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Vollständige Version anzeigen : Marcs kleine Klarstellung bzgl. Christentum, Krabat und Islam



marc
08.08.2008, 13:19
Als total Gottesungläubiger muß ich dennoch Krabat in jedem einzelnen Punkt Recht geben. Gerade die, die jedes Muslverbrechen relativieren, stehen bei der Christenverfolgung in der ersten Reihe. Man kann Gläubig sein oder auch nicht, das ist das Recht des einzelnen, aber die Christliche Kultur ist ein Erbe der Vorfahren, die wir geerbt haben, und viele Feste die wir heute noch feiern fällt auf dieses Christliche Erbe zurück. Diejenigen die am meisten Christenbashing betreiben dürften ein gestörtes Verhältnis zu ihren Kulturellen Erbe haben. Und ein Vergleich der Religionen, kann nur zum Nachteil der Musln ausfallen, da helfen auch die relativierenden Vergleiche der heutigen Musln, mit den Christen vor ein paar Hundert Jahren nicht. Im Gegenteil, sie beweisen nur wie rückständig Musln sind. Ich find auch, vor allem an der katholischen Kirche auszusetzen, aber sie haben das Recht ihr Verständnis von Glauben so zu leben wie sie wollen, und wem es nicht passt der kann ja austreten, ohne um sein Leben fürchten zu müssen.

Dem würde ich zustimmen und ich hoffe auch, dass mich nicht alle User hier so missverstehen, wie Krabat das tut. Deshalb eine kleine Klarstellung:

1
Es stimmt natürlich, dass Religionen unterschiedlich, dass der Gottglaube oder die "Sehnsucht nach dem ganz Anderen", von der Horkheimer geredet ist, kein monolithischer Block ist, sondern ein weites Feld, auf dem die unterschiedlichsten Pflanzen gewachsen sind. Trotzdem ist die Erde dieses Feldes prinzipiell vergleichbar. Die Tatsache allerdings, dass Christentum und Islam prinzipiell gleich sind und von verschiedenen Würdenträger oft genug betont wird, dass es nicht darum gehe, gegeneinander zu streiten, sondern darum, mit geeinter monotheistischer Faust gegen "falsch verstandene Freiheiten" zu streiten, bedeutet allerdings nicht, dass keine qualitativen Unterschiede vorhanden wären.
"Nichts als die Wahrheit" von Dieter Bohlen und "Dichtung und Wahrheit" von Goethe sind prinzipiell ebenfalls gleich: autobiographische Bücher, die mit Wahrheit darstellen und spielen. Es gibt allerdings qualitative Unterschiede.

2a
Die qualitativen Unterschiede zwischen Christentum und Islam zeigen sich einerseits in der Theologie selber und in den verschiedenen Moralvorstellungen, die sie dadurch vermitteln können. "Das Leiden macht den Unterschied", sagt Klaus Berger und Pascal bringt es auf den Punkt "Christus ließ sich ermorden, Mohammed ließ morden."

Auch das Gottesbild ist also nicht deckungsgleich. Während wir auf der einen Seite einen so unendlichen großen Gott vor uns haben, der sich nichtmal selbst an seinen Propheten wendet, sondern einen Engel schickt, der ihm u.a. aufträgt, die Menschen dürften zwar keinen Schinken mehr essen, aber die Religion mit Gewalt verbreiten, sehen wir auf der anderen Seite einen Gott, der sich unendlich klein macht, indem er selbst zum Menschen wird - auch nicht zu einem Imperator, sondern zu einem friedlichen Prediger, der sich schließlich ans Kreuz nageln lässt.

Wichtig ist ebenfalls das Verhältnis zur Ratio, zur Vernuft. Das Johannes-Evangelium beginnt bekanntermassen so:

Im Anfang war der Logos
Und der Logos war bei Gott,
Und Gott war der Logos.

