PDA

Vollständige Version anzeigen : "Die rosa Brille ist mir kaputt gegangen!" - der Strang für Ex-Liberale!



Beverly
20.07.2008, 13:31
Hier geht es darum, ob nicht schon heimlich, still und leise oder auch offen und laut viele Menschen dem heute in der einen oder anderen Form die ganze Welt beherrschenden und alle Lebensbereiche durchdringenden Liberalismus den Rücken gekehrt haben.

Gerade, wenn eine Ideologie so total siegt, wenn selbs im ehemals knallroten China der wirtschaftliche Liberalismus gesiegt hat, fängt gewöhnlich ihr Niedergang an. Opportunisten und Gschaftlhuber hängen sich das Mäntelchen der siegreichen Ideologie an und nicht selten werden diejenigen, die in schwierigen Zeiten für die Ideologie eingestanden haben, von den oppotunistischen Neuzugängen rausgemobbt. Wer ist denn con den "Bürgerrechts-Liberalen" der 1970er und 80er noch in der FDP?

Mit dem Sieg einer Ideologie kommt zudem nicht selten die Besoffenheit und die Verblendung. Die ganze Welt und das Leben vor Ort werden durch die Brille der Ideologie gedeutet. Andere Sichtweisen hat man subtil oder offen exterminiert, marginalisiert oder liquidiert. So sind alle Kontrollmechanismen beseitigt, welche die Vertreter der siegreichen Ideologie vor ihrer eigenen Dummheit schützen. Ach ja, unsere "Liberalen" raunen davon, wieder Schulgeld einzuführen. Auf dass die Dummen, deren Eltern sich keine gescheite Schule leisten können, mehr werden.

Aber mit dem Sieg einer Ideologie, welche aus den Fehlern der von ihr besiegten Ideologien nichts gelernt hat, sondern sie eifrig wiederholt, kommen auch die Aussteiger. Trotzki baute die Rote Armee auf und führte die Bolschewiken zum Sieg. Ein Jahrzehnt später war er draußen und wurde schließlich von den eigenen Ex-Genossen umgebracht. Möllemann hat zu den "Alt-Liberalen" in der Art Hamm-Brüchers gesagt, sie sollen gehen! Wenig später war Möllemann da, wo Trotzki ein Menschenalter vor ihm war: tot und von den eigenen Leuten vergessen, vielleicht sogar in den Tod getrieben. Who knows, who cares?

Oft, vielleicht meistens, kommt das Aussteigen nicht aus eigener Einsicht, sondern aus der abgrundtiefen Dummheit derer, die einen rausgemobbt haben. Trotzki war ein Tyrann und selbst die Bürgerrechts-Liberalen waren irgendwie halt "bürgerlich". Aber sie waren inopportun, weil sie Rivalen waren oder vielleicht nicht jede Pervertierung ihrer Ideale mittragen wollten.

Und beim fröhlichen Pervertieren von "Freiheit" haben es die Liberalen unserer Tage schon ganz schön weit gebracht. So kann es zu Folgenden kommen:

ich war mal liberal
ich war linksliberal
ich war wirtschaftsliberal
ich war in der FDP

ich BIN liberal
ich bin NUR wirtschaftsliberal

ich bin liberal, aber gegen das Treiben vieler heutiger "Liberalen"

ich war NIE liberal

Felidae
20.07.2008, 13:37
Ich war früher mal links. Bin es aber schon lange nicht mehr. Liberalismus ist besser.

Leo Navis
20.07.2008, 13:39
Ich war und bin seit ich politisch bin liberal.

FranzKonz
20.07.2008, 13:40
Ich war früher mal links. Bin es aber schon lange nicht mehr. Liberalismus ist besser.

Das meinst Du nur, weil Du noch keine Lebenserfahrung hast. Irgendwann wirst Du erkennen, daß alle Ismen Mist sind, außer vielleicht dem Impressionismus. :))

tommy3333
20.07.2008, 14:08
Das meinst Du nur, weil Du noch keine Lebenserfahrung hast. Irgendwann wirst Du erkennen, daß alle Ismen Mist sind, außer vielleicht dem Impressionismus. :))

Der beste *Ismus ist immer noch der Realismus. :D

FranzKonz
20.07.2008, 14:11
Der beste *Ismus ist immer noch der Realismus. :D

Den gibts doch gar nicht.:))

PSI
20.07.2008, 14:18
ich war linksliberal

Jetzt bin ich real-links!

