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Vollständige Version anzeigen : Schrei nach mehr direkter Demokratie - Der Irrtum im guten Gedanken



Gehirnnutzer
12.06.2008, 12:13
Missversteht mich nicht, mehr direkte Demokratie selber ist kein Irrtum, auch nicht der Ruf nach mehr direkter Demokratie.
Der grundlegende Irrtum ist, das man glaubt, das die Änderung der Art, wie die Entscheidungen getroffen werden, eine tatsächliche gravierende Änderung beim Ergebnis der Entscheidungen herbeiführt.
Gerade die Diskussion hier über die Schweiz (http://www.politikforen.net/showthread.php?t=62590) zeigt diesen Irrtum auf.
Das eigentliche Problem, das sowohl für die direkte als auch für die indirekte Demokratie besteht wird verkannt. Das wird besonder erkennbar dadurch, das es den Gruppierungen, die am meisten nach mehr direkter Demokratie schreien, dies nicht aus einem Verständnis für Demokratie tun, sondern aus Ablehnung der Ergebnisse gewisser Entscheidungen.
Nun die Ergebnisse von Entscheidungen beeinflusst man nicht dadurch, das man die Form der Entscheidung ändert, sondern da muss man beim Entscheidungsträger ansetzen und der ist egal ob direkte oder indirekte Demokratie, immer der Wähler.
Ob sich der Wähler über eine Partei entscheidet, die Entscheidungen in seinem Sinne trifft, oder diese Entscheidungen selber trifft, die Grundlage ist die selbe, seine persönliche Meinung.
Wie ändert man die Meinung eines Menschen, in dem man ihn von etwas überzeugt und darin ist des Pudels Kern begraben.
Egal um welche politische Coleur es sich handelt, niemand ist heute noch gewillt bzw. fähig jemanden von etwas wirklich zu überzeugen.

cajadeahorros
12.06.2008, 12:22
Gegenbeispiel: Mehrwertsteuer. Danke. Setzen.

Marathon
12.06.2008, 13:00
Was würde passieren, wenn in einer direkten Volksbefragung die Mehrheit die Abschaffung aller Steuern beschließen würde?

Ich bin auch für direkte Demokratie, aber erst dann, wenn mehr als 50 Prozent aller BRD-Bürger erwiesenermaßen Moslems sind, denn so kann ein Kalifatstaat aufgebaut werden und das wollen doch "unsere" superschlauen Politiker, oder sehe ich das falsch?
Man könnte auch 12 Monate lang in den Medien Horrorberichte über angebliche oder tatsächliche Massenmorde, Vergewaltigungen etc in zum Beispiel Kamerun senden und dann in einer direkten Volksabstimmung fragen, ob das Volk jetzt endlich aus humanitären Gründen und um Deutschland zu verteidigen für einen Krieg gegen Kamerun stimmt.

Gehirnnutzer
12.06.2008, 13:49
Gegenbeispiel: Mehrwertsteuer. Danke. Setzen.


Was würde passieren, wenn in einer direkten Volksbefragung die Mehrheit die Abschaffung aller Steuern beschließen würde?

Ich bin auch für direkte Demokratie, aber erst dann, wenn mehr als 50 Prozent aller BRD-Bürger erwiesenermaßen Moslems sind, denn so kann ein Kalifatstaat aufgebaut werden und das wollen doch "unsere" superschlauen Politiker, oder sehe ich das falsch?
Man könnte auch 12 Monate lang in den Medien Horrorberichte über angebliche oder tatsächliche Massenmorde, Vergewaltigungen etc in zum Beispiel Kamerun senden und dann in einer direkten Volksabstimmung fragen, ob das Volk jetzt endlich aus humanitären Gründen und um Deutschland zu verteidigen für einen Krieg gegen Kamerun stimmt.

Man ist nur von Kleingeistern umgeben. Es geht hier nicht um eine Aufstellung von Vor- und Nachteilen der direkten Demokratie gegenüber der indirekten Demokratie. Es geht um ein Problem das bei beiden Varianten besteht.

McDuff
12.06.2008, 13:54
Ob sich der Wähler über eine Partei entscheidet, die Entscheidungen in seinem Sinne trifft, oder diese Entscheidungen selber trifft, die Grundlage ist die selbe, seine persönliche Meinung.



Leider nicht richtig, denn davon kann nur die Rede sein wenn die Parteien sich an das halten was sie versprechen und nicht lügen und verschleiern und völlig inhaltslos der Macht hinterhertaumeln.

Haspelbein
12.06.2008, 14:03
Leider nicht richtig, denn davon kann nur die Rede sein wenn die Parteien sich an das halten was sie versprechen und nicht lügen und verschleiern und völlig inhaltslos der Macht hinterhertaumeln.

Das ist sicherlich wahr: Der Politiker steht zwischen dem Willen des Volkes und der Umsetzung einer populaeren (oder populistisch motivierten) Politik.

