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Vollständige Version anzeigen : "Grüße von den Twonosern" - führt eine Klassengesellschaft immer in den Untergang?



Beverly
07.07.2008, 08:11
In der Science Fiction-Serie "Perry Rhodan" trifft die Menschheit auf das Volk der Twonoser. Die Twonoser leben in einem rigiden Kastensystem:

1. An der Spitze stehen die "Roten", welche die Ressourcen (Energieversorung) kontrollieren und so die beiden anderen Kasten bzw. Klassen unter Kontrolle halten.
2. Die "Blauen" sind die Mittelschicht, sie dienen sie als Soldaten.
3. Die "Weißen" sind die Unterschicht, sie müssen alle niederen Arbeiten etwa in der Landwirtschaft verrichten.

Ganz wichtig: die Twonoser nehmen sich über die Farben wahr, Rot, Blau und Weiß kaschieren die Klassenzugehörigkeit, ohne sie aber zu überwinden. Im Gegenteil: unter der Maske kann das "Klassenbewusstsein" um so verheerender wirken. Weil es nicht bewusst wahr genommen und bewussst überwunden wird.

Kaum haben die Menschen Kontakt mit den Twonosern aufgenommen, endet ihr Kastensystem im totalen Untergang. Die Twonoser nehmen eine Expedition der Menschen gefangen und um ihre Freiheit zu erlangen, verbünden sich die Menschen mit der weißen Unterschicht gegen Blaue und Rote. Die Weißen können auch die Macht an sich reißen. Doch anstatt nun, wie von den Menschen erhofft, zu einem gleichberechtigten Zusammenleben zwischen Weißen, Blauen und Roten zu kommen, rufen die Roten um Hilfe von anderen Planeten. Der Krieg zwischen den drei Klassen endet mit der totalen Zerstörung des betroffenen Planeten.

Die Menschheit selbst ist in dem Zukunftsszenario ein in vieler Hinsicht hierarchischer und von Rhodan letztendlich autoritär geführter Haufen. Aber sie schein mir keine erstarrte Klassengesellschaft zu sein. Im Grunde hat Rhodan eine Militärdiktatur errichtet und die mit ein paar Sicherungsmechnismen und formaldemokratischem Beiwerk versehen. So schreiben sie es zwar in "Perry Rhodan" nicht, aber so wäre es. Um der Sackgasse Klassengesellschaft zu entgehen - welche die Twonoser demonstriert haben - steht an der Spitze des Ganzen das Militär mit seinen eigenen Hierarchien, deren im Wortsinne Uniformität keinen Raum für die Herausbildung voneinander abgegrenzter Klassen lässt. Rhodan vermeidet es sehr geschickt, ungeachtet seiner Machtfülle seinen Mitmenschen als Exponent einer anderen, gar höhren Klasse gegenüber zu treten.

Soweit die Fiktion. An sie musste ich gerade unter dem Klassenstandpunkt denken, weil ich Diskussionen hatte, denen zufolge die Menschen in der wirklichen Welt immer mehr den verhängnisvollen Weg der Twonoser gehen.

1. Es zählt NUR NOCH die Klasse, Schicht oder Kaste

2. Die Klassenzugehörigkeit wird hinter Symbolen, pseudokulturellen und pseudoiedeologischen Identitäten kaschiert

Was dabei in der realen Welt herauskommt, zeigt folgendes Beispiel aus der chinesischen Geschichte: Im 17. Jahrhundert war die Ming-Dynastie am Ende. Die Menschen rebellierten und in Peking setzte sich ein Bauer auf den Kaiserthron. Als der neue Kaiser vom Kommandanten der Grenzbefestigungen an der Großen Mauer Loyalität verlängte, öffnete der stattdessen die Tore der Großen Mauer und ließ die wartenden Mandschu herein. Die überzogen danach China erst einmal mit so großem Terror, dass ein Vertreter der chinesischen Elite nach Japan floh und die Japaner um Hilfe bat (!)
Begründung des Grenzkommandanten für den Verrat am eigenen Volk:

Lieber lasse er die Barbaren herein als es zu dulden, dass ein Bauer auf dem Kaiserthron sitzt!

