundlage des Kapitalismus sei, muss man zugeben, dass der Protestantismus eben gerade aber nicht den unethischen Raubtierkapitalismus befürwortet, sondern den Kapitalismus gewissermaßen selbst zu einer Ethik erhebt.

Gärtner
11.02.2009, 12:34
Wenn man jetzt davon spricht, dass der Protestantismus die religiös-ethische Grundlage des Kapitalismus sei, muss man zugeben, dass der Protestantismus eben gerade aber nicht den unethischen Raubtierkapitalismus befürwortet, sondern den Kapitalismus gewissermaßen selbst zu einer Ethik erhebt.

http://img376.imageshack.us/img376/5457/99743689vu6.jpgeils, teils. Die ursprüngliche, am "Christenmenschen" orientierte Ethik Luthers wendet ihr Augenmerk sehr viel stärker auf Glaubensinhalte, während die Ansätze Calvins bzw. seiner Prädestinationslehre den Erweis der göttlichen Heilszusage für den Einzelnen in seinem Erfolg erkennen.

Kürzer gesagt, mit Luther endet man beim Frieden von Münster und Osnabrück, mit Calvin beim Britischen Empire.

Felidae
11.02.2009, 12:38
http://img376.imageshack.us/img376/5457/99743689vu6.jpgeils, teils. Die ursprüngliche, am "Christenmenschen" orientierte Ethik Luthers wendet ihr Augenmerk sehr viel stärker auf Glaubensinhalte, während die Ansätze Calvins bzw. seiner Prädestinationslehre den Erweis der göttlichen Heilszusage für den Einzelnen in seinem Erfolg erkennen.

Kürzer gesagt, mit Luther endet man beim Frieden von Münster und Osnabrück, mit Calvin beim Britischen Empire.

Calvin hatte natürlich auch viele positive Ansätze, aber seine Predestinantslehre halte ich für eine gefährliche Irrlehre. Immerhin impliziert sie ja das Bild eines Gottes, der die Menschen gerade nicht liebt, sondern sie eher für perverse, sadistische Spiele benutzt. Und damit entspricht die Prädestinationslehre ja eigentlich gerade nicht dem christlichen Menschenbild, das jeden Menschen, absolut jeden, zum Subjekt göttlicher Liebe erhebt.

Ingeborg
11.02.2009, 12:47
Die Reformation war Notwendig auch für die Katholische Kirche gut. Die Protestanten haben meiner Meinung nach sogar wesentlich mehr mit dem Christlichen Glauben gemein als die Katholiken.

Es war einfach eine sinnlose Deppenreligion mehr als vorher da. :))

Felidae
11.02.2009, 12:50
Es war einfach eine sinnlose Deppenreligion mehr als vorher da. :))

Verwechsle bitte nicht tiefgehenden Glauben im christlichen Sinne mit deiner Illuminaten- und Verschwörungsgläubigkeit.

PAZIFIX
11.02.2009, 17:51
Calvin hatte natürlich auch viele positive Ansätze, aber seine Predestinantslehre halte ich für eine gefährliche Irrlehre. Immerhin impliziert sie ja das Bild eines Gottes, der die Menschen gerade nicht liebt, sondern sie eher für perverse, sadistische Spiele benutzt. Und damit entspricht die Prädestinationslehre ja eigentlich gerade nicht dem christlichen Menschenbild, das jeden Menschen, absolut jeden, zum Subjekt göttlicher Liebe erhebt.

Dem stimme ich zu, es weht ein kalter Hauch durch seine Lehre...

Sauerländer
11.02.2009, 18:31
Ein Städter des Mittelalters konnte praktisch kein Wasser trinken, weil es innerhalb der Städte an Frischwasser fehlte. Es hatte schon seinen Grund, dass weitgehend verdünnter Alkohol (Wein oder Bier) getrunken wurde.
Ohne Zweifel. Nur war damals niemand gezwungen, Städter zu sein. Was heute ein wenig anders aussieht.

Sauerländer
11.02.2009, 18:35
Max Weber handelt das Voranbringen in seinem Essay Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Die_protestantische_Ethik_und_der_%E2%80%9EGeist%E 2%80%9C_des_Kapitalismus) ab. Reformation und Protestantismus als geistige Wegbereiter des Kapitalismus - das liest sich für mich alles andere als gut. Noch ein Grund mehr, in der Reformation zwar verständliche, aber letztendlich gescheiterte und ins Gegenteil verkehrte Bestrebungen zu sehen?
Das Werk ist Standard und sollte viel öfter gelesen werden - und zwar genau GEGEN die Absicht des Autors als Lehrstück über die GEFAHR, die durch den Protestantismus heraufbeschworen wird.
Man sollte zwar, wie es auch andere hier tun, zwischen Lutheranismus und Calvinismus differenzieren - immerhin würde Luther, könnte er noch zu uns sprechen, selber größten Wert auf diese Differenzierung legen.
Aber man sieht auch, was möglich ist, wenn die Tür erst geöffnet ist.

