PDA

Vollständige Version anzeigen : Der Reichstagsbrand



Tell05
27.02.2008, 08:14
1933
Die Nazis und die Schuld am Reichstagsbrand
Vor 75 Jahren brannte der Reichstag in Berlin. Es nutzte den Nazis. Sofort angeklagt und bald hingerichtet wurde der junge Holländer Marinus van der Lubbe. Die Forschung sagt: Er war es wirklich. Die Debatte über den oder die wahren Täter hält bis heute an - obwohl die Lösung ganz einfach ist.

Von Eckhard Jesse



An diesem Mittwoch vor 75 Jahren, am 27. Februar 1933, kurz nach 21 Uhr, stand der Reichstag in Flammen. Dieser Brand löste in der Öffentlichkeit große Emotionen aus, damals wie heute. Kein Wunder: Die Nationalsozialisten benutzten das Feuer, um mit einer Notverordnung "zum Schutze von Volk und Staat" die Grundrechte massiv und "bis auf weiteres" einzuschränken, massenhaft Kommunisten und andere Hitler-Gegner zu verhaften. Damit ebneten sie den Weg in die Diktatur. Der Reichstagsbrandverordnung kommt eine ähnlich zentrale Bedeutung zu wie dem Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933.

Gemäß dem Grundsatz "Cui bono? - Wem nützt es?" dominierte lange die Annahme, die Nazis selbst seien die Brandstifter. Dann führte der Hannoveraner Ministerialbeamte Fritz Tobias 1959/60 in einer langen "Spiegel"-Serie zahlreichen Indizien an, die für die Alleintäterschaft des Holländers Marinus van der Lubbe sprachen. 1962 folgte sein Buch "Der Reichstagsbrand. Legende und Wirklichkeit". Allmählich akzeptierte die Forschung Tobias' Interpretation.

Gefälschte Dokumente nach 1945

Doch nicht alle wollten die neuen Erkenntnisse hinnehmen. So schreckte ein von dem zwielichtigen Journalisten Edouard Calic ins Leben gerufenes "Luxemburger Komitee" nicht einmal davor zurück, gefälschte Dokumente zu präsentieren. Sie sollten aus der DDR stammen, die Originale lägen hinter dem Eisernen Vorhang, hieß es - doch nach 1990 hörte man davon nichts mehr.

Nach der deutschen Einheit, als die wissenschaftliche Öffentlichkeit Einsicht in die bis dahin erst in Moskau, dann im SED-Archiv verwahrten Untersuchungs- und Prozessakten erhielt, suchten Verfechter der NS-Täterschaft neue Belege. Doch vergebens: Wären in den Materialien Anhaltspunkte für die Täterschaft der Nationalsozialisten auszumachen gewesen, so hätte dies die SED, deren Stolz auf den kampfesmutigen Georg Dimitroff Legende ist, längst ausgeschlachtet.


Schließlich firmierte der Reichstagsbrandprozess für Kommunisten als ein propagandistisches Paradebeispiel: Von den Nationalsozialisten tatsächlich zu Unrecht beschuldigt, nutzen sie die Brandstiftung und den anschließenden Prozess zur antifaschistischen Agitation.

Manche Historiker, des unerquicklichen Streits überdrüssig, nehmen heute die salomonisch wirkende Haltung ein, die Urheberschaft am Brand sei ungeklärt, gar unklärbar. Das letzte Rückzugsgefecht besteht darin, die Beweislast zu verschieben: Man müsse die Nichtbeteiligung der Nationalsozialisten am Brand nachweisen. Aber wie soll der Beleg für die Nichtexistenz des Ungeheuers von Loch Ness gelingen? Die Annahme Rudolf Augsteins, nach der "Spiegel"-Serie werde nicht mehr über die Urheberschaft am Reichstagsbrand gestritten, entpuppte sich als krasse Fehlprognose. [...]

http://www.morgenpost.de/desk/1726843.html


Wie heißt es immer? "Time will tell"

Gärtner
27.02.2008, 12:43
Nichtsdestotrotz führt die Kombination der Frage cui bono? und die Feststellung der erstaunlichen Geschwindigkeit, mit der die Nazis bereits am Folgetag die "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" initiierten und damit die Weimarerer Verfassung faktisch außer Kraft setzten, zu sehr interessanten Ergebnissen.