Dies bringt ein anderes Verhältnis zur Wissenschaft mit sich, auf der Aufklärung leichter gedeihen konnte und in dem das Streben nach Vernunft eingebaut ist. (Es bringt natürlich auch Probleme mit sich, weil ein Verstoß gegen Dogmen gleichzeitig als ein Verstoß gegen "die Vernunft" und "die Natur" des Menschen bezeichnet werden kann, aber als eigentliche Basis halte ich diesen christlichen Glauben für wesentlich wissenschaftsfreundlicher, ja -fördernder als den Islam. Das heute allerdings beide nicht mehr mit wissenschaftlichen Erkentnissen in Einklang zu bringen sind und auch dem Streben nach neuen Kentnissen im Wege stehen, ist eine andere Sache.)


Zitat von Josef Ratzinger, Einführung in das Christentum, 1968

Christlicher Glaube an Gott bedeuet zunächst die Entscheidung für den Primat des Logos gegenüber der bloßen Materie. Zu sagen: "Ich glaube", schließt die Option ein, dass der Logos, das heißt der Gedanke, die Freiheit, die Liebe, nicht bloß am Ende, sondern auch am Anfang steht; dass er die Ursprung gebende und umgreifende Macht allen Seins ist.
Anders ausgedrückt: Der Glaube bedeutet eine Entscheidung dafür, dass Gedanke und Sinn nicht nur ein zufälliges Nebenprodukt des Seins bilden, sondern dass alles Sein Produkt des Gedankens, ja selbst in seiner innersten Struktur Gedanke ist.
Insofern bedeutet der Glaube in einem spezifischen Sinn Entscheidung zur Wahrheit, da für ihn das Sein selbst Wahrheit, Verstehbarkeit, Sinn ist und dies alles nicht bloß ein sekundäres Produkt des Seins darstellt, das irgendwo aufstand, aber dann keine strukturierende, maßgebende Bedeutung für das Ganze des Wirklichen haben könnte.
In dieser Entscheidung zur gedanklichen Struktur des Seins, das aus Sinn und aus Verstehen kommt, ist zugleich der Schöpfungsglaube mit gesetzt. Er bedeutet ja nichts anderes als die Überzeugung, dass der objektive Geist, den wir in allen Dingen vorfinden, ja, als den wir die Dinge in zunehmenden Maß verstehen lernen, Abdruck und Ausdruck ist von subjektivem Geist und dass die gedankliche Struktur, die das Sein hat und die wir nach-denken können und nach-denken müssen, Ausdruck eines schöpferischen Vordenkens ist, durch dass sie sind.

(...)

Einstein sagte einmal, dass in der Naturgesetzlichkeit "sich eine so überlegene Vernunft offenbart, dass alles Sinnvolle menschlichen Denkens und Anordnens dagegen ein gänzlich nichtiger Abglanz ist".
Das will doch wohl sagen: All unser Denken ist in der Tat nur ein Nachdenken des in Wirklichkeit schon Vorgedachten.

Als weiteren Unterschied wäre die Zwei-Reiche-Theorie zu nennen, die natürlich ebenfalls problematisch werden kann, wenn dadurch Diktatoren unterstützt werden, aber als eigentliche Basis sehe ich in ihr einen großen Vorteil und auch hier eine leichtere Möglichkeit, in die Moderne zu gelangen und in der Moderne zu überstehen. Gib dem Kaiser, was dem Kaiser ist und gib Gott, was Gottes ist. Im Gegensatz dazu ist der allumfassende Anspruch des Islam eher mit einer totalitären Ideologie zu vergleichen.

Für mich ganz persönlich ist auch das Verhältnis zur Musik ganz wichtig. Der Islam hatte ja immer ein schwieriges Verhältnis zu ihr und in einigen seiner Strömungen und Zeiten, war Musik einfach grundsätzlich verboten. Wie bei den Taliban. Khomeini meinte ja auch, dass er nur seinen Soldanten noch einen Marsch gönnen könnte...