Gegen Unterdrückung für den wahren Sozialismus!

Biskra
20.07.2008, 16:28
Das meinst Du nur, weil Du noch keine Lebenserfahrung hast. Irgendwann wirst Du erkennen, daß alle Ismen Mist sind, außer vielleicht dem Impressionismus. :))

Der Selberdenker mag also den Pragmatismus nicht. :D

Leo Navis
20.07.2008, 16:31
Und was ist mit Buddhismus?

:eek:

FranzKonz
20.07.2008, 17:00
Der Selberdenker mag also den Pragmatismus nicht. :D

Stimmt. Noch weniger mag ich allerdings den Dogmatismus. :))

FranzKonz
20.07.2008, 17:00
Und was ist mit Buddhismus?

:eek:

Kann man den trinken?

Biskra
20.07.2008, 17:03
Stimmt. Noch weniger mag ich allerdings den Dogmatismus. :))

Übrigens solltest du mal dein Profil überarbeiten. Ich lese da "religiöse Einstellung: Agnostizismus". ;)

Genosse 93
20.07.2008, 17:05
Ich war nie Liberal (und auch nicht demokratisch). :D :stolz:

FranzKonz
20.07.2008, 17:09
Übrigens solltest du mal dein Profil überarbeiten. Ich lese da "religiöse Einstellung: Agnostizismus". ;)

Stimmt. Ein saublödes Wort dafür, daß ich weiß, daß ich nichts weiß. Oder so ähnlich.

Hoffentlich konstruiert nicht noch einer einen Selberdenkerismus, dann wäre ich richtig angeschmiert. ;(

marc
20.07.2008, 17:25
Die rosa Brille ausschließlich am Liberalismus festzumachen, finde ich etwas schwach.

Ich meine: Oft genug wird doch gerade den Liberalen (die natürlich auch keinen monolithischen Block bilden) vorgeworfen, dass sie eine trostlose Dog-Eat-Dog Mentalität besitzen würden, unempfänglich für jeden Zukunftsoptimismus seien und daher auch keine großen Utopien in die gesellschaftspolitischen Debatten einbringen würden. Das Gegenteil also von einer rosa Brille, die meiner Meinung nach auch eher rot oder bräunlich getönt ist.

Gut finde ich allerdings, dass du den reinen Wirtschaftsliberalismus trennst vom "Linksliberalismus" und vom Liberalismus im allgemeinen. Und wenn man diese Differenzierungen gutheißt, dann muss ich natürlich auch einschränken, dass es liberale Utopien gab und gibt, die nicht unbedingt eingetreten sind.
Auch hier ist also die Konkretisierung vonnöten, denn die große Koalition derjenigen, die "den Liberalismus" irgendwie scheiße finden, ist zutiefst heterogen, und die Gründe, warum eine "Transe und Anarchistin" den Liberalismus ablehnt dürften wohl völlig andere sein, als diejenigen eines "Sozialnationalisten" und ich würde davor warnen, das "Racheschwert" so ungenau durch die Luft zu schwingen, weil du dich durch das gemeinsame und vage Dagegensein schnell neben anderen befinden kannst, die mit dem gleichen Racheschwert zu Felde ziehen, aber die dir konsequenterweise auch die rasierten Beinchen abschlagen wollen.

Du weißt vermutlich, dass Foucault davor gewarnt hat, immer auf die Frage zu antworten, wie man etwas denn anders machen könne, denn das, so meinte er, sei nur eine Falle und man könne auch Zustände kritisieren, ohne eine dass man eine alternative Utopie zur Verfügung hätte. Trotzdem würde mich mal interessieren, was dein gesellschaftspolitisches Ideal denn eigentlich ist. Eine staatlich gezähmte Wirtschaft mit innergesellschaftlicher ... sagen wir: Libertinage?

