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Vollständige Version anzeigen : Die Diktatur des Relativismus?



marc
07.09.2008, 23:45
Zitat von Josef Ratzinger

Wir sollen nicht Kinder im Zustand der Unmündigkeit bleiben. Was heißt, unmündige Kinder im Glauben sein ? Der hl. Paulus antwortet : Es bedeutet, »ein Spiel der Wellen zu sein, hin- und hergetrieben von jedem Widerstreit der Meinungen...« (Eph 4, 14). Eine sehr aktuelle Beschreibung !

Wie viele Glaubensmeinungen haben wir in diesen letzten Jahrzehnten kennengelernt, wie viele ideologische Strömungen, wie viele Denkweisen... Das kleine Boot des Denkens vieler Christen ist nicht selten von diesen Wogen zum Schwanken gebracht, von einem Extrem ins andere geworfen worden : vom Marxismus zum Liberalismus bis hin zum Libertinismus ; vom Kollektivismus zum radikalen Individualismus ; vom Atheismus zu einem vagen religiösen Mystizismus ; vom Agnostizismus zum Synkretismus, und so weiter. Jeden Tag entstehen neue Sekten, und dabei tritt ein, was der hl. Paulus über den Betrug unter den Menschen und über die irreführende Verschlagenheit gesagt hat (vgl. Eph 4,14). Einen klaren Glauben nach dem Credo der Kirche zu haben, wird oft als Fundamentalismus abgestempelt, wohingegen der Relativismus, das sich »vom Windstoß irgendeiner Lehrmeinung Hin-und-hertreiben-lassen« , als die heutzutage einzige zeitgemäße Haltung erscheint. Es entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten läßt.

Wir haben jedoch ein anderes Maß : den Sohn Gottes, den wahren Menschen. Er ist das Maß des wahren Humanismus. »Erwachsen« ist nicht ein Glaube, der den Wellen der Mode und der letzten Neuheit folgt ; erwachsen und reif ist ein Glaube, der tief in der Freundschaft mit Christus verwurzelt ist. Diese Freundschaft macht uns offen gegenüber allem, was gut ist und uns das Kriterium an die Hand gibt, um zwischen wahr und falsch, zwischen Trug und Wahrheit zu unterscheiden. Diesen erwachsenen Glauben müssen wir reifen lassen, zu diesem Glauben müssen wir die Herde Christi führen. Und dieser Glaube - der Glaube allein - schafft die Einheit und verwirklicht sich in der Liebe. Dazu bietet uns der hl. Paulus - im Gegensatz zu den ständigen Sinnesänderungen derer, die wie Kinder von den Wellen hin- und hergeworfen werden - ein schönes Wort : die Wahrheit tun in der Liebe, als grundlegende Formel der christlichen Existenz. In Christus decken sich Wahrheit und Liebe. In dem Maße, in dem wir uns Christus nähern, verschmelzen auch in unserem Leben Wahrheit und Liebe. Die Liebe ohne Wahrheit wäre blind ; die Wahrheit ohne Liebe wäre wie »eine lärmende Pauke« (1 Kor 13,1).

http://missionnairesdelamisericorde.cef.fr/article.php3?id_article=63

dr-esperanto
08.09.2008, 00:51
Der Relativismus steht halt heute in so hohem Ansehen, weil die Mächtigen (die für diese Propaganda bezahlen) dann keine moralischen Schranken mehr haben, er ermöglicht etwa Euthanasie und Abtreibung, womit unnütze Esser beseitigt werden können. Dann werden Wissenschaftler angeheuert, die beweisen sollen, dass es keinen freien Willen gebe - auch das natürlich nur, um jede Diskussion um Gut und Böse im Keim zu ersticken.
Was wir aber tun müssen, ist, uns nichts vorzumachen, auf unser Gewissen zu hören, und die so (und auch rationell) erkannte Wahrheit beim Handlen mit Liebe zu verbinden. So kommt es dann langsam zu einem liebevollen Umgang miteinander und einem kleinen Paradies auf Erden. Es wird dann gesittet und züchtig und liebevoll zugehen, auch sicher für manche unreife Zeitgenossen "langweilig" (wie in den 50-er Jahren), aber so sollte der Mensch eigentlich sein, ernst und seriös, nicht der Kindergarten wie heute.

McDuff
08.09.2008, 06:08
Es hat schon einmal solche, die das goldene Kalb umtanzten, die gerechte Strafe getroffen....

borisbaran
08.09.2008, 10:22
Ratzi wünscht sich eben die "guten, alten Zeiten" zurück, als die Kirche noch Macht genug hatte, um ihre Gegner zu ermorden...

