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Vollständige Version anzeigen : Anstands-Knigge - heute ein alter Spinner oder Verlust von Werten



bernhard44
07.06.2008, 19:10
wehrte User,

"Über den Umgang mit Menschen"

Über den Umgang mit Menschen ist das bekannteste Werk des deutschen Schriftstellers Adolph Freiherr Knigge. war er ein Aufklärer oder wirklichkeitsfremder Romantiker? Oder war er gar ein Weichei?
Das Buch Über den Umgang mit Menschen war bereits zu Knigges Lebzeiten erfolgreich. Nach seinem Tod wurde es immer wieder von unterschiedlichen Herausgebern umgeschrieben und publiziert. Diese überarbeiteten es jeweils immer mehr als Anstandsfibel, zu einem ‚modernen Knigge‘, bis das Buch zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Knigge selber war jedoch an Ratschlägen völlig desinteressiert, wie man etwa Rot- zu Weißweingläsern auf dem gedeckten Tisch richtig platziert.
Trotzdem oder gerade deswegen, ist aber sein Name untrennbar verbunden mit den Begriffen, Anstand, gutes Benehmen, Manieren und höflicher zivilisierter Umgang miteinander.
Was ist geblieben von diesen Werten? Was sind sie uns heute noch wert?
Sind sie unmodern, gar überflüssig oder würden sie modernisiert und entstaubt, nicht helfen unseren Umgang miteinander und unser aller Zusammenleben zu erleichtern und ein Stück angenehmer werden zu lassen!

Auf ihre Reaktionen gespannt, verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr bernhard44 ;)

torun
07.06.2008, 21:37
wehrte User,

"Über den Umgang mit Menschen"

Über den Umgang mit Menschen ist das bekannteste Werk des deutschen Schriftstellers Adolph Freiherr Knigge. war er ein Aufklärer oder wirklichkeitsfremder Romantiker? Oder war er gar ein Weichei?
Das Buch Über den Umgang mit Menschen war bereits zu Knigges Lebzeiten erfolgreich. Nach seinem Tod wurde es immer wieder von unterschiedlichen Herausgebern umgeschrieben und publiziert. Diese überarbeiteten es jeweils immer mehr als Anstandsfibel, zu einem ‚modernen Knigge‘, bis das Buch zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Knigge selber war jedoch an Ratschlägen völlig desinteressiert, wie man etwa Rot- zu Weißweingläsern auf dem gedeckten Tisch richtig platziert.
Trotzdem oder gerade deswegen, ist aber sein Name untrennbar verbunden mit den Begriffen, Anstand, gutes Benehmen, Manieren und höflicher zivilisierter Umgang miteinander.
Was ist geblieben von diesen Werten? Was sind sie uns heute noch wert?
Sind sie unmodern, gar überflüssig oder würden sie modernisiert und entstaubt, nicht helfen unseren Umgang miteinander und unser aller Zusammenleben zu erleichtern und ein Stück angenehmer werden zu lassen!

Auf ihre Reaktionen gespannt, verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr bernhard44 ;)

Sehr geehrter bernhard44,

Kleine Gesten der Höflichkeit bringen, auch in diesen Zeiten der allgemeinen Verwahrlosung, erstaunliche Reaktionen hervor.
Etwa die erstaunte Bemerkung einer älteren Dame, der ich im Bus den Platz anbot. "Das sie das nochmal erleben würde, hätte sie nicht erwartet"
Wir sollten also die Hoffnung nicht aufgeben.

Ihnen einen schönen Abend wünschend verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen
torun

bernhard44
07.06.2008, 21:54
Sehr geehrter bernhard44,

Kleine Gesten der Höflichkeit bringen, auch in diesen Zeiten der allgemeinen Verwahrlosung, erstaunliche Reaktionen hervor.
Etwa die erstaunte Bemerkung einer älteren Dame, der ich im Bus den Platz anbot. "Das sie das nochmal erleben würde, hätte sie nicht erwartet"
Wir sollten also die Hoffnung nicht aufgeben.