Dass zum Nachdenken für alle, die meinen Nation mit Klassengesellschaft verbinden zu können. Bei den dabei herauskommenden Ergebnissen kann man sich sogar den Vorwurf des Verrats sparen - schließlich haben alle der Klasse treu gedient, zu der sie gehörten oder in derem Solde sie standen ;)

Was nun aus einer Klassengesellschaft wird, dafür gibt es folgende Möglichkeiten:

1. Sie entwickelt sich gut und hat durch die Klassengegensätze eine innere Dynamik

2. Sie endet im ewigen Kampf der Klassen gegeinander

3. Sie endet notwendigerweise im Untergang, weil die Klasse wichtiger wird als alles andere (Ideologie, Gemeinwesen ...), aber "Klasse" in keinster Weise als soziale Entität fungieren kann

Beverly
07.07.2008, 08:23
Die Klassengesellschaft geht unter - was sonst? Dass ihre Protagonisten als Gründe für den Untergang alles mögliche, nur nicht die Erstarrung der Gesellschaft in Klassen angeben, macht die Sacher nur noch schlimmer und den Untergang folgerichtiger. Einen Fehler, den man erkannt hat, kann man auch als Eliten-Angehörigen beheben, ohne sich von einer rachsüchtigen Unterschicht (die in ihrem Klassendenken auch nicht besser ist) gleich köpfen zu lassen. Eine Illusion lässt einen so lange weiter machen, bis einen der Mob unter die Guillotine zerrt. Dabei sollten die doch nur Kuchen essen, als das Brot alle war :lach:

Klassenbewusstsein ist aber in jeder Schicht resp. Lebenswelt zersetzend. Die marxistische Polit-Romantik vom edlen Proletarier teile ich ebenowenig wie den naiv-konservativen Glauben an die gute Herrschaft. Eine von ihrem eigenen Dünkel selbst verblendete Oberschicht wird alles tun, um auch die Mittel- und Unterschichten verblöden zu lassen. Was sich da als Bewusstsein ausgibt, ist natürlich kein explizites Klassenbewussstsein im marxistischen Sinne. Man ist dann halt ethno, glaubt an irgendeinen nationalreligiösen Scheiß und lässt sich erzählen, wie toll der Überlebensk(r)ampf in der schönen neuen Welt des Neoliberalismus ist.

Wer den ganzen Schwindel durchschaut, wartet aus Verbitterung und Einsicht auf den Untergang, wer auf ihn reinfällt, führt aus purer Verblödung den Untergang herbei.

Grüße von den Twonosern und mein Tipp an die herrschende Klasse: die Nasen rot färben - so machen das die herrschenden Twonoser. Die Mittelschicht hat sich die Nasen blau zu färben und nur die Unterschicht muss auf Farbe verzichten.
Und - weitermachen. Wenn der Pöbel die Macht übernimmt, gibt es noch immer Hilfe von außen - sofern man den Untergang nicht aus eigener Kraft zuende führen kann :]

Rheinlaender
07.07.2008, 08:25
In der Science Fiction-Serie "Perry Rhodan" trifft die Menschheit auf das Volk der Twonoser. Die Twonoser leben in einem rigiden Kastensystem:

[...]

Was nun aus einer Klassengesellschaft wird, dafür gibt es folgende Möglichkeiten:

1. Sie entwickelt sich gut und hat durch die Klassengegensätze eine innere Dynamik

2. Sie endet im ewigen Kampf der Klassen gegeinander

3. Sie endet notwendigerweise im Untergang, weil die Klasse wichtiger wird als alles andere (Ideologie, Gemeinwesen ...), aber "Klasse" in keinster Weise als soziale Entität fungieren kann

Du vergisst dabei, dass die Klassen auch durchlaessig sein koennen. Es steht der Weg in die Belle Etage in unseren gesellschaften zunaechst jeden offen, wie Du auch aus der Belle Etage absteigen kannst.

Das gibt modernen Gesellschaften eine Dynamik, die in letzter Instanz stabilisierend wirkt.

