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Vollständige Version anzeigen : Atomminengürtel quer durch Deutschland



Subcomandante Erhard
04.10.2008, 18:53
Aus Helmut Schmidts neuem Buch >>Außer Dienst<<


Ich habe sowohl in Deutschland als auch in anderen Staaten eine größere Zahl von Journalisten kennenlernen dürfen, die aus Verantwortungsbewusstsein eine Information für sich behielten und sie nicht öffentlich verwertet haben. Als ich Ende 1969 als Verteidigungsminister die Befehlsgewalt über die Bundeswehr übernahm, fand ich zum Beispiel Pläne zu militärischen Vorbereitungen für einen Atomminengürtel quer durch Deutschland (Atomic Demolition Means, ADM). Die Löcher waren schon gebohrt. Weil das Militär eine politische Kontrolle seiner potentiellen atomaren Verteidigung verhindern wollte, waren die Pläne vor dem Bundestag geheimgehalten worden. Von diesen Atomminen hatten einige Journalisten gehört - und haben geschwiegen. Sie haben auch geschwiegen, als sie später erfuhren, daß mein amerikanischer Verteidigungsminister-Kollege Melvin Laird und ich gemeinsam die Einsatzvorbereitungen ganz leise beendet und annulliert haben - zum Entsetzen der militärischen Führung (mit Ausnahme des Generalinspekteurs Ulrich de Maiziére). Wären die Pläne publik geworden, wäre es zu einem entsetzten Aufschrei der Angst in der öffentlichen Meinung in Deutschland un d zu großer Verstimmung in unserem Verhältniss zu den USA gekommen. Aus Verantwortungsbewußtsein hat niemand darüber berichtet.
Quelle: Helmut Schmidt - Außer Dienst S.30


Bezugsmöglichkeit Amazon (http://www.amazon.de/gp/product/3886808637/ref=s9subs_c4_14_at1-rfc_p-frt_p-3195_g1-3102_g2?pf_rd_m=A3JWKAKR8XB7XF&pf_rd_s=center-1&pf_rd_r=0N08JF7CVFG9R48WCTC6&pf_rd_t=101&pf_rd_p=218412891&pf_rd_i=301128)

Strandwanderer
04.10.2008, 19:09
Diese Pläne, Atom-Minen entlang der innerdeutschen Grenze zu verlegen, sind etwa seit Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre bekannt.

Subcomandante Erhard
04.10.2008, 19:10
Mir erst seit Freitag. Trotzdem Sauerrei.

Don
04.10.2008, 19:34
Mir erst seit Freitag. Trotzdem Sauerrei.

Dir scheint die völlig surreale Situation der 60er und 70er Jahre nicht bekannt zu sein.

Götz
04.10.2008, 20:48
Derartige Pläne belegen die völlige Geringschätzung der damaligen US Administration für die Bundesrepublik und ihre Bewohner.

McDuff
08.10.2008, 12:28
Verantwortungsbewußtsein? Ich nenne das Volksbetrug! Wenn unsere "Verbündeten" uns schon den atomaren Holocaust bescheren wollten, dann hätte man uns ruhig informieren können. Aber typisch Politik und abhängige Presse. Nichts als Lug und Trug.

ErhardWittek
09.10.2008, 14:40
Verantwortungsbewußtsein? Ich nenne das Volksbetrug! Wenn unsere "Verbündeten" uns schon den atomaren Holocaust bescheren wollten, dann hätte man uns ruhig informieren können. Aber typisch Politik und abhängige Presse. Nichts als Lug und Trug.
Warum hätten sie das tun sollen? Als Verbündete im eigentlichen Sinn haben sie uns nie gesehen. Wir waren nur ein vorgeschobener Außenposten im Kalten Krieg, den man notfalls leichten Herzens opfern kann. Jetzt sind die Polen dran, diese Funktion zu übernehmen und bald auch die Ukrainer und Georgier.

