PDA

Vollständige Version anzeigen : Urlaubsbericht



cajadeahorros
20.05.2008, 11:09
Dieses Jahr ließ es sich leider nicht mehr verhindern: Ich besuchte in den ersten 2 Wochen im Mai die Lieblingsinsel der Deutschen.

Wie immer bemühte ich mich frühzeitig am Flughafen zu sein, erstens um all die in ihrer angeblichen Zielrichtung lächerlichen Gängeleien und Erniedrigungen (Gürtel ablegen, Schuhe ausziehen, Nagelschere und Zahnpasta wegwerfen, Wasserflasche austrinken etc.) entspannt hinter mich bringen zu können um dann wie üblich zur Einstimmung mit einem Bier für 11 DM (waaaaaas, du rechnest immer noch um? Na klar!) auf einen guten Flug anzustoßen und zweitens durch frühzeitiges Einchecken einen der Plätze am Notausgang zu ergattern der für Personen ab 1,80 m Größe das Fliegen einzig noch erträglich macht. Für diesen Service wollte mir eine freundliche Mitarbeiterin der Fluglinie nun plötzlich 20 Euro abknöpfen - "Billigflieger" (ist ja auch nur gelogen da der Flugpreis zu 80% aus fixen Zuschlägen und Abgaben besteht und es ja relativ gesehen dann wurscht ist ob das "Ticket" an sich nun 25 oder 45 Euro kostet) hin oder her, irgendwo hört es auf. Also kein Platz an der Tür, lieber noch ein Bier für 11 DM reingeschüttet.

Glücklich gelandet und den Mietwagen abgeholt herrschte erst einmal Erstaunen an der nächsten Tanke. Nicht nur dass sich ein Mitarbeiter persönlich vor die Tür bemühte und für ein (seinem Erstaunen nach scheinbar auch noch unübliches) Trinkgeld das Auto betankte, der ganze Service kostete wenige 1,19 Euro pro Liter Diesel. Was noch wesentlich erstaunlicher war: Während der Preis in Deutschland ja durchaus 2 Cent innerhalb eines Tages schwankt blieb der Preis eine Woche lang an allen beobacheten Tanken auf der Insel stabil, er unterschied sich - vernünftigerweise - nur dadurch ob es sich um eine noble oder eine Wald-und-Wiesen-Tanke handelte und ob die Tanke verkehrsgünstig oder am Arsch der Welt lag, das ganze bei inselweit bestens gepflegten und ausgebauten Straßen. Und während BILD und Glotze eine Woche lang den "Wahnsinn" und die "Rekorde" an den deutschen Tankstellen beplärrten bewegte sich auf Malle NICHTS, in der zweiten Woche stieg der Preis dann langsam an und lag bei Abreise um 1,22-1,24. Zum Thema Verkehr sei noch zu sagen dass auf Malle kleinere Bahnlinien nicht stillgelegt sondern nach und nach reaktiviert werden.

Die nächste Überraschung ergab sich dann in einem der riesigen Supermärkte in dem ich noch das nötigste vor dem Wochenende kaufen wollte. WAAAAAAAS, DIEEE rechnen noch um? Ja, das tun sie. Ordentlich steht neben jedem Preis in Euro der Preis in Peseten was nicht nur rechenschwachen alten Omis den Vergleich erlaubt sondern an sich die Frage erleichtert ob ein Sonderangebot jetzt auch wirklich ein Sonderangebot ist und wie es denn um die Inflation steht.