Dexter
12.02.2009, 02:53
Unfug. Daran sieht man, dass du dich selbst nicht damit befasst hast. Auch der Liberalismus kennt Axiome, wie z. B. das, dass der Staat an die Menschenrechte als vorstaatliches Recht gebunden ist.

Da hast du meinen Post nicht ganz richtig verstanden. Deutschland ist ein liberaler Staat, eines der Grundprinzipien auf denen er aufgebaut ist, und auch hier folgt die Politik immer weniger Axiomen sondern Umfragen, Studien, Expertengremien und Beratern. Axiome werden also legitimisiert durch Experten, Gremien, Umfragen, Studien etc.
Der Strang handelt aber über Religion und ich bin noch immer sehr gespannt, wie du eine dogmenfreie Religion entwerfen willst.

Felidae
12.02.2009, 08:20
Da hast du meinen Post nicht ganz richtig verstanden. Deutschland ist ein liberaler Staat, eines der Grundprinzipien auf denen er aufgebaut ist, und auch hier folgt die Politik immer weniger Axiomen sondern Umfragen, Studien, Expertengremien und Beratern. Axiome werden also legitimisiert durch Experten, Gremien, Umfragen, Studien etc.
Der Strang handelt aber über Religion und ich bin noch immer sehr gespannt, wie du eine dogmenfreie Religion entwerfen willst.

Gut, ohne ein Grunddogma wirst du nicht auskommen, und auch der Staat kommt nicht ohne aus. Oder folgt man jetzt Meinungsumfragen, Studien, Expertengremien und Beratern in Sachen "Bindung des Staates an Menschenrechte"?

Efna
12.02.2009, 08:57
Ohne Zweifel. Nur war damals niemand gezwungen, Städter zu sein. Was heute ein wenig anders aussieht.

Ich denke das du ein sehr Romantisiertes Bild von der Vormoderne hast. Deine Kritik an der Moderne trifft in vielen Punkten. Den Fehler den du machst das du daraus schliesst das es vorher besser war.

cajadeahorros
12.02.2009, 08:59
Ich denke das du ein sehr Romantisiertes Bild von der Vormoderne hast. Deine Kritik an der Moderne trifft in vielen Punkten. Den Fehler den du machst das du daraus schliesst das es vorher besser war.

"Niemand wurde gezwungen, Städter zu sein" hieß in Wirklichkeit ja auch "Stadtluft macht frei (von der Leibeigenschaft)".

Sauerländer
12.02.2009, 10:17
Ich denke das du ein sehr Romantisiertes Bild von der Vormoderne hast.
Das will ich garnichtmal bestreiten - ich bin allerdings schon der Ansicht, dass mich das keineswegs beunfähigt, auch hinter dieses Bild zu blicken und die Negativseiten wahrzunehmen. Wie ich auch durchaus in der Lage bin, positive Seiten der Moderne zu sehen.

Deine Kritik an der Moderne trifft in vielen Punkten. Den Fehler den du machst das du daraus schliesst das es vorher besser war.
Es kommt gewiss darauf an, worauf man sein Hauptaugenmerk lenkt. Urteilt man wesentlich danach, welche materiellen Annehmlichkeiten einem eine Zeit theoretisch bieten kann, wenn man denn zu den Privilegierten gehört, schneidet die heutige Zeit natürlich um Längen besser ab. Denn letztlich ist dann der qualitative Anstieg mit dem technischen Fortschritt identisch.
Begreift man den Menschen jedoch wesentlich als GEISTwesen, und legt daher die Betonung darauf, was die Lebensumstände einer Zeit geistig-charakterlich aus den Menschen machen, stellt sich das schnell andersherum dar.

Sauerländer
12.02.2009, 10:19
"Niemand wurde gezwungen, Städter zu sein" hieß in Wirklichkeit ja auch "Stadtluft macht frei (von der Leibeigenschaft)".
Wer in den Moloch fliehen will, kann dann schwerlich die Schattenseiten dieses Molochs beklagen, die er ausserhalb nicht hätte erdulden müssen.
Einmal abgesehen davon, dass Leibeigenschaft, um das nochmal zu sagen, kein Synonym für Schindsklaverei ist.

Ausonius
12.02.2009, 10:38
Ohne Zweifel. Nur war damals niemand gezwungen, Städter zu sein. Was heute ein wenig anders aussieht.

Zwangssysteme waren doch früher wohl ausgeprägter. Habe erst kürzlich eine Reihe mittelalterlicher Urkunden übersetzt, in der Ritter und Grafen ganze Familien an ein Deutschordenshaus verschenkt haben - zum Teil, aus heutiger Sicht besonders schwer nachzuvollziehen, nur für die regelmäßigen Gebete.

Ausonius
12.02.2009, 10:43
Einmal abgesehen davon, dass Leibeigenschaft, um das nochmal zu sagen, kein Synonym für Schindsklaverei ist.