Im Gegensatz dazu die Bibel:


Lobet ihn mit Posaunen; lobet ihn mit Psalter und Harfe! Lobet ihn mit Pauken und Reigen; lobet ihn mit Saiten und Pfeifen! Lobet ihn mit hellen Zimbeln; lobet ihn mit wohlklingenden Zimbeln! Alles, was Odem hat, lobe den HERRN! Halleluja!

Resultat:
http://www.youtube.com/watch?v=m3gd6uCD2FM
http://www.youtube.com/watch?v=k64r7tmPZK8

Dazu kommen natürlich noch andere Sachen, aber jetzt hab ich keine Lust mehr.


2b
Der zweite qualitative Unterschied besteht schlichtweg darin, dass die Verbrechen der Christenheit Verbrechen der Vergangenheit sind, diejenigen der Muslime allerdings Verbrechen der Gegenwart.

3
Vom Christentum ist auch ein reichhaltiger kultureller Nachklang geblieben, der es wert ist, verteidigt zu werden. Auch gegen den Islam. Auch gegen die Moderne.


Das ändert allerdings viertes nichts an der immer verteidigendeswerten Rede- und Kunstfreiheit und auch nicht an Tatsachenbeschreibungen wie diesen:


...wobei man vielleicht ergänzen muss, dass diese Ideen insofern nicht außergewöhnlich sind, da sie sich auch in anderen Religionen finden lassen oder teilweise übernommen worden sind.
Manfred Lütz, der selber Katholik ist und eine Art von Anti-Dawkins verfasst hat ("GOTT - Eine kleine Geschichtes des Größten"), beschreibt in seinem Buch sehr schön die Situation während seines Theologiestudiums, als ein Professor für Religionsgeschichte auf das Christentum zu sprechen kam und nur gelangweilt bemerkte: "...und dann hat mal wieder eine Jungfrau einen Gott geboren." :))

Ähnliches gilt für das "Annageln", weil das Motiv Leiden-Sterben-Auferstehen nichts exklusiv christliches ist, und in der Idee von einem "Lamm Gottes" ein ganz archaischer und primitiver Opfergedanke eine Rolle spielt, also man muss sich das ja mal konkret vorstellen: Da muss ein Unschuldiger gefoltert, gepeitscht, verprügelt und ermordet werden, damit das imaginäre Alphatierchen im Himmel endlich Ruhe gibt. Das dieses Alphatierchen allerdings einen Teil seiner selbst dazu auserkoren hat, macht die ganze Sache allerdings grotesker.

Ich meine: Katholiken glauben, dass ein sog. "Gott" die Erde und die Menschen geschaffen hat, aber den absoluten Großteil davon mittels "Sintflut" wieder ausgerottet hat. Danach hat sich die Brut auch nicht besser benommen und so begnügte er sich mit gelegentlichen Massenvernichtungsaktionen ("Soddom"). Und nach einer Weile ist dieser sog. Gott dann völlig durchgeknallt, weil er sich in drei Teile aufgeteilt hat und einen Teil auf die Erde geschickt hat, der eine Jungfrau ungefragt schwängerte, die dann den dritten Teil von ihm selbst zur Welt gebracht hat, damit!

...damit dieser dritte Teil umgebracht wird, weil nur der Tod und die Auferstehung von Teil Drei Teil Eins etwas besänftigen kann. Zumindest, wenn sie jeden Sonntag in die Kirche gehen, um sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken. Auch die Übernahme archaischer Vorstellungen (Übertragung von Kraft und Heil durch das Verspeisen eines Dritten.) Den Vogel abschiessen tun allerdings die Katholiken (mal wieder), denn bekanntlich wird ja Brot und Wein in Fleisch und Blut verwandelt, was schon lächerlich genug ist, aber bei den Katholen kann diese Verwandlung nur derjenige bewirken, der einen Penis besitzt, sich verpflichtet, diesen Penis nie zu benutzen, wobei sichergestellt werden muss, dass er seinen Penis, wenn er ihn benutzen würde, nur dazu benutzen würde, um Frauen ungeschützt und nur vaginal (alles andere ist Sodomie und deshalb böse!) zu penetrieren.