Womit wir bei den Preisen an sich sind. Nachdem ja auch die Dauerbehämmerung aus den Medien nicht mehr vertuschen konnte dass die "gefühlte" Inflation dann halt doch eine echte Inflation war und bleibt wurde schnell als Laudanum für den Wahlpöbel hinterhergeschoben dass diese echte Inflation gar nicht so schlimm sei weil man ja in Deutschland sowieso die niedrigsten Lebensmittelpreise europaweit habe. Zum Glück lernte man früher noch Lesen und Rechnen und so kann man sich zum Prüfen dieser Behauptung mal einen Angebotszettel der eher hochpreisigen Kaufhauskette El Corte Inglés mit nach Hause nehmen. Vergleicht man ähnliche Produkte, als bspw. den identischen aus der Karibik importierten Fusel, einfachen gekochten Schinken, Milch, irische Butter, Limo, Gemüsedosen (Großkonzernware) mit den Preisen der aktuellen Angebote einer großen Verbrauchermarktkette ergibt sich ein leichter preislicher Vorteil zu Gunsten der spanischen Insel (Insel!), lediglich einige wenige Produkte sind minimal teurer (bspw. lebensnotwendiges wie Milka 300g-Tafeln und Kellogszeug). Die Aussage ist also mindestens nicht richtig, sofern es sich aber um Grundnahrungsmittel, einheimische spanische Produkte oder gar Erzeugnisse aus der Markthalle oder vom Wochenmarkt handelt sind die "billigen deutschen Lebensmittel" schlicht und ergreifend eine Propagandalüge und das gilt wirklich nicht nur für einheimisches Fleisch, Käse oder Gemüse (kostet am Markt ca. 1/5 der deuschen Supermarktpreise) sondern auch für Importware wie Mangos oder Ananas. Das allgemeine Preisniveau in der Inselhauptstadt entspricht dabei bei Elektronik in etwa dem deutschen, Bars und Cafes sind billiger, bessere Restaurants leicht teurer und Immobilien bewegen sich auf dem Niveau mittlerer deutscher Städte.

Womit wir bei der Propaganda an sich wären. Reisen bildet und ist daher nicht mehr gern gesehen, Urlaubsreisen, insbesondere Flugreisen sind „zu billig“ (DAS KLIMA! Das CO2! tönen die Volksfreunde), Urlaub in Deutschland wird dem Pöbel befohlen und der Kanzler machte es seinerzeit angeblich vor und schnitt für die BILD ein wenig an seiner Hecke herum). Denn wer im Inland Urlaub mach hat keinerlei Vergleichsmöglichkeiten mehr, er entrinnt der Propagandamaschine zwischen Rot, Schwarz und Grün nicht mehr, kauft weiter brav beim ALDI und zahlt die MwSt. in Deutschland.

Natürlich ist man auch auf Malle dank lokaler BILD und Glotze vom Propagandastrom nicht abgeschnitten und erfährt nicht nur den deutschen Benzinpreis und die Fußballergebnisse sondern auch vom bösenbösenbösen chinesischen Präsidenten der das Erdbeben als Propagandaschau für das Militär missbraucht was angesichts der Opfer erstens zweitrangig, von der deutschen Presse angesichts der Bundeswehr-Verherrlichung zu Zeiten der Oderflut erbärmlich verlogen (vom halbmystischen Pressegesäusel bei jeder am Ground-Zero hochgezogenen Amiflagge wollen wir gar nicht reden) und - denken heißt vergleichen - angesichts der massiven erwiesenen Bilderfälschungen während der Unruhen in Tibet vielleicht an sich bereits erstunken und erlogen ist. Viel interessanter ist aber der Vergleich der deutschen mit der örtlichen Propaganda. Die war in Sachen China in Deutschland um den obigen Sachverhalt verlogener, in Spanien wurde recht sachlich über das Erdbeben berichtet. Was Birma betraf waren die Aussagen in etwa gleich, Benzin war in Spanien kein Thema und das von der BILD so aufgebauschte schlechte Wetter auf der Insel war kaum einen Zeile wert, 5 Tage Regen im Mai sind schließlich statistisches Mittel und während die BILD noch "Ätsch" titelte konsumierte ich bereits wieder bei 22 Grad im Straßencafe einen Michkaffee für bescheidene 1,50 Euro. Nebenbei: Stumpfsinniges Bratmaxegrillen auf den Kölner Rheinauen ist auch bei ein paar Grad Unterschied wirklich keine erstrebenswerte Alternative zu einer Urlaubsreise, auch wenn RTL es noch so anpreist.

Schön übrigens wie die BILD, das angebliche Sprachrohr des "kleinen Mannes", die Urlauber mit Hohn überschüttete die es in den Pfingsferien gewagt hatten, das Vaterland zu verlassen. Siehe oben, Urlaubsreisen sind an sich nicht mehr vorgesehen für den Pöbel und wer sich immerhin noch Malle leisten kann wird ausgelacht wenn er einmal Wetterpech hatte. Wobei ja an sich nur Familien die mit Kindern in ihren Hotelzimmern festsaßen wirklich Pech hatten, Ballermänner nahmen den Regen gelassen uns soffen halt in den Bierstuben und böseböse kinderlose "Besserverdienende" wie meine Begleitung und ich saßen entspannt am Kamin in der geräumigen Finca und beschäftigten sich mit ihren Büchern, einer kleinen Fingerübung zum Thema Urlaub, dem guten Tropfen vom Weinbauern nebenan, Stockfisch, Lamm und Kaninchen.