Das stimmt. Sie hatte auch nicht nur Nachteile, denn ein mächtiger Herr konnte in diesen wilden Zeiten den tatsächlich notwendigen Schutz leisten. Allerdings waren die Vorteile asymmetrisch zugunsten der Adligen und Geistlichen verteilt. Weil diese ihre Rechte gegenüber den Leibeigenen stärker durchdrückten im Spätmittelalter, kam es zu den diversen sozialen Unruhen des 15./16. Jhdts. bis hin zum Bauernkrieg.

cajadeahorros
12.02.2009, 10:47
Wer in den Moloch fliehen will, kann dann schwerlich die Schattenseiten dieses Molochs beklagen, die er ausserhalb nicht hätte erdulden müssen.
Einmal abgesehen davon, dass Leibeigenschaft, um das nochmal zu sagen, kein Synonym für Schindsklaverei ist.

Nein, nur für absolute Unfreiheit von der Geburt bis zum Tod, also Kinder, Küche, Kirche, erweitert um die Feldarbeit. Hat hier irgendjemand die Schattenseiten der mittelalterlichen Stadt beklagt? Ach so, das schmutzige Wasser, das im Dorfbach aus dem das Vieh soff, in dem gewaschen und in den geschissen wurde sicherlich deutlich gesünder war.

cajadeahorros
12.02.2009, 10:49
Das stimmt. Sie hatte auch nicht nur Nachteile, denn ein mächtiger Herr konnte in diesen wilden Zeiten den tatsächlich notwendigen Schutz leisten. Allerdings waren die Vorteile asymmetrisch zugunsten der Adligen und Geistlichen verteilt. Weil diese ihre Rechte gegenüber den Leibeigenen stärker durchdrückten im Spätmittelalter, kam es zu den diversen sozialen Unruhen des 15./16. Jhdts. bis hin zum Bauernkrieg.

Und wie die "Freiheit des Christenmenschen" im Bauernkrieg zu verstehen war hat Luther ja ziemlich schnell klargemacht - die Schuld bei seinen Schutzfürsten musste ja abgetragen werden.

Dexter
12.02.2009, 11:38
Gut, ohne ein Grunddogma wirst du nicht auskommen, und auch der Staat kommt nicht ohne aus. Oder folgt man jetzt Meinungsumfragen, Studien, Expertengremien und Beratern in Sachen "Bindung des Staates an Menschenrechte"?

Tatsächlich ist die Frage der Legitimität eines Dogmas, jedes Paradigmas, eine der Interessantesten. Religion ist dabei ein Quell heller Freude, was Kreisschlüsse betrifft, egal welcher Färbung diese nun sind. Die Reformation hat Europa verändert. Es ist müssig darüber zu diskutieren, ob der 30 Jährige Krieg und die blutige Gegenreformation sinnvoll waren.
Im Volksmund hat sich in der Region meiner Kindheit der Ausdruck gehalten "jemanden katholisch zu machen" als Nachhall gehalten, wobei heute kaum jemand weiß, dass es eigentlich bedeutet den anderen töten zu wollen, wenn man ihn katholisch macht.
Der moderne westliche Staat beginnt aber mit dem postwestfählischen Staatssystem, welches wir anschließend auf die Welt projiziert haben. Witzigerweise zeigt das auch an der Kartenzeichnung von Afrika, wie egal die Ethnie dem Nationalstaat ist, denn auch dort wurde nicht darauf Rücksicht genommen.
Final bricht auch die Macht der Kirche zur weltlichen Macht ein Stück weiter ab, wodurch für mich die Reformation eher ein positiv konnotiertes Ereignis darstellt. Katholizismus hat sich dann eher als hemmend für den geisteswissenschaftlichen Fortschritt einer Gesellschaft erwiesen.
Das, um den Kreis zu schließen, ist natürlich auch auf gewisse Art und Weise ein Dogma, das es keinen Gott gibt, und dass die Menschen über die Menschen herrschen sollten und nicht die Mythen einer bronzezeitlichen Gesellschaft oder jene Sammlung an Legenden über einen aramäischen Tischlergesellen im Imperium Romanum. Die reformierten Kirchen stellen durch die dezidierte Forderung nach dem Selbststudium der Bibel einerseits ein Bildungsideal zur Verfügung, und bei steigender Bildung werden Menschen atheistischer, wie schon Durkheim feststellt, und andererseits pervertieren durch dieses religiöses Ideal ihr religiöses Ideal. Der um die geflügelten Worte zu gebrauchen "Die protestantische Ethik und der ‚Geist‘ des Kapitalismus" stehen dezidiert im Zusammenhang mit dem Aufbruch in die Moderne.
Eine echte Wertung vergangener Vorgänge ist aber natürlich auch immer nur Retrospektive und damit durch kontemporäre Wahrnehmungsmuster verzerrt. Die Sinnhaftigkeit der Reformation anzuzweifeln ist aber final für mich reaktionär.

PAZIFIX
12.02.2009, 15:49
Zwangssysteme waren doch früher wohl ausgeprägter. Habe erst kürzlich eine Reihe mittelalterlicher Urkunden übersetzt, in der Ritter und Grafen ganze Familien an ein Deutschordenshaus verschenkt haben - zum Teil, aus heutiger Sicht besonders schwer nachzuvollziehen, nur für die regelmäßigen Gebete.

