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Vollständige Version anzeigen : Staatsform und Warenform in der marxistischen Debatte



Van Moorrison
04.06.2008, 13:27
1. Der Staat in seiner modernen - sich von älteren Staatsformen unterscheidenden - Form bedarf theoretischer Erklärung. Es geht hier um den bürgerlich-kapitalistischen Staat und seine ihm eigene Synthesis von kapitalistischer Produktionsweise und politischem System. Manche erklären die kapitalistische Produktionsweise einfach zu einer "natürlichen" oder doch zumindest anthropologisch fundierten Verhaltensdisposition im Sinne rationaler (manchmal auch noch "egoistischer") Wahlhandlungen zwischen gegeben Alternativen und freier Entfaltung des Privateigentums. Der Staat als von seiner Handlungslogik her anders geartetes Ordnungssystem erscheint dann als weniger "natürlich" weil von außen intervenierend in diesen "spontanen" (Hayek) Funktionsmechanismus.
Allein, die kapitalistische Produktionsweise ist von Menschen gemacht und genauso wenig „natürlich“ wie der Staat. Ein Blick auf die Staatsform und ihren Bezug zu den „Gesetzen des Kapitalismus“ lohnt sich deshalb nach wie vor.
2. Unter „sozialen Formen“ werden in der materialistischen Gesellschaftstheorie „den Menschen äußerlich und fremd gegenüberstehende Objekte bezeichnet, in denen ihr gesellschaftlicher Zusammenhang in einer verstellten, nicht unmittelbar durchschaubaren Weise zum Ausdruck kommt und mittels deren Gesellschaftlichkeit unter den bestehenden ökonomischen Bedingungen überhaupt erst möglich wird“ (Hirsch, Joachim 1995: Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, Amsterdam-Berlin, S. 17).
Wollen wir den modernen Staat als „soziale Form“ verstehen, müssen wir ihn gesellschaftswissenschaftlich rekonstruieren aus nicht mit ihm (tautologisch) identischen materiellen Beziehungen. Diese Rekonstruktions-Operation muß zunächst auf einer sehr hohen Abstraktionsebene statt finden, da wir hier noch keine Differenzierung zwischen verschiedenen Staatstypen vornehmen können, die sich im Verlaufe der kapitalistischen Entwicklung herausgebildet haben. Eine solche historisch differenzierte Analyse kann dann erst im Anschluß an die allgemeine Rekonstruktion des kapitalistischen Staates statt finden. Sie hebt das allgemeinere Konstrukt nicht auf, sondern zeigt nur die Vielfalt der Erscheinungsformen des bürgerlich-kapitalistischen Staates in der empirischen Realität. Joachim Hirsch hat in o.g. Buch „Der nationale Wettbewerbsstaat“ beides geleistet und seine Untersuchungen sollen im Folgenden eingehend herangezogen werden.
3. Die prinzipielle, der marxistischen Staatsableitungs-Debatte zugrunde liegende Frage formuliert Joachim Hirsch so:

Zu fragen ist nach dem bestimmten Verhältnis zwischen Struktur und Reproduktionszusammenhang der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft und der für sie spezifischen Form des Politischen. Staatstheorie setzt somit eine adäquate Kapitalismustheorie voraus, eine Kapitalismustheorie, die zudem in der Lage ist, die historischen Veränderungen dieser gesellschaftlichen Formation und der für sie charakteristischen politischen Strukturen zu erklären".
http://www.trend.infopartisan.net/trd0305/t330305.html
Eine solche Kapitalismustheorie liegt mit der Marxschen Gesellschaftstheorie vor. Dabei stellt die Kritik der Politischen Ökonomie zunächst die sozialen Formen Wert, Geld und Kapital in ihren Mittelpunkt. Dabei kommt in der Wert- bzw. Geldform die Gesellschaftlichkeit arbeitsteiliger, voneinander getrennt produzierender Privatarbeiten zur Geltung. „Gesellschaft“ stellt sich unter den Bedingungen kapitalistischer Arbeitsteilung und privaten Produktionsmittelbesitzes nämlich nur noch über die Wertform her, deren handgreifliche, objektivierte Form das Geld ist. Eine unmittelbare Gesellschaftlichkeit gibt es unter den Produktionsbedingungen des Kapitals nicht, nur noch eine über die Wertform vermittelte. "Gesellschaft" stellt sich hier also über den Tausch und die dergestalt hergestellte Interdependenz der Produzenten untereinander her. Das Geld wiederum zirkuliert als Kapital, denn Produktionsmittel und Arbeitskraft stehen in einem gesellschaftlichen Verhältnis, in dem das Geld beständig seine quantitative Verwertung sucht über die produktive Vernutzung von Arbeit und Technologie. Geld wird investiert um mehr Geld zu werden und somit ist jede Ware (auch die „Ware Arbeitskraft“) nur ein Moment in der Verwertungsbewegung des Kapitals. „Politik“ kann also nur innerhalb dieses systemischen Reproduktionsmechanismus gedacht werden. Wo ist nun die Stelle, an welcher der Staat in dieses kapitalistische Produktionsverhältnis eintritt und welche spezifische Funktion kommt ihm hierbei zu?
4. Joachim Hirsch hat die Debatte um die Staatsform aus den siebziger Jahren sehr anschaulich zusammen gefasst und deshalb zitiere ich seine Ausführungen im Kontext:

Ein grundlegendes, wenn auch nicht funktional vorgegebenes, sondern - wie sich gerade im vorliegenden Zusammenhang zeigen wird - immer prekäres und umkämpftes Strukturmerkmal der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft ist die Herausbildung einer von den gesellschaftlichen Individuen, Gruppen und Klassen formell abgesonderten politischen Instanz und damit die Trennung von "Staat" und "Gesellschaft", von "Politik" und "Ökonomie". Für eine Gesellschaft, deren Ausbeutungs- und Klassenverhältnisse wertgesetzlich und marktvermittelt, d.h. mittels arbeitsteiliger Privatproduktion, Lohnarbeit und Warentausch reproduziert werden, ist die Verselbständigung und Zentralisierung der physischen Zwangsgewalt getrennt von allen gesellschaftlichen Klassen, auch der ökonomisch herrschenden, eine grundlegende Bestands- und Reproduktionsvoraussetzung. Diese Form des Politischen, d.h. die "Besonderung" oder "relative Autonomie" des Staates ist somit ein integraler Bestandteil des kapitalistischen Produktionsverhältnisses selbst.
http://www.trend.infopartisan.net/trd0305/t330305.html
Der kapitalistische Produktionsprozeß selbst – wenn er als gesellschaftliches Produktionsverhältnis und nicht liberal-neoklassisch als „Naturzustand“ verstanden wird – benötigt also für sein Funktionieren einen institutionellen Rahmen, der sowohl die rechtlichen Voraussetzungen des Privateigentums schafft (formale Voraussetzungen) als auch eine allgemeine Legitimation der Produktionsweise bei den eigentumslosen Klassen (substanzielle Voraussetzungen). Die Interessen der herrschenden Klasse müssen nämlich erstens auf einem institutionell-rechtlich abgesicherten und von der beherrschten Klasse selbst anerkannten Weg verallgemeinert werden. Und zweitens muß garantiert sein, daß die Interessen der herrschenden Klasse nicht die Ordnung selbst gefährden, denn die herrschende Klasse denkt eindimensional und ist mikroökonomisch borniert. Ohne eine gewisse materielle „Entschädigung“ würde allerdings der Integration der beherrschten Klasse der materielle Boden entzogen und ein offener Klassenkampf an die Stelle der staatlich organisierten Moderation treten.
Der Staat als „ideeller Gesamtkapitalist“ muß also die Integration der beherrschten Klasse in das Kapitalverhältnis vermitteln und die partikularen Interessen einzelner Kapitalverbände kohärent zusammenführen ohne das Kapitalverhältnis als solches zu gefährden. Gewissermaßen muß der Staat also vermeiden, daß Klassenkonflikte und Borniertheiten in einen offen Krieg führen und die isolierten, konkurrenzförmig vermittelten Marktsubjekte direkt übereinander herfallen.
Der kapitalistische Staat ist „weder ein eigenständiges Subjekt, noch eine bloß zweckrationale Organisation, sondern eine Form der Institutionalisierung sozialer Verhältnisse, genauer ein Kristallisationspunkt (Poulantzas) von widersprüchlichen Sozial- und Klassenbeziehungen“ (Joachim Hirsch).
Er ist in diesem Sinne nie „neutral“, sondern ein die Kapitalverwertung institutionell absicherndes Institutionengefüge. Der bürgerliche Staat ist ein Feld sozialer Kämpfe (Sozialstaat oder „Standort“?) und als solcher in einer klassenlosen Gesellschaft undenkbar. Eine einfache „Übernahme der Macht“ stellt somit noch längst nicht eine Überwindung des Kapitalismus dar, sondern bestenfalls eine Kräfteverschiebung innerhalb der Institution. Da Staat und Kapital aber nur zwei Seiten derselben Medaille sind, können auch staatssozialistische Systeme nicht als „klassenlose Gesellschaften“ verstanden werden. Allein die Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen Kapital und Staat wurde im sowjetischen Herrschaftsbereich tangiert, die soziale Konfiguration als solche aber nicht.