Zurück zur Propaganda: Sie funktioniert in einer fremden Sprache einfach nicht so reibungslos wie in der Heimatsprache. Das liegt an der „Konnotation“ die – durch Erziehung – dahingehend wirkt dass wir beispielsweise beim Begriff „Letztes Abendmahl“ ehrfürchtig werden, beim Begriff „last supper“ aber an „last orders!“ im Pub denken. In der spanischen Presse liest man zwar auch allerlei vom cambio climático aber die andressierte Konnotation sterbender Eisbärenbabys stellt sich nicht ein, man denkt eher an nörgelnde Kellner die keinen 50 Euro-Schein wechseln können. Auch ist viel von migración und integración die Rede aber da die Totschlagbegriffe „Nazi“ und „demographische Katastrophe“ (mit den Konnotationen „verödete Städte“, „hilflose, hungernde Rentner“ und „aussterbendes Volk“) fehlen oder mögliche spanischen Entsprechungen nicht erkannt werden kann man in Ruhe darüber nachdenken ob es angesichts der zugebauten Balearen und der hohen, nicht nur saisonalen Arbeitslosigkeit auf den Inseln wirklich notwendig ist auch hier allerlei neues Volk anzusiedeln (das momentan dort insofern weniger auffällt weil es noch mehrheitlich aus den armen Ecken Südamerikas kommt und daher der örtlichen Sprache mächtig ist, besser jedenfalls als unserer neuen Volksgenossen aus dem Ural und Kasachstan). „Umvolkung“ ist also keine Erfindung der Pseudolinken oder der Grünen und der ZdJ oder der deutsche Gutmenschenselbsthass kann ja auch vom aufrechtesten Volksgenossen nicht auch noch für die Zustände in Spanien verantwortlich gemacht werden.

Zumal die „Umvolkung“ andererseits mit einem durchaus geförderten Patriotismus einhergeht der sich allerdings dahingehend äußert dass die Kinder in der Schule als erstes die lokale Kuhdorfsprache lernen, vermutlich damit sie es auf einer der "Eliteuniversitäten" im kastilischen Sprachbereich dereinst einmal ordentlich schwer haben. Andererseits gibt es aber schon eine Migrantenzeitung (Baleares Sin Fronteras), allerlei Multikultivereine wie die Federación de Nuevos Menorquines und selbst in kleineren Käffern wie Inca ein Büro das den so dringend benötigten Zuwanderern behilflich ist (wobei hier, wie mir mein Herbergsvater versicherte, natürlich nicht deutsche Häuslebauer gemeint sind, die sind nur noch bedingt gerne gesehen und zahlen wie in der Heimat reichlichst für jeden Handschlag).

Da wir also, wie gesagt, nicht sofort als Nazi oder Verräter am deutschen Volk beschimpft werden, können wir ein wenig ruhiger als in Deutschland nachdenken und stellen ohne schlechtes Gewissen fest dass die Zuwanderung auch auf Mallorca und in Spanien andere Gründe haben muss als von dunklen Kräften gesteuerte Umvolkung aus Rache für den Holocaust oder Rettung vor Kindermangel (der in Spanien noch nicht besonders ausgeprägt ist). Arbeitskräfte gibt es, im Gegensatz zu ordentlichen Wohnungen, auch genug. Wie überall in Europa geht es also ausschließlich um den Import von Lohndrückern, Zusatznutzen ist die europaweite Schaffung „multiethnischer“, kommunikationsunfähiger und daher leicht regier- bzw. unterdrückbarer Konfliktgesellschaften die nach und nach die leidlich homogenen Staatsvölker Europas mit ihrer jeweiligen Hochsprache ablösen sollen. Daher auch der eifrigst geförderte Regionalpatriotismus – solange er unpolitisch bleibt und sich auf den balearischen Artikel beschränkt.