Die Zwangssysteme sind heute dafür subtiler und werden sehr oft gar nicht bewußt wahrgenommen (bzw. nur von wenigen).
Die Wahrnehmung erfährt der Moderne Mensch durch Massendepression, Massenkonsum, industrielle Nahrungsvergiftung, Krebs, Migräne, Dauerwerbung. TV-Polit-Talk-VerdummungsBerieselungen und andere Volkskrankheiten. Das alles muß sein Geist, Seele & Körper aushalten, irgendwie.
Die moderne Arbeitswelt (sowohl was das Inhaltliche betrifft, als auch was dabei raus kommt)ist zu 90 % nichts als eine immer kränker machende Irrenanstalt.
Man fragt sich, was ist wirklich besser geworden? Leider nur anders schlecht.

Beverly
13.02.2009, 10:21
Zitat von Beverly
Max Weber handelt das Voranbringen in seinem Essay Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus ab. Reformation und Protestantismus als geistige Wegbereiter des Kapitalismus - das liest sich für mich alles andere als gut. Noch ein Grund mehr, in der Reformation zwar verständliche, aber letztendlich gescheiterte und ins Gegenteil verkehrte Bestrebungen zu sehen?

Das Werk ist Standard und sollte viel öfter gelesen werden - und zwar genau GEGEN die Absicht des Autors als Lehrstück über die GEFAHR, die durch den Protestantismus heraufbeschworen wird.
Man sollte zwar, wie es auch andere hier tun, zwischen Lutheranismus und Calvinismus differenzieren - immerhin würde Luther, könnte er noch zu uns sprechen, selber größten Wert auf diese Differenzierung legen.
Aber man sieht auch, was möglich ist, wenn die Tür erst geöffnet ist.

Ich wurde selbst in einer protestantischen Sekte "christlich erzogen", die den Anspruch hatte, zu den Wurzeln des Urchristentums zurück zu kehren. Daher kommt ihre Aversion gegen die Römisch-Katholische Kirche. Der werfen sie nämlich vor, sich von den Idealen des Urchristentums abgewendet zu haben. In ihrem Geschichtsbild begann der Niedergang des Christentums, als es nach 300 zur herrschenden Religion wurde und die Christen sich immer mehr mit Rom einließen. Türen, die vielleicht besser hätten geschlossen bleiben sollen, wurden also immer schon geöffnet.
Wann begann der Verfall des Christentums? Nach 300 mit Kaiser Konstantin oder nach 1500 mit der Reformation?
Ich denke, in dem, was beiden Ereignissen gemeinsam ist: die enge Verschränkung und schließlich Verschmelzung von Religion, Politik und Wirtschaft und die Indienstnahme der Religion für politökonomische Zwecke.

Der Protestantismus mag da einige Fortschritte gebracht haben: keine Ketzerverbrennungen mehr und ein Ende des Zölibats, größere Mitwirkungsmöglichekiten für Frauen. Aber seine Geschichte in der Neuzeit ist auf ebenso unselige Weise eine Geschichte der Indienstnahme für politökonomische Zwecke wie es die der katholischen Kirche davor war.
Nur haben sich diese Zwecke halt gewandelt. Die Herrschenden brauchten weder Legitimation noch sonstige Hilfe aus Rom und das protestantische Sektenwesen führte dazu, dass für jeden materielle Interessenlage die passende Auslegung gab.

Gestern habe ich in einem Vortrag gehört, wie davon sogar die Hopi - die eine eigene Tradition haben - durchseucht wurden. Da gibt es dann plötzlich Auslegungen der Hopi Traditionen, denen zufolge ihre Weltenschöpfer Bodenschätze in die Erde gelegt haben, damit die Hopi sie abbauen lassen können, um ihren Wohlstand zu steigern. Urheber dieser Neuinterpretation ist eine von Mormonen betriebene Werbeagentur, die für ein ebenfalls von Mormonen betriebenes Bergbauunternehmen tätig ist. Von den Mormonen selbst wurde schon mal gesagt, dass sie eine "Adaption" des Christentums an die Neue Welt sind. Wobei sie auch eine prima Adaption an den Kapitalismus zu sein scheinen :)

Womit wir wieder bei Max Weber angelangt sind. "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" sehe ich schon deshalb skeptisch, weil ich weder Christin bin noch vom Kapitalismus viel halte. Das ist nicht Geist, das ist Ungeist X( ! Wie sieht überhaupt eine glaubwürdige und redliche Schnittmenge zwischen zwei Gedankensystemen aus, die beide den Anspruch des Absoluten erheben? Gott ist absolut und der Kapitalismus dringt in jede Ritze und in jede Hirnwindung. Notwendigerweise muss da doch der Punkt kommen, wo man von drei Dingen

1. Absolutheitsanspruch
2. Glauben an Gott
3. Mittun im Kapitalismus

nur noch zwei haben kann.