Sauerländer
08.08.2008, 13:24
Wenn man eine Religion wesentlich darin misst, wie leicht man auf ihrer Grundlage in die Moderne vorstoßen kann, spricht es in meinen Augen nicht FÜR sie, wenn sie dabei gut abschneidet.

Efna
08.08.2008, 13:29
Ich weiss nicht, In der Zeit des römischen Reiches nehmen wir mal das Jahr100 gab es so viele Religionen und unterschiedlich Glaubensformen und trotzdem blieb es friedlich zumindestens meistens. Kaum taucht der Christentum und der Islam auf schon reichen Zwei Religionen die sich in der Wolle haben.

marc
08.08.2008, 13:30
Wenn man eine Religion wesentlich darin misst, wie leicht man auf ihrer Grundlage in die Moderne vorstoßen kann, spricht es in meinen Augen nicht FÜR sie, wenn sie dabei gut abschneidet.

Hm. Merkwürdiger Einwand. :D

Ich habe jetzt meinen Monsterpost gerade nochmal nach Widersprüchen durchsucht, weil die bei mir öfters vorkommen, aber an so einen Einwand dachte ich gerade echt nicht. Hm. Aber ich denke, dass doch auch die Frage ist, was du dir unter Moderne vorstellst. Z.B. das Thema Wissenschaft, das gehört dazu und davon profititierst ja auch du, also bei den antimodernen Einwänden, bei denen ich ja dir teilweise durchaus zustimmen kann, würde ich doch die großen Errungenschaft dieser Moderne nicht in Frage stellen wollen, und die Romantisierung von vormodernen Gesellschaften halte ich einfach für nicht ganz treffend,

marc
08.08.2008, 13:35
Ich weiss nicht, In der Zeit des römischen Reiches nehmen wir mal das Jahr100 gab es so viele Religionen und unterschiedlich Glaubensformen und trotzdem blieb es friedlich zumindestens meistens. Kaum taucht der Christentum und der Islam auf schon reichen Zwei Religionen die sich in der Wolle haben.

Naja, monotheistische Religionen sind, glaube ich, grundsätzlich viel gefährlicher als polytheistische. Ich wollte auch keinen Hymnus auf das Christentum singen sondern nur ein bisschen begründen, warum ich einerseits glaube, dass das Christentum noch etwas "besser" ist als der Islam, und dass die heutige Gefahr vorallem vom Islam ausgeht.



Eine wichtige Stimme im Konzert derer, die an den „Preis des Monotheismus“ erinnern, ist der Heidelberger Ägyptologe Jan Assmann. Vor einigen Jahren provozierte er die akademische Welt mit der These, erinnerungsgeschichtlich betrachtet sei Moses der Widergänger des ägyptischen Pharaos Echnaton, eines unerbittlichen Bilderstürmers und brachialen Monotheisten. Aber erst Assmanns zweite These sorgte weit über die Fachgrenzen hinaus für Unruhe. Sie lief auf die Behauptung hinaus, auf der „mosaischen Unterscheidung“, dem Bund zwischen Moses und dem einen Gott, auf der dreitausend Jahre alten Grundlogik aller monotheistischen Religionen, ruhe kein Segen. Mit der normativen Aufladung des Spirituellen, genauer: mit der Unterscheidung von wahrem Gott und falschen Göttern habe sie den Hass und die Sünde in die Welt gebracht. Die Religion, die im Namen des Ethischen auftrat, sei selbst eine Quelle von Gewalt.
http://www.zeit.de/2003/42/ST-Assmann

Sauerländer
08.08.2008, 13:47
Hm. Merkwürdiger Einwand. :D
Ich habe jetzt meinen Monsterpost gerade nochmal nach Widersprüchen durchsucht, weil die bei mir öfters vorkommen, aber an so einen Einwand dachte ich gerade echt nicht. Hm.
Er wird ja auch selten gemacht, insofern bewusstes antimodernes Denken doch eher Seltenheitswert hat.