Kreuzbube
27.02.2008, 14:16
Nichtsdestotrotz führt die Kombination der Frage cui bono? und die Feststellung der erstaunlichen Geschwindigkeit, mit der die Nazis bereits am Folgetag die "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" initiierten und damit die Weimarerer Verfassung faktisch außer Kraft setzten, zu sehr interessanten Ergebnissen.

Kalter Kaffee! Das Ergreifen subversiver, staatsfeindlicher und volksschädlicher Elemente wäre auch ohne Feuerzauber möglich und notwendig gewesen - das beste Gegenargument!

cajadeahorros
27.02.2008, 14:35
Kalter Kaffee! Das Ergreifen subversiver, staatsfeindlicher und volksschädlicher Elemente wäre auch ohne Feuerzauber möglich und notwendig gewesen - das beste Gegenargument!

Und die "Ergreifung" der Immunität unterliegender Reichstagsabgeordneter? Wäre die auch ohne "Feuerzauber" möglich gewesen?

Ein bisschen Theater für den Pöbel muss immer sein, damals gab es noch kein Fernsehen um die Untertanen zu behämmern.

ochmensch
27.02.2008, 14:38
Ja, die False-Flag-Theorie ist ja seit dem 11.09.01 beliebter denn je.

Lichtblau
27.02.2008, 14:39
Aussage von Generalstabschef Franz Halder in Nürnberg:

»Anläßlich eines gemeinsamen Mittagsmahls am Geburtstag des Führers 1942 kam in der Umgebung des Führers das Gespräch auf das Reichstagsgebäude und seinen künstlerischen Wert. Ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie Göring in das Gespräch hineinrief: ›Der einzige, der den Reichstag wirklich kennt, bin ich; ich habe ihn ja angezündet.‹ Dabei schlug er sich mit der flachen Hand auf die Schenkel.«

Quelle: http://www.zeno.org/Geschichte/M/Der+N%C3%BCrnberger+Proze%C3%9F/Hauptverhandlungen/Vierundachtzigster+Tag.+Montag,+18.+M%C3%A4rz+1946/Nachmittagssitzung

Gärtner
27.02.2008, 15:14
Kalter Kaffee! Das Ergreifen subversiver, staatsfeindlicher und volksschädlicher Elemente wäre auch ohne Feuerzauber möglich und notwendig gewesen - das beste Gegenargument!

Ganz im Gegenteil, die weitreichende Aufhebung der durch die Verfassung garantierten Grundrechte fand eben erst durch die "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" statt.

Kreuzbube
27.02.2008, 15:14
Und die "Ergreifung" der Immunität unterliegender Reichstagsabgeordneter? Wäre die auch ohne "Feuerzauber" möglich gewesen?

Ein bisschen Theater für den Pöbel muss immer sein, damals gab es noch kein Fernsehen um die Untertanen zu behämmern.


Ja, die False-Flag-Theorie ist ja seit dem 11.09.01 beliebter denn je.

Ich möchte mir da wirklich kein abschließendes Urteil bilden - das WTC war immerhin stark sanierungsbedürftig, der Reichstag nicht!:shrug:

Kreuzbube
27.02.2008, 15:22
Ganz im Gegenteil, die weitreichende Aufhebung der durch die Verfassung garantierten Grundrechte fand eben erst durch die "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" statt.