1. Man glaubt an den absoluten Gott und muss dann den Kapitalismus runterstufen.
2. Man ist vom Kapitalismus und den Diskursen des Fortschritts durch Wissenschaft und Technik überzeugt und hat für vormoderne Religionen nicht mehr so viel übrig. Sofern das nicht in sozialdarwinister Menschenverachtung ausartet, könnte ich solchen Ansichten etwas abgewinnen, auch wenn der Fortschrittsglaube viel zu optimistisch ist.
Es gibt aber noch
3. Man gibt jeden Absolutheitsanspruch auf und komibiniert den Glauben an Gott mit dem Glauben an den Kapitalismus, wie es gerade in den Kram passt. Das scheint mir der "Geist" zu sein, der aus Webers Essay spricht. Meines Erachtens kommt dabei nichts Gutes raus, weil Lügen und Täuschung und Selbsttäuschung als Erfolgsrezept verkauft werden. Warum habe ich übrigens oft den Eindruck, dass Theorien der "Wirtschaft" ebenso Hokuspokus und Aberglaube sind wie man es der Religion vorwirft?

Felidae
13.02.2009, 10:26
Bev, du warst früher Baptist?

Ausonius
13.02.2009, 10:29
Die Zwangssysteme sind heute dafür subtiler und werden sehr oft gar nicht bewußt wahrgenommen (bzw. nur von wenigen).
Die Wahrnehmung erfährt der Moderne Mensch durch Massendepression, Massenkonsum, industrielle Nahrungsvergiftung, Krebs, Migräne, Dauerwerbung. TV-Polit-Talk-VerdummungsBerieselungen und andere Volkskrankheiten. Das alles muß sein Geist, Seele & Körper aushalten, irgendwie.
Die moderne Arbeitswelt (sowohl was das Inhaltliche betrifft, als auch was dabei raus kommt)ist zu 90 % nichts als eine immer kränker machende Irrenanstalt.
Man fragt sich, was ist wirklich besser geworden? Leider nur anders schlecht.

Kann ich in dem einen oder anderen Punkt zwar so unterstreichen, mir geht es mehr darum, dass in der heutigen Gesellschaft mehr soziale Dynamik möglich ist, während diese im Mittelalter schon durch Geburtsstand stark eingeschränkt war.

Cash!
13.02.2009, 11:22
Kann ich in dem einen oder anderen Punkt zwar so unterstreichen, mir geht es mehr darum, dass in der heutigen Gesellschaft mehr soziale Dynamik möglich ist, während diese im Mittelalter schon durch Geburtsstand stark eingeschränkt war.

Die soziale Mobilität im Mittelalter war und ist sicherlich nicht geringer als die heutige.

Die Wahrscheinlichkeit, dass du es so einem Vermögen bringts, dass dich zu einem der reichsten 2% des Landes macht ist wesentlich geringer als die Chance eines einfachen Bauernsohnes im Mittelalter es zu einem klerikalen Amt zu bringen.
Auch was die Erosion der Leibeigenschaft im Hochmittelalter angeht, war das Mittelalter sozial durchlässiger als die heutige Gesellschaft. Der einzige Stand, der sich einigermaßen vom Rest abspalten konnte war der Adel...und dort auch nur der Hoch- und Reichsadel (Und der macht keine 0,005% der Bevölkerung aus) und das war mit der kommunalen Stadtemazipation und dem Aufstieg der Gilden und Kaufleute auch kein Thema mehr.Was die Minesterialen, also den Militäradel angeht, so kann man sagen, dass dieser sich vor allem aus unfreien rekrutiert hatte und es im 13. Jhrd. zu ordentlicher Macht gebracht hatte.

Also erzähl mal keinen Unsinn....

Nanninga
13.02.2009, 11:49
Hallo, werte Forengemeinschaft, die Reformation war absolut notwendig, Luther ein Revolutionär, einer der größten Befreier des Deutschen Volkes.

Ausonius
13.02.2009, 11:52
Die soziale Mobilität im Mittelalter war und ist sicherlich nicht geringer als die heutige.

Die Wahrscheinlichkeit, dass du es so einem Vermögen bringts, dass dich zu einem der reichsten 2% des Landes macht ist wesentlich geringer als die Chance eines einfachen Bauernsohnes im Mittelalter es zu einem klerikalen Amt zu bringen.
Auch was die Erosion der Leibeigenschaft im Hochmittelalter angeht, war das Mittelalter sozial durchlässiger als die heutige Gesellschaft. Der einzige Stand, der sich einigermaßen vom Rest abspalten konnte war der Adel...und dort auch nur der Hoch- und Reichsadel (Und der macht keine 0,005% der Bevölkerung aus) und das war mit der kommunalen Stadtemazipation und dem Aufstieg der Gilden und Kaufleute auch kein Thema mehr.Was die Minesterialen, also den Militäradel angeht, so kann man sagen, dass dieser sich vor allem aus unfreien rekrutiert hatte und es im 13. Jhrd. zu ordentlicher Macht gebracht hatte.

Also erzähl mal keinen Unsinn....