Der Strangersteller hat jedoch richtig erkannt, dass die direkte Demokratie allein nicht ausreicht, um einen Wandel herbeizufuehren. Empfindet das Volk nicht, dass es in der Verantwortung steht, eben diese Wandel zu erzwingen, dann gibt es auch mit einer direkten oder direkteren Demokratie keinen Wandel, und der Hinweis auf die luegenden Politiker wird zur Ausflucht fuer die eigene Bequemlichkeit und dem Unwillen zur Veraenderung.

Gehirnnutzer
12.06.2008, 15:33
Der Strangersteller hat jedoch richtig erkannt, dass die direkte Demokratie allein nicht ausreicht, um einen Wandel herbeizufuehren. Empfindet das Volk nicht, dass es in der Verantwortung steht, eben diese Wandel zu erzwingen, dann gibt es auch mit einer direkten oder direkteren Demokratie keinen Wandel, und der Hinweis auf die luegenden Politiker wird zur Ausflucht fuer die eigene Bequemlichkeit und dem Unwillen zur Veraenderung.

Endlich jemand der es versteht. Veränderungen erreicht man nur dadurch, das man Menschen überzeugt.
Es bringt nichts, zwar eine eigene Überzeugung zu haben und sich über Entscheidungen, die entgegengesetzt dieser Überzeugung aufzuregen und mit Ausflüchten die Schuld anderen zuzuschreiben. Wenn man Menschen nicht überzeugt, wird man nichts ändern.

Sauerländer
12.06.2008, 16:17
Direkte Demokratie nach gegenwärtigem Stand würde bedeuten, dass Springer und Konsorten noch erheblich direkter als bislang entscheiden, was morgen Politik wird.
Das Problem besteht nicht in der mangelnden Partizipation des Volkes an der Herrschaft (das ist sekundär), das Problem besteht in der Geisteshaltung des Volkes, in dem Apparat, der bewusstseinsbildend auf das Volk einwirkt.
Ohne ziemlich heftigen Umsturz auf DIESER Ebene ist Direkte Demokratie sinnlos.

cajadeahorros
12.06.2008, 16:22
Man ist nur von Kleingeistern umgeben. Es geht hier nicht um eine Aufstellung von Vor- und Nachteilen der direkten Demokratie gegenüber der indirekten Demokratie. Es geht um ein Problem das bei beiden Varianten besteht.

Die Probleme wären nur die gleichen wenn die Parlamentarier ein "imperatives Mandat" hätten. Das ist aber, wie wir alle am eigenen Leib erfahren müssen, nicht der Fall.

Gehirnnutzer
12.06.2008, 18:10
Die Probleme wären nur die gleichen wenn die Parlamentarier ein "imperatives Mandat" hätten. Das ist aber, wie wir alle am eigenen Leib erfahren müssen, nicht der Fall.

Du hast es immer noch nicht verstanden.

henriof9
12.06.2008, 19:03
Wie ändert man die Meinung eines Menschen, in dem man ihn von etwas überzeugt und darin ist des Pudels Kern begraben.
Egal um welche politische Coleur es sich handelt, niemand ist heute noch gewillt bzw. fähig jemanden von etwas wirklich zu überzeugen.

Ist daran nicht auch der Wandel der Gesellschaft, an sich, Schuld ?

Oberflächlichkeit und Engstirnigkeit, an erster Stelle genannt, die dazu beiträgt, daß sich Menschen nicht mehr auseinandersetzten ( nicht nur mit Wortphrasen, sondern auch geistig ).

Eigennutz und Egoismus führen dazu, das Menschen schon deswegen nicht " überzeugbar " sind.

Auch fehlt es in der Gesellschaft an " Gemeinsinn ", jeder ist sich selbst der nächste.

Rechthaberei, dagegen ist sowieso kein Kraut gewachsen.

Resignation- das Hauptproblem.
Wer keine Perspektive hat oder sieht, dem geht mehr oder weniger Demokratie, in welcher Form auch immer, völlig am Ar.... vorbei, der klammert sich an die Hoffnung auf Änderung, wenn möglich in kurzer Zeit. Und die, meint er hat er nicht für kritisches Hinterfragen.

Humer
12.06.2008, 19:42
Mehr direkte Demokratie ist ein richtiger Weg, um die Politikverdrossenheit zu mindern.
Mine Sorge dabei ist:
Vor einer Abstimmung werben die Anhänger der verschiedenen Lösungsvorschläge um ihr Anliegen. Das kostet aber Geld, wo das Geld sitzt, wissen wir. Dann würden indrustrienahe Verbände, Medienkonzerne, vorne weg die BILD, mit Unsummen die Meinungsfindung in ihrem Sinn beinflussen.
Die engagierten Bürger selbst sind dann vielleicht gar nicht mehr vernehmbar.

Wie kann man da einen Riegel vorschieben, ich habe leider keine Lösung parat.

WIENER
12.06.2008, 19:53
Man müßte die beiden im Grunde verschiedenenDemokratiearten mischen. Österreich ist da leider auf halben Weg steckengeblieben.

Der erste Weg war richtig

Jeder Österreicher kann ein Volksbegehren einleiten.
Erforderlich ist dabei eine mindestanzahl an beglaubigten Unterstützungsunterschriften.


