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Vollständige Version anzeigen : Enthropie - Verfall - Dekadenz



-SG-
06.08.2008, 11:11
Die amerikanischen Konservativen sind bekannt dafür, "less government" zu fordern, den Demokraten werfen sie vor, mehr Staatseingriffe zu wollen. Dabei geht es nicht primär um Wirtschaft, sondern auch allgemein um soziale Fürsorge, Vorschriften, staatliche Hilfen.
Sie meinen, die Selbstverantwortlichkeit der Menschen würde durch Regierungseingriffe geschwächt. Gerne warnt man vor dem "Nanny state". Recht haben sie eigentlich.

Doch warum die Debatte? Woher kommt das Dilemma?

Begreifen wir nicht gerade hier in Deutschland, mit den ganzen Debatten um mehr Privilegien für die Jugendämter, um verhungernde Kinder zu verhindern, Essensvorschriften, um Überfettung zu lindern, all die Überwachung, Steuerung, Planung, Vorschreibung, Sozialarbeiter, Ämter - ist es nicht tatsächlich so, dass die Leute sich ohne diese staatlichen Eingriffe tatsächlich nicht zu hefen wüssten?

Damit haben wir aber einen sich selbst verstärkenden Prozess: Menschen verlieren Selbstverantwortlichkeit, Staat springt ein, Menschen verlieren noch mehr Selbstverantwortlichkeit...

Das als Einstieg, da sich darin meiner Meinung nach das grundlegende Prinzip des Verfalls widerspiegelt: Alles Künstliche in der Welt, also auch menschliche Kultur, tendiert, wenn nicht durch ständige Anstrengung daran gehindert, dazu, mit der Zeit in den Naturzustand zu verfallen. Wenn von Wissen über Sitten bis Infrastruktur nicht alles menschlich Geschaffene stetig durch Energie, Aufwand, Arbeit, Mühe, Plackerei im Stande gehalten wird, verfällt es zwangsläufig. Würden wir alle für ein paar Jahre in den Tiefschlaf fallen, würden dichte Wälder die ehemaligen Ackerflächen und Dörfer überziehen. So ist es mit allem Kulturellen.

Nun haben also in den Industrieländern die Menschen aufgehört, pingelig an der Instanderhaltung ihres kulturellen Fundus zu arbeiten. Von traditionellen Rezepten bis zum Erziehungswesen ist alles mehr oder weniger der "Befreiung" vom "Muff von tausend Jahren" zum Opfer gefallen - nicht nur in Deutschland, wie gesagt. Damit wurde dieses Prinzip, dass ständig mit erheblichem Aufwand bestehende Strukturen, bestehendes Wissen, bestehende Normen, aufrechterhalten und an kommende Generationen weitergegeben werden, aufgegeben.

Damit unterliegen diese Bereiche nun ebenfalls dem natürlichen Gesetz der Enthropie - alles strebt, sich selbst überlassen, dem Chaos entgegen.
Weil dieser Wille zur Aufrechterhaltung innerhalb der Gesellschaft aufgehört hat, zu existieren, sieht sich nun der Staat in Bedrängnis, einzugreifen.
Und damit haben wir oben genanntes Dilemma: Der Staat will etwas aufhalten, was er mit seinen Eingriffen verstärkt!

Wie, denkt ihr, kann man aus dieser Abwärtsspirale entkommen, wenn sie einmal eingeleitet wurde?

Don
06.08.2008, 11:40
Ein nicht uninteressanter Denkansatz. Erfordert Zeit zum Nachdenken.

-SG-
06.08.2008, 14:52
Grundlegend habe ich es mal so formuliert (S.7 (http://zeitgenosse2030.files.wordpress.com/2008/04/kassandraeins.pdf)):

Misteredd
06.08.2008, 15:11
Der Staat schließt durch solche Eingriffe den fairen Wettbewerb aus. Wer den Markt aber ausschliesst erhält nur bestenfalls mittelmäßige, sich nicht weiterentwickelnde Ergebnisse.

Zu den USA habe ich irgendwo einen Beitrag gelesen, der die sozialen Sicherungssysteme der USA mit denen Deutschlands verglichen hatte. Im Durchschnitt fuhren die Amerikaner dort mit ihren Pensionsfonds und der privaten freiwilligen Krankenversicherung besser und preiswerter wie wir mit unserern Beamtensystemen.

Manfred_g
06.08.2008, 15:42
Die amerikanischen Konservativen sind bekannt dafür, "less government" zu fordern, den Demokraten werfen sie vor, mehr Staatseingriffe zu wollen. Dabei geht es nicht primär um Wirtschaft, sondern auch allgemein um soziale Fürsorge, Vorschriften, staatliche Hilfen.
Sie meinen, die Selbstverantwortlichkeit der Menschen würde durch Regierungseingriffe geschwächt. Gerne warnt man vor dem "Nanny state". Recht haben sie eigentlich.

Doch warum die Debatte? Woher kommt das Dilemma?

Begreifen wir nicht gerade hier in Deutschland, mit den ganzen Debatten um mehr Privilegien für die Jugendämter, um verhungernde Kinder zu verhindern, Essensvorschriften, um Überfettung zu lindern, all die Überwachung, Steuerung, Planung, Vorschreibung, Sozialarbeiter, Ämter - ist es nicht tatsächlich so, dass die Leute sich ohne diese staatlichen Eingriffe tatsächlich nicht zu hefen wüssten?

Damit haben wir aber einen sich selbst verstärkenden Prozess: Menschen verlieren Selbstverantwortlichkeit, Staat springt ein, Menschen verlieren noch mehr Selbstverantwortlichkeit...