Deine Beispiele zeigen an, in welchen Gruppen es möglich war, aufzusteigen. Soweit ist das richtig. Was die klerikalen Ämter betrifft, ist folgendes anzumerken:
Die Klöster waren in der Regel im Hochmittelalter doch recht klein, und so kam jeder Bruder innerhalb seines Konvents auch zu einem Amt. Die Äbte, Hochmeister etc. rekrutierten sich dann aber meist doch aus dem Adel.
Zu den Städten: auch hier kam es unter Bürgerschaften und Zünften ohne Frage zu einer "Aristokratisierung" in der Form, dass sie meist oligarchisch von mehreren Familien in Schlüsselpositionen geführt wurden. Bei Räten etwa lassen sich durchaus Erbfolgen bestimmen.
Die Ministerialenkreise erlebten teilweise kometenhafte Aufstiege während des 12./13. Jahrhunderts. Als "Militäradel" sollte man sie nicht bezeichnen; zwar waren viele von ihnen Ritter und sie waren im frühen Deutschen Orden sehr stark vertreten, aber viele bedeutende Ministerialen waren lokal bedeutsame Familien (etwa die Herren von Hagen und Münzenberg), denen es gelang, im Gefolge der Könige und Kaiser mächtige Eigenherrschaften zu bilden.
Durch diesen Blick auf das Spezielle vernachlässigt man aber das Allgemeine. Und Tatsache ist, dass trotz der von dir genannten Entwicklungen 90 % der Bevölkerung Bauern waren und blieben. Das ist auch wg. den wirtschaftlichen Verhältnissen der Zeit keine besonders aufregende Erkenntnisse, aber es sei noch darauf verwiesen, dass der Anteil der Leibeigenen während des Mittelalters im Vergleich zu den freien Bauern beharrlich stieg. Und für eben diese Leibeigenen, die einen großen Teil der Bevölkerung stellten, gab es nicht so sonderlich viele Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs...

P.S.: bei solchen Themen, die mir im Gegensatz zur Politik wirklich am Herzen liegen, verzichte ich gerne auf den polemischen Ton... nur als Anmerkung.

Cash!
13.02.2009, 12:18
Die Klöster waren in der Regel im Hochmittelalter doch recht klein, und so kam jeder Bruder innerhalb seines Konvents auch zu einem Amt. Die Äbte, Hochmeister etc. rekrutierten sich dann aber meist doch aus dem Adel.
Naja, also "klein" ist ja relativ. Über die Einrichtung von Klosterverbünden(Mutterklöster) haben sie es immerhin geschafft zum größten Grundherren aufzusteigen. Das bringt entsprechende Anforderungen der verwaltung mit sich. Da Grundherr und Kirche oft eines waren, viel die weltliche macht völlig weg und kirchliche "Mitarbeiter" übten einen großteil der Kontrolle im HRRDN aus. Man kann also von 2-4% an der Gesamtbevölkerung ausgehen (dazu Stefan Weinfurter)....

Das ist nicht viel, aber eben auch nicht mehr als die heutige Elite quantitativ darstellt.

Und die behauptung, der Adel sei bevorzugt für solche Ämter gewählt worden ist dies nicht richtig. Spätestens ab 1080 bzw. danach dem Wormser Konkordat und der Investitur der Bischöfe durch den Papst bei gleichzeitigem Eid auf den Kaiser, fällt das Bischofsamt als Spielball von adeliger Machtakkumulation, dass es seit Clodwigs Konzil von 508 war, völlig weg.zumindest zum großen Teil. Der Adel war schließlich erst dem Kaiser verpflichtet, der Papst hatte keinen Grund diese Leute in Bischöfliche Ämter zu rufen.




Zu den Städten: auch hier kam es unter Bürgerschaften und Zünften ohne Frage zu einer "Aristokratisierung" in der Form, dass sie meist oligarchisch von mehreren Familien in Schlüsselpositionen geführt wurden. Bei Räten etwa lassen sich durchaus Erbfolgen bestimmen.
Naja, dass sich dynastische Prinzipien durchsetzen zeigt ja auch das formelle Wahlkönigtum des Reiches. Da haben trotz Königswahl auch immer nur bestimme familien dominiert (Ottonen, Saalier, Staufer, Welfen...etc.). Aber das ändert ja nichts am Wahlcharakter des Königtums an sich. Das gleiche gilt für die Städte. Und die Fugger stehen nun nicht Beispielhaft für die wirtschaftliche Elite. es gab durchaus eine basisdemokratische Selbstverwaltung der Kommunen.


Die Ministerialenkreise erlebten teilweise kometenhafte Aufstiege während des 12./13. Jahrhunderts. Als "Militäradel" sollte man sie nicht bezeichnen; zwar waren viele von ihnen Ritter und sie waren im frühen Deutschen Orden sehr stark vertreten, aber viele bedeutende Ministerialen waren lokal bedeutsame Familien (etwa die Herren von Hagen und Münzenberg), denen es gelang, im Gefolge der Könige und Kaiser mächtige Eigenherrschaften zu bilden.
Ich denke dass man ihn sehr wohl als "Militäradel" bezeichnen kann. Hervorgegangen ist er aus dem steigenden Militärbedarf im 11 Jhrd. der die Grundherren dazu veranlasste aus den reihen der Unfreien gut ausgebildete Soldaten zu rekrutieren und diese mit Ämtern zu belohnen. Hauptaufgabe war jedoch der militärische Einsatz. Später kam dann halt die Ämtervererbung und Emanzipation vom Grundherren, aber Ursprung war die rekrutierung einer Militärelite.