Van Moorrison

cajadeahorros
04.06.2008, 13:44
(...)

Van Moorrison

Herzlich Willkommen! Zuviel Text, ich kann es aus Zeitmangel wahrscheinlich nicht lesen und 90% der anderen Bewohner hier liest 2 Reizwörter und wird gleich über dich herfallen...

Es sei denn natürlich du schreibst wie einige andere aus Spaß am Thmea.

politisch Verfolgter
04.06.2008, 13:45
Was soll der marxistische Unsinnsschwulst?
Die Marktwirtschaft ist vielmehr vom mod. Feudalismus zu entlasten.
Per Entsorgung der verbrecherischen Arbeitsgesetzgebung kommen wir zu einer Leistungsgesellschaft.
Dabei ist der value individuell leistungsäquivalent zu erwirtschaften, regelmäßig auszuschütten und leistungsgerecht zu verteilen.
Für die Nutzung geeigneter betriebl. Renditeobjekte ist entsprechend zu bezahlen. Wofür man nix bezahlen kann, das taugt in einer Marktwirtschaft nix.
User value geht überall, wo auch eignerzentriert keinerlei Inhaberaktivität erforderlich ist.
Kapital repräsentiert die materiellen Freiheitsgrade individueller Selbstverwirklichung.

Ach ja, und ebenfalls herzliche Begrüßung hier von mir ;-)

vG pV

wtf
04.06.2008, 13:47
Ich finde User Value irgendwie sympathischer. Das obenstehende hat etwas spießig-dröges 68er-mäßiges an sich.

politisch Verfolgter
04.06.2008, 13:48
"irgendwie" is mir zu schwach ausgedrückt ;-)

Van Moorrison
04.06.2008, 13:55
Ich finde User Value irgendwie sympathischer. Das obenstehende hat etwas spießig-dröges 68er-mäßiges an sich.
Ich wurde 1968 geboren, also kann man mich mit dieser Generation schlecht identifizieren.
Natürlich könnte ich jetzt sagen, dass mir Dein Beitrag postmodern-denkfaul vorkommt, aber das wäre zu einfach. Warum für Dich Kritische Theorie aber "spießig" ist verstehe ich nicht.
Kannst Du das begründen?

Van

Rheinlaender
04.06.2008, 13:56
Soll dieser Text nun als abschreckendes Beispiel gelten, wie manche Theortiker mit vielen Worten, schauderhaften Saetzen, verzweifelt auf dialektisch getrimmt, in grottenlangweiligen Texten triviale Erkenntnisse unters Volk streuen?

Zur Sache: Natuerlich ist der "buergerliche Staat" in einer klassenlosen Gesellschaft undenkbar, wie der feudale lehnsstatt in einer kapitalistischen Gesellschaft.

Das die SU die soziale "Konfiguration" ihrer Gesellschaften mehr als tangierte duerfte wohl offensichtlich sein. Nur auf eine unterwicklete Agrargesellschaft und das System Stalin die Methodik anzuwenden, die Karl Marx fuer hochentwickelte kapitalsitische Gesellschaften darstellte erscheint doch "eigen".

Es gab in Russland von 1917 kein Kraefteverhaeltnis Kapital-Staat, weil das Kapital als politisch-domonierende Klasse nicht vorhanden war, sowenig wie das Buergerthum.