Meine ich doch - Gelegenheiten, Vorwände und Gründe gab es garantiert zu Hauf; Kommunisten-Randale, Schießereien, Propaganda-Delikte u.ä.! Es gab garantiert Mittäter, aber nicht Görings Leute - warum hätte der Kommunist v.d.L. diese bei den Verhören schützen sollen; dies wäre vollkommen unlogisch!

cajadeahorros
22.10.2008, 16:46
Anbei eine kleine Fingerübung zum Thema Reichstagsbrand, damit der Text nicht nur bei meinen Diskussionskumpels im first life ungelesen herumliegt sondern auch hier:


Vor 75 Jahren brannte der Deutsche Reichstag...
Nein, keine Angst, im folgenden wird keine Betroffenheit gefordert. Denn der „verordnete Antifaschismus“, den man von Seiten der BRD an der DDR so bemäkelte, der aber ausschließlich auf dem Gebiet Westdeutschlands (und jetzt Gesamtdeutschlands) in diesem schlechtesten aller Sinne so praktiziert wird, ist mir ebenfalls zuwider. Ebenso zuwider wie der verordnete Antikommunismus, dem seit 1990 wohl mehr als 75% der KZ-Gedenkstätten, Denkmäler und Erinnerungstafeln auf dem Gebiet der DDR zum Opfer fielen – denn auf ihnen wurde völlig wahrheitsgemäß darauf hingewiesen, dass es halt nun einmal vor allem Kommunisten waren, die seit 1933 den einzigen organisierten Widerstand gegen das NS-Regime zustandebrachten und entsprechend bereits ab 1933 die Mehrzahl der KZ-Insassen stellten, in Dachau mehr als 75% (was man aus den dort erhältlichen Broschüren nur erschließen kann, der verhasste Name wird nicht genannte, man nennt nur die Zahl der Gesamthäftlinge und im einzelnen die genehmen Opfergruppen, sinngemäß etwa so: Im Lager waren 25 katholische Priester, 13 evangelische Priester, 30 Konservative, 17 Adelige und 2000 „andere politische Gefangene“ inhaftiert). Die neue, gesamtdeutsche „Erinnerungskultur“ ist sich nicht einmal zu fein, nach Widerstandskämpfern benannten Straßen in Ostdeutschland wieder einen staatstragenden Namen zu geben, wen interessieren schon ein paar hingerichtete rote Ratten und Vaterlandsverräter. Was ist ein jahrelang aktiver Widerstandskreis um Georg Schumann im Vergleich zu unseren braven christlichen Studenten Scholl. Was ist ein Richard Sorge schon gegen unseren herrlichen Oberst Stauffenberg. Und wer ist überhaupt Georgi Dimitroff? Ein stalinistischer Verbrecher, sonst nichts, in 20 Jahren kennt ihn sowieso niemand mehr...

Die Stoßrichtung ist klar. Der „Führer“ war ein unerklärlicher Betriebsunfall, Widerstand war von einem auf den anderen Tag nicht möglich, nur die guten, bürgerlichen Kräfte, das Militär und die Kirchen haben verzweifelt versucht, uns zu retten. Und egal was der Führer verbrochen hatte, die Kommunisten waren fast genauso schlimm. Das „beweisen“ inzwischen auch die „Massengräber“ die prompt nach der Wende in Buchenwald entdeckt wurden und die prompt als Ruhestätte von unschuldigen Opfern der stalinistischen Säuberung erklärt wurden. Dass laut Auskunft an der Bergung beteiligter Personen so gut wie alle Leichen sowjetische Erkennungsmarken trugen interessierte niemand so richtig, Opfer mussten her, also wurden sie gefunden, und schnell wurde auf dem Massengrab ein weitläufiges Ehrenmal errichtet das, wenn denn überhaupt „Opfer des Stalinismus“ dort vergraben wurden, den freiheitlich-demokratischen Politikern in bester Tradition von Globke bis Lübke eine Möglichkeit gibt, mit einem Augenzwinkern Kränze zur Erinnerung an die selbst auf dem Gebiet der SBZ sehr sehr wenigen tatsächlich hingerichteten Kriegsverbrecher oder KZ-Aufseher abzulegen.

Zurück zum Reichstag. Ausgangspunkt der Ausstellungen in den Gedenkstätten auf dem Gebiet der DDR waren die Stufen der „Machtergreifung“, die ja laut BRD-Schulunterricht direkt demokratisch stattgefunden haben soll. Diese Schautafeln wurden als erstes entfernt, denn lernen sollen die in die Gedenkstätten gekarrten Schüler nichts mehr. Nur erschaudern ob der so unverständlichen Gräuel, sich der eigenen Erbsünde erinnern und Buße tun – und nie vergessen: Die Kommunisten waren mindestens genauso schlimm, im Gegensatz zu Dachau kann man es im Osten sogar „beweisen“.