Das als Einstieg, da sich darin meiner Meinung nach das grundlegende Prinzip des Verfalls widerspiegelt: Alles Künstliche in der Welt, also auch menschliche Kultur, tendiert, wenn nicht durch ständige Anstrengung daran gehindert, dazu, mit der Zeit in den Naturzustand zu verfallen. Wenn von Wissen über Sitten bis Infrastruktur nicht alles menschlich Geschaffene stetig durch Energie, Aufwand, Arbeit, Mühe, Plackerei im Stande gehalten wird, verfällt es zwangsläufig. Würden wir alle für ein paar Jahre in den Tiefschlaf fallen, würden dichte Wälder die ehemaligen Ackerflächen und Dörfer überziehen. So ist es mit allem Kulturellen.

Nun haben also in den Industrieländern die Menschen aufgehört, pingelig an der Instanderhaltung ihres kulturellen Fundus zu arbeiten. Von traditionellen Rezepten bis zum Erziehungswesen ist alles mehr oder weniger der "Befreiung" vom "Muff von tausend Jahren" zum Opfer gefallen - nicht nur in Deutschland, wie gesagt. Damit wurde dieses Prinzip, dass ständig mit erheblichem Aufwand bestehende Strukturen, bestehendes Wissen, bestehende Normen, aufrechterhalten und an kommende Generationen weitergegeben werden, aufgegeben.

Schöne Analyse bis hierher! Trifft auch ziemlich genau das, was ich empfinde.



Damit unterliegen diese Bereiche nun ebenfalls dem natürlichen Gesetz der Enthropie - alles strebt, sich selbst überlassen, dem Chaos entgegen.
Weil dieser Wille zur Aufrechterhaltung innerhalb der Gesellschaft aufgehört hat, zu existieren, sieht sich nun der Staat in Bedrängnis, einzugreifen.
Und damit haben wir oben genanntes Dilemma: Der Staat will etwas aufhalten, was er mit seinen Eingriffen verstärkt!
...

Da bin ich etwas anderer Ansicht, obwohl es ja mit Völkern und deren gewählten Regierungen ein bisschen so ist, wie mit der Henne und dem Ei: man weiß nie genau, was genau Ursache ist und was Wirkung.

Jedenfalls kommt es mir nicht so vor, als würde die Regierungen Deutschlands seit Schröder insbesondere nur versuchen, dem Bürger "Halt" zu geben. Ich sehe da schon vielmehr ein ganz gezieltes, vorsätzliches Hinwirken auf eine sozialistische Gesellschaft ohne jeglichen bürgerlichen Freiraum. Oder, um es anders zu sagen: das Wechselspiel zwischen Volk und Regierung ist natürlich da. Aber ich sehe die Initiative zur Veränderung des Volkes deutlicher bei der Politik.

-SG-
06.08.2008, 16:27
Da bin ich etwas anderer Ansicht, obwohl es ja mit Völkern und deren gewählten Regierungen ein bisschen so ist, wie mit der Henne und dem Ei: man weiß nie genau, was genau Ursache ist und was Wirkung.

Jedenfalls kommt es mir nicht so vor, als würde die Regierungen Deutschlands seit Schröder insbesondere nur versuchen, dem Bürger "Halt" zu geben. Ich sehe da schon vielmehr ein ganz gezieltes, vorsätzliches Hinwirken auf eine sozialistische Gesellschaft ohne jeglichen bürgerlichen Freiraum. Oder, um es anders zu sagen: das Wechselspiel zwischen Volk und Regierung ist natürlich da. Aber ich sehe die Initiative zur Veränderung des Volkes deutlicher bei der Politik.

Teilweise... Aber natürlich sind es oft auch ganz konkrete Fälle, wie angesprochen z.B. die ganzen Kleinkinder, die verhungern, und dann fragen alle: Wieso macht das Jugendamt nichts? Oder das Gerede um Speisepläne etc. pp.
Oder anderes Beispiel, in Amerika beliebte Debatte: Waffen. Häufen sich die Morde, so werden wie in England über noch weitergehende Erwerbs- und Führverbote von Messern etc. aller Art beraten.
So ist das eben, sobald die Leute selbst nicht mehr zurechtkommen, zu blöd sind, Kinder zu erziehen, sich richtig zu ernähren, oder nix besseres zu tun haben, als das Edelstahlmesser zum Kopf absäbeln zweckzuentfremden, wird nach dem Staat geschrien, der Ge- und Verbote erlässt, wodurch die Leute noch unselbstständiger werden.

Wie man da rauskommt, hab ich bis jetzt noch nicht herausgefunden.

Misteredd
06.08.2008, 16:46
Teilweise... Aber natürlich sind es oft auch ganz konkrete Fälle, wie angesprochen z.B. die ganzen Kleinkinder, die verhungern, und dann fragen alle: Wieso macht das Jugendamt nichts? Oder das Gerede um Speisepläne etc. pp.
Oder anderes Beispiel, in Amerika beliebte Debatte: Waffen. Häufen sich die Morde, so werden wie in England über noch weitergehende Erwerbs- und Führverbote von Messern etc. aller Art beraten.
So ist das eben, sobald die Leute selbst nicht mehr zurechtkommen, zu blöd sind, Kinder zu erziehen, sich richtig zu ernähren, oder nix besseres zu tun haben, als das Edelstahlmesser zum Kopf absäbeln zweckzuentfremden, wird nach dem Staat geschrien, der Ge- und Verbote erlässt, wodurch die Leute noch unselbstständiger werden.

Wie man da rauskommt, hab ich bis jetzt noch nicht herausgefunden.

Das mit den Jugendämtern ist ein gutes Beispiel. Wo waren da die Nachbarn - oder haben die sich auch auf den Staat verlassen - bis alles zu spät war??