Bleibt noch zu vermelden dass es andererseits tatsächlich möglich ist dass Lokale MIT Rauchverbot neben Lokalen OHNE Rauchverbot existieren ohne dass die Volksgesundheit über die Wupper geht, die auf jedem Dorf von allen Bewohnern rege frequentierten kleinen Bars können – wie diskriminierend für alle die damit nicht einverstanden sind - tatsächlich SELBST entscheiden ob sie rauchfrei sein wollen oder nicht. Wem das jeweils nicht passt geht nicht rein oder setzt sich auf die Terasse und gut ist es. Und so sitzen am verregneten Markttag Händler und Kunden und Oma und Opa mit den Kindern in der Bar, begießen den kühlen Vormittag mit einem Sherry und rauchen ein paar Kippen dazu, die kleinen bekommen Eis und Hörnchen. Und das völlig unbeeindruckt von den deutschen Touristen die sich ebenfalls vor dem Regen in die Bar geflüchtet haben und leise herumzetern dass das ja eine Frechheit sei dass hier noch geraucht werden dürfe und jetzt würden wegen dem Regen die Kleider stinken und überhaupt, die armen Kinder und saufen täten sie den Kindern auch noch was vor soetwas gäbe es ja bei uns zum Glück bald gar nicht mehr.

Alles in allem war selbst der an sich unspektakuläre Besuch auf Malle eine - wie immer - lohnende Auslandsreise. Man kehrt belehrt und entspannt nach Hause zurück und hat ein wenig den Kopf frei bekommen, man hat wieder einmal gelernt dass nichts so sein muss wie es ist und dass sich bei an sich gleichlautender Propaganda und der eifrig geförderten geistigen Vermüllung der Untertanen durchaus auch in der EU noch einige Unterschiede bestehen können, je nachdem wieviel sich der Pöbel an Bevormundung und steuerlicher Ausplünderung zumuten lässt.

marc
20.05.2008, 14:20
Schön geschrieben. Obwohl, oder gerade weil, es kaum nach einem Urlaubsbericht klang. (Inflation statt Strand) :D

Politisch wie immer rätselhaft und schwer zu verorten. ;)

Don
20.05.2008, 16:05
Nun, abgesehen von dem schon wieder vergessenen Vorfall als die Spanier unerwünschte Eingereiste dereinst zu Paaren trieben und dem nicht wirklich reflektierten Umstand, daß Malle als Touri-Insel im Gegensatz zum Festland so einiges an Volk gewohnt ist eigentlich ein schöner Bericht von jenseits des deutschen Suppentellerrandes.

cajadeahorros
20.05.2008, 16:18
Schön geschrieben. Obwohl, oder gerade weil, es kaum nach einem Urlaubsbericht klang. (Inflation statt Strand) :D

Politisch wie immer rätselhaft und schwer zu verorten. ;)


Ich hatte aus unerfindlichen Gründen mein Notbuch mitgenommen und musste wie gesagt zwei Regentage nutzen. Ansonsten war es bester Urlaub.

Politisch würde ich es einfach "freiheitlich" im Sinne Kants einordnen, ohne genauere Zuordnung.

marc
20.05.2008, 16:22
Ich hatte aus unerfindlichen Grünen mein Notbuch mitgenommen und musste wie gesagt zwei Regentage nutzen. Ansonsten war es bester Urlaub.

Politisch würde ich es einfach "freiheitlich" im Sinne Kants einordnen, ohne genauere Zuordnung.

Welche Partei wählst du eigentlich, wenn ich mal fragen darf? Linke?

Biskra
20.05.2008, 16:33
Hast du denn neben deinen tiefschürfenden Gedanken über die Zustände in Deutschland und der Welt auch noch Urlaub gemacht, Sparkasse?

cajadeahorros
20.05.2008, 16:59
Welche Partei wählst du eigentlich, wenn ich mal fragen darf? Linke?

An die Linke als "kleinstes Übel" mag ich angesichts des großen Vorsitzenden nicht glauben. Meistens irgendeine Partei die definitiv keine Wahlkampfkostenerstattung bekommt, ernsthaft nehme ich nur bei Kommunalwahlen teil und da ist das ganze abhängig von den Kandidaten.

cajadeahorros
20.05.2008, 17:10
Hast du denn neben deinen tiefschürfenden Gedanken über die Zustände in Deutschland und der Welt auch noch Urlaub gemacht, Sparkasse?

Na klar. Ich habe sogar versucht in Arenal meine touristischen Pflichten zu erfüllen aber da war das Wetter noch nicht stabil und irgendeine dieser berühmten Bierkneipen wird gerade umgebaut was der "Schinkenstraße" sehr das Flair nahm.