Van Moorrison
04.06.2008, 13:59
Was soll der marxistische Unsinnsschwulst?
Die Marktwirtschaft ist vielmehr vom mod. Feudalismus zu entlasten.
Per Entsorgung der verbrecherischen Arbeitsgesetzgebung kommen wir zu einer Leistungsgesellschaft.
Dabei ist der value individuell leistungsäquivalent zu erwirtschaften, regelmäßig auszuschütten und leistungsgerecht zu verteilen.
Für die Nutzung geeigneter betriebl. Renditeobjekte ist entsprechend zu bezahlen. Wofür man nix bezahlen kann, das taugt in einer Marktwirtschaft nix.
User value geht überall, wo auch eignerzentriert keinerlei Inhaberaktivität erforderlich ist.
Kapital repräsentiert die materiellen Freiheitsgrade individueller Selbstverwirklichung.

Ach ja, und ebenfalls herzliche Begrüßung hier von mir ;-)

vG pV
Auf meinen Beitrag bist Du ja gar nicht eingegangen.
An der Arbeitsgesetzgebung kann man einiges aussetzen, aber warum sollte sie "verbrecherisch" sein?
Weil sie dem Kapital bestimmte Grenzen im Umgang mit seinen "Arbeitnehmern" auferlegt?
Was sollte an seine Stelle treten?
Ein unregulierter (und damit undemokratischer) Manchester-Kapitalismus?
Das wollen praktisch nur BDI und FDP, die Mehrzahl der Menschen weiß aber sehr gut, dass diese Höllenmaschine Massenarmut, Entrechtung, Entwürdigung und Tod bringen würde.

Van

wtf
04.06.2008, 14:05
Warum für Dich Kritische Theorie aber "spießig" ist verstehe ich nicht.
Kannst Du das begründen?


Ich bin ein schlichter Geist und brauche zum Verständnis kurze, prägnante und verständliche Sätze.

Meine Erfahrung ist, daß es eine umgekehrte Korrelation zwischen Satzlänge und sinnhaftem Inhalt gibt. Wenn man einen Beitrag nicht in ein, zwei Sätzen zusammenfassen kann, hat er sein Ziel verfehlt (um es milde auszudrücken).

Rheinlaender
04.06.2008, 14:08
Meine Erfahrung ist, daß es eine umgekehrte Korrelation zwischen Satzlänge und sinnhaftem Inhalt gibt.

Es gibt Ausnahmen - I Kant war so eine. Interessanterweise schrieb Marx selber ein ziemlich praegnates Deutsch, sogar teilweise ziemlich kurzweilig.

Van Moorrison
04.06.2008, 14:18
Ich bin ein schlichter Geist und brauche zum Verständnis kurze, prägnante und verständliche Sätze.

Meine Erfahrung ist, daß es eine umgekehrte Korrelation zwischen Satzlänge und sinnhaftem Inhalt gibt. Wenn man einen Beitrag nicht in ein, zwei Sätzen zusammenfassen kann, hat er sein Ziel verfehlt (um es milde auszudrücken).

Also fasse ich ihn Dir zusammen:

Der kapitalistische Staat ist der notwendige Ordnungsrahmen für die kapitalistische Produktionsweise, denn er stellt die rechtlichen Ordnungsschemata für kapitalistische Märkte bereit und erwirkt effizienzsteigernde Klassenkompromisse.

Näheres oben im längeren Text.
Jetzt zufrieden?
:) :) :)
Van

Van Moorrison
10.06.2008, 17:13
Zur Sache: Natuerlich ist der "buergerliche Staat" in einer klassenlosen Gesellschaft undenkbar, wie der feudale lehnsstatt in einer kapitalistischen Gesellschaft.
Das ist richtig.
An der Stelle sollte das Denken aber nicht aufhören, sondern anfangen, nämlich mit den Fragen:

--Was sind eigentlich die strukturellen Charakteristika der kapitalistischen Gesellschaft?

--Wie hängen Staat und Ökonomie zusammen im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise?

--Wie ist dieses Verhältnis historisch entstanden und wie haben sich die institutionellen Konfigurationen entwickelt? (=> Regulationstheorie)

Das finde ich schon bedenkenswert, wenn man ernsthaft analytisch arbeiten und nicht nur oberflächlichen Käse zusammen schreiben möchte.

Van

Rheinlaender
10.06.2008, 17:31
Das ist richtig.
An der Stelle sollte das Denken aber nicht aufhören, sondern anfangen, nämlich mit den Fragen:

Die erste Frage muss sein welche Funktionen hat der moderne buergerlich Staat. Er hat heute einem Umfang wie nie.