UK ist ein schönes Beispiel. Thatcher trat an und hatte nur eines anzubieten, die Freiheit.

Das hat damals das UK vor dem schlimmsten bewahrt - bis eben Blair kam.

Rheinlaender
06.08.2008, 16:51
Damit unterliegen diese Bereiche nun ebenfalls dem natürlichen Gesetz der Enthropie - alles strebt, sich selbst überlassen, dem Chaos entgegen.

Nun werfen wir mal nicht Physik und Gesellschaft zu schnell in einen Topf.

Es zeigt sich eher, dass wir immer hoehere und ausgereiftere Ordnungen erhalten geselleschaftlich. Waren die Gesellschaften des Mittelalters noch eher lokal organisiert und nur durch eher lose Lehnverbaende miteinander verbunden, so stellten sich im 16. Jahrhundert groessere Einheiten mit komplexeren Entscheidungsfindungen. Im Heiligen Roemischen Reich ueber die Reichsreformen und Einrichtungen wie das Reichskammergericht oder die Reichskreise, in anderen Teilen Europas ueber die Entstehenung von Nationalstaaten.

In diesem Prozess wurden Regelungen und Strukturen immer komplexer. So kam die Reichskammergerichtsordnung von 1495 noch mit rund 20 Paragraphen aus, die von 1555 hatte schon ueber 100 und alleine die Ergaenungen zur Reichskammergerichtsordung im Juengsten Reichsabschied waren rund 80 Paragraphen. Trat in England zur Zeiten Herny VII das Parlament eher informell zusammen, so bildete sich im 17. Jahrhundert eine sog. "Standing Order" aus, eine feste Geschaeftsordnung.

Wir haben in der EU ein komplexes System zur Verwaltung Europas mit mehreren Entscheiungsebenen von lokalen Beheoerden bis zu Kommission, Parlament und Gerichtshof.

Gesellschaften werden seit Jahrunderten komplexer und damit auch ihre Institutionen. Es ist ueberhaupt keine Tendenz zum Chaos hin abzusehen, sondern genau das Gegenteil.


Weil dieser Wille zur Aufrechterhaltung innerhalb der Gesellschaft aufgehört hat, zu existieren, ...

Waere dieser Wille zur Aufrechterhaltung der Gesellschaft nicht vorhanden, waeren Staedte wie London oder Berlin schon lange unbewohnbar.

Manfred_g
06.08.2008, 17:43
...

Wie man da rauskommt, hab ich bis jetzt noch nicht herausgefunden.

Ich kann es drehen uns wenden wie ich will, ich komme für mich als Lösungsansatz um eine Liberalisierung der bürgerlichen Gesellschaft nicht herum. Man kann Leistung und Initiative nämlich durchaus als eine Herausforderung sehen und viel mehr Bürger würden dies wohl auch wollen, sähen sie nur Licht am Ende des Tunnels! Nur darf eben nicht jeder Versuch des Bürgers, seine Geschicke selbst zu steuern, staatlich durch einen geradezu diktatorisch anmutenden Gesetzeswust unterlaufen werden.

Stechlin
06.08.2008, 22:09
Ich kann es drehen uns wenden wie ich will, ich komme für mich als Lösungsansatz um eine Liberalisierung der bürgerlichen Gesellschaft nicht herum. Man kann Leistung und Initiative nämlich durchaus als eine Herausforderung sehen und viel mehr Bürger würden dies wohl auch wollen, sähen sie nur Licht am Ende des Tunnels! Nur darf eben nicht jeder Versuch des Bürgers, seine Geschicke selbst zu steuern, staatlich durch einen geradezu diktatorisch anmutenden Gesetzeswust unterlaufen werden.

Interessant. Als Rezept dienst Du uns an, was zum moralischen und kulturellen Verfall überhaupt erst führte. "Macht, was ihr wollt!" Ja, das tun sie ja alle. Sie lassen ihre Kinder verhungern, verdursten oder verblöden, weil sie es können und dürfen. Die nur noch rudimentär vorhandenen Kontroll- und Regulierungsmechanismen des Staates noch weiter abbauen, und alles wird gut. Prima "Lösungsansatz". Ein Glück, daß Du kein Arzt geworden bist: Vernichte die Krankheit, in dem du den Patienten tötest. Immerhin wäre ein Ziel erreicht.

marc
06.08.2008, 23:23
Ich sehe da schon vielmehr ein ganz gezieltes, vorsätzliches Hinwirken auf eine sozialistische Gesellschaft ohne jeglichen bürgerlichen Freiraum. Oder, um es anders zu sagen: das Wechselspiel zwischen Volk und Regierung ist natürlich da. Aber ich sehe die Initiative zur Veränderung des Volkes deutlicher bei der Politik.

Die Neo-Konservativen in den USA unterschieden sich ja u.a. dadurch von einem bayrischen Christsozialen, weil sie zwar ebenfalls oder noch viel stärker einen Staat wünschen, der bestimmte gesellschaftliche, vorallem religiöse, familiäre und eben konservative Werte propagiert, fördert und einfordert, aber ökonomisch eben liberale Positionen vertreten haben.