Ihnen einen schönen Abend wünschend verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen
torun

wehrter "torun",

oft sind es diese Kleinigkeiten, die und den trüben Alltag erhellen, ein Lächeln, ein freundlicher Gruss, eine hilfreiche Geste!
Leider sind die gemeinen Massen deren schon so entwöhnt, das es leicht zu Missverständnissen kommen kann. Neulich hielt ich einer Frau, die beladen mit Tüten daher kam, eine Tür auf. Worauf sie mich fragte ob diese kaputt wäre.......

Auf weitere Korrespondenz hoffend, grüsse ich sie auf das herzlichste

Stanley_Beamish
07.06.2008, 21:55
Ich glaube, wenn man Kants kategorischen Imperativ beherzigt (in der Umgangssprache in etwa: "Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu!"), dann erleichtert das die zwischenmenschlichen Beziehungen enorm.

torun
07.06.2008, 22:22
wehrter "torun",

oft sind es diese Kleinigkeiten, die und den trüben Alltag erhellen, ein Lächeln, ein freundlicher Gruss, eine hilfreiche Geste!
Leider sind die gemeinen Massen deren schon so entwöhnt, das es leicht zu Missverständnissen kommen kann. Neulich hielt ich einer Frau, die beladen mit Tüten daher kam, eine Tür auf. Worauf sie mich fragte ob diese kaputt wäre.......

Auf weitere Korrespondenz hoffend, grüsse ich sie auf das herzlichste

wehrter Freund,

Es war im letzten Dezember, am Tage des Christfestes. Bei meinem nachmittäglichen Spaziergang mit den Hunden am Fluß entlang, bemerkte ich einen Mann der etwas verloren wirkend auf einer Parkbank saß. Der Mann war mir nicht bekannt, spontan wünschte ich ein frohes Fest. Einen Gegengruß habe ich nicht erwartet, umso überraschter war ich, als ich hörte "Ihnen auch" Und dann sagte er noch " Dieses Fest wird traurig für mich, meine Frau liegt im Krankenhaus, und heute Abend mit den Kindern wird es ein schwerer Gang dorthin für mich sein"
Sie verstehen mein Erstaunen, wie ein einfacher, nur aus gewohnter Höflichkeit gegebener, Wunsch einen mir unbekannten Menschen veranlaßt für einen Augenblick sein Inneres zu offenbaren.

Mit einem Gruß an Ihre Familie verabschiedet sich für heute
Ihr ergebener
torun

Rikimer
07.06.2008, 22:55
Seit den 68ern, gelobt oder verflucht seien sie, sind Werte, wie Anstand, Höflichkeit, Rücksicht etc. obsolet geworden und dort gelandet wo "rückständiges, unzeitgemäßes" zu ruhen pflegt: Auf dem Müllhaufen der Geschichte.

MfG

Rikimer

borisbaran
08.06.2008, 10:36
Der Sittenverfall ist so alt wie die Zivilisation. In JEDER Generation klagen die "Alten" über die Jugend, das sie achso verdorben sei. Diese Klagen sind derart abgeschamckt, das es auch den "Klagenden" langsam aufallen sollte.

Die Jugend liebt heute den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und diskutiert, wo sie arbeiten sollte. Die Jugend steht nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widerspricht den Eltern und tyrannisiert die Lehrer.

bernhard44
08.06.2008, 10:40
Nicht erst seit den 68ern, die Ganze Kacke geht schon seit Jahrhunderten, aber seit den 68ern wird es noch schlimmer.

so schmutzig Wort ist fehl am Platze hier!:]

Efna
08.06.2008, 10:59
Nicht erst seit den 68ern, die Ganze Kacke geht schon seit Jahrhunderten, aber seit den 68ern wird es noch schlimmer.