Aber was geschah wirklich 1933? Dazu müssen wir erst einmal zurück ins Jahr 1932. Es gibt für alles eine Generalprobe, selbst für eine „demokratische“ Machtergreifung. Sie fand Reichskanzler Franz von Papen in Preußen statt, als der ehemalige Leiter der katholischen Zentrumspartei mit Billigung des Reichspräsidenten von Hindenburg die demokratische Regierung unter SPD Ministerpräsident Otto Braun nach Hause schickte und eine Gruppe von Statthaltern einsetzte, die den größten Teilstaat des Deutschen Reichs und seinen Unruheherd Berlin besser unter Kontrolle bringen sollten. Nachdem man befriedigt festgestellt hatte, dass die SPD „Ruhe zur ersten Bürgerpflicht“ ernannte und nicht im Traum daran dachte, für „Freiheit und Demokratie“ zu kämpfen (die KPD forderte einen sofortigen Generalstreik), ging man das Problem des Gesamtreichs an. Ende 1932, eine Reichstagswahl später, stellte die NSDAP zwar noch die größte Fraktion, erlitt aber erstmals Stimmeneinbußen während die Kommunisten nochmals zulegen konnten und der – im schlechten Sinne zuverlässigen – SPD den Rang abzulaufen drohten. Es eilte also.

Nachdem Hitler eine Werbetour durch die Vorstandsetagen der deutschen Wirtschaft hinter sich gebracht hatte und sich nachdrücklich von den scheinsozialistischen Elementen seines Parteiprogramms distanziert hatte („Ich stehe zum Privateigentum“), konnte der widerstrebende Hindenburg dazu gebracht werden, den österreichischen Radaubruder zum Reichskanzler zu ernennen. Die DNVP um den Großverleger Hugenberg stellte den Koalitionspartner und die Mehrzahl der Kabinettsmitglieder, von Papen gab den Vizekanzler und den das Großbürgertum beruhigenden Aufseher über die „neuen Kräfte“. Insoweit sah man sich mit einem „eingebundenen“ Hitler bestens gerüstet für den Kampf gegen die Kommunisten und gönnte den braunen Straßenkämpfern gerne ihren Fackelzug durch Berlin.

Auftritt Hermann Göring. Der Fliegerheld aus dem Weltkrieg war aufgrund seiner Herkunft aus dem gehobenen Bürgertum und der alten Verwaltungskaste des Kaiserreichs bei den anderen mehr oder weniger demokratischen Politikern wesentlich höher im Kurs als der „böhmische Gefreite“ aus Braunau mit der Reputation eines Bierhallenredners und Straßenschlägers. Der Dicke war bereits seit Mitte 1932 Präsident des Reichstags (als Fraktionsführer der stärksten Gruppierung) und damit dritter Mann im Staat. In der neuen Regierung wurde er „Minister ohne Geschäftsbereich“ und zusätzlich noch kommissarischer Innenminister in Preußen wo er sich als erstes daran machte, die Polizei von „unzuverlässigen“ Kräften zu säubern. Eines der ersten Opfer war Robert Kempner dem Göring später, unter veränderten Bedingungen, im Nürnberger Prozess wieder traf – ein seltenes Beispiel für den Satz dass man sich immer zweimal begegnen würde. 20.000 SA-Männer wurden im Gegenzug zu „Hilfspolizisten“ ernannt. Durch eine für März 1933 angesetzte Wahl wollte man die schöne neue Welt vom Volk bestätigt wissen.