Und diese Tendenz des Staates, sich aus der Wirtschaft zurückzuziehen, aber gesellschaftspolitisch immer mehr Einfluß auszuüben, um Einfalt zu erhalten, sehe ich im Grunde auch hier. Es ist natürlich so, dass die entscheidenden Fragen unserer Zeit auf nationalstaatlicher Ebene kaum noch geregelt werden können und vielleicht werden auch infolgedessen im Grunde skurille, überflüssige oder zweitrangige Debatten produziert: Pendlerpauschale, Rauchverbot, Frauenquoten... der Unterschied liegt halt nur in den Werten, die der Staat durchsetzen will. Diese gutmenschlichen Meinungsdiktatoren sind ja den radikalen Christen oft sehr ähnlich und grundsätzlich zielen wir wohl insgesamt in die Richtung einer "gutgemeinten Unfreiheit"

Den deutschen "Wirtschaftsstandort" würde ich im Grunde noch immer als eine "soziale Marktwirtschaft" beschreiben, also dieser berühmte "dritte Weg" wird noch immer begangen, mal driftet man in die eine Richtung ab und privatisiert ein Unternehmen - mal driftet man in die andere Richtung ab und formuliert ein Antidiskriminierungsgesetz. Vielleicht ist es auch eher ein Stolpern, ein Krüppel, an dem die starken Nationen vorbeiziehen, wobei das Problem darin besteht, dass die Hürden dieses Krüppels als eigentliche Stärke wahrgenommen werden. Aber vielleicht sind sie das ja auch tatsächlich, weil es nicht oder weniger "Nationen" sind, die aneinander vorbeiziehen, sondern bestimmte Klassen und bestimmte Gruppen - es ist ja auch im Grunde müßig darüber zu diskutieren, ob "die USA" immer weniger Macht haben, weil es ganz allgemein auf nationalstaatlicher Ebene eine Form des Machtverlusts gegeben hat und Politiker oft nicht eingestehen können, dass sich diese Idee des Nationalstaates im Grunde überholt hat.

Die NPD sagt: "Sozial geht nur national." - Aber das ist so Falsch wie nie zuvor. Man könnte diese Idee des Nationalstaates vielleicht reanimieren, wenn man eine neue Form des Konservatismus probiert, also Nietzsche sagt: Der Mann werde zum Krieger ausgebildet, das Weib zur Pflege des Kriegers. Der Krieger müsste heute Wirtschaftskrieger sein, aber das sind jetzt so exzentrische Gespinste, das könntest du wohl kaum durchsetzen und ob es gesellschaftlich gewollt ist, ist dann ja ebenfalls die Frage.




Wie, denkt ihr, kann man aus dieser Abwärtsspirale entkommen, wenn sie einmal eingeleitet wurde?

Aus der Spirale, die du beschreibst, gebe es vermutlich gar kein Entkommen, aber die Frage ist halt, wie treffend das Bild dieser Spirale ist. Die Nationalstaaten haben, denke ich, kaum noch Macht und in den Bereichen, in denen sie noch Macht haben, vergurken sie es oft. Wir sehen vielleicht eher, dass Probleme auf einer übers-staatlichen Ebene oder einer transnationalen Ebene, was Theorien anbelangt, produziert werden, und der einzelne Nationalstaat kann dann nur noch versuchen, die negative Begleiterscheinungen zu kompensieren, indem er Trostpflästerchen verteilt.

Aber das sind alles so Sachen, wo ich mit mir selbst oft nicht einer Meinung bin und in paar Wochen könnte ich vielleicht das Gegenteil von dem Schreiben, was ich gerade gesagt habe. :(

Edit: Nachtrag zum Thema "gutgemeinte Unfreiheit" und der Produktion von zweitrangigen Debatten:


20 Gramm Vollmilchschokolade und in jedem siebten Ei steckt eine besondere Überraschung aus Plastik: Schlümpfe, Turtles oder Simpsons. Den Schoko-Spiel-Klassiker aus dem Hause Ferrero gibt es schon seit 1974, doch nun droht ihm plötzlich das politische Aus.

Die Parlamentarier der Kinderkommission des Deutschen Bundestages haben in einer Empfehlung über „Sicherheits- und Gesundheitsrisiken für Kinder im Alltag“ die Kombination aus Nahrungsmitteln mit Spielzeug auf den Index gesetzt.
http://www.welt.de/wirtschaft/arti2294712/Wird_bald_das_Ueberraschungsei_verboten.html

Manfred_g
07.08.2008, 01:04
...
Und diese Tendenz des Staates, sich aus der Wirtschaft zurückzuziehen, aber gesellschaftspolitisch immer mehr Einfluß auszuüben, um Einfalt zu erhalten, sehe ich im Grunde auch hier. Es ist natürlich so, dass die entscheidenden Fragen unserer Zeit auf nationalstaatlicher Ebene kaum noch geregelt werden können und vielleicht werden auch infolgedessen im Grunde skurille, überflüssige oder zweitrangige Debatten produziert: Pendlerpauschale, Rauchverbot, Frauenquoten... der Unterschied liegt halt nur in den Werten, die der Staat durchsetzen will. Diese gutmenschlichen Meinungsdiktatoren sind ja den radikalen Christen oft sehr ähnlich und grundsätzlich zielen wir wohl insgesamt in die Richtung einer "gutgemeinten Unfreiheit"

Im wesentlichen dazu meine Zustimmung, aber glaubst du wirklich daran, daß diese Unfreiheit gut gemeint ist? Ich kann das nur noch schwerlich glauben. Für mich ist es eine ganz bewußte Hinführung zu einer unfreien Gesellschaft nach sozialistischem Vorbild. Daß der ein oder andere Abgeordnete wirklich meint, seine Erziehung komme dem Volk zu Gute, kann schon sein. Den Tenor sehe ich jedoch von Vorsatz bestimmt.



Den deutschen "Wirtschaftsstandort" würde ich im Grunde noch immer als eine "soziale Marktwirtschaft" beschreiben, also dieser berühmte "dritte Weg" wird noch immer begangen, mal driftet man in die eine Richtung ab und privatisiert ein Unternehmen - mal driftet man in die andere Richtung ab und formuliert ein Antidiskriminierungsgesetz.