Wie auch immer. Interessante Threads machst du jedenfalls auf, die mich dazu motivieren, etwas zu schreiben, wobei ich an der Stelle auch mal sagen will, dass ich mich oft genug selber nicht einordnen kann und mit mir selber nicht immer einer Meinung bin. Das schwankt nach Stimmung, Tageszeit, emotionalem Zustand und vielem mehr. Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, die NPD zu wählen, weil mich Muslime und Türken so ankotzen, manchmal will ich in die FDP eintreten, manchmal verteidige ich den Papst und übernehme Habermas' Kritik an der "mit sich selber zerfallenden Moderne" die ohne die Idee einer menschlichen Gottesebenbildlichkeit keinen humanistischen Ethos fundieren kann - dann denke ich mir wieder, dass das Blödsinn ist und die Menschenrechte immerhin gegen die Religionen durchgesetzt werden mussten. (Thomas Paine!) ... grundsätzlich denke ich aber doch, dass "der" Liberalismus nicht nur die erfolgreichste (Streitfrage: Wie liberal ist die BRD z.B.?) sondern auch die begrüßenswerteste Gesellschaftsform aller Zeiten ist, die den Bedürfnissen der meisten Menschen am nächsten kommt.

Eine freie Wirtschaft in einer freien Gesellschaft. Ausserdem finde ich Politik im Grunde eigentlich scheiße und ich würde mich viel lieber nur über Mozart und Rilke, Pollock und Bacon, Fellini und Tabori, Newton und den architektonischen Dekonstruktivismus unterhalten. Leider sind die Zeiten dafür aber wiedermal schlecht, und man ist ja doch gezwungen, sich stattdessen Gedanken über Politik, Wirtschaft, die EU und die kastrierte Meinungsfreiheit des "Freien Westens" zu machen. Insofern sollte es die Aufgabe der Politik sein, sich selber überflüssig zu machen, wobei dann natürlich wieder die berechtigte Gegenfrage aufgeworfen werden kann, was passiert wenn eine sich selbst überflüssig machende Politik in den Konflikt mit einer Kulturform kommt (wie der zustande gekommen ist, ist zumindest an dieser Stelle zweitranging), in der alles politisch ist und alles vom Gebet bis zum Gebären als eine einheitliche Strategie propagiert wird.

Für den Spengler bedeutete Geschichte ja das pflanzenhafte Aufblühen und Vergehen von Kulturen und vielleicht sollte ich mal wieder einen Blick in ihn werfen.

Jetzt hab ich keine Lust mehr, weiter zu schreiben. *Blinzel*

Beverly
20.07.2008, 20:45
Ich war früher mal links. Bin es aber schon lange nicht mehr. Liberalismus ist besser.

diesen Irrweg sind viele ehemalige Genossen gegangen :(

FranzKonz
20.07.2008, 20:47
diesen Irrweg sind viele ehemalige Genossen gegangen :(

Kamen sie zurück?

Beverly
20.07.2008, 20:47
Der beste *Ismus ist immer noch der Realismus. :D

ist zwar kein richtiger ismus, aber ich plädiere für den Orgasmus :)

Aldebaran
20.07.2008, 20:58
Hier geht es darum, ob nicht schon heimlich, still und leise oder auch offen und laut viele Menschen dem heute in der einen oder anderen Form die ganze Welt beherrschenden und alle Lebensbereiche durchdringenden Liberalismus den Rücken gekehrt haben.

Ich denke, dass der Liberalismus so erfolgreich ist, weil sein Menschenbild näher an der menschlichen Natur liegt als das anderer Ideologien: Von seinen Erwerbs- und Konsuminteressen geleitet, vor allem durch Wettbewerb motivierbar, im privaten Leben seinen privaten Vorlieben ergeben, gezähmt durch Verträge sowohl auf zweiseitiger als auch auf kollektiver Basis - selbst der Staat ist ja nichts anderes als eine Art Vertrag.

Dieses Bild ist nicht gerade das einer "Krone der Schöpfung" und gerade dies macht die Feinde des Liberalismus so rasend.

Wenn er näher an der Natur liegt als andere, heißt das aber immer noch nicht, dass er genügend nahe dran liegt, um von der Krankheit aller Ideologien befreit zu sein, nämlich der Tendenz zur Selbstvernichtung durch die Zerstörung der nicht in der Theorie berücksichtigten Grundlagen.

Mit der Familie findet sich der Liberalismus ab, die Irrationalität des Menschen in seinen wirtschaftlichen Entscheidungen wird sogar von der Werbung und den Anlageberatern ausgenutzt und stört das System an sich nicht, aber für die kulturellen und genetischen Grundlagen ist er blind. Das ist sein größter Fehler.

marc
20.07.2008, 21:04
ist zwar kein richtiger ismus, aber ich plädiere für den Orgasmus :)

Hm, klingt nicht schlecht - der dritte Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus ist dann der Orgasmus. Und bei wem es auch dazu nicht reicht, dem bleibt noch der Alkoholismus.