Doch wie konnte man jetzt und für alle Zeit der Kommunisten Herr werden? Wilde Gerüchte machten die Runde, jeder wusste, dass man irgendeinen möglichst publikumswirksamen Anlass benötigte, um „Führer der KPD“, „Führer der freien Gewerkschaften“ und andere missliebige Personen zu verhaften – die erforderlichen „Schwarzen Listen“ mussten von den zuständigen Behörden auf höchste Anordnung hin „bis zum 26. Februar“ fertig sein. Am wahrscheinlichsten erschien den politisch interessierten Menschen ein fingiertes Attentat auf einen führenden Politiker der NSDAP während der berühmte Hellseher Hanussen ein „großes Feuer“ voraussagte. Er sollte Recht behalten. Bereits eine Stunde bevor der erste Alarm bei der Feuerwehr einging erkundigte sich ein weiterer „Hellseher“, SA-Obergruppenführer Achim von Armin, telephonisch bei Hugenbergs Nachrichtenbüro „Telegraphen-Union“ was denn von Gerüchten zu halten sei, dass der Reichstag brenne.

Das Geschehen kann fast vollständig rekonstruiert werden. Einige Tage vor dem geplanten Termin (die „deadline“ gibt die Anweisung zur Erstellung der Verhaftungslisten vor, ein Treffen NSDAP-Parteispitze am Mittag des Brandtages konnte nachgewiesen werden) begannen die direkten Vorbereitungen. Göring zog „aus Platzmangel“ aus dem hinter dem Parlamentsgebäude gelegenen Palais des Reichstagspräsidenten aus, ein Sonderkommando der SA zog samt Feldbetten, reichlich Bier (kein Witz!) und Brandbeschleunigern in den Ballsaal des Palais ein. Von wem die eigentliche Idee stammte, ist nicht zu klären. Hitler hatte bereits 1931 die Überzeugung geäußert, die „Schwatzbude“ müsse verbrannt werden „um das Volk zu retten“, vermutlich war es damals aber eher symbolisch gemeint. Für die grobe Planung dürften aber Heydrich und Kurt Daluege verantwortlich gewesen sein, als direkte Beteiligte an der operativen Durchführung der Brandstiftung kann man zumindest den SA-Gruppenführer Karl Ernst und den SA-Standartenarzt Dr. Erwin Villain identifizieren.

Durch einen unterirdischen Heizungsgang wurde, von mehreren Zeugen indirekt beobachtet, das Brandmaterial vom Präsidentenpalais in den Reichstag geschafft. Am Brandtag selbst wurde, nachdem der letzte Abgeordnete das Haus verlassen hatte (ein NSDAP-Mitglied, nicht wie behauptet der KPD-Fraktionsleiter Torgler) der Plenarsaal und andere Teile des Gebäudes nachweislich mit Petroleum, Schwefel und Phosphor (letzteres vermutlich als selbstentzündliches Gemisch) präpariert. Als Sündenbock lotste man den holländischen Anarchisten und mit einer kleineren kommunistischen Gruppierung sympathisierenden Marinus van der Lubbe in den Reichstag. Lubbe hatte während seines Aufenthalts in Berlin bereits versucht, einige andere Gebäude (auch das Stadtschloss) mit den bald berühmten „Kohlenanzündern“ anzustecken, ohne allerdings mehr als ein Brandloch in einem Teppich zu verursachen. Einer seiner „Verbindungsmänner“ aus der Berliner Spitzelszene dürfte der nie gerichtlich belangte Mitropa-Schaffner Kurt Starker gewesen sein, dem häufige Besuche in Holland nachgewiesen werden konnten und bei dem Lubbe einen oder zwei Tage in Berlin übernachtete. Während der zu 75% erblindete Holländer im Restaurant, in den Wandelgängen und in einigen anderen Räumen des Reichstags ein wenig herumzündelte und immerhin Vorhänge, Servietten und Sofas in Brand stecken konnte (die meisten Brände gingen von selbst wieder aus oder konnten mit einfachen Eimerspritzen gelöscht werden), fing der größtenteils aus schwerem Eichenholz gebaute Plenarsaal schnell Feuer und brannte innerhalb von höchstens einer halben Stunde vollständig aus. Dieses Ergebnis ist überaus bemerkenswert, denn einer der damaligen Brandsachverständigen schafften es in Experimenten nicht einmal, mit den Lubbe zur Verfügung stehenden Brandbeschleunigern (Kohlenanzünder) einen einzelnen baugleichen Tisch anzuzünden.