Die Anstandsregeln(wobei man sich fragen kann ob zumindestzens das Buch knigge nicht sehr übertrieben) die wir heute kennen(sprich Knigge und co.) sind eben noch nicht sehr alt. Selbst in der Zeit Knigge waren sie lediglich beim Adel gültig allgemein durchgesetzt haben sie sich vielleicht ab 1850.

malnachdenken
08.06.2008, 11:32
Ich glaube, wenn man Kants kategorischen Imperativ beherzigt (in der Umgangssprache in etwa: "Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu!"), dann erleichtert das die zwischenmenschlichen Beziehungen enorm.

Im Grunde eine einfache Regel.
Seltsam, dass dies nicht allumfassend prakitiziert wird. Sei es aus Unwissenheit oder weil es nicht gewollt wird.

Rikimer
08.06.2008, 21:59
Der Sittenverfall ist so alt wie die Zivilisation. In JEDER Generation klagen die "Alten" über die Jugend, das sie achso verdorben sei. Diese Klagen sind derart abgeschamckt, das es auch den "Klagenden" langsam aufallen sollte.

Ich lese daraus eher, das es ein Auf und Ab seit Anbeginn gibt. Momentan befinden wir uns ethisch, moralisch und sittlich in einem Ab. Danach müßte es ein Auf geben. Fragt sich eben nur wann und wie.

MfG

Rikimer

borisbaran
12.06.2008, 15:11
Ich lese daraus eher, das es ein Auf und Ab seit Anbeginn gibt. Momentan befinden wir uns ethisch, moralisch und sittlich in einem Ab. Danach müßte es ein Auf geben. Fragt sich eben nur wann und wie.

MfG

Rikimer

Nein. Die Alten jeder epoche behaupten, IHRE Epoche sei es, die ein "Ab" durchmache.

Rikimer
12.06.2008, 19:17
Nein. Die Alten jeder epoche behaupten, IHRE Epoche sei es, die ein "Ab" durchmache.

Das behauptest du. Ich glaube eher an so etwas wie das hegelsche Auf-Ab. Wobei er glaubt das sich durch These und Antithese eine Synthese und darüber hinaus ein stetiger evolutionärer Aufwärtsprozess ergibt im großen und ganzen betrachtet.

Ich glaube nicht an eine sittliche, ethische und moralische Höherentwicklung des Menschen. Eher an Zeiten, wo es mal weniger schlimm ist/war/sein wird und wo es auch gute Zeiten gab in Bezug auf das angesprochene ("Werte").

MfG

Rikimer

Rheinlaender
12.06.2008, 21:56
wehrte User,

"Über den Umgang mit Menschen"

Über den Umgang mit Menschen ist das bekannteste Werk des deutschen Schriftstellers Adolph Freiherr Knigge. war er ein Aufklärer oder wirklichkeitsfremder Romantiker? Oder war er gar ein Weichei?
Das Buch Über den Umgang mit Menschen war bereits zu Knigges Lebzeiten erfolgreich.

Knigge Buch ist keine "Anstandfiebel", die Worte "Messer und Gabel" kommen kein einziges Mal darin vor. Es ist ein Ratgeber in dem empfohlen wird, wie man verschieden Sorten Menschen behandeln sollte. Es ist ein buergerliches Buch gewesen in Zeiten in dem die Hofsitte mit ihrem strengen Reglement herrschte.

Knigge empfhielt keine Regeln, sondern schraenkt sich auf das was man "natuerlichen buergerlichen Umgang" nennen wuerde und auf Regeln, die sich aus der Lebenserfahrung ergeben. So gibt er Hinweise, dass man auf Reisen, wegen der schmutzigen Betten in Gasthauesern sein eigenes Bettzeug mitbringen solle oder warnt davor an Hoefen zu vertraulich zu sein.

Seine Ratschlaege zum Umgang mit Geheimgesellschaften sind ganz bestimmt nicht wirklichkeitsfremd, sondern basieren auf seiner Mitgliedschaft bei den Illuminaten.