Durch diesen Blick auf das Spezielle vernachlässigt man aber das Allgemeine. Und Tatsache ist, dass trotz der von dir genannten Entwicklungen 90 % der Bevölkerung Bauern waren und blieben.
Ja und? Heute sind 80-90% einfache Arbeiter, Angestellte, Arbeitslose oder sonstiges. Und das bleiben sie auch....und ihre Kinder ebenfalls. Ich sehe keinen Unterschied, abgesehen dass die Anzahl der ausgeübten Berüfe der 90% deutlich erhöt wurde. Professorenkinder legen eben andere Karrieren hin, als Hartzlernachwuchs....


Das ist auch wg. den wirtschaftlichen Verhältnissen der Zeit keine besonders aufregende Erkenntnisse, aber es sei noch darauf verwiesen, dass der Anteil der Leibeigenen während des Mittelalters im Vergleich zu den freien Bauern beharrlich stieg.
Hier möchte ich wirklich intervenieren. Das ist so einfach falsch. Bis zum 11 Jhrd. mag es stimmen. besonders unter den Karolingern kam es da zu einem exponetiellen Anstieg. Aber ab dem Hochmittelater (So ab 1250) brach die grundherrschaftlich organisierte Unfreiheit fast völlig weg. Die GRünde möchte ich noch kurz skizzieren:

a) Verstadtlichung
b) Wichtiger werden der Geldwirtschaft
c) Finanzieller Ausgleich der Fronarbeit
d) Ostexpansion des Reiches und damit einhergehende zunahme des Grund und Bodens, der es nötig machte um bäuerliche Arbeitskraft zu werben und damit auch rechtlich zu stärken.

Anmerkung: Du müsstest übrigens, und ich will nicht Korinten kacken, zwischen unfreien und abhängigen Bauern unterscheiden. Das sind 2 unterschiedliche Rechtsubjekte-


Und für eben diese Leibeigenen, die einen großen Teil der Bevölkerung stellten, gab es nicht so sonderlich viele Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs...
Aber doch, sicher nicht für alle....auch heute ja nicht....aber seien es Zensuale, Minesteriale oder der Aufstieg aus der Leibeigenschaft. All dies war möglich und war eben auch realität. Besonders das letzte.

Ausonius
13.02.2009, 12:55
Naja, also "klein" ist ja relativ. Über die Einrichtung von Klosterverbünden(Mutterklöster) haben sie es immerhin geschafft zum größten Grundherren aufzusteigen. Das bringt entsprechende Anforderungen der verwaltung mit sich. Da Grundherr und Kirche oft eines waren, viel die weltliche macht völlig weg und kirchliche "Mitarbeiter" übten einen großteil der Kontrolle im HRRDN aus. Man kann also von 2-4% an der Gesamtbevölkerung ausgehen (dazu Stefan Weinfurter)....


Dazu folgendes: ich habe mich mal intensiv mit dem deutschen Orden befasst, und zwar der Ballei Marburg, also eine der bedeutendsten im deutschen Altreich. Tatsächlich verfügte diese Ballei über sehr viel Besitz, und - freilich sehr salopp gesprochen - erinnerten die wesentlichen Aktivitäten des Ordens in Mittelhessen ein wenig an ein Finanzdienstleistungsunternehmen. Das entscheidende aber: dieser Besitz mit dem großen Deutschhaus in Marburg und mehreren Kommenden wurde von der relativ kleinen Anzahl von 50-60 Brüdern verwaltet.



Und die behauptung, der Adel sei bevorzugt für solche Ämter gewählt worden ist dies nicht richtig. Spätestens ab 1080 bzw. danach dem Wormser Konkordat und der Investitur der Bischöfe durch den Papst bei gleichzeitigem Eid auf den Kaiser, fällt das Bischofsamt als Spielball von adeliger Machtakkumulation, dass es seit Clodwigs Konzil von 508 war, völlig weg.zumindest zum großen Teil. Der Adel war schließlich erst dem Kaiser verpflichtet, der Papst hatte keinen Grund diese Leute in Bischöfliche Ämter zu rufen.

Du unterschlägst hier etwas die Doppelrolle der Bischöfe; sie waren ja auch Territorialherren. Bei den westlichen Erzbistümern, insbesondere Mainz, kam noch die enge Verbindung mit dem Reich dazu. Natürlich waren diese Ämter für den Adel interessant und der Aufstieg eines einfachen Bauern zum Bischof wohl undenkbar. Das war auch nach dem Konkordat nicht anders - erinnert sei hier mal an die Verquickung der Grafen von Eppstein mit dem Mainzer Erzbistum, die insgesamt zwischen 1200 und 1305 vier von acht Erzbischöfen stellten.