Die aus Sicht der Brandstifter ärgerlich rasch alarmierte Feuerwehr (der erste Löschzug war fünf Minuten nach dem ersten Alarm und höchstens 12 Minuten nach dem ersten von Zeugen gehörten Einbruchsgeräuschen vor Ort) konnte den Brand im Plenarsaal noch in seiner ersten Phase beobachten. Die als erstes eingetroffenen Feuerwehrleute beschrieben einen an sich unversehrten Saal mit planmäßig angelegten, klar unterscheidbaren Brandnestern auf dem Rednerpult und den Regierungsbänken. Sie äußerten – wie fast alle zeitgenössischen und späteren Experten – sofort die Überzeugung, dass das Feuer unmöglich von nur einem Täter gelegt worden sein könne. Sie bezeugten auch einen zweiten Verhafteten (genannt „Schornsteinfeger“), von dem man aber nie mehr etwas hörte. Ebenso ungeklärt blieb die Identität zweier Polizisten, die der frisch eingetroffenen Feuerwehr mit gezogener Waffe den Zugang zum Keller des Reichstags verwehrten – nagelneuen Uniformen wurden später vor einem Seitenportal gefunden. Der Leiter der Feuerwehr Gempp berichtete im späteren Prozess außerdem von Resten von Chemikalien die er auf Möbeln fand und von großen Blechkannen im Stenographenraum direkt unter der Rednertribüne des Plenarsaals.

Mit gespieltem Erstaunen nahm die NS-Führung vom Brand Kenntnis – Goebbels, Göring und Hitler waren trotz der laufenden „heißen Phase“ des Wahlkampfs innerhalb weniger Minuten vor Ort um den wartenden Journalisten die Mär von der Brandstiftung der Kommunisten in die Feder zu diktieren (Lubbe war noch nicht einmal verhört, „Unschuldsvermutung“ war bereits damals ein Fremdwort). Das wichtigste Ziel des Brands wurde erreicht: Reichspräsidenten Hindenburg unterzeichnete die „Brandverordnung“, auf deren Basis die Bürgerrechte „bis auf weiteres“ (also bis 1945) außer Kraft gesetzt wurden. Sie bildete die „rechtliche“ Grundlage zu den bereits vorbereiteten Massenverhaftungen, in den Tagen nach dem Brand landeten mehr als 5.000 Personen in den schnell überfüllten Gefängnissen und in ersten, improvisierten Lagern. Ein zweites Ziel, der erträumte glänzende Wahlsieg der NSDAP, scheitertet allerdings. Statt 50+X wurden nur 44% der Stimmen erzielt. Die Mehrheit zur Verfassungsänderung und zur Etablierung der Diktatur konnte aufgrund des Wahlergebnisses nur durch einen Verfassungsbruch erreicht werden. Die Stimmen der KPD wurden annulliert während die SPD in der entscheidenden Abstimmung ihre vorab als nutzlos zu erkennenden Gegenstimmen abliefern durfte, dass sie der schlechten Komödie durch ihr Erscheinen den Anschein der Legalität gab, soll ihr auf ewig zur Schande gereichen (Göring selbst, so die Anekdote, soll einige übereifrige SA-Deppen zur Ordnung gerufen haben, als sie SPD-Abgeordnete am Betreten der Kroll-Oper hindern wollten).

