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Vollständige Version anzeigen : Qualitätsjournalismus - quo vadis?



Don Pacifico
23.05.2008, 17:59
Vorneweg: Hier geht es nicht primär um Eva Herman und ihre Thesen. Dazu hatten wir schon eigene Stränge. Mir geht es hier um das Problem, daß Artikel in Qualitätszeitungen offensichtlich immer mehr an Niveau verlieren.

Heute in der Welt online entdeckt: http://www.welt.de/politik/article2026829/Was_Sahra_Wagenknecht_und_Eva_Herman_eint.html?nr= 1&pbpnr=0 (http://www.welt.de/politik/article2026829/Was_Sahra_Wagenknecht_und_Eva_Herman_eint.html?nr= 1&pbpnr=0)

Artikelthema ist: Politiker/innen würden gelegentlich zu Nazi-Vergleichen greifen, um ihre Gegner anzugreifen. Im ersten Satz des Vorspanns gibt der Autor schon die Richtung an (alle Zitate a.a.O. Fett-Hervorhebung stets von mir):


B-Prominente und Politiker jeder Couleur wissen:

Es folgen dann mehrere Vergleiche, wo ausschließlich Politiker/innen sich tatsächlich im Ton vergriffen haben. Ganz am Ende, im letzten Absatz, wird dann folgendermaßen auf Eva Herman eingeprügelt:


Wer keine Ahnung von der Sache hat wie Eva Herman, tut besser daran, sich jeder aktualisierenden Erwähnung des Nationalsozialismus zu enthalten. Die frühere Nachrichtensprecherin und TV-Moderatorin hatte völlig unbedarft über die Wertschätzung der Mutter im Dritten Reich geplappert, über Autobahnen und über die Gefahr, in die gerate, wer sich zur deutschen Geschichte äußere. Weil sie eine Wiederholungstäterin war, kündigte ihr der NDR. Immerhin: Ihren nichtssagenden Büchern "Das Arche-Noah-Prinzip" und jetzt neu "Das Überlebensprinzip" verschaffte sie so einen glänzenden Absatz.


- Ohne jegliche Begründung stellt der Autor Herman als inkompetent hin.
Unten schreibt er von "nichtssagenden Büchern".
- Meinte der Autor, Eva Herman sei ahnungslos im Hinblick a) auf die Geschichte, b) auf ihre Themen oder c) beides kombiniert?

- Während er bei allen Beispielen zuvor immerhin den Wortlaut zitierte, spricht er nun von einem "unbedarften Geplapper", ohne es zu konkretisieren.

Mit diesen Formulierungen wird Eva Herman ohne inhaltliche Auseinanandersetzung herabgesetzt als Dummschwätzerin (um es in anderen Worten zu sagen), die man zu Recht als "Wiederholungstäterin" hinausgeworfen hätte. Zudem wird durch die Aneinanderreihung der vorigen Beispiele implizit behauptet, sie habe "Gegner" diffamiert, was sie nie und nimmer getan hat.

Zuletzt behauptet er unterschwellig auch noch, sie hätte das alles getan, um ihre Bücher zu "promoten".

Bei dieser Art von Journalismus stehen mir die Haare zu Berge. Für wie dumm werden Leser/innen eigentlich gehalten?

Zum Glück hat gleich unter dem Artikel der Kommentar von "Was soll das?" (23. 05.; 17.45) die Sache klar und eindeutig zurechtgerückt. Er oder sie weist auch darauf hin, daß durch Gerichtsurteil festgestellt wurde: Was man ihr unterstellt, sind Verdrehungen der Tatsachen. (PS: Bin selbst mit dem Kommentator nicht identisch.)

Kenshin-Himura
23.05.2008, 23:12
100% Zustimmung zu diesem Beitrag, vielen Dank dafür. Es ist allerdings nur die winzige Spitze des Eisbergs der Lügen, Verdrehungen, Fälschungen und Hetze gegen Eva Herman. Wenn du dich für diese Dinge interessierst, empfehle ich dir das Buch von Arne Hoffmann "Der Fall Eva Herman - Hexenjagd in den Medien", wo diese Dinge geradezu minutiös und völlig zutreffend aufgelistet und analysiert werden.

Analog dazu: "Der Fall Hohmann" von Fritz Schenk, ebenfalls ein klasse Buch.