Ich sehe das derzeit auch immer noch als "soziale Marktwirtschaft". Das ist allerdings auch ein sehr breiter bereich. Von "Planwirtschaft" kann man jedoch beim besten Willen (noch) nicht sprechen.
In jedem Fall ist sie aber hoffnungslos überreguliert - auch in Bereichen, die das Sozialwesen so wie nicht betreffen.



Vielleicht ist es auch eher ein Stolpern, ein Krüppel, an dem die starken Nationen vorbeiziehen, wobei das Problem darin besteht, dass die Hürden dieses Krüppels als eigentliche Stärke wahrgenommen werden. Aber vielleicht sind sie das ja auch tatsächlich, weil es nicht oder weniger "Nationen" sind, die aneinander vorbeiziehen, sondern bestimmte Klassen und bestimmte Gruppen - es ist ja auch im Grunde müßig darüber zu diskutieren, ob "die USA" immer weniger Macht haben, weil es ganz allgemein auf nationalstaatlicher Ebene eine Form des Machtverlusts gegeben hat und Politiker oft nicht eingestehen können, dass sich diese Idee des Nationalstaates im Grunde überholt hat.

Ich weiß nicht genau woruf du da hinaus willst, jedoch halte ich es nicht zwingend für erforderlich, mit den USA auf Biegen und Brechen in Sachen "Macht" gleichziehen zu wollen. Auch nicht für Europa als Gesamtheit. Zu unterschiedlich ist die Geschichte. Das Potential eines außenpolitisch und militärisch einigen (besser : vereinigten) Europas wäre automatsich so groß, daß wir mit den USA fast auf gleicher Augenhöhe wären. Ob wir dann noch tausende von Atomwaffen brauchen, lasse ich mal offen.
Im Moment ist es jedoch so, daß viel Potential einfach im zwischenstaatlichen Geplänkel verbraucht wird. "Reibungsverluste" der Nationalstaaterei quasi.



Die NPD sagt: "Sozial geht nur national." - Aber das ist so Falsch wie nie zuvor. Man könnte diese Idee des Nationalstaates vielleicht reanimieren, wenn man eine neue Form des Konservatismus probiert, also Nietzsche sagt: Der Mann werde zum Krieger ausgebildet, das Weib zur Pflege des Kriegers. Der Krieger müsste heute Wirtschaftskrieger sein, aber das sind jetzt so exzentrische Gespinste, das könntest du wohl kaum durchsetzen und ob es gesellschaftlich gewollt ist, ist dann ja ebenfalls die Frage.


Auch hier Zustimmung. Mit der NPD habe ich nichts am Hut, auch wenn ich durchaus glaube, daß wir unsere nationalen Interessen deutlich stärker in den Vordergrund rücken müßten. Das bedeutet für mich aber Stopp der Überfremdung durch zuwanderungsbegrenzung, behutsam die Entwicklung eines konstruktiven Patriotismus fördern. Eigene Kultur wieder in den Vordergrund stellen und sich dazu bekennen! Alles nicht so leicht, aber dennoch sind dies meine groben Vorstellungen.
Begreifen, daß Liberalismus sehr wohl auf das eigene Bürgertum konzentriert werden kann, und nicht automatisch bedeuten muß, daß jeder afrikanische Drogenhändler hier Narrenfreiheit zu bekommen hat.

marc
07.08.2008, 04:17
Im wesentlichen dazu meine Zustimmung, aber glaubst du wirklich daran, daß diese Unfreiheit gut gemeint ist? Ich kann das nur noch schwerlich glauben.

Ich glaube das nicht nur, ich befürchte sogar, dass dieser (in Deutschland grüne, linke) Tugendterror wirklich "gut gemeint" ist, wie die Themen Rauchverbot, Übergewicht, Antidiskriminierung und co. zeigen. Das ist auch einfach diese "gutgemeinte" Arroganz von Leuten, die besser zu wissen glauben, was gut für sie ist, als die Menschen selbst - und natürlich, klar: Mit dem Rauchen aufzuhören ist ja natürlich auch besser, als mit dem Rauchen anzufangen, aber die freie Wahl darüber, ob in einer privaten Kneipe geraucht werden darf oder nicht, wäre noch viel, viel besser!

P. J. O'Rourke hat das mal pointiert zusammengefasst: "Anyone who thinks he has a better idea of what's good for people than people do is a swine." :D




Ich weiß nicht genau woruf du da hinaus willst, jedoch halte ich es nicht zwingend für erforderlich, mit den USA auf Biegen und Brechen in Sachen "Macht" gleichziehen zu wollen.


Ich meinte nur, dass es z.B. seit den 70er Jahren die American Decline Debate gibt, Untergang der USA, Machtverlust der USA und bla. und man könnte mit ganz guten Gründen erwidern, dass nicht einzelne Nationalstaaten im Ggs. zu anderne Nationalstaaten an Macht verloren haben, sondern dass e ganz allgemeine einen Machtverlust auf Seiten der nationalstaatlichen Ebene gegeben hat und eine Machtverschiebung hin zu transnationalen Unternehmen und die spannendere Frage wäre halt, die man damit umgehen sollte. Man könnte versuchen, Nationalstaaten gemeinsam gegen Wirtschaftseinheiten in Stellung zu bringen, oder man könnte, was wohl viel viel sinnvoller wäre, einen internationalen Liberalismus forcieren, wobei mein persönliches Problem nicht "der Kapitalismus" wäre, sondern die Ausweitung kapitalistischer Spielregeln auf alle anderen Bereiche des Lebens.