:alki:

Beverly
20.07.2008, 21:12
Zitat:
ich war linksliberal

Jetzt bin ich real-links!

Gegen Unterdrückung für den wahren Sozialismus!

Bei mir selbst folgte auf eine linke Phase einer Phase, die man auch als objektiv "linksliberal" hätte bezeichnen können (obwohl ich selbst mich so nicht etikettiert habe). Wobei der linksliberalen Phase das böse Erwachen folgte, was viele wohl noch vor sich haben :rolleyes:

Im Einzelnen:

Nach meiner politischen Sozialisation Ende der 1970er war ich zunächst links, d. h. links und bei den Grünen, die ich links von der SPD sah.

In den 1980er Jahren habe ich mich dann mit der Geschichte der arabischen Linken - Nasserismus, Baathismus - beschäftigt. Das war die Nahost-Spielart des osteuropäischen Staatssozialismus und Stalinismus. So wie die Genossen da gegeneinander intrigiert haben, übereinander hergefallen sind, übelste Terrorregimer errichtet haben, dachte ich: das kann es nicht sein. Der Zusammenbruch des Sozialismus 1989 ließ meine Distanz von der staatssozialistischen Linken noch größer werden.

In den 1990er Jahren begrüßte ich dann aber die Utopien der Grünen von einer gerechten Weltordnung. Ich hatte die Hoffnung, eine "Reform des internationalen Systems" um es lebbar zu machen, ginge auch ohne den Rückgriff auf den Staatssozialismus, dessen Versagen ich im Orient ebenso wie in Osteuropa erleben "durfte".

Um 2000 war ich dann ziemlich unpolitisch, nahm lieber am IT-Boom teil. Doch die IT-Party war nur zu schnell vorbei und mit ihrer Zustimmung zur Agenda 2010 in 2003 haben mir die mittig & neoliberal gewendeten Grünen als einen ihrer Mitbegründer und langjährigem Mitglied sozusagen den Stuhl vor die Tür gesetzt.
Die Art, wie "Liberale" gegenüber Agneda 2010 und Hartz IV zwischen Bagatellisieren und Scharfmachen schwanken, würde mich zu einer erbitterten Anti-Liberalen machen, wenn ich das "Anti" nicht grundsätzlich ablehne.

Den Liberalismus unserer Tage lehne ich nicht mal so sehr als Ideologie des "Sollens", der sich einem zu verbesserndem "Sein" gegenüberstellt, ab. Es gab da schon ein Sollen, was sich mit Recht gegen gnaden- und sinnlose konservative Bevormundung oder stalinistischen Staatsterror richtete. Das mag man liberal, rosa oder sonstwas nennen. Die eigenen Kinder schlagen, ist Scheiße, das eigene Volk tyrannisieren auch.
Den heutigen Liberalismus lehne ich ab, weil er das "Sollen" aufgegeben hat und in der Ära seines vermeintlichen Sieges alles "Sein" feiert. Das Sollen besteht nur noch darin, dass sich alle diesem Sein anzupassen haben. Da wird heute von unseren Liberalen eine ebenso gnadenlosen Anpassung und Unterordnung gefordert, wie ich sie in meiner Kindheit von fundamentalistischen Christen und später - in West-Berlin eingemauert - von der sozialistischen DDR erlebt habe. Ohne dass man sich da Gott oder dem Menschheitsprojekt Sozialismus verbunden fühlen durfte. Einfach so - Unterordnung in einem System, was für einen Selbst das Nichts und sogar für seine Nutznießer nur der schnöde Mammon ist. Manchmal habe ich das Gefühl, da hat nur eine Generation Duckmäuser, Spießer und autoritäre Arschlöcher die Andere abgelöst. Jeder Generation Arschlöcher sagt, unter ihr sei es besser als davor und jede hat nur das Verarschen perfektioniert.

marc
20.07.2008, 21:30
mit ihrer Zustimmung zur Agenda 2010 in 2003 haben mir die mittig & neoliberal gewendeten Grünen als einen ihrer Mitbegründer und langjährigem Mitglied sozusagen den Stuhl vor die Tür gesetzt.

