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Vollständige Version anzeigen : Gut und Böse/Gut und Schlecht



Florian
04.01.2009, 12:55
Habt ihr schonmal darüber nachgedacht, dass das Wort "gut" in zwei komplett verschiedenen Sinnzusammenhängen verwendet wird und es für das selbe Wort zwei völlig unterschiedliche Gegensätze gibt, nämlich einerseits "böse" andererseits "schlecht"?

Einmal meint man damit ein subjektives Urteil über die Qualität eines Sache, andererseits ist es ein moralisch wertender Begriff.


Ich kam darauf durch eine Abhandlung Friedrich Nietzsches, die ich hier halb zitieren möchte. Sie ist im Internet frei erhältlich und ich füge sie als Quelle bei.

Friedrich Nietzsche

Zur Genealogie der Moral

Erste Abhandlung:
»Gut und Böse« - »Gut und Schlecht« (http://www.kreudenstein-online.de/Querdenker/Nietzsche/MoralGenealogie/gut_und_boese.htm)




11.
Gerade umgekehrt also wie bei dem Vornehmen, der den Grundbegriff »gut« voraus und spontan, nämlich von sich .aus konzipiert und von da aus erst eine Vorstellung von .schlecht« sich schafft!
Dies »schlecht« vornehmen Ursprungs und jenes »böse« aus dem Braukessel des ungesättigten Hasses - das erste eine Nachschöpfung, ein Nebenher, eine Komplementärfarbe, das zweite dagegen das Original, der Anfang, die eigentliche Tat in der Konzeption einer Sklaven-Moral - wie verschieden stehen die beiden scheinbar demselben Begriff »gut« entgegen gestellten Worte »schlecht« und »böse« da! Aber es ist nicht derselbe Begriff »gut«: vielmehr frage man sich doch, wer eigentlich »böse« ist, im Sinne der Moral des Ressentiment. In aller Strenge geantwortet: eben der »Gute« der andren Moral, eben der Vornehme, der Mächtige, der Herrschende, nur umgefärbt, nur umgedeutet, nur umgesehn durch das Giftauge des Ressentiment.

Hier wollen wir Eins am wenigsten leugnen: wer jene »Guten« nur als Feinde kennen lernte, lernte auch nichts als böse Feinde kennen, und dieselben Menschen, welche so streng durch Sitte, Verehrung, Brauch, Dankbarkeit, noch mehr durch gegenseitige Bewachung, durch Eifersucht inter pares in Schranken gehalten sind, die andrerseits im Verhalten zu einander so erfinderisch in Rücksicht, Selbstbeherrschung, Zartsinn, Treue, Stolz und Freundschaft sich beweisen, - sie sind nach Außen hin, dort wo das Fremde, die Fremde beginnt, nicht viel besser als losgelassne Raubtiere.

Sie genießen da die Freiheit von allem sozialen Zwang, sie halten sich in der Wildnis schadlos für die Spannung, welche eine lange Einschließung und Einfriedigung in den Frieden der Gemeinschaft gibt, sie treten in die Unschuld des Raubtier-Gewissens zurück, als frohlockende Ungeheuer, welche vielleicht von einer scheußlichen Abfolge von Mord, Niederbrennung, Schändung, Folterung mit einem Übermut und seelischen Gleichgewicht davongehen, wie als ob nur ein Studentenstreich vollbracht sei, überzeugt davon, dass die Dichter für lange nun wieder Etwas zu singen und zu rühmen haben.

Auf dem Grunde aller dieser vornehmen Rassen ist das Raubtier, die prachtvolle nach Beute und Sieg lüstern schweifende b1onde Bestie nicht zu verkennen; es bedarf für diesen verborgenen Grund von Zeit zu Zeit der Entladung, das Tier muss wieder heraus, muss wieder in die Wildnis zurück: - römischer, arabischer, germanischer, japanischer Adel, homerische Helden, skandinavische Wikinger - in diesem Bedürfnis sind sie sich alle gleich. Die vornehmen Rassen sind es, welche den Begriff »Barbar« auf all den Spuren hinterlassen haben, wo sie gegangen sind; noch aus ihrer höchsten Kultur heraus verrät sich ein Bewusstsein davon und ein Stolz selbst darauf (zum Beispiel wenn Perikles seinen Athenern sagt, in jener berühmten Leichenrede, »zu allem Land und Meer hat unsre Kühnheit sich den Weg gebrochen, unvergängliche Denkmale sich überall im Guten u n d S c h 1 i m m e n aufrichtend«).

Diese »Kühnheit« vornehmer Rassen, toll, absurd, plötzlich, wie sie sich äußert, das Unberechenbare, das Unwahrscheinliche selbst ihrer Unternehmungen Perikles hebt die der Athener mit Auszeichnung hervor - ihre Gleichgültigkeit und Verachtung gegen Sicherheit, Leib, Leben, Behagen, ihre entsetzliche Heiterkeit und Tiefe der Lust in allem Zerstören, in allen Wollüsten des Siegs und der Grausamkeit - Alles fasste sich für Die, welche daran litten, in das Bild des »Barbaren«, des »bösen Feindes«, etwa des »Goten«, des »Vandalen« zusammen.

Das tiefe, eisige Misstrauen, das der Deutsche erregt, sobald er zur Macht kommt, auch jetzt wieder - ist immer noch ein Nachschlag jenes unauslöschlichen Entsetzens, mit dem Jahrhunderte lang Europa dem Wüten der blonden germanischen Bestie zugesehn hat (obwohl zwischen alten Germanen und uns Deutschen kaum eine Begriffs-, geschweige eine Blutverwandtschaft besteht).