Parker
08.09.2008, 12:40
Und dennoch hat er recht.

cajadeahorros
08.09.2008, 12:50
Und dennoch hat er recht.

Nein, hat er nicht. Denn wenn als letztes Maß nur das eigene Ich und seine eigenen Gelüste akzeptiert kommt innerhalb kürzester Zeit zum Schluss dass sich die eigenen Gelüste am besten befriedigen kann wenn man mit seinen Mitmenschen kooperiert und nicht beispielsweise dadurch dass man die eigenen Gelüste missachtet und sich für die Gelüste Dritter totschlagen lässt.

Parker
08.09.2008, 13:04
Nein, hat er nicht. Denn wenn als letztes Maß nur das eigene Ich und seine eigenen Gelüste akzeptiert kommt innerhalb kürzester Zeit zum Schluss dass sich die eigenen Gelüste am besten befriedigen kann wenn man mit seinen Mitmenschen kooperiert und nicht beispielsweise dadurch dass man die eigenen Gelüste missachtet und sich für die Gelüste Dritter totschlagen lässt.

Das mag für viele Menschen gelten, aber ganz sicher nicht für alle. Diese anderen waren niemals durch reine Vernunft zu sozialverträglichem Verhalten zu bewegen und werden das auch in Zukunft nicht sein. Heutzutage werden sie nichtmal mehr vom moralischen Korsett der Religion auf Linie gebracht und das ist keineswegs so positiv, wie es sich auf den ersten Blick liest. Wenn nämlich alles relativ ist, kann Oma Meier auch herzlich gern abkratzen, damit ich 10 Euro mehr in der Tasche habe.
Dazu kommt, daß bei der von Dir erwähnten Kooperation immer mehr Menschen immer weniger zu bieten haben, was anderen die für sie nunmal mit Kosten verbundene Solidarität kaum schmackhafter macht.

cajadeahorros
08.09.2008, 14:26
Das mag für viele Menschen gelten, aber ganz sicher nicht für alle. Diese anderen waren niemals durch reine Vernunft zu sozialverträglichem Verhalten zu bewegen und werden das auch in Zukunft nicht sein. Heutzutage werden sie nichtmal mehr vom moralischen Korsett der Religion auf Linie gebracht und das ist keineswegs so positiv, wie es sich auf den ersten Blick liest. Wenn nämlich alles relativ ist, kann Oma Meier auch herzlich gern abkratzen, damit ich 10 Euro mehr in der Tasche habe.
Dazu kommt, daß bei der von Dir erwähnten Kooperation immer mehr Menschen immer weniger zu bieten haben, was anderen die für sie nunmal mit Kosten verbundene Solidarität kaum schmackhafter macht.

Ich will mich nicht "sozialverträglich" verhalten sondern rein egoistisch. Und dieser Egoismus sagt mir, dass ich Oma Meier nicht wegen 10 Euro abkratzen lasse weil ich im Gegenzug nämlich auch nicht möchte, dass man mich in einer Schwächesituation wegen 10 Euro abkratzen lässt. Weil mir die Vernunft sagt dass ich in einer WIRKLICH freien Gesellschaft niemals IMMER der Stärkere sein werde.

Was mir gesellschaftlich vorschwebt ist das berühmte Spieltheoriebeispiel "bedingungslose Kooperation" im Eröffnungszug und "wie so mir so ich dir" in den Folgezügen.

Parker
08.09.2008, 14:35
Ich will mich nicht "sozialverträglich" verhalten sondern rein egoistisch. Und dieser Egoismus sagt mir, dass ich Oma Meier nicht wegen 10 Euro abkratzen lasse weil ich im Gegenzug nämlich auch nicht möchte, dass man mich in einer Schwächesituation wegen 10 Euro abkratzen lässt. Weil mir die Vernunft sagt dass ich in einer WIRKLICH freien Gesellschaft niemals IMMER der Stärkere sein werde.

Da bringst Du bereits 2 Gedankengänge auf und machst sie sogar zur Grundlage Deines Handelns, zu denen erschreckend viele Menschen gar nicht fähig sind.




Was mir gesellschaftlich vorschwebt ist das berühmte Spieltheoriebeispiel "bedingungslose Kooperation" im Eröffnungszug und "wie so mir so ich dir" in den Folgezügen.

Die Theorie gefällt mir auch ganz vorzüglich, allerdings fürchte ich, es bleibt bei der Theorie. Das übersteigt ganz einfach die Fähigkeiten vieler Menschen und setzt obendrein auch eine moralische Grundhaltung voraus, deren Quelle Du gleichzeitig beseitigen willst (mutmaße ich mal), was das Ganze nicht unbedingt einfacher macht.