Aber ich denke, dass doch auch die Frage ist, was du dir unter Moderne vorstellst. Z.B. das Thema Wissenschaft, das gehört dazu und davon profititierst ja auch du, also bei den antimodernen Einwänden, bei denen ich ja dir teilweise durchaus zustimmen kann, würde ich doch die großen Errungenschaft dieser Moderne nicht in Frage stellen wollen, und die Romantisierung von vormodernen Gesellschaften halte ich einfach für nicht ganz treffend,
Wie jede Epoche hat auch die Moderne diverseste verschiedene Aspekte, und wer wollte bestreiten, dass wir von so einigen technischen Errungenschaften profitieren, die uns das Leben doch um einiges angenehmer machen? Auch ich trinke lieber kaltes statt lauwarmes Bier, auch ich freue mich im Winter über eine heisse Dusche oder eine funktionierende Heizung, auch ich bin froh, dass ich, wenn es mir das Knie zerdeppert, zu einem einigermaßen fähigen Mediziner humpeln kann.
Aber es ist doch nicht so, dass wir nur eine solche Liste auf der Haben-Seite verbuchen können, und dafür nicht bezahlen müssten. Für die gesteigerte Produktivität haben wir die Umwelt ruiniert, die gestiegene Bevölkerung zwingt uns zur Ballung in immer unerträglicheren urbanen Zentren, der immer bessere Zugriff auf Informationen aller Art erschlägt die Menschen nur noch in einem bunten Gewitter, aus dem sie am Ende bestenfalls gar nichts mitnehmen, die wirtschaftliche Dynamik macht das Kapital zum unpersönlichen Gott, die Massengesellschaft vor allen Dingen im Hinblick auf ihre mediale Durchdringung legt den Boden für den Totalitarismus, die immer stärkere und im Wettbewerb immer mehr zwingende Mobilität entwurzelt die Menschen.
Alles verkommt zu einer einzigen, großen Ballung, zu reiner Energie, ohne ästhetischen Wert, aber jederzeit fähig, uns um die Ohren zu fliegen.

Man soll die Vergangenheit nicht über alle Maßen romantisieren, dessen bin ich (der ich das zugegebenermaßen immer mal wieder tue) durchaus bewusst. Aber ich finde, das muss man auch gar nicht, um mindestens den heute verfochtenen qualitativen Vorrang der Moderne erheblich zu relativieren.

Was sagt es über eine Religion, wenn sie Moderne-kompatibel ist? Dass sie den Mut zum Dogma, zum Widerspruch gegen den Zeitgeist verloren hat.
Und welchen Sinn kann eine solche Religion überhaupt noch haben?

marc
08.08.2008, 14:07
Aber es ist doch nicht so, dass wir nur eine solche Liste auf der Haben-Seite verbuchen können, und dafür nicht bezahlen müssten. Für die gesteigerte Produktivität haben wir die Umwelt ruiniert, die gestiegene Bevölkerung zwingt uns zur Ballung in immer unerträglicheren urbanen Zentren, der immer bessere Zugriff auf Informationen aller Art erschlägt die Menschen nur noch in einem bunten Gewitter, aus dem sie am Ende bestenfalls gar nichts mitnehmen, die wirtschaftliche Dynamik macht das Kapital zum unpersönlichen Gott, die Massengesellschaft vor allen Dingen im Hinblick auf ihre mediale Durchdringung legt den Boden für den Totalitarismus, die immer stärkere und im Wettbewerb immer mehr zwingende Mobilität entwurzelt die Menschen.
Alles verkommt zu einer einzigen, großen Ballung, zu reiner Energie, ohne ästhetischen Wert, aber jederzeit fähig, uns um die Ohren zu fliegen.