(...)

Das Sollen besteht nur noch darin, dass sich alle diesem Sein anzupassen haben. Da wird heute von unseren Liberalen eine ebenso gnadenlosen Anpassung und Unterordnung gefordert, wie ich sie in meiner Kindheit von fundamentalistischen Christen und später - in West-Berlin eingemauert - von der sozialistischen DDR erlebt habe.

Dann würde ich dich zum "linken" Flügel der Grünen, vielleicht der Nahles-SPD zählen, oder als jemanden, der momentan zwischen den Stühlen sitzt. (SPD und Grüne zu wirtschaftsliberal, aber die Linkspartei ... naja ... brau ma ga net drübber redde.)

Bezogen auf die Unterordnung und Anpassung würde ich dich bitten, das mal zu konkretisieren. Die Wahrheit ist ja bekanntermassen immer konkret. Wo musst du dich unterordnen und welchen Gegenvorschlag würdest du machen?

Beverly
21.07.2008, 07:25
Zitat:
Zitat von Beverly
diesen Irrweg sind viele ehemalige Genossen gegangen

Kamen sie zurück?

Sie wären noch Teil eines linken Projektes, wenn dieses sexuell offen wäre und ihnen Lebensperspektiven böte.

So sehr mich der Opportunismus vieler Ex-Genossen auch ankotzt, die aus Karrieregründen plötzlich auf den Zug der herrschenden Klasse gesprungen sind, so muss ich zugeben, dass die Linke der 1980er Jahre da viele aus eigenem Verschulden vergrault hat.

Fangen wir ruhig mal beim Sex an. Die Mitglieder der "Kommune 1" - obwohl privat eher bieder und konservativ, was ich an sich nicht verurteile - wussten noch die Leute mit nackten Ärschen zu locken. Mit Speck fängt man Mäuse, mit dem Gefauche frustrierter Katzen verscheucht man sie.
Genau das ist den Linken im Zeichen des Feminismus passiert. Die "Männerhasserinnen", über die sich Prätorianer so ereifert hat. Sexualität fand zwar statt, war aber nicht Teil des Diskurses - oder wenn, dann auf eine so bigotte Art, dass es kaum besser als bei der katholischen Kirche war. Anstatt "freier Liebe" kam nur das sexualökonomische "freie Spiel der Kräfte" heraus. Und das muss ich Thauris und Sauerländer mal ins Stammbuch schreiben: ich habe da eine linke Subkultur erlebt, die hinter der pseudo-liberalen Fassade erzkonservativ war. Wer aus Frust über Lächerlichkeiten und Absurditäten der heute gelebten Sexualität da wieder hin will - nur machen. Er oder sie wird erleben, wie sich die Leute aus seinem Projekt so verkrümeln, wie sich die Linke mit ihrem verkorksten Sexualdiskurs selbst ihre Anhänger verscheucht hat.

Damit will ich nicht quantitativer Maßlosigkeit das Wort reden. Im Gegenteil: die sexuellen Superhelden und Superheldinnen im Bett haben sich in anderen Lebensbereichen manchmal als veritable Arschlöcher erwiesen. Das dürfte übrigens in außereuropäischen Gesellschaften noch viel schlimmer sein als bei uns. Quantität haben wir vielleicht ausreichend, es geht um die Qualität des Diskurses und die Reflektion darüber. Sexualität ist immer Teil eines politischen Diskurses, nur leider zu oft auf repressive und bigotte Art. Leider oft auch bei den Genossen und weshalb sie viele Menschen in die Arme der Liberalen getrieben haben. Die scheinheilige Art, wie sich Liberale etwa zu Anwälten der Homos machen, um sie doch nur als Tagelöhner und Prekarier in ihre kranke turbokapitalistische "Marktordnung" kotzt mich jedesmal an, wenn ich sie erlebe. Nur muss ich sagen, dass die wissen: mit Speck fängt man Mäuse - um dann die Falle zuschnappen zu lassen!

