Schwarzer Rabe
13.12.2004, 14:28
Sanitäter bezweifeln Kellys Freitod
Doch kein Selbstmord?
Hat sich der britische Waffenexperte David Kelly vor eineinhalb Jahren wirklich selbst umgebracht? Bisher hat in der Öffentlichkeit kaum jemand gezweifelt. Jetzt aber äußern die Rettungskräfte, die den Toten damals fanden, ernsthafte Zweifel. "Ich denke, dass es unglaublich unwahrscheinlich ist, dass er wegen seiner Wunde am Handgelenk starb", sagte Vanessa Hunt dem "Observer" am Sonntag.
Zu wenig Blut verspritzt?
"Es gab einfach nicht viel Blut. Wenn sich jemand eine Arterie durchschneidet, ob zufällig oder beabsichtigt, spritzt das Blut überall hin." Hunt gehörte zusammen mit ihrem Kollegen Dave Bartlett zu den ersten Rettungskräften, die Kelly im Juli mit aufgeschnittener Pulsader entdeckten. Auch Bartlett äußerte Zweifel an der Selbstmord-These: "Wenn ich ein Familienmitglied gewesen wäre, dann hätte ich sie niemals akzeptiert."
Neue Untersuchung gefordert
Mehrere Mediziner, die einen Freitod Kellys ebenfalls bezweifeln und sich in der so genannten Kelly-Ermittlungsgruppe zusammengeschlossen haben, forderten weitere Ermittlungen. "Eine vollständig aufgeschnittene Arterie verschließt sich schnell wieder von selbst - es ist einfach nicht möglich, durch den Verlust von einem Pint (etwa 0,57 Liter) Blut zu sterben", teilten die Experten mit. Der zuständige Untersuchungsrichter sieht hingegen nach BBC-Informationen keinen Anlass, den Fall erneut aufzurollen.
Tod nach Enttarnung
Kelly war Mitte vergangenen Jahres vom Verteidigungsministerium als Hauptinformant für einen Bericht des BBC-Reporters Andrew Gilligan enttarnt worden. Gilligan hatte sich auf einen ranghohen Vertreter der britischen Regierung berufen und berichtet, London habe Geheimdienstinformationen zum irakischen Waffenarsenal aufgebauscht. Kellys Leiche wurde im Juli 2003 nahe seinem Haus in der Grafschaft Oxford tot entdeckt. Eine offizielle Untersuchungskommission kam im Januar 2004 zu dem Schluss, dass er sich selbst umgebracht habe.
http://onnachrichten.t-online.de/c/29/98/11/2998114.html
Chronik:
Die Kelly-Affäre
David Kelly (Foto: Reuters)
Die Affäre um den britischen Biowaffenexperten und Regierungsberater David Kelly hat ihren Ursprung am 24. September 2002. Damals sagte der britische Premierminister Tony Blair, der Irak könne binnen 45 Minuten Massenvernichtungswaffen einsetzen. Als sich Kelly am 22. Mai mit Andrew Gilligan traf, einem Reporter des britischen Senders BBC, nahm die Affäre ihren Lauf:
29. Mai: Unter Berufung auf gut informierte Kreise berichtet Gilligan im Radio, die Regierung habe in ihrem Irak-Dossier die Gefährlichkeit des Landes gegen den Willen der Geheimdienste bewusst aufgebauscht ("sexed up"). Die 45-Minuten-Aussage steht dabei im Mittelpunkt.
1. Juni: Gilligan macht in der Zeitung "Mail on Sunday" Blairs Kommunikationschef Alistair Campbell für die umstrittene Passage verantwortlich. Campbell weist die Vorwürfe Ende Juni vor einem Irak-Untersuchungsausschuss des Unterhauses zurück.
7. Juli: Der Ausschuss entlastet in seinem Abschlussbericht die Regierung vom Vorwurf der Täuschung, bezeichnet die 45-Minuten-Aussage aber als überbetont.
9. Juli: Das Verteidigungsministerium nennt Kelly inoffiziell als mögliche Quelle des BBC-Berichts.
15. Juli: Kelly wird vom Auswärtigen Ausschuss des Parlaments teils rüde verhört. Er räumt ein, Gilligan getroffen zu haben, bestreitet aber, alleinige Quelle des BBC-Berichts gewesen zu sein.
18. Juli: Kelly wird mit einer aufgeschnittenen Pulsader tot in einem Waldstück aufgefunden.
20. Juli: Blair weist Rücktrittsforderungen zurück. Auch Verteidigungsminister Geoff Hoon gerät unter Druck, weil sein Ministerium den Namen Kellys in die Öffentlichkeit lancierte. Die BBC nennt Kelly als Quelle ihres Berichtes und gerät damit selbst ins Kreuzfeuer der Kritik.
23. Juli: Ein Tonbandmitschnitt eines weiteren BBC-Interviews mit Kelly wird bekannt. Darin hatte der Experte Anfang Juni von der "Besessenheit" der Blair-Regierung in der Irak-Frage gesprochen.
1. August: Der kurz nach dem Tod Kellys von der Regierung eingesetzte Lordrichter Brian Hutton nimmt seine Untersuchungen auf, um die Todesumstände des Experten aufzuklären.
28. Januar 2004: Der Hutton-Untersuchungsbericht wird veröffentlicht. Er entlastet die britische Regierung und erhebt schwere Vorwürfe gegen BBC wegen unseriöser Berichterstattung. Der BBC-Vorstandsvorsitzenden Gavyn Davies erklärt als Konsequenz seinen Rücktritt.
http://onnachrichten.t-online.de/c/06/81/04/681042.html
Was sagt ihr dazu?