Hm. Diesem Pessimismus könnte ich wenn überhaupt erst sieben bis acht Stunden später zustimmen. Um 15:00 Uhr allerdings sehe ich das etwas anders und glaube beispielsweise nicht, dass unsere Großstädte immer unerträglicher werden, im Gegenteil. Vormorderne Großstädte hattest du in der DDR und es gibt ja diese schönen Vorher-Nacher-Bildchen... und den Reichtum an Informationen finde ich gar nicht negativ, sondern ich würde mir im Gegenteil noch mehr davon wünschen und noch viel mehr Freiheit, diese auch zu artikulieren. Die Gesellschaft in China beispielsweise kann man wohl größenteils als vormodern bezeichnen, aber die damit einhergehende Vereinheitlichung von Informationen ist doch ganz schrecklich.

Naja - über die einzelnen Punkte könntest du jedenfalls streiten, aber deine Einwände an sich finde ich etwas romanhaft, also das wären gute Feuilleton-Argumente, aber irgendwie finde ich das nicht realistisch. Also ich neige auch oft dazu, so zu denken, viel zu oft sogar, aber das ist so ein Grundpessimismus, den ich nicht teilen kann, weil ich eher die Vorteile sehe und ich manche Sachen, die dir als Nachteil erscheinen, eher als gut bezeichen würde.

Man müsste halt schauen, was bezüglich der Moderne auf der Haben-Seite zu stehen ist, und was in der Soll-Kategorie, und bezogen auf den eigentlichen Thread und die Frage, was es über eine Religion aussagt, wenn sie Moderne-kompatibel ist, müsste man wohl erstens einwenden, dass sie nicht grundsätzlich den Mut zum Widerspruch verloren hat, aber dass sie in der Lage ist, diese Kritik zu differenzieren. Also viele deiner Einwände könnten auch Eins-zu-Eins von religiösen Würdenträgern stammen, die aber den Prozeß der Aufklärung durchlaufen haben, der -wie ich denke- möglicherweise leichter auf ihrem Fundament stattfinden konnte und daher könnten sie mit mir nur einfach darüber diskutieren, ohne in eine Grundsatzopposition zu verfallen, auch weil viele positive Errungenschaften der Moderne als lohnendes Ziel erkannt worden sind.

Efna
08.08.2008, 14:43
Naja, monotheistische Religionen sind, glaube ich, grundsätzlich viel gefährlicher als polytheistische. Ich wollte auch keinen Hymnus auf das Christentum singen sondern nur ein bisschen begründen, warum ich einerseits glaube, dass das Christentum noch etwas "besser" ist als der Islam, und dass die heutige Gefahr vorallem vom Islam ausgeht.


http://www.zeit.de/2003/42/ST-Assmann

Das Christentum ist vor allem deswegen in dieser Zeit weniger Gefährlich weil es an politischer Macht verloren hatt. Wäre es das nicht wären wir wohl an der selben Stelle wie der Islam heute.

Beverly
08.08.2008, 14:58
Wenn man eine Religion wesentlich darin misst, wie leicht man auf ihrer Grundlage in die Moderne vorstoßen kann, spricht es in meinen Augen nicht FÜR sie, wenn sie dabei gut abschneidet.

Das sehe ich genau umgekehrt.

Eine Weltaunschauung, die heute noch sinnstiftend und Orientierung gebend sein will, müsste die Erkenntnisse von Neuzeit und Moderne in ihren Diskurs aufnehmen und ihr jenen "Mythos" geben, den ich so schmerzlich vermisse.