Nach seinem Tod wurde es immer wieder von unterschiedlichen Herausgebern umgeschrieben und publiziert. Diese überarbeiteten es jeweils immer mehr als Anstandsfibel, zu einem ‚modernen Knigge‘, bis das Buch zur Unkenntlichkeit verändert worden war.

Nicht zur "Unkenntlichkeit" - sie haben mit Knigge einfac nichts, aber auch garnichts zu tun.


Was ist geblieben von diesen Werten? Was sind sie uns heute noch wert?

Es ist etwas wert, weil Knigge empfiehlt, sich seiner Umgebung anzupassen, ohne sich zu verleugnen. Er empfiehlt einen mittleren, buergerlichen Weg - ohne das strenge Getuhe an den Hoefen seiner Zeit.


verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung

Diese Formulierung haette bei Knigge heute wahrscheinlich Missfallen erzeugt, weil sie fuer den modernen Umgang zu gestelzt wirkt und altmodisch. Knigge empfiehlt eindeutig sich der Zeit gemaess gemaess zu verhalten und nicht veraltete Formen zu verwenden.

wintermute
12.06.2008, 23:28
Die Anstandsregeln(wobei man sich fragen kann ob zumindestzens das Buch knigge nicht sehr übertrieben)...

http://www.zeno.org/Literatur/M/Knigge,+Adolph+Freiherr+von/Schriften/Über+den+Umgang+mit+Menschen/Zweiter+Teil/8.+Kapitel

Übertrieben?

Rheinlaender
13.06.2008, 00:28
http://www.zeno.org/Literatur/M/Knigge,+Adolph+Freiherr+von/Schriften/Über+den+Umgang+mit+Menschen/Zweiter+Teil/8.+Kapitel

Übertrieben?

Ich habe Knigges Buch mehr als einmal gelesen, es ist etwas betuhlich fuer heutige Verhaeltnisse und auch natuerlich ueberholt (wenn z. B. er davon schreibt sich nicht fuer gute Reichsthaler minderwertige Kleinmuenzen als Wechselgeld geben zu lassen), aber ich finde dort einen guten und vernuenftig-ausgewogenden Kopf.

Rowlf
13.06.2008, 07:22
Höflichkeit und Respekt im Umgang mit anderen Menschen ist nie verkehrt.

I.Kant
13.06.2008, 07:52
Ich glaube, wenn man Kants kategorischen Imperativ beherzigt (in der Umgangssprache in etwa: "Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu!"), dann erleichtert das die zwischenmenschlichen Beziehungen enorm.

Dem kann ich nur zustimmen.

Das Problem in der heutigen Zeit ist weniger, dass die Besteckreihenfolge nicht eingehalten wird, als dass der Mensch seine Artgenossen bekämpft.
Dieser "Krieg" findet nicht auf dem Schlachtfeld in klar abgegrenzten Gruppen statt, sondern zieht sich bis hinunter in die zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Mensch als Individuum scheint die Arterhaltung vergessen zu haben.
Um diese Art und deren Kultur zu erhalten bedarf es Regeln, die eingehalten werden müssen.

Jede Generation rebelliert und versucht sich neu zu definieren, heute findet keine Suche statt, denn Menschen sind zu Wesen verkommen die sich verhalten, als hätte es keine Entwicklungsgeschichte gegeben.

Das schreibe ich dem Aufweichen unserer Kultur durch eine andere zu, deren Struktur völlig anders ist.
Anstatt die eigene Kultur zu schützen wird das Volk gezwungen sich der anderen, bei weitem nicht so entwickelten Kultur, anzupassen.

Deswegen ist heute das oberste Gebot die eigenen Werte zu leben und weiterzugeben.

McDuff
13.06.2008, 08:47
Feste gesellschaftliche Regeln und der richtige Umgang damit erleichtern das Leben doch sehr. Wie angenehm ist es doch, wenn man immer weiß, wie man sich richtig zu verhalten hat. Solange keine einengenden Zwänge durch Verhaltensregeln entstehen, sind sie doch als sozialisierendes Element zu befürworten.