Ich habe schonmal ausgefuehrt: Die zentrale Verwaltung Englands kam unter Elizabeth I mit etwas um die 600 Beamten und Angestellten aus. England hatte damals eine Bevoelkerung von 5 Mio. Einwohnern. Das war in der Fruehzeit des Kapitalismus. Heute hat das UK eine Bevoelkerung von 61 Mio. - Der Civil Service des UK, also die Beamten, die direkt der Koenigin unterstehen, sind 700'000.

Waerend also noch die letzte Tudor mit rund einem Beamten auf 8300 Unterthanen auskam, benoetig ihre zweite ihres Namens einen Beamte zur Verwaltung 87 Unterthanen. Dabei sind nicht mitgezaehlt die Beamten der Councils, etc.

Die Staatsquote unter Victoria bewegte sich im Bereich von 10%, heute liegt bei etwas 30% und ist noch einer der niedrigen innerhalb der hochentwickleten kapitalistischen Laender.

Wenn ich also marxistisch die Frage herangehen will, muss erstmal verstehen, warum wir diese exorbitanten Staatsapparate ueberhaupt haben.

Klopperhorst
10.06.2008, 17:53
Es gibt Ausnahmen - I Kant war so eine. ...

Aber nur in der Transzendentalen Ästhetik. Die Praktische Vernunft kann man in die Tonne treten, auch wenn sie dir wahrscheinlich am ehesten zuspricht. Letztendlich aber liturgischer Köhlerglaube, mehr nicht.


Die Axiome Kants lass sich ebenfalls mit ein paar knackigen Sätzen zusammenfassen.


Und ansonsten gilt auch hier der Spruch meines geistigen Lehrers:

Viele Worte, die gemacht werden, um einfache Gedanken mitzuteilen, sind ein untrügliches Zeichen der Mittelmäßigkeit.
(Arthur Schopenhauer, dt. Philosoph)


---

Rheinlaender
10.06.2008, 17:56
Aber nur in der Transzendentalen Ästhetik. Die Praktische Vernunft kann man in die Tonne treten, auch wenn sie dir wahrscheinlich am ehesten zuspricht. Letztendlich aber liturgischer Köhlerglaube, mehr nicht.

Off-Topic:Kants Kampf war mit der Zensur, die insbesonder unter Friedrich-Wilhelm II verschaerft wurde. Er tat gut daran so zu formulieren, dass der Zensor nicht revolutionaeres entdeckte, selbst wenn Kants Schriften die Grundlagen des pruessische Gottesgnadenthums in Boden tratten. - zumindest mein Verdacht.

Van Moorrison
11.06.2008, 14:55
Die erste Frage muss sein welche Funktionen hat der moderne buergerlich Staat. Er hat heute einem Umfang wie nie.

Ich habe schonmal ausgefuehrt: Die zentrale Verwaltung Englands kam unter Elizabeth I mit etwas um die 600 Beamten und Angestellten aus. England hatte damals eine Bevoelkerung von 5 Mio. Einwohnern. Das war in der Fruehzeit des Kapitalismus. Heute hat das UK eine Bevoelkerung von 61 Mio. - Der Civil Service des UK, also die Beamten, die direkt der Koenigin unterstehen, sind 700'000.

Waerend also noch die letzte Tudor mit rund einem Beamten auf 8300 Unterthanen auskam, benoetig ihre zweite ihres Namens einen Beamte zur Verwaltung 87 Unterthanen. Dabei sind nicht mitgezaehlt die Beamten der Councils, etc.

Die Staatsquote unter Victoria bewegte sich im Bereich von 10%, heute liegt bei etwas 30% und ist noch einer der niedrigen innerhalb der hochentwickleten kapitalistischen Laender.

Wenn ich also marxistisch die Frage herangehen will, muss erstmal verstehen, warum wir diese exorbitanten Staatsapparate ueberhaupt haben.
Deine Frage bezieht sich, wenn ich Dich richtig verstehe, auf die Aufblähung des bürokratischen Apparates. Da gebe ich Dir Recht, da ist einiges im Argen, wobei die Alternative Privatisierung und Deregulierung im Gegensatz zur liberal-dogmatischen Version auch viele Probleme mit sich bringt. Ich verweise da nur mal auf die Homepage von Werner Rügemer (http://www.werner-ruegemer.de/). Ein einfaches Herunterfahren der Staatsquote bringt ja auch nicht automatisch die wirklich beste Lösung für alle. Auch über die tatsächlichen Gründe der hohen Staatsquote gibt es unterschiedliche Ansichten.
Die Frage, die ich im Rahmen dieses Threads aber aufgeworfen habe war generell die nach der Form des Politischen in der bürgerlichen Gesellschaft. Im Anschluß daran kann man z.B. anhand der Regulationstheorie (http://de.wikipedia.org/wiki/Regulationstheorie) oder des Neogramscianismus (http://de.wikipedia.org/wiki/Neogramscianismus) viele institutionelle Arrangements untersuchen und bewerten.