Die Doktrinen nahöstlicher Nomaden und Ziegenhirten von vor 3000, 2000 oder 1400 Jahren sind da - mit Verlaub - ungeeignet. Ihre Dominanz und das bigotte Agieren ihrer Anhänger machen die "kalte" Moderne nicht wärmer, sondern verleihen ihr selbst in den heißesten Wüsten Arabiens eine eisige Kälte. Wie oft habe ich beim Bildern aus dem Nahen Osten - wo das alles herkommt - an den Spruch von Walt Whitman (beim Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs) gedacht: "Die Sonne scheint, aber sie wärmt nicht." Weil da ein Gott am Werk und am Wirken ist, der sich von seinen Anhängern auf jene lästerliche und gewissenlose Weise verehren lässt wie einst Adolf Hitler von den Nazis. Nämlich: "Gott will es und damit ist jedes Verbrechen und jede Herzlosigkeit erlaubt, ja gefordert!"
All diese Kulte sind in den seltensten Fällen Schutz oder gar Gegengewicht gegen eine pervertierte Moderne und eine vom Liberalismus zu Tode gerittene Aufklärung. Mit ihrem massenhaften Auftreten tragen sie viel zu Anomie, Chaos und Sinnentleerung der Moderne bei. Weil sie an allen Ecken und Enden Unsinn predigen und den Menschen gerade im Zeichen ihrer dogmatischen Verkrustung heute noch weniger zu bieten haben als früher.

-25Grad
08.08.2008, 15:23
Das Christentum ist vor allem deswegen in dieser Zeit weniger Gefährlich weil es an politischer Macht verloren hatt. Wäre es das nicht wären wir wohl an der selben Stelle wie der Islam heute.Ja, das mag sein, aber das Christentum hat das Potenzial auch entpolitisiert fortbestehen zu können ( Stichwort : dritte Versuchung durch den Satan ), der Islam besitzt dieses Potenzial nicht. Attackierst du den politischen Anspruch des Christentums, attackierst du womöglich die persönlichen Vorteile einer bestimmten Clique, nicht aber die Religion an sich. Attackierst du den politischen Anspruch des Islam, attackierst du die Lehre Mohammeds und somit den Islam in seiner Gesamtheit. Insofern ist eine Gleichsetzung falsch. Eine Entpolitisierung des Islam, nach dem Vorbilde der Entpolitisierung des Christentums, ist nicht möglich.

Don
08.08.2008, 16:29
Resultat:
http://www.youtube.com/watch?v=m3gd6uCD2FM
http://www.youtube.com/watch?v=k64r7tmPZK8

Dazu kommen natürlich noch andere Sachen, aber jetzt hab ich keine Lust mehr.



Die anderen Sachen sind z.B., daß es nicht einmal Religiosität erfordert um sich dran zu erfreuen. Die christliche Religion (katholische ;) Kirche) war stets sehr gut darin, fremde Kulturgüter ob religiös oder nicht zu adaptieren und auch zu neuer Blüte zu treiben oder schlicht umzuwidmen. Was auch zu dem Eindruck beiträgt sie wäre z.B. schon immer Teil unserer Kultur gewesen. War sie nicht. Sie stülpte aber nicht die rückständige Wüstenkultur über die "eroberten" Völker sondern schlüpfte in deren Kultur. Die unterschiedlichen Ausprägungen in Europa, Afrika, Lateinamerika oder Asien sind davon beredtes Zeugnis, während der Islam bereits bei der Kleidung uniform daherkommt und unangenehm auffällt.

Ein Punkt, der es auch einem Agnostiker/Atheisten schwermacht radikal gegen das Christentum oder die Kirche ins Feld zu ziehen. Auch ich finde die Sakralbauten die speziell Europa zieren einfach sagenhaft.
Es sind aber keine religiösen Werke, sondern weltliche die dieser Religion gewidmet wurden.

Bei Deinem link war mein erster Gedanke eigentlich stets das Präludium Ave Maria von Bach/Gounod. Ich spielte in jungen Jahren mal Klavier, und dieses Stück ist trotz seiner Simplizität das emotionalste das ich kenne. Außerdem geht es immer, völlig wurscht wer es darbietet.

Ein Klick, und man hat das hier. Hat mich überrascht. Ist das nicht süß? :]
http://de.youtube.com/watch?v=XhP36Uun3tc&feature=related