Wenn das Volksbegehren eine bestimmte Anzahl an Unterschriften erhält muss eine Volksabstimmung durchgeführt werden. Dieser 2. Schritt wurde in Österreich in den 80er heftig diskutiert, vor allem Grune und Sozialisten sprachen sich dafür aus, umgesetzt wurde dieses Vorhaben nie.

Haspelbein
12.06.2008, 19:58
Medienkonzerne sind beileibe nicht allmaechtig. Gerade hier hat das Internet meiner Meinung nach Wunder bewirkt, d.h. es ist wesentlich leichter, sich als Buergerbewegung zu organisieren.

Es gibt einfach keine "geschlossene" Medienlandschaft mehr, und genau das muss man als Buergerbewegung ausnutzen.

Prokurist
12.06.2008, 20:35
Ich bin durchaus für direkte Demokratie in einem sehr hohen Maß und habe Überlegungen dazu schoneinmal in diesem Strang dargelegt (http://www.politikforen.net/showthread.php?t=62348).

Don
13.06.2008, 17:09
Missversteht mich nicht, mehr direkte Demokratie selber ist kein Irrtum, auch nicht der Ruf nach mehr direkter Demokratie.
Der grundlegende Irrtum ist, das man glaubt, das die Änderung der Art, wie die Entscheidungen getroffen werden, eine tatsächliche gravierende Änderung beim Ergebnis der Entscheidungen herbeiführt.
Gerade die Diskussion hier über die Schweiz (http://www.politikforen.net/showthread.php?t=62590) zeigt diesen Irrtum auf.
Das eigentliche Problem, das sowohl für die direkte als auch für die indirekte Demokratie besteht wird verkannt. Das wird besonder erkennbar dadurch, das es den Gruppierungen, die am meisten nach mehr direkter Demokratie schreien, dies nicht aus einem Verständnis für Demokratie tun, sondern aus Ablehnung der Ergebnisse gewisser Entscheidungen.
Nun die Ergebnisse von Entscheidungen beeinflusst man nicht dadurch, das man die Form der Entscheidung ändert, sondern da muss man beim Entscheidungsträger ansetzen und der ist egal ob direkte oder indirekte Demokratie, immer der Wähler.
Ob sich der Wähler über eine Partei entscheidet, die Entscheidungen in seinem Sinne trifft, oder diese Entscheidungen selber trifft, die Grundlage ist die selbe, seine persönliche Meinung.
Wie ändert man die Meinung eines Menschen, in dem man ihn von etwas überzeugt und darin ist des Pudels Kern begraben.
Egal um welche politische Coleur es sich handelt, niemand ist heute noch gewillt bzw. fähig jemanden von etwas wirklich zu überzeugen.


Du hast zwar recht, wenn Du die augenblickliche Situation einfach auf die veränderte unter direkterer Demokratie überträgst. Du übersiehst dabei allerdings, daß grade hier mehr Übrzeugungsarbeit geleistet würde, von Gegnern wie Befürwortern von irgendwas. Zwangsläufig, denn beide Seiten benötigen Stimmen für oder gegen eine spezifische Angelegenheit, dies ist nicht gleichzusetzen mit dem vierjährigen Kreuzchenmachen und der Abgabe der Stimme im doppelten Sinn, bei deren Aquirierung man die Abstimmenden besser im Unklaren über seine Absichten läßt.

Die aktuelle Abstimmung in der Schweiz über das Einbürgerungsrecht ergab immerhin über 1/3 für die Selbstbestimmung der Gemeinden. Bereits ein deutliches Signal für die Politik, wenn sie es versteht. Auch dies kann dann indirekte Demokratie verändern, im Gegensatz zu gelegentlichen PR gags wie Meinungsumfragen.

Ich gebe dir aber vollumfänglich recht in der Einschätzung gewisser Rechtsausleger, die anscheinend glauben direkte Demokratie würde sie über das 0,x% Level hinauskatapultieren. Sie haben nunmal auch dort nicht mehr Stimmen als bei gewöhnlichen Wahlen.
Eben deshalb sehe ich ja auch kein Problem.

Ich denke auch nicht, daß die Leute gegen die MWSt gestimmt hätten (vorausgesetzt, diese Art der Beteiligung wäre bereits fest implementiert und auch in der allgemeinen Einschätzung der Folgen geübt). Die Schweizer stimmen regelmäßig über Steuern ab und zahlen immer noch welche.

Haspelbein
13.06.2008, 17:21
[...]
Ich denke auch nicht, daß die Leute gegen die MWSt gestimmt hätten (vorausgesetzt, diese Art der Beteiligung wäre bereits fest implementiert und auch in der allgemeinen Einschätzung der Folgen geübt). Die Schweizer stimmen regelmäßig über Steuern ab und zahlen immer noch welche.

Jedoch sehe ich dies durchaus als Zeichen fuer mehr direkte Demokratie, denn es zeigt, dass die Schweizer auch mit einem Volksentscheid verantwortungsbewusst mit dem Steuerrecht umgehen koennen.