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Vollständige Version anzeigen : Wie kann man Ideologien erkennen ?



Michael (C)
28.11.2004, 23:19
Wie erkennt man am konkretesten,
wenn man es mit einer Ideologie zu tun hat ?

Wie kann man das in Worte fassen,
ohne Namen nennen zu müssen,
wie z.B. Kommunismus oder Liberalismus ?

Danke für ernsthafte Beiträge.

HeilsbringeR
28.11.2004, 23:26
Wenn sich die Menschen der Idee anpassen müssen und nichtmehr die Idee den Menschen. Dann würde ich von einer Ideologie sprechen.

Michael (C)
28.11.2004, 23:32
Danke.

Diesen Satz ist eine sehr konkrete Antworten auf die Frage.
Er läßt zudem völlig offen, wen es trifft,
da der Ideologe sich dabei selbst entlarven muß.

Danke für die Antwort.

Leyla
28.11.2004, 23:32
Wie erkennt man am konkretesten,
wenn man es mit einer Ideologie zu tun hat ?

Wie kann man das in Worte fassen,
ohne Namen nennen zu müssen,
wie z.B. Kommunismus oder Liberalismus ?

Hallo Michael,

Beim Liberalismus ist es schwer, weil das Wort schon mal sehr gegensätzlich ausgelegt wird. Eine liberale Sexualmoral bedeutet mehr Freiheit für jeden einzelnen Menschen und v.A. mehr Frauenrechte, als sie in vielen Ländern üblich sind. So gesehen kann, will und muss ich auch als Kommunistin liberal sein.

Wirtschaftsliberalismus dagegen bedeutet in Schlangworten ausgedrückt: der Markt soll sich selber regulieren; alles wird von Angebot und Nachfrage bestimmt - und der einzelne Mensch muss sich so gut wie möglich verkaufen, sonst ist er selber schuld wenn er unter die Räder kommt.

So gesehen sind Kommunisten gar nicht liberal.

Schwind
28.11.2004, 23:33
Ich finde irgendwie, dass die Frage nach einer zu konkreten Antwort sucht, die es hierbei eigentlich gar nicht gibt. Muss man Ideologien als solche erkennen? Klingt seltsam, als wären Ideologien eine Spezies.

Und trotzdem fand ich HeilsbringeRs Definition trotz ihrer Kürze verblüffend einleuchtend! Respekt.

MfG
Eneb

Manfred_g
28.11.2004, 23:34
Wenn sich die Menschen der Idee anpassen müssen und nichtmehr die Idee den Menschen. Dann würde ich von einer Ideologie sprechen.

Gefällt mir. Kurz und prägnant.

Michael (C)
28.11.2004, 23:39
Zum Liberalismus !

Hallo Leyla !

Liberalismus betont ja nicht nur die Verantwortung des Einzelnen,
sondern auch seine Freiheiten, dieser Verantwortung gerecht zu werden.

Ob der Einzelne - dem man Freiheiten gibt - auch seine Pflichten wahrnimmt ?
Wie soll ein Verbraucher, der in einem Wolfs-Wirtschaftssystem zurecht kommen muß,
wie soll so ein Verbraucher, Verantwortung für das Ganze finden und gerecht werden ?

Der Liberalismus erscheint wie Kehrt-Ideologie des Kommunismus zu sein.
Aber dann doch eine Ideologie.

Nach dem Motto:
Zwar gut gedacht, aber eben nur zur Hälfte fertig gedacht.
Dem Menschen etwas aufgebürdet, was er schon von Prinzip wegen
nicht leisten kann,
da man nicht in zwei Richtungen gleichzeitig gehen kann.

Gruß
Michael

Michael (C)
28.11.2004, 23:41
Ideologie wichtig zu erkennen ?

Ich meine schon.
Denn eine Ideologie betrügt nicht nur sich selbst,
sondern auch die Menschen, denen sie predigt.

Schwind
28.11.2004, 23:43
Ideologie wichtig zu erkennen ?

Ich meine schon.
Denn eine Ideologie betrügt nicht nur sich selbst,
sondern auch die Menschen, denen sie predigt.

Nicht gezwungenermaßen, oder? Bedenkt man, dass Ideologien meist auch nur einen Zeitgeist ausdrücken und ebenso vergehen, so kann eine Ideologie für ihre Zeit auch positiv wirken.

MfG
Eneb

Gärtner
28.11.2004, 23:51
...und für neugierige Leute gibt´s hier noch mehr Infos:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ideologie


Aber im Prinzip sagt Heilsbringers Verdichtung schon alles.