Zurück zum Brand. Da im In- und Ausland ein wenig zu offen über die Version der kommunistischen Verschwörung gelacht wurde, u.a. hatten diplomatische Vertreter aus Polen, der Schweiz und Frankreich kurz nach dem Brand auf Basis der Zeugenaussagen ein recht detaillierte Beschreibung der Geschehnisse an ihre Regierungen gemeldet, legte man die weitere Untersuchung sicherheitshalber in die Hände einer flugs gebildeten „Brandkommission“. Nachdem sich der „Führer“ die Diktatur gesichert hatte versuchte man verzweifelt, der Welt rechtsstaatliche „Normalität“ vorzuspielen. Während der oder die Brandstifter im ersten Überschwang der Ereignisse noch öffentlich hingerichtet werden sollten, plante man nun einen ordentlichen Prozess gegen van der Lubbe und seine aus dem Ärmel gezauberten kommunistischen Hintermänner, insbesondere KPD-Fraktionsführer Ernst Torgler und den Bulgaren Georgi Dimitroff, Mitglied der kommunistischen Internationalen und regelmäßig mit dem bulgarischen Terroristen Stefan Dimitroff verwechselt. Der im September 1933 beginnende Prozess war öffentlich und wurde anfangs sogar noch im Rundfunk übertragen. Als die Dinge immer schlechter für die Machthaber liefen, wurden Übertragungen und Tonaufzeichnungen zügig verboten, die „Öffentlichkeit“ sollte nun so klein wie möglich gehalten werden. Dieses Verbot gilt bis heute (das in Leipzig am Originalschauplatz der Verhandlung gegründete Dimitroff-Museum, das u.a. Teile der Tonaufnahmen beherbergt, wurde, wie erwähnt, nach der Wende geschlossen). Der Prozess endete schließlich in einer Blamage des Regimes. Insbesondere Dimitroff (der in der Untersuchungshaft Deutsch gelernt hatte um sich selbst verteidigen zu können, sein Vertrauen in „Terroristenanwälte“ war wohl eher gering) brachte die Richter ein ums andere Mal in Verlegenheit und erregte regelmäßig „große Heiterkeit“ im Saal, selbst Lubbe musste laut Protokoll einmal lachen als Dimitroff fragte, welcher Mephisto denn „hinter diesem armseligen Faust“ stünde. Die Kommunisten mussten „aus Mangel an Beweisen“ freigesprochen werden (wie man so schön sagt, wenn eine haltlose Anschuldigung zusammenbricht – unschuldig konnten Kommunisten anscheinend niemals sein). Das hinderte die NS-Machthaber nicht daran, Dimitroff noch einige Monate zu inhaftieren bis er auf ausländischen Druck nach Moskaus abgeschoben wurde. Der im Prozess meist völlig apathische, ein schwer verständliches Gemisch aus Deutsch und Holländisch sprechende van der Lubbe (der doch angeblich bei der ersten Vernehmung durch die Kriminalpolizei dem Beamten Zirpins in perfektem Deutsch den Ablauf der Brandstimmung minutiös schildern konnte) baute im Lauf der Verhandlungen körperlich immer weiter ab, die „jüdische Gräuelpropaganda“ (so nannte man damals „wahnsinnige Verschwörungstheorien) wusste alsbald, dass er von einem gewissen Dr. Leonardo Conti (später „Reichsgesundheitsführer“) mit Drogen ruhiggestellt wurde um sein fortgesetztes Schweigen zu sichern, denn dass weitere Hintermänner vorhanden gewesen sein müssen, wurde von Brandmeister Gempp und allen Sachverständigen immer wieder betont. Man konnte es, als die Wunschhintermänner nicht verurteilt werden konnten, leider nicht wieder unter den Teppich kehren. Andere Mittäter wurden aber nicht gesucht, denn, so das Gericht wörtlich, „jedem Deutschen ist klar, dass die Männer, denen das deutsche Volk seine Errettung vor dem bolschewistischen Chaos verdankt (...) einer solchen verbrecherischen Gesinnung (...) niemals fähig wären. Der Senat hält es daher auch für unter der Würde eines deutschen Gerichts, auf die niedrigen Verdächtigungen (...) auch nur einzugehen.“

Der kaum als „verhandlungsfähig“ zu bezeichnende van der Lubbe wurde schließlich trotzt aller Proteste verurteilt und eilig, unter Bruch des elementaren Rechtsgrundsatzes „keine Strafe ohne Gesetz“, hingerichtet. Die Herausgabe der Leiche wurde den Angehörigen verweigert, auch das ein Bruch bestehender Gesetze.