Haspelbein
09.10.2008, 14:47
Derartige Pläne belegen die völlige Geringschätzung der damaligen US Administration für die Bundesrepublik und ihre Bewohner.

Natuerlich. Jedoch sollte man hier auch so konsequent sein, und beruecksichtigen, dass die Stationierung von Kurzstreckenraketen durch die USA und die Sowjetunion prinzipiell die gleiche Funktion hatte: Deutschland waere im Zweifelsfall ein atomares Bauernopfer gewesen.

Je eher Europa zu einer eigentstaendigen Aussen- und Verteidigungspolitik findet, desto besser ist es letztendlich fuer Deutschland. Die Interessen der USA , Russlands und Westeuropas unterscheiden sich inherent.

Götz
09.10.2008, 23:17
Natuerlich. Jedoch sollte man hier auch so konsequent sein, und beruecksichtigen, dass die Stationierung von Kurzstreckenraketen durch die USA und die Sowjetunion prinzipiell die gleiche Funktion hatte: Deutschland waere im Zweifelsfall ein atomares Bauernopfer gewesen.

Einen nicht unwesentlichen Unterschied gibt es jedoch, Nuklearraketen können optionell auf unterschiedliche Alternativziele ausgerichtet werden,die Bundesrepublik wäre nicht unbedingtes Ziel verbündeter Raketen gewesen, im Gegensatz zu den Nuklearminen des Verbündeten.Daher erscheint mir dieses US Konzept doch um einiges geringschätziger und menschenverachtender gegenüber einem verbündetem Land zu sein.


Europa zu einer eigentstaendigen Aussen- und Verteidigungspolitik findet, desto besser ist es letztendlich fuer Deutschland. Die Interessen der USA , Russlands und Westeuropas unterscheiden sich inherent.

Dem kann ich voll und ganz zustimmen.

Haspelbein
10.10.2008, 00:37
Einen nicht unwesentlichen Unterschied gibt es jedoch, Nuklearraketen können optionell auf unterschiedliche Alternativziele ausgerichtet werden,die Bundesrepublik wäre nicht unbedingtes Ziel verbündeter Raketen gewesen, im Gegensatz zu den Nuklearminen des Verbündeten.Daher erscheint mir dieses US Konzept doch um einiges geringschätziger und menschenverachtender gegenüber einem verbündetem Land zu sein.

Prinzipiell waere das moeglich, aber wenn man mit den damaligen Aufmarsch- und Verteidungsplaenen vertraut war, und sich ein wenig die Planspiele ansah, so hatte man wenig Illusionen. Die Kurzstreckenraketen waeren auf deutschem Boden niedergegangen, und es wurde einem bei Dienstbeginn bei der Bundeswehr relativ deutlich gesagt, dass man im Ernstfall mit einer Lebenserwartung im Minutenbereich rechnen sollte.

Deutschland war im kalten Krieg schlicht entbehrlich.

Götz
10.10.2008, 08:45
Prinzipiell waere das moeglich, aber wenn man mit den damaligen Aufmarsch- und Verteidungsplaenen vertraut war, und sich ein wenig die Planspiele ansah, so hatte man wenig Illusionen. Die Kurzstreckenraketen waeren auf deutschem Boden niedergegangen, und es wurde einem bei Dienstbeginn bei der Bundeswehr relativ deutlich gesagt, dass man im Ernstfall mit einer Lebenserwartung im Minutenbereich rechnen sollte.

Deutschland war im kalten Krieg schlicht entbehrlich.