Naja, dass sich dynastische Prinzipien durchsetzen zeigt ja auch das formelle Wahlkönigtum des Reiches. Da haben trotz Königswahl auch immer nur bestimme familien dominiert (Ottonen, Saalier, Staufer, Welfen...etc.). Aber das ändert ja nichts am Wahlcharakter des Königtums an sich. Das gleiche gilt für die Städte. Und die Fugger stehen nun nicht Beispielhaft für die wirtschaftliche Elite. es gab durchaus eine basisdemokratische Selbstverwaltung der Kommunen.

Stimmt auch wieder; ich denke aber ein wesentlicher Punkt direkt auf die Städte bezogen, ist, ob und mit welchen Rechten die Räte gewählt wurden.


Ich denke dass man ihn sehr wohl als "Militäradel" bezeichnen kann. Hervorgegangen ist er aus dem steigenden Militärbedarf im 11 Jhrd. der die Grundherren dazu veranlasste aus den reihen der Unfreien gut ausgebildete Soldaten zu rekrutieren und diese mit Ämtern zu belohnen. Hauptaufgabe war jedoch der militärische Einsatz. Später kam dann halt die Ämtervererbung und Emanzipation vom Grundherren, aber Ursprung war die rekrutierung einer Militärelite.


Hier bist du m.E. auf dem falschen Pfad. Die Ministerialen waren zwar Niederadlige, aber mitnichten Unfreie. Dort, wo viele Ministeriale waren, gab es auch viel Reichsland - ihr Aufstieg steht eng mit den späten salischen und den staufischen Königen in Verbindung, die auf die Ministerialen als zuverlässige und nicht zu mächtige Verwalter setzten. Sicher übernahmen die auch militärische Aufgaben, aber in erster Linie verwalteten sie das Reichsland.



Ja und? Heute sind 80-90% einfache Arbeiter, Angestellte, Arbeitslose oder sonstiges. Und das bleiben sie auch....und ihre Kinder ebenfalls. Ich sehe keinen Unterschied, abgesehen dass die Anzahl der ausgeübten Berüfe der 90% deutlich erhöt wurde. Professorenkinder legen eben andere Karrieren hin, als Hartzlernachwuchs....

Ich finde die heutige Gesellschaft schon deutlich heterogener und ausdifferenzierter - im negativen Sinne haben wir das "Akademikerproletariat", im positiven Sinne Arbeitersöhne wie Schröder oder Blüm, die in höchste Staatsämter gelangten. Letzteres wäre im Mittelalter fast undenkbar gewesen.


Hier möchte ich wirklich intervenieren. Das ist so einfach falsch. Bis zum 11 Jhrd. mag es stimmen. besonders unter den Karolingern kam es da zu einem exponetiellen Anstieg. Aber ab dem Hochmittelater (So ab 1250) brach die grundherrschaftlich organisierte Unfreiheit fast völlig weg. Die GRünde möchte ich noch kurz skizzieren:

a) Verstadtlichung
b) Wichtiger werden der Geldwirtschaft
c) Finanzieller Ausgleich der Fronarbeit
d) Ostexpansion des Reiches und damit einhergehende zunahme des Grund und Bodens, der es nötig machte um bäuerliche Arbeitskraft zu werben und damit auch rechtlich zu stärken.

Zu den Bauernunruhen des 16. Jahrhunderts kam es auch, weil die Grundherren die ihnen durch die Leibeigenschaft zu stehenden Rechte sehr stark in Anspruch nahmen. Und ohne Frage gab es im 15. Jahrhundert einen Anstieg der Leibeigenschaft, und zwar besonders in den alten Territorien des Reiches. Punkt d) kann man somit unterschreiben, weil die Stellung der Bauern in Ost- und Norddeutschland zumindest damals eine stärkere war. Die meisten Städte hingegen blieben klein und waren alles andere als gewillt, möglichst viele Leute in ihrem Sprengel anzusiedeln. Und wie gesagt - ich hatte es gerade mit einem Satz Urkunden aus dem späten 13. Jahrhundert zu tun, wo leibeigene Familien hin- und hergeschenkt wurden. Meines Erachtens lässt sich erst ab der Barockzeit ein stärkerer sozialer Wandel in der Leibeigenschaft feststellen.



Anmerkung: Du müsstest übrigens, und ich will nicht Korinten kacken, zwischen unfreien und abhängigen Bauern unterscheiden. Das sind 2 unterschiedliche Rechtsubjekte-

Abhängige Bauern konnten sowohl frei als auch unfrei sein.

PAZIFIX
13.02.2009, 15:46
Kann ich in dem einen oder anderen Punkt zwar so unterstreichen, mir geht es mehr darum, dass in der heutigen Gesellschaft mehr soziale Dynamik möglich ist, während diese im Mittelalter schon durch Geburtsstand stark eingeschränkt war.

Das stimmt.