Auch hier Zustimmung. Mit der NPD habe ich nichts am Hut, auch wenn ich durchaus glaube, daß wir unsere nationalen Interessen deutlich stärker in den Vordergrund rücken müßten. Das bedeutet für mich aber Stopp der Überfremdung durch zuwanderungsbegrenzung, behutsam die Entwicklung eines konstruktiven Patriotismus fördern. Eigene Kultur wieder in den Vordergrund stellen und sich dazu bekennen! Alles nicht so leicht, aber dennoch sind dies meine groben Vorstellungen.
Begreifen, daß Liberalismus sehr wohl auf das eigene Bürgertum konzentriert werden kann, und nicht automatisch bedeuten muß, daß jeder afrikanische Drogenhändler hier Narrenfreiheit zu bekommen hat.

Sehe ich genauso. Einwanderung sollte ökonomisch selektiert werden und angesichts der Tatsache, dass ein wichtiger Stützpfeiler, auch was Geburtenraten z.B. anbelangt, in konservativen Familien besteht, sollte man die eigenen konservativen Familien stärken, anstatt diese zu schwächen, um muslimische Konservative im eigenen Land zu befördern.

Die ganze Idee des Multikulturalismus, wie sie Charles Taylor, dessen Übervater propagiert hat, funktioniert einfach nicht in einem masochistischen Deutschland. Laut Taylor und laut jedem Befürworter der Multi-Kulti-Idee ist der fruchtbare Boden einer solchen Gesellschaft eine gemeinsame Werteebene, aber diese Idee funktioniert einfach nur, wenn du einen kastrierten Begriff von "Kultur" hast, der mit der Ebene der "Werte" nichts zu tun hat. Aber wenn nur die eine Seite einen kastrierten Kulturbegriff hat, in dem keine Werte enthalten sind, aber in der Kultur der Migranten ganz klare und freiheitsfeindliche Werte enthalten sind, dann ist das Resultat eben Kreuzberg.

Beverly
07.08.2008, 06:48
(...)Damit haben wir aber einen sich selbst verstärkenden Prozess: Menschen verlieren Selbstverantwortlichkeit, Staat springt ein, Menschen verlieren noch mehr Selbstverantwortlichkeit...(...)

Wenn dem so ist und der Staat als abgehobener, bürokratischer Apparat da nur Krücke sein kann, müssten wir die bürgerlich-liberal-kapitalistische Gesellschaft mehr oder weniger exterminieren.

Denn sie schafft jene Strukturen der Vereinzelung und der Konkurrenz "am Markt", in der die Menschen nicht mehr selbstverantwortlich leben können. Der Sozialstaat, über den hier so viele immer zetern, ist ein notwendiges Beiwerk dieses Systems. Wenn die Familie nicht mehr funktioniert - was sie auch früher oft nicht getan hat - und kleinteilige Strukturen und Initiativen systematisch untergraben und zersetzt werden, braucht es halt das Jugendamt als Über-Familie.
Wer von den da geschaffenen und geforderten Individuen plötzlich "Selbstverantwortlichkeit" verlangt, sollte sie gleich vergasen - weil da das Sterben schneller geht X( ! Ein Individuum, ein menschliches Einzelwesen kann nie selbstverantwortlich agieren, es braucht immer die Gruppe. Sei es eine Kleingruppe, sei es der Staat als "Großgruppe". Wer ihm zuerst die Kleingruppe nimmt und ihm dann sagt, er solle auch ohne des Staat auskommen, ist ein Narr oder ein Heuchler. Oder ein mieser Faschist, der von Gemeinschaft faselt und zugleich alle Formen der Gemeinschaftlichkeit systematisch zerstört.

-SG-
08.08.2008, 07:56
Aus der Spirale, die du beschreibst, gebe es vermutlich gar kein Entkommen, aber die Frage ist halt, wie treffend das Bild dieser Spirale ist. Die Nationalstaaten haben, denke ich, kaum noch Macht und in den Bereichen, in denen sie noch Macht haben, vergurken sie es oft. Wir sehen vielleicht eher, dass Probleme auf einer übers-staatlichen Ebene oder einer transnationalen Ebene, was Theorien anbelangt, produziert werden, und der einzelne Nationalstaat kann dann nur noch versuchen, die negative Begleiterscheinungen zu kompensieren, indem er Trostpflästerchen verteilt.

Der Natinalstaat könnte sehr wohl "noch Macht" haben, er will es nur in unserem Falle nicht. Er wird auch noch auf lange Sicht der wichtigste Faktor internationaler Politik sein, da er das einzige demokratisch legitimierte und nach innen durchsetzungsfähige Gebilde, was auf seiner relativen kulturellen Homogenität beruht. (Ich weiß, einige Nationalstaaten verlieren diese Homogenität im Moment mehr und mehr, aber wir wissen ja, was mit heterogenen Nationalstaaten i.d.R. passiert (Sowietunion, Jugoslawien...).

Übrigens, was ich im Eingangsbeitrag wohl nicht hinreichend erwähnt habe, ist die Schule. Von der wird heutzutage zunehmend verlangt, dass sie den Kindern über Wissen hinaus auch Sitten und Umgangsformen vermittelt. Sogar das Sprechen muss sie den Kindern beibringen, es werden daher Sprachkurse für Vorschulen gefordert. Das ist doch der beste Beleg für meine These. Irgendwann werden die Kinder gleich nach der Geburt in eine Vorschule verfrachtet, wo sie leben lernen, weil die Eltern zu blöd für alles sind.

-SG-
08.08.2008, 08:07
Nun werfen wir mal nicht Physik und Gesellschaft zu schnell in einen Topf.

Es zeigt sich eher, dass wir immer hoehere und ausgereiftere Ordnungen erhalten geselleschaftlich.