Im kalten Krieg nicht, da war die Bundesrepublik Stachel im Fleisch des Ostens und Schaufenster des Westens zugleich und trug stark zur Demoralisierung der Ostblockbevölkerung bei,
durch ihre Annäherungsdiplomatie entschärfte sie den Sowjets ein nützliches Schreckgespenst, das des des "kriegslüsternden revanchisten faschistischen Deutschlands", das von ihrer Propaganda bis zum erbrechen, jedoch nur mäßig wirksam, bemüht wurde.Durch ihren schnellen wirtschaftlichen Aufstieg, der sie zum europäischen Wohlstandsmotor machte und
ihren sehr sichtbaren Wohlstand widerlegte sie höchst wirksam das Propagandagefasel von der Überlegenheit des Sozialismus, der immer abhängiger von Krediten,nicht zuletzt aus der Bundesrepublik, wurde, letztere verringerten die Wahrscheinlichkeit daß der kalte heiss wude und sorgten dafür, daß er gewinnbar blieb. Ihr Beitrag zum Zusammenbruch des Ostblocks und zum "Sieg des Westens" im kalten Krieg,
kann kaum überschätzt werden.

Jedoch falls der kalte Krieg zum heissen geworden wäre, dann schon. Der einzige "Trost" wäre gewesen, daß uns die Russen, Briten, Franzosen
und Amerikaner mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht lange überlebt hätten.

cajadeahorros
10.10.2008, 09:06
Derartige Pläne belegen die völlige Geringschätzung der damaligen US Administration für die Bundesrepublik und ihre Bewohner.

Im Gegenteil, die US Administration hatte schon 1948 eine hohe Wertschätzung der Trizone. Schon damals war den Westmächten klar dass ein eventueller Krieg gegen den Ostblock nur mit deutschem Kanonenfutter gewonnen werden könnte, bis zur Wiederbewaffnung waren es dann nur noch wenige Jahre (und nichtmal dem seligen FJS ist die Hand deswegen abgefault).

cajadeahorros
10.10.2008, 09:08
Interessante Seite zum Thema: http://www.fulda-gap.de/

Deutschmann
10.10.2008, 09:09
Im Gegenteil, die US Administration hatte schon 1948 eine hohe Wertschätzung der Trizone. Schon damals war den Westmächten klar dass ein eventueller Krieg gegen den Ostblock nur mit deutschem Kanonenfutter gewonnen werden könnte, bis zur Wiederbewaffnung waren es dann nur noch wenige Jahre (und nichtmal dem seligen FJS ist die Hand deswegen abgefault).

Das hast du schön gesagt. Darum wurden uns auch Atomwaffen verweigert obwohl Adenauer beharrlich darauf pochte. X(

Götz
10.10.2008, 09:20
Im Gegenteil, die US Administration hatte schon 1948 eine hohe Wertschätzung der Trizone. Schon damals war den Westmächten klar dass ein eventueller Krieg gegen den Ostblock nur mit deutschem Kanonenfutter gewonnen werden könnte, bis zur Wiederbewaffnung waren es dann nur noch wenige Jahre (und nichtmal dem seligen FJS ist die Hand deswegen abgefault).

So gesehen sicher, die Deutschen sollten ,aus amerikanischer Sicht ,im 3. Weltkrieg die Rolle der Russen im 2. Weltkrieg übernehmen, den Löwenanteil der
Kämpfe und Verluste übernehmen, während den Amerikanern der Hauptgewinn winken sollte.

Allerdings wird es gemeinhin nicht als Zeichen von Respekt und Wertschätzung
angesehen, Menschen als "Einwegwerkzeug" gebrauchen zu wollen, am wenigsten von jenen denen die für diese Art von Nutzung vorgesehen werden.

Haspelbein
10.10.2008, 12:31
[...]

Jedoch falls der kalte Krieg zum heissen geworden wäre, dann schon. Der einzige "Trost" wäre gewesen, daß uns die Russen, Briten, Franzosen
und Amerikaner mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht lange überlebt hätten.

Genau das meinte ich. Natuerlich trug Deutschland zum politischen Geschehen und der Geschichte des Kalten Krieges bei. Jedoch war Deutschland letztendlich ein Aufmarschgebiet, das im Ernstfall recht schnell zu einem reinen Schlachtfeld geworden waere, auf dem man den Einsatz von Atomwaffen nicht ausschloss.