Chester
29.11.2004, 00:50
Wenn sich die Menschen der Idee anpassen müssen und nichtmehr die Idee den Menschen. Dann würde ich von einer Ideologie sprechen.
Hut ab, sehr gut gesagt.

mfg,

Chester :-:

Michael (C)
29.11.2004, 21:48
Eine Ideologie bringt immer Vorteile.

Der Kommunismus war das Ergebnis von Ideologien zuvor - wie dem Kapitalismus.
Der Nationalsozialismus schwamm auf der Empörungswelle gegen Versailles und auf dem europäischen Geist des Kolonialismus.

Ideologien sind immer das Produkt vorheriger Ideologien.
So gesehen besteht eine Vergeltung "bis ins dritte und vierte Glied" (Bibel).

Manche Ideologien sind sicherlich eher Skuril.
Andere von vorn herein angelegt auf Inhumanismus, wie obige 2.

Beverly
30.11.2004, 15:03
Hallo Michael,

Beim Liberalismus ist es schwer, weil das Wort schon mal sehr gegensätzlich ausgelegt wird. Eine liberale Sexualmoral bedeutet mehr Freiheit für jeden einzelnen Menschen und v.A. mehr Frauenrechte, als sie in vielen Ländern üblich sind. So gesehen kann, will und muss ich auch als Kommunistin liberal sein.

Wirtschaftsliberalismus dagegen bedeutet in Schlangworten ausgedrückt: der Markt soll sich selber regulieren; alles wird von Angebot und Nachfrage bestimmt - und der einzelne Mensch muss sich so gut wie möglich verkaufen, sonst ist er selber schuld wenn er unter die Räder kommt.

So gesehen sind Kommunisten gar nicht liberal.

Es geht aber bei beiden um möglichst viel individuelle Selbstbestimmung. Für liberale Sexualität weil das Teil der Selbstbestimmung ist, gegen einen liberalen Markt, weil er die Selbstbestimmung des Individuums ad absurdum führt und zunichte macht.

So gesehen sind Kommunisten die besseren Liberalen
;)

Beverly
30.11.2004, 15:19
Wenn sich die Menschen der Idee anpassen müssen und nichtmehr die Idee den Menschen. Dann würde ich von einer Ideologie sprechen. Grundsätzlich richtig, aber es bedarf der Ergänzung.

Komischerweise gehen mit vier der fünf die Moderne prägenden ideologischen Grundströmungen immer Hierarchien einher. Das ist bei:

Faschismus, extremen Nationalismus
bürgerlichem Liberalismus
Staatssozialismus, Stalinismus
religiösem Fundamentalismus

der Fall.
Im Faschismus herrscht ein Führer sowie eine faschistische Partei
Im bürgerlichen Liberalismus teilen sich bürgerliche Politiker und kapitalistische Unternehmer die Macht
Im Staatssozialis herrscht die jeweilige KP, d. h. ihre Funktionäre
Im religiösen Fundamentalismus herrscht ein Klerus bzw. eine religiöse Bewegung

Diese Nutznießer profitieren politisch und materiell von der Ideologie. Sie leben nicht für die Ideologie sondern passen sie ihren Zwecken an. Das einfache Volk, dass sich "der Ideologie anpassen soll", soll sich so letztendlich seinen jeweiligen Herrschen anpassen und ihnen noch besser dienen.

Die fünfte Hauptströmung der Moderne ist ein demokratischer Sozialismus bzw. der Anarchismus (ich halte die Begriffe nicht so leicht und scharf trennbar). Da es in ihm weder die Herrschaft eine Klasse noch einer Partei oder Bewegung gibt, entfällt eine solche Ideologisierung.

Beverly
30.11.2004, 15:39
Ich frage mich, ob zur Ideologie nicht auch der Wahn gehört, sie im jeweils eroberten Machtbereich über ein rigides Herrschaftssystem allen Menschen aufzwingen zu wollen. Natürlich will man darüber hinaus die gesamte Welt mit seinen Erkenntnissen beglücken. Da das mit dem Ideologie-Export nicht so gut klappt, setzt man uneinsichtige Völker und Staaten auf die Liste der "Klassenfeinde", "Schurkenstaaten" oder "Gottlosen" und schon ist der nächste Kalte Krieg am Laufen.

Egal ob Nationalismus, bürgerlicher Liberalismus, Sozialismus oder religiöser Fundamentalismus - alle verfallen diesem holistischen Wahn und züchten sich damit ihre Feinde selbst. Hitler und Mussolini haben die Allianz zwischen der SU und der UdSSR ermöglicht, die Stalinisten machen sich sowohl Bürgerlich-Liberale als auch demokratische Linke zu Feinden.
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks entwickelten die USA unter der Bush-Dynastie einen derartigen Machtrausch, dass sie nicht merken, wie sie sich selbst bürgerlich-liberale Kreise außerhalb der USA zu Feinden machen.