Ich habe einmal auf die Verlegenheit Hesiod's aufmerksam gemacht, als er die Abfolge der Kultur-Zeitalter aussann und sie in Gold, Silber, Erz auszudrücken suchte: er wusste mit dem Widerspruch, den ihm die herrliche, aber ebenfalls so schauerliche, so gewalttätige Welt Homer's bot, nicht anders fertig zu werden, als indem er aus Einem Zeitalter zwei machte, die er nunmehr hinter einander stellte - einmal das Zeitalter der Helden und Halbgötter von Troja und Theben, so wie jene Welt im Gedächtnis der vornehmen Geschlechter zurückgeblieben war, die in ihr die eignen Ahnherrn hatten; sodann das eherne Zeitalter, so wie jene gleiche Welt den Nachkommen der Niedergetretenen, Beraubten, Misshandelten, Weggeschleppten, Verkauften erschien: als ein Zeitalter von Erz, wie gesagt, hart, kalt, grausam, gefühl- und gewissenlos, Alles zermalmend und mit Blut übertünchend. Gesetzt, dass es wahr wäre, was jetzt jedenfalls als »Wahrheit« geglaubt wird, dass es eben der Sinn aller Ku1tur sei, aus dem Raubtiere »Mensch« ein zahmes und zivilisiertes Tier, ein Haustier herauszuzüchten, so müsste man unzweifelhaft alle jene Reaktions- und Ressentiments-Instinkte, mit deren Hülfe die vornehmen Geschlechter samt ihren Idealen schließlich zu Schanden gemacht und überwältigt worden sind, als die eigentlichen Werkzeuge der Ku1tur betrachten; womit allerdings noch nicht gesagt wäre, dass deren Träger zugleich auch selber die Kultur darstellten. Vielmehr wäre das Gegenteil nicht nur wahrscheinlich nein! es ist heute augenscheinlich!

Diese Träger der niederdrückenden und vergeltungslüsternen Instinkte, die Nachkommen alles europäischen und nicht europäischen Sklaventums, aller vorarischen Bevölkerung in Sonderheit sie stellen den Rückgang der Menschheit dar! Diese »Werkzeuge der Kultur« sind eine Schande des Menschen, und eher ein Verdacht, ein Gegenargument gegen »Kultur« überhaupt! Man mag im besten Rechte sein, wenn man vor der blonden Bestie auf dem Grunde aller vornehmen Rassen die Furcht nicht los wird und auf der Hut ist: aber wer möchte nicht hundertmal lieber sich fürchten, wenn er zugleich bewundern darf, als sich nicht fürchten, aber dabei den ekelhaften Anblick des Missratenen, Verkleinerten, Verkümmerten, Vergifteten nicht mehr los werden können? Und ist das nicht unser Verhängnis? Was macht heute unsern Widerwillen gegen »den Menschen«? - denn wir 1eiden am Menschen, es ist kein Zweifel.

Nicht die Furcht; eher, dass wir Nichts mehr am Menschen zu fürchten haben; dass das Gewürm »Mensch« im Vordergrunde ist und wimmelt; dass der »zahme Mensch«, der Heillos-Mittelmäßige und Unerquickliche bereits sich als Ziel und Spitze, als Sinn der Geschichte, als »höheren Menschen« zu fühlen gelernt hat; - ja dass er ein gewisses Recht darauf hat, sich so zu fühlen, insofern er sich im Abstande von der Überfülle des Missratenen, Kränklichen, Müden, Verlebten fühlt, nach dem heute Europa zu stinken beginnt, somit als etwas wenigstens relativ Geratenes, wenigstens noch Lebensfähiges, wenigstens zum Leben ja-sagendes . . .

Sirius
05.01.2009, 16:33
Auch wenn´s ein Zitat ist, kannst du da bitte ein paar Absätze reinmachen. Da kriegt man ja Augenkrebs von so einem Brocken.

Florian
05.01.2009, 16:35
Auch wenn´s ein Zitat ist, kannst du da bitte ein paar Absätze reinmachen. Da kriegt man ja Augenkrebs von so einem Brocken.

Danke für den Hinweis.

-jmw-
05.01.2009, 16:43
"Zur Genealogie der Moral" hab ich im SS 'n Seminar.
Vielleicht kann ich also in ein paar Monaten was zum Thema beisteuern. :)

Florian
05.01.2009, 17:19
"Zur Genealogie der Moral" hab ich im SS 'n Seminar.
Vielleicht kann ich also in ein paar Monaten was zum Thema beisteuern. :)

Das wäre super!

Ich beneide Dich im Moment grad etwas wegen Deinem Studienfach. :(

Verrari
05.01.2009, 18:38
(Die Tastatur spinnt derzeit. Da ich keine Lust hab, jeden Beitrag nicht nur auf Rechtschreib-, sondern auch auf durch Technikversagen hervorgerufene Fehler zu durchsuchen, wird die Orthographie bis zur Lösung des Problems vom gewohnten Niveau abweichen.
Wir danken für Ihr Verständnis und wünschen weiterhin einen schönen Aufenthalt.)

Klemmt bei Dir vielleicht das große F ???:=

Florian
05.01.2009, 18:52
Klemmt bei Dir vielleicht das große F ???:=

Bitte nicht zumüllen.

Grazie!

Arrivederla!

-jmw-
05.01.2009, 18:53
Muss ich jetzt nicht verstehen, oder?