Van

Sathington Willoughby
20.06.2008, 11:18
1. Der Staat in seiner modernen - sich von älteren Staatsformen unterscheidenden - Form bedarf theoretischer Erklärung. Es geht hier um den bürgerlich-kapitalistischen Staat und seine ihm eigene Synthesis von kapitalistischer Produktionsweise und politischem System. Manche erklären die kapitalistische Produktionsweise einfach zu einer "natürlichen" oder doch zumindest anthropologisch fundierten Verhaltensdisposition im Sinne rationaler (manchmal auch noch "egoistischer") Wahlhandlungen zwischen gegeben Alternativen und freier Entfaltung des Privateigentums. Der Staat als von seiner Handlungslogik her anders geartetes Ordnungssystem erscheint dann als weniger "natürlich" weil von außen intervenierend in diesen "spontanen" (Hayek) Funktionsmechanismus.
Allein, die kapitalistische Produktionsweise ist von Menschen gemacht und genauso wenig „natürlich“ wie der Staat. Ein Blick auf die Staatsform und ihren Bezug zu den „Gesetzen des Kapitalismus“ lohnt sich deshalb nach wie vor.
2. Unter „sozialen Formen“ werden in der materialistischen Gesellschaftstheorie „den Menschen äußerlich und fremd gegenüberstehende Objekte bezeichnet, in denen ihr gesellschaftlicher Zusammenhang in einer verstellten, nicht unmittelbar durchschaubaren Weise zum Ausdruck kommt und mittels deren Gesellschaftlichkeit unter den bestehenden ökonomischen Bedingungen überhaupt erst möglich wird“ (Hirsch, Joachim 1995: Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, Amsterdam-Berlin, S. 17).
Wollen wir den modernen Staat als „soziale Form“ verstehen, müssen wir ihn gesellschaftswissenschaftlich rekonstruieren aus nicht mit ihm (tautologisch) identischen materiellen Beziehungen. Diese Rekonstruktions-Operation muß zunächst auf einer sehr hohen Abstraktionsebene statt finden, da wir hier noch keine Differenzierung zwischen verschiedenen Staatstypen vornehmen können, die sich im Verlaufe der kapitalistischen Entwicklung herausgebildet haben. Eine solche historisch differenzierte Analyse kann dann erst im Anschluß an die allgemeine Rekonstruktion des kapitalistischen Staates statt finden. Sie hebt das allgemeinere Konstrukt nicht auf, sondern zeigt nur die Vielfalt der Erscheinungsformen des bürgerlich-kapitalistischen Staates in der empirischen Realität. Joachim Hirsch hat in o.g. Buch „Der nationale Wettbewerbsstaat“ beides geleistet und seine Untersuchungen sollen im Folgenden eingehend herangezogen werden.
3. Die prinzipielle, der marxistischen Staatsableitungs-Debatte zugrunde liegende Frage formuliert Joachim Hirsch so:

Eine solche Kapitalismustheorie liegt mit der Marxschen Gesellschaftstheorie vor. Dabei stellt die Kritik der Politischen Ökonomie zunächst die sozialen Formen Wert, Geld und Kapital in ihren Mittelpunkt. Dabei kommt in der Wert- bzw. Geldform die Gesellschaftlichkeit arbeitsteiliger, voneinander getrennt produzierender Privatarbeiten zur Geltung. „Gesellschaft“ stellt sich unter den Bedingungen kapitalistischer Arbeitsteilung und privaten Produktionsmittelbesitzes nämlich nur noch über die Wertform her, deren handgreifliche, objektivierte Form das Geld ist. Eine unmittelbare Gesellschaftlichkeit gibt es unter den Produktionsbedingungen des Kapitals nicht, nur noch eine über die Wertform vermittelte. "Gesellschaft" stellt sich hier also über den Tausch und die dergestalt hergestellte Interdependenz der Produzenten untereinander her. Das Geld wiederum zirkuliert als Kapital, denn Produktionsmittel und Arbeitskraft stehen in einem gesellschaftlichen Verhältnis, in dem das Geld beständig seine quantitative Verwertung sucht über die produktive Vernutzung von Arbeit und Technologie. Geld wird investiert um mehr Geld zu werden und somit ist jede Ware (auch die „Ware Arbeitskraft“) nur ein Moment in der Verwertungsbewegung des Kapitals. „Politik“ kann also nur innerhalb dieses systemischen Reproduktionsmechanismus gedacht werden. Wo ist nun die Stelle, an welcher der Staat in dieses kapitalistische Produktionsverhältnis eintritt und welche spezifische Funktion kommt ihm hierbei zu?
4. Joachim Hirsch hat die Debatte um die Staatsform aus den siebziger Jahren sehr anschaulich zusammen gefasst und deshalb zitiere ich seine Ausführungen im Kontext:

Der kapitalistische Produktionsprozeß selbst – wenn er als gesellschaftliches Produktionsverhältnis und nicht liberal-neoklassisch als „Naturzustand“ verstanden wird – benötigt also für sein Funktionieren einen institutionellen Rahmen, der sowohl die rechtlichen Voraussetzungen des Privateigentums schafft (formale Voraussetzungen) als auch eine allgemeine Legitimation der Produktionsweise bei den eigentumslosen Klassen (substanzielle Voraussetzungen). Die Interessen der herrschenden Klasse müssen nämlich erstens auf einem institutionell-rechtlich abgesicherten und von der beherrschten Klasse selbst anerkannten Weg verallgemeinert werden. Und zweitens muß garantiert sein, daß die Interessen der herrschenden Klasse nicht die Ordnung selbst gefährden, denn die herrschende Klasse denkt eindimensional und ist mikroökonomisch borniert. Ohne eine gewisse materielle „Entschädigung“ würde allerdings der Integration der beherrschten Klasse der materielle Boden entzogen und ein offener Klassenkampf an die Stelle der staatlich organisierten Moderation treten.
Der Staat als „ideeller Gesamtkapitalist“ muß also die Integration der beherrschten Klasse in das Kapitalverhältnis vermitteln und die partikularen Interessen einzelner Kapitalverbände kohärent zusammenführen ohne das Kapitalverhältnis als solches zu gefährden. Gewissermaßen muß der Staat also vermeiden, daß Klassenkonflikte und Borniertheiten in einen offen Krieg führen und die isolierten, konkurrenzförmig vermittelten Marktsubjekte direkt übereinander herfallen.
Der kapitalistische Staat ist „weder ein eigenständiges Subjekt, noch eine bloß zweckrationale Organisation, sondern eine Form der Institutionalisierung sozialer Verhältnisse, genauer ein Kristallisationspunkt (Poulantzas) von widersprüchlichen Sozial- und Klassenbeziehungen“ (Joachim Hirsch).
Er ist in diesem Sinne nie „neutral“, sondern ein die Kapitalverwertung institutionell absicherndes Institutionengefüge. Der bürgerliche Staat ist ein Feld sozialer Kämpfe (Sozialstaat oder „Standort“?) und als solcher in einer klassenlosen Gesellschaft undenkbar. Eine einfache „Übernahme der Macht“ stellt somit noch längst nicht eine Überwindung des Kapitalismus dar, sondern bestenfalls eine Kräfteverschiebung innerhalb der Institution. Da Staat und Kapital aber nur zwei Seiten derselben Medaille sind, können auch staatssozialistische Systeme nicht als „klassenlose Gesellschaften“ verstanden werden. Allein die Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen Kapital und Staat wurde im sowjetischen Herrschaftsbereich tangiert, die soziale Konfiguration als solche aber nicht.

Van Moorrison

Die Anleitung für den Lohnsteuerjahresausgleich liest sich leichter als deine Ergüsse. Ich wette, du verstehst selber nicht, was du hier schreibst.

Wollen wir den modernen Staat als „soziale Form“ verstehen, müssen wir ihn gesellschaftswissenschaftlich rekonstruieren aus nicht mit ihm (tautologisch) identischen materiellen Beziehungen.Was für eine gequirlte Scheiße!

Rheinlaender
20.06.2008, 12:42
Deine Frage bezieht sich, wenn ich Dich richtig verstehe, auf die Aufblähung des bürokratischen Apparates.