Wenn es noch mal eine Weltrevolution gibt, worauf ich noch immer hoffe, werden dabei Stirnglatzen deshalb ausgedient haben. Und rote Miniröcke werden politischer sein als rote Fahnen :)

Punkt 2: Die Genossen sind abgewandert, weil ihnen die Linke als Linke keine existenziellen, ökonomischen und beruflichen Perspektiven zu bieten hatte. Nach einer Revolution parasitär über Staat und Wirtschaft herzufallen, mag auch nicht in Ordnung gewesen sein und war wohl oft der Anfagn vom Ende eines sozialistischen Projektes. Siehe etwa die arabischen Baathisten. Aber die Revolution im Grunde erst nicht versuchen wollen und auch keine kleinteiligen anarchistischen Alternativen zu ihr zu entwickeln - da war das Ende da, ehe überhaupt was begonnen hat. Mal wieder haben die Genossen vor lauter Idealismus und Weltfremdheit, die nicht selten in Zynismus umschlagen, den Spruch "mit Speck fängt man Mäuse" ignoriert. Woraufhin die Mäuse abwanderten.

Jetzt - und das ist richtig geil - machen die Liberalen und Konservativen auch diesen Fehler. Warum, zum Henker, soll etwa jemand bei einem nationalkonservativem Projekt mitmachen? Da wird ihm oder ihr doch nur gedroht: wenn du nicht bei uns mitmachst, werden dich die Musels holen! Die in diesem Angstdiskurs als Vogelscheuchen aufgebaut werden. Als Homo oder Transe hat man in diesem Diskurs eh keinen Platz und sollte sich nach dem nächsten nationalem Erwachen am besten nach Istanbul deportieren lassen, weil für die Dagebliebenen das Leben auch nicht schön ist. Die Frauen sollen im Fickkrieg mit eben dem Islam wieder viele Kinder werfen. Ansonsten gelten "Verzicht, Blut, Schweiß und Tränen" und erschreckend viele Nationalkonservative schwimmen wirtschaftspolitisch im Fahrwasser von FDP, Globalisierung und Neoliberalismus :kotz:
Auch der liberale Mainstream hat sich vom schönen Leben, mit dem er die Linken abgeworben hat, verabschiedet. Eben weil seine wirtschaftspolitischen Doktrinen die materiellen Grundlagen für ein schönes Leben untergraben. Für die Mäuse, die da geködert werden sollen, ist kein Speck mehr da. Sie sollen sich auf der Mausefalle das Genick brechen lassen, ohne zuvor wenigstens die Henkersmahlzeit bekommen zu haben. Irgendwie schofel :( und Beleg des traurigen Niedergangs einer Ideologie, deren Protagonisten ihren Rausch ehemals mit Champagner zelebrierten, alldieweil da jetzt alle von Mineralwasser besoffen werden.

Beverly
21.07.2008, 07:38
Ich denke, dass der Liberalismus so erfolgreich ist, weil sein Menschenbild näher an der menschlichen Natur liegt als das anderer Ideologien (...)

Erstens sehe ich da im Liberalismus nur die individualisierte Variante des Sozialdarwinismus, wobei ich den liberalen Sozialdarwinismus für ebenso schädlich halte wie den rechten, kollektivistischen, Sozialdarwinismus.

Zweitens glaube ich nicht an eine einheitliche "menschliche Natur". Alle Diskurse, die die zur Grundlage haben, stülpen nur ihr Menschenbild dem wirklichen Menschen über.

Drittens ... "Nähe am realen Menschen" ... ist da nicht manches so, dass man es präventiv durch Bildung so nicht werden lassen sollte oder wenn es so geworden ist, in der argen Versuchung ist, es ins Jenseits zu befördern? Menschlicher Bösartigkeit und Destruktivität zu huldigen ist nur so lange gut, bis sie einen selbst auffrisst. Wozu die diesbezügliche Affirmation - "menschliche Natur" - und Gleichgültigkeit des Liberalismus führt, sehe ich manchmal schon, wenn ich vor die Tür trete. Zu Zuständen, die alles sind, nur eines nicht: im positiven Sinne liberal.

Don
21.07.2008, 11:40
Hm, klingt nicht schlecht - der dritte Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus ist dann der Orgasmus. Und bei wem es auch dazu nicht reicht, dem bleibt noch der Alkoholismus.