Ja, wir haben was die gesellschaftliche Ordnung angeht, Wissen/Organisationen/Prozedere akkumuliert. Das heißt aber gar nichts. Zum einen ist es so, dass heute schon kaum einer mehr durchblickt, was z.B. Europarecht und nationales Recht anbelangt. Zum anderen haben unzählige hochkomplexe Gesellschaftsordnungen in der Geschichte weniger komplexen Platz gemacht, von Ägyptern und Babyloniern bis Griechen und Römer, aktuell z.B. die Kolonialreiche.

Außerdem geht das etwas am Thema vorbei. Eingangsthese war ja, dass in Zeiten des heutigen kulturellen Niedergangs gerade das verfällt, wo der Staat NICHT aktiv eingreift. Kodifiziertes Recht ist ja wohl die elaborierteste Form staatlichen Eingriffs. Und dieses kodifizierte Recht wuchert auch deshalb immer mehr aus, weil es abseits der staatlichen Regulierung keinen Wertekonsens, keine tradierten Verhaltensweisen mehr gibt, die für sich alleine bestehen könnten.
Habermas nannte das "Kolonisierung der Lebenswelt" durch das System. Er vergaß dabei, dass das "System" nicht aus reiner Willkür in z.B. die Familie eingreift und hier mit Regulierungen wütet, sondern dass aufgrund der Tatsache, dass kein Konsens mehr darüber besteht, wie etwa eine Ehe auszusehen hat, der Staat das verrechtlichen muss, Zwangsalimente einführt, Sorgerechte und anderes im Gerichtssaal erteilt usw.

Rheinlaender
08.08.2008, 08:41
Ja, wir haben was die gesellschaftliche Ordnung angeht, Wissen/Organisationen/Prozedere akkumuliert. Das heißt aber gar nichts. Zum einen ist es so, dass heute schon kaum einer mehr durchblickt, was z.B. Europarecht und nationales Recht anbelangt.

Meinst um 1600 haette mehr als eine verschwindende Minderheit durchgeblickt, in welchen Faellen man einen Prozess als Appellationssache oder auch in erster Instanz an das Reichkammergericht vorbringen konnte und in welchen Faellen an den Reichshofrat (oder ob ueberhaupt) oder welcher verfahrenstechnische Trick angewendet werden musste, um ein Strafurteil eines kurfuerstlichen Gerichts beim Reichskammergericht ueberpruefen zu lassen (sog. "proter nullitatem ad camera")? Wann ein verfassungsrechtlicher Streit in einer Reichstadt vor Reichshofrat und wann vor dem Reichskammergericht verhandelt werden musste? Oder warum ein "Processus Banni" (hiess tatsaechlich so) ein "buergerlicher" Prozess, obwohl die Klage "ex constitutione" als "peinliche Klage" stattfand? In oder welchen Faellen die Carolina anzuwenden war und wann das lokale Recht? Allein die Frage, welche Strafrechtsfaelle in dem Kuhkaff in dem ich aufwuchs vor dem Gericht des Abs oder des Kurfuersten von Trier in erster Instanz behandelt werden mussten fuellten 20 Seiten - und im naechsten Kuhkaff sah das schon wieder ganz anders aus.

Unuebersichtlichkeit des Rechtssystems ist wirklich keine neue Erfindung - und gerade im Heiligen Roemischen Reich haben hier Deutsche wirklich Erstaunliches geleistet.


Zum anderen haben unzählige hochkomplexe Gesellschaftsordnungen in der Geschichte weniger komplexen Platz gemacht, von Ägyptern und Babyloniern bis Griechen und Römer, aktuell z.B. die Kolonialreiche.

Solche "Rueckschritte" finden statt, aber generell leben wir heute in wohl der komplexesten (und firedlichsten) Gesellschaftordnung, die wir jemals hatten.


Außerdem geht das etwas am Thema vorbei. Eingangsthese war ja, dass in Zeiten des heutigen kulturellen Niedergangs gerade das verfällt, wo der Staat NICHT aktiv eingreift.

Weil es auch nicht seine Aufgabe ist.


Kodifiziertes Recht ist ja wohl die elaborierteste Form staatlichen Eingriffs. Und dieses kodifizierte Recht wuchert auch deshalb immer mehr aus, weil es abseits der staatlichen Regulierung keinen Wertekonsens, keine tradierten Verhaltensweisen mehr gibt, die für sich alleine bestehen könnten.

Das Kind heisst Freiheit!


Habermas nannte das "Kolonisierung der Lebenswelt" durch das System. Er vergaß dabei, dass das "System" nicht aus reiner Willkür in z.B. die Familie eingreift und hier mit Regulierungen wütet, sondern dass aufgrund der Tatsache, dass kein Konsens mehr darüber besteht, wie etwa eine Ehe auszusehen hat, der Staat das verrechtlichen muss, Zwangsalimente einführt, Sorgerechte und anderes im Gerichtssaal erteilt usw.

Es ist nur Aufgabe des Staates soetwas festzustellen und entsprechend Regeln neu zu fassen, dass sie der gesellschaftlichen Realitaet entsprechen. Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, hier den Leuten vorzuschreiben (oder auch nur zum promovieren) wie Menschen zu leben haben.

Das hat sehr viel mit dem Respekt von den Lebensentscheidungen des einzeln zu tun. Jeder hat nur ein Leben und das soll moeglichst so leben, wie es ihm gefaellt und nicht wie irgentwelche Leute, mit noch guten Absichten, meinen dass er es leben sollte.

-SG-
08.08.2008, 11:02
Weil es auch nicht seine Aufgabe ist.