Doch kein Selbstmord?
Hat sich der britische Waffenexperte David Kelly vor eineinhalb Jahren wirklich selbst umgebracht? Bisher hat in der Öffentlichkeit kaum jemand gezweifelt. Jetzt aber äußern die Rettungskräfte, die den Toten damals fanden, ernsthafte Zweifel. "Ich denke, dass es unglaublich unwahrscheinlich ist, dass er wegen seiner Wunde am Handgelenk starb", sagte Vanessa Hunt dem "Observer" am Sonntag.
Zu wenig Blut verspritzt?
"Es gab einfach nicht viel Blut. Wenn sich jemand eine Arterie durchschneidet, ob zufällig oder beabsichtigt, spritzt das Blut überall hin." Hunt gehörte zusammen mit ihrem Kollegen Dave Bartlett zu den ersten Rettungskräften, die Kelly im Juli mit aufgeschnittener Pulsader entdeckten. Auch Bartlett äußerte Zweifel an der Selbstmord-These: "Wenn ich ein Familienmitglied gewesen wäre, dann hätte ich sie niemals akzeptiert."
Neue Untersuchung gefordert
Mehrere Mediziner, die einen Freitod Kellys ebenfalls bezweifeln und sich in der so genannten Kelly-Ermittlungsgruppe zusammengeschlossen haben, forderten weitere Ermittlungen. "Eine vollständig aufgeschnittene Arterie verschließt sich schnell wieder von selbst - es ist einfach nicht möglich, durch den Verlust von einem Pint (etwa 0,57 Liter) Blut zu sterben", teilten die Experten mit. Der zuständige Untersuchungsrichter sieht hingegen nach BBC-Informationen keinen Anlass, den Fall erneut aufzurollen.
Tod nach Enttarnung
Kelly war Mitte vergangenen Jahres vom Verteidigungsministerium als Hauptinformant für einen Bericht des BBC-Reporters Andrew Gilligan enttarnt worden. Gilligan hatte sich auf einen ranghohen Vertreter der britischen Regierung berufen und berichtet, London habe Geheimdienstinformationen zum irakischen Waffenarsenal aufgebauscht. Kellys Leiche wurde im Juli 2003 nahe seinem Haus in der Grafschaft Oxford tot entdeckt. Eine offizielle Untersuchungskommission kam im Januar 2004 zu dem Schluss, dass er sich selbst umgebracht habe.
http://onnachrichten.t-online.de/c/29/98/11/2998114.html
Chronik:
Die Kelly-Affäre
David Kelly (Foto: Reuters)
Die Affäre um den britischen Biowaffenexperten und Regierungsberater David Kelly hat ihren Ursprung am 24. September 2002. Damals sagte der britische Premierminister Tony Blair, der Irak könne binnen 45 Minuten Massenvernichtungswaffen einsetzen. Als sich Kelly am 22. Mai mit Andrew Gilligan traf, einem Reporter des britischen Senders BBC, nahm die Affäre ihren Lauf:
29. Mai: Unter Berufung auf gut informierte Kreise berichtet Gilligan im Radio, die Regierung habe in ihrem Irak-Dossier die Gefährlichkeit des Landes gegen den Willen der Geheimdienste bewusst aufgebauscht ("sexed up"). Die 45-Minuten-Aussage steht dabei im Mittelpunkt.
1. Juni: Gilligan macht in der Zeitung "Mail on Sunday" Blairs Kommunikationschef Alistair Campbell für die umstrittene Passage verantwortlich. Campbell weist die Vorwürfe Ende Juni vor einem Irak-Untersuchungsausschuss des Unterhauses zurück.
7. Juli: Der Ausschuss entlastet in seinem Abschlussbericht die Regierung vom Vorwurf der Täuschung, bezeichnet die 45-Minuten-Aussage aber als überbetont.
9. Juli: Das Verteidigungsministerium nennt Kelly inoffiziell als mögliche Quelle des BBC-Berichts.
15. Juli: Kelly wird vom Auswärtigen Ausschuss des Parlaments teils rüde verhört. Er räumt ein, Gilligan getroffen zu haben, bestreitet aber, alleinige Quelle des BBC-Berichts gewesen zu sein.
18. Juli: Kelly wird mit einer aufgeschnittenen Pulsader tot in einem Waldstück aufgefunden.
20. Juli: Blair weist Rücktrittsforderungen zurück. Auch Verteidigungsminister Geoff Hoon gerät unter Druck, weil sein Ministerium den Namen Kellys in die Öffentlichkeit lancierte. Die BBC nennt Kelly als Quelle ihres Berichtes und gerät damit selbst ins Kreuzfeuer der Kritik.
23. Juli: Ein Tonbandmitschnitt eines weiteren BBC-Interviews mit Kelly wird bekannt. Darin hatte der Experte Anfang Juni von der "Besessenheit" der Blair-Regierung in der Irak-Frage gesprochen.
1. August: Der kurz nach dem Tod Kellys von der Regierung eingesetzte Lordrichter Brian Hutton nimmt seine Untersuchungen auf, um die Todesumstände des Experten aufzuklären.
28. Januar 2004: Der Hutton-Untersuchungsbericht wird veröffentlicht. Er entlastet die britische Regierung und erhebt schwere Vorwürfe gegen BBC wegen unseriöser Berichterstattung. Der BBC-Vorstandsvorsitzenden Gavyn Davies erklärt als Konsequenz seinen Rücktritt.
http://onnachrichten.t-online.de/c/06/81/04/681042.html
Was sagt ihr dazu?