:alki:


Ab einem gewissen Alter ist dieser durchaus eine akzeptable Alternative.
Man weiß noch daß da was war, aber es ist einem scheißegal. :D

Felidae
21.07.2008, 12:38
Beverley, überleg mal, warum sich viele Exlinke dem Liberalismus zugewandt haben. Für mich hatte meine Abwendung von linken politischen Ideen in erster Linie damit zu tun, dass ich für Bürgerrechte und eben allgemein Freiheit war, mir die FDP aber damals aber zu "kapitalistisch" war. Irgendwann erkannte ich dann, das die Linke für Bürgerrechte etc. nicht taugt, weil unabhängig davon, wo sich linke Regimes etablieren konnten, die Freiheit nie zu- sondern abnahm. Sozialistische Ideen klingen meist gut, vor allem für junge Leute. Nur erkennt man meistens irgendwann, dass diese Ideen nicht umsetzbar sind. Der Liberalismus mag viele Fehler haben, und der Kapitalismus produziert häufig Ungerechtigkeiten. Im Großen und Ganzen aber kann man im Liberalismus gut leben.

Stadtknecht
21.07.2008, 17:01
Ich habe sogar mal FDP gewählt, weil ich ihren Wahlspruch: "Leistung muß sich lohnen." glaubte.

Es war ein Fehler, wie ich seit der schwarz-gelben Koalition in NRW, weiß.

Zukünftig werde ich eine Protestpartei wählen.

Kreuzbube
21.07.2008, 19:08
Übrigens solltest du mal dein Profil überarbeiten. Ich lese da "religiöse Einstellung:"Agnostizismus". ;)

"Wenn die Menschen nur über die Dinge reden würden, von denen sie auch etwas verstehen, wäre es sehr still auf der Welt."
Konfuzius

Kilgore
22.07.2008, 23:03
Das Liberale wird im heutigen Sprachgebrauch leider fehlverwendet.
Für die Rechten wird es mit radikalem Pragmatismus, Profillosigkeit und übertriebener Mäßigung gleichgesetzt, von den Linken wird die Begrifflichkeit des Neoliberalismus als zum Raubtierkapitalismus verwendet. Ich tendiere daher, obwohl ich Liberaler bin, dazu, mich stattdessen als freiheitlich zu bezeichnen.

Gerade in Anbetracht der Threaderstellerin muss aber dennoch gesagt werden:
Neoliberal und stolz drauf!

Kilgore
22.07.2008, 23:05
Ausonius, du bist liberal?

Wenn die totalitär-terroristische Ideologie eines Hans-Christian Ströbele nun schon in den ideologischen Bereich des Liberalismus fallen soll, ist das ein sehr guter Grund, sich nur noch als freiheitlich zu bezeichnen.

Springpfuhl
23.07.2008, 16:47
Wer sich heute als Bürger dem Staat entzieht und sich von ihm nicht länger als Sklaven missbrauchen lässt, nur der kann sich zurecht als liberal bezeichnen.So einer ist
mir aber in Deutschland noch nie begegnet.

Manfred_g
23.07.2008, 21:14
Ab einem gewissen Alter ist dieser durchaus eine akzeptable Alternative.
Man weiß noch daß da was war, aber es ist einem scheißegal. :D

Darauf ein Obstwässerle!

Beverly
23.07.2008, 21:15
Wer sich heute als Bürger dem Staat entzieht und sich von ihm nicht länger als Sklaven missbrauchen lässt, nur der kann sich zurecht als liberal bezeichnen.So einer ist
mir aber in Deutschland noch nie begegnet.

das wäre auch eher Anarchismus

Mahatma Germany
27.07.2008, 19:05
Ich war früher mal links. Bin es aber schon lange nicht mehr. Liberalismus ist besser.


Liberalismus ist mehr oder weniger links. "Entschärft" Links.

Beverly
27.07.2008, 20:35
Liberalismus ist mehr oder weniger links.

Das ist nur eine Frage der Perspektive:

Wenn man sich

links - liberal - rechts

so angeordnet vorstellt und man selbst rechts steht, ist der Liberalismus natürlich nur weniger links als die Linke.

Steht man da aber links, ist der Liberalismus nur weniger rechts als dié Rechten.


"Entschärft" Links.

Gedanken und Kritik aus den Reihen der Liberalen mögen wichtig sein, um sich als Linker über die Chancen eigener Projekte klar zu werden. Aber der Liberalismus in seiner Gesamtheit ist nicht links. Er "entschärft" die Linke nicht, sondern beraubt sie ihrer Substanz und ihres Kerns.