Ja aber genau darum geht es doch hier! Es ist sicher nicht seine Aufgabe, der Ansicht bin ich auch. Aber er sieht sich gezwungen, sein Aufgabengebiet auf Bereiche auszuweiten, wo die Gesellschaft versagt - Beispiel Schulen und "Erziehungsauftrag", Beispiel Waffenrecht, Beispiel Jugendämter und verwahrloste Kinder - ICH bin wie Du der Meinung dass es den Staat einen Dreck anzugehen hat, wie ich mein Kind erziehe etc. Aber wenn immer mehr Kinder in Bruchbuden verhungert oder im Gefrierschrank aufgefunden werden, wenn Kinder eingeschult werden, die nicht auf 3 zählen können und kaum deutsch sprechen - dann sieht er sich im Interesse des öffentlichen Friedens gezwungen, einzugreifen. Indem er eingreift, entmündigt er die Bürger weiter, und sie verlieren weiter an Eigeninitiative und Selbstverantwortlichkeit.

Meine Frage war jetzt, wie man da wieder raus kommt. Du hast bisher jedoch nur darauf insistiert, es wäre nicht Aufgabe des Staates. Erkennst Du das Problem nicht?


Es ist nur Aufgabe des Staates soetwas festzustellen und entsprechend Regeln neu zu fassen, dass sie der gesellschaftlichen Realitaet entsprechen. Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, hier den Leuten vorzuschreiben (oder auch nur zum promovieren) wie Menschen zu leben haben.

Das hat sehr viel mit dem Respekt von den Lebensentscheidungen des einzeln zu tun. Jeder hat nur ein Leben und das soll moeglichst so leben, wie es ihm gefaellt und nicht wie irgentwelche Leute, mit noch guten Absichten, meinen dass er es leben sollte.
Wenn er die "Regeln" der "gesellschaftlichen Realität" anpassen soll, dann müsste er in diesen Fällen wohl das Entsorgen verhungerter Neugeborener im Hausmüll legalisieren, oder das gegenseitige Abstechen weil der eine das "Revier" (Viertel) des anderen unerlaubt betrat, Halbsprachlichkeit und Analphabetismus als "Lebensentscheidung der Einzelnen" respektieren?

kotzfisch
08.08.2008, 12:42
Nicht nur, dass es besonders peinlich ist, wenn man großsprecherisch Worte in den Mund nimmt, die ganz klar erkennbar nicht zum Alltagsgebrauch von einem selbst gehören (hier die Entropie),die man dann auch noch falsch schreibt und in einem gesellschaftspolitischen Kontext höchst spekulativ verwendet.

Eine Wortvergewaltigung sozusagen.Entropie ist ausschließlich ein physikalischer Begriff.Die Diskussion ergo sinnlos.Nichts für ungut!

-SG-
08.08.2008, 13:40
Nicht nur, das es besonders peinlich ist, wenn man großsprecherisch Worte in den Mund nimmt, die ganz klar erkennbar nicht zum Alltagsgebrauch von einem selbst gehören (hier die Entropie),die man dann auch noch falsch schreibt und in einem
gesellschaftspolitischen Kontext höchst spekulativ verwendet.


Woher willst Du denn das wissen? Ich verwende das dauernd im Alltag, z.B. wenn ich über die Dynamik des verquirlten Eis in meiner Brotsuppe sinniere.
Und über die Orthographie eines andern sollte man sich vielleicht bloß beschweren, wenn man das von dass unterscheiden kann.



Eine Wortvergewaltigung sozusagen.Entropie ist ausschließlich ein physikalischer Begriff.Die Diskussion ergo sinnlos.
Unsinniges Argument, es sind doch viele gesellschaftstheoretische Begriffe aus Religion, Ökonomie, Physik, Technik oder sonstwo entlehnt.
Ich habe ja genügend Beispiele genannt, die dies veranschaulichen. Wenn Du den Begriff/ die These für unangebracht hältst, dann widerlege die oder bring Gegenbeispiele. Etymologische Belehrungen helfen hier nichts.

houndstooth
08.08.2008, 14:04
Nicht nur, das es besonders peinlich ist, wenn man großsprecherisch Worte in den Mund nimmt, die ganz klar erkennbar nicht zum Alltagsgebrauch von einem selbst gehören (hier die Entropie),die man dann auch noch falsch schreibt und in einem
Nu mal etwas Luft geschoepft. :))

gesellschaftspolitischen Kontext höchst spekulativ verwendet.
Dass Begriffe eines Wissensgebiets (proprietary term) von einem anderen Wissensgebiet adoptiert werden , ist nichts Neues.
Um ein Beispiel zu nennen: als Lise Meitner erkannte ,dass George Gamovs Troepfchenmodell eines Atoms ,wie von Gomov verhergesagt ,durch Otto Hahn geteilt wurde , diskutierte sie das Phaenomen mit ihrem Neffen. Dieser ueberhoerte auf der Universitaet per Zufall wie Biologen von Zellspaltung sprachen und diesen Vorgang 'Fission' nannten.
Diesen Begriff adoptierten Lise Meitner und ihr Neffe Otto Frisch fuer die Spaltung des Atoms - ergo atomare Fission.


Eine Wortvergewaltigung sozusagen.Entropie ist ausschließlich ein physikalischer Begriff.Die Diskussion ergo sinnlos.

Nein, kann man nicht sagen. Die Eigenschaft die das Naturphaenomen aus der Thermodynamic kennzeichnet , laesst sich wie oben , auch hier auf andere Wissensgebiete uebertragen.

So spricht man heute z.B. von 'entropy of communication' (information theory) was eigentlich selbsterklaerend ist ( z.B. u.A. disorder - disintegration between initial input and final output) .

Gesinnungsflexibilitaet ist immer zu begruessen.

kotzfisch
08.08.2008, 15:27
Ok-was gelernt!Ich halte mich hier besser raus,Jungs!