Beverly
07.07.2008, 09:23
Du vergisst dabei, dass die Klassen auch durchlaessig sein koennen. Es steht der Weg in die Belle Etage in unseren gesellschaften zunaechst jeden offen, wie Du auch aus der Belle Etage absteigen kannst.

ja, vor allem absteigen :rolleyes:

Selbst, wenn die Hierarchie durchlässig sein sollte, wohin und auf welchem Wege steigt man dann auf? Im alten China gab es da den Weg der Staatsprüfungen, wo die Kandidaten damit gequält wurden, die konfuzianischen Klassiker zu interpretieren. Pauken, büffeln und von sich in der dritten unbedeutenden Person reden und man hatte sein Auskommen :rolleyes:
Im Militär, dass etwa im Nahen Osten von Menschen als Aufstiegskanal gewählt wurde, für die der zivilen Klassengesellschaft der Weg nach oben versperrt war, zählte Leistung, später - als die Offiziere die Macht an sich rissen - auch geschicktes Intrigieren und Skrupellosigkeit.
In der BRD nach '45 wurde fast jeder genommen, Lernen und Arbeiten reichte zu 70 bis 90 Prozent.

Und heute .... auch wenn du es nicht wahr haben willst, deinen eigenen Ausführungen über die Aufstiegsmöglichkeiten und den Abstieg zufolge sind wir am Vorabend eines Umsturzes. Denn ist es viel leichter, abzusteigen als aufzusteigen und da braut sich jene Melange Frustrierter zusammen, die ungeachtet eigener Fähigkeiten ihren Platz im Leben nicht gefunden haben.


Das gibt modernen Gesellschaften eine Dynamik, die in letzter Instanz stabilisierend wirkt.

"Stabile" Klassengesellschaften ersticken jede Dynamik und destablisieren dadurch die Gesellschaft. Alle möglichen hierarchischen Strukturen und Projekte hatten so lange Dynamik und Stabität, wie ihre Spitze resp. Zentrum nicht durch Klassenschranken von der Basis getrennt wurde. Meines Erachtens brach sogar das Staatssozialistische Gegenprojekt in dem Moment zusammen, als sich auch da Klassen herausgebildet hatten. Der Terror von Stalin und Mao lässt manche zwar wünschen, das wäre schon früher zusammengebrochen. Aber das rote System blieb so lange stabil, wie den Tyrannen oben nur ein "klassenloses" Volk gegenüberstand und die Parteifunktionäre durch Ideale oder Furcht bei der Stange gehalten wurden. Die Herausbildung einer "Nomenklatura" als privilegierte Staatsklasse leitete dann den Untergang ein. Die hatten kein Interesse daran, einen Sozialismus zu retten oder zu reformieren, an den sie nicht glaubten und dessen Ideale konträr zu ihren Interessen standen.

Und hier wird die BRD der DDR ins Grab folgen so sicher wie das Amen in der Kirche. Denn auch unsere herrschende Klasse hat kein Interesse mehr an dem Gemeinwesen Deutschlands und dem, was einfache Menschen damit ideologisch und interessenmäßig verbinden mögen.

Dann hast du wieder deine Dynamik, aber anders als dir und mir lieb sein kann - wobei auf ein langsames, ich auf ein schnelles Ende hoffen müssen :=

politisch Verfolgter
07.07.2008, 09:25
Klassen sind unnötig, da der value individuell mental leistungsäquivalent zu erwirtschaften und leistungsgerecht zu verteilen ist.
Es geht also alleine um die Umsetzung der mentalen Dispositionen und damit um die gaußförmige Normalverteilung der Intelligenz.
Wobei wir uns die Naturgesetze immer dienstbarer zu machen haben, statt die Einen Anderen. Damit können mentale Defizite zudem erheblich kompensiert werden. Und Maschinen arbeiten so als Brücke zw. den Generationen.
Komfortable Entwicklungsumgebungen können zudem mentale Diskrepanzen minimieren helfen.
Wir benötigen Entwicklungsdynamik, keinen modernen Feudalismus.
Damit wären wir bereits 10 000 Jahre weiter.
So aber eignet 1 % der Menschheit 60 % des Vermögens, während die halbe Menschheit von unter 1 $ tgl. dahin vegetiert.
Dabei könnten wir Alle längst wie die Götter auf einem ökonomisch und ökologisch intakten high tech Generationenraumschiff leben.

Es darf nur eine Herrschaftsform geben: die Grundrechte.
Es geht um die materiellen Freiheitsgrade individueller Selbstverwirklichung, die nur in denselben Grundrechten aller Anderen ihre Grenze, aber eben auch ihre gemeinsame Beförderung zu finden hat. Dazu benötigen wir user value.