Darum geht es nicht - es geht darum, dass eine Institution, die rund 40% aller erzeugten Gueter (!) verteilt nicht mehr der klassischen marxistishcen Staatstheorie erklaert werden kann.

Frei-denker
20.06.2008, 12:52
Die Anleitung für den Lohnsteuerjahresausgleich liest sich leichter als deine Ergüsse. Ich wette, du verstehst selber nicht, was du hier schreibst.
Was für eine gequirlte Scheiße!

Aber eine abgehobene Verklausulierung hat den Vorteil, dass man sich so mit dem Nimbus der Intellektualität umgeben kann - auch wenns nur dem Schein nach ist.

In der direkten sachlichen Auseinandersetzung neigt unser junger Freund hingegen schnell dazu, in agumentativer Hilflosigkeit in Standart-Fäkaliensprache abzurutschen.

Halt Jeder wie er kann...

Van Moorrison
20.06.2008, 14:23
Aber eine abgehobene Verklausulierung hat den Vorteil, dass man sich so mit dem Nimbus der Intellektualität umgeben kann - auch wenns nur dem Schein nach ist.

In der direkten sachlichen Auseinandersetzung neigt unser junger Freund hingegen schnell dazu, in agumentativer Hilflosigkeit in Standart-Fäkaliensprache abzurutschen.

Halt Jeder wie er kann...
Aber Du hast hier ja wieder einen glänzenden Beitrag zum Thread-Thema "Staatsform und Warenform in der marxistischen Debatte" abgeliefert.
:rolleyes: :rolleyes: :rolleyes:
Und auch Zaphod scheint schon einen derartigen Dauerkrampf im rechten Arm zu haben, dass ihm der Umgang mit der Tastatur genauso schwer fällt wie die Aktivierung seiner bescheidenen Gehirnmasse.

Van

Sathington Willoughby
20.06.2008, 18:00
Aber Du hast hier ja wieder einen glänzenden Beitrag zum Thread-Thema "Staatsform und Warenform in der marxistischen Debatte" abgeliefert.
:rolleyes: :rolleyes: :rolleyes:
Und auch Zaphod scheint schon einen derartigen Dauerkrampf im rechten Arm zu haben, dass ihm der Umgang mit der Tastatur genauso schwer fällt wie die Aktivierung seiner bescheidenen Gehirnmasse.

Van

Der einzige Krampf, den ich habe, ist der Lachkrampf, wenn ich deine verdrehten Texte lese.


Wollen wir den modernen Staat als „soziale Form“ verstehen, müssen wir ihn gesellschaftswissenschaftlich rekonstruieren aus nicht mit ihm (tautologisch) identischen materiellen Beziehungen. Diese Rekonstruktions-Operation muß zunächst auf einer sehr hohen Abstraktionsebene statt finden, da wir hier noch keine Differenzierung zwischen verschiedenen Staatstypen vornehmen können, die sich im Verlaufe der kapitalistischen Entwicklung herausgebildet haben. Eine solche historisch differenzierte Analyse kann dann erst im Anschluß an die allgemeine Rekonstruktion des kapitalistischen Staates statt finden. Sie hebt das allgemeinere Konstrukt nicht auf, sondern zeigt nur die Vielfalt der Erscheinungsformen des bürgerlich-kapitalistischen Staates in der empirischen Realität. Was will uns der Autor damit sagen?
Er sagt: Ihr sollt mich nicht verstehen, sondern bewundern!
Weil ich so schön verdrehte Texte schreibe, von denen ihr denken sollt, das ich sie verstehe.

Van Moorrison
23.06.2008, 17:12
Was will uns der Autor damit sagen?
Er sagt: Ihr sollt mich nicht verstehen, sondern bewundern!
Weil ich so schön verdrehte Texte schreibe, von denen ihr denken sollt, das ich sie verstehe.
Wenn Du einfach einen Text nicht verstehst, könntest Du fragen, also genau sagen, welche Begriffe oder Aussagen Du nicht verstehst (Verständnisfragen beantworte ich IMMER).
Offenbar willst Du aber nicht verstehen, weil Dein rechtsextremes Weltbild keinen kritischen Gedanken ertragen kann. Deshalb mußt Du Dir selber jede Erkenntnis verbieten, die nicht mit Deiner Selbstausrichtung auf das völkische Denken vereinbar ist.
Schade.

Van