Nimmt man die Brandstiftung durch die NS-Machthaber als Tatsache (und kaum jemand war bis etwa 1960 anderer Meinung, selbst Göring gab es in Nürnberg etwas kryptisch zu – dazu später mehr) lassen sich einige Ereignisse im folgenden besser verstehen.

Beginnen wir mit dem Koalitionspartner der NSDAP, der Deutschnationalen Volkspartei DNVP von Alfred Hugenberg. Sie stimmten zwar geschlossen dem Ermächtigungsgesetz zu (was angesichts der grundsätzlichen Ungesetzlichkeit der Abstimmung aber auch egal war), nicht alle leitenden Mitglieder waren aber auch dazu bereit, die Macht vollständig an Hitler abzugeben. Offensichtlich waren sie der irrigen Auffassung, der eben ausgerufene Diktator würde weiterhin die Regierung brav mit ihnen teilen – der „Führer“ war verständlicherweise anderer Ansicht. Während sich Vizekanzler Papen eher passiv verhielt und Hugenberg in der Öffentlichkeit wenig Bereitschaft zum Heldenmut zeigte, begann der DNVP-Fraktionsführer Ernst Oberfohren im Hintergrund gegen die NSDAP zu arbeiten. Er lag bereits mit Teilen der eigenen Partei im Streit da er sich weigerte, das KPD-Verbot mitzutragen (bezeugt von Torgler im Reichstagsbrandprozess). Die Brandstiftung bot ein willkommenes Thema. Zeitgleich (und möglicherweise in Zusammenarbeit) mit Eugen von Kessel (SA-Führer) und Richard Breiting (Leipziger Zeitungsredakteur aus dem Dunstkreis Goerdelers) sammelte Oberfohren Informationen über den Brand und ließ sie möglicherweise selbst ins Ausland durchsickern (ein Teil der Aufzeichnungen der drei Personen ist erhalten). Als der Manchester Guardian einen ziemlich detaillierten Artikel über den Brand abdruckte, kam Oberfohren sofort als mögliche Quelle unter Verdacht. Vielleicht hätte ihn ein offenes Dementi gerettet, Oberfohren schwieg aber. 10 Tage nach der Veröffentlichung der englischen Zeitung wurde Oberfohren tot aufgefunden, Schusswunde im Kopf, die Pistole ordentlich auf den Tisch gelegt – „zweifelsfrei“ Selbstmord. Sein Parteifreund Hugenberg war, wie allen anderen engeren Bekannten, eher anderer Ansicht und ließ seine Freunde wissen, dass er selbst sich auf jeden Fall nicht umzubringen gedenke, etwaige Zeitungsberichte solle bitte niemand glauben.

Einige Wochen später ereignete sich ein als „Köpenicker Blutwoche“ bekannt gewordenes Massaker, dem fast 100 Menschen verschiedenster politischer Richtungen zum Opfer fielen. Es passte eigentlich nicht in die nach dem Ermächtigungsgesetz so dringend benötigte „Normalität“. Leider war das Massaker notwendig, denn Mitglieder einer SA-Standarte aus Köpenick hatten sich Ende Juni 1933 „beim Bier“ ein wenig zu laut für die Durchführung des Reichstagsbrands gelobt, was nicht nur der Wirtin, sondern auch der örtlichen Opposition zu Ohren kam. Die Geschichte machte schnell die Runde und so sah man sich von Seiten der Nazis gezwungen, einige redselige Parteigenossen und eine wesentlich größere Zahl von Oppositionellen endgültig mundtot zu machen, viele Opfer wurden vorher gefoltert, teilweise wurden die Menschen einfach zu Tode geprügelt. Der bereits erwähnte Dr. Villain bewährte sich auch bei dieser Aktion und so kehrte schnell wieder eine lähmende Ruhe ein. Die gleiche Friedhofsruhe herrschte bei der Berliner Feuerwehr, denn es hatte sich auch dort schnell herumgesprochen, dass es tendenziell ungesund war, wenn man Dritten von „Benzinkannen“, „Brandbeschleunigern“ und „falschen Polizisten“ erzählte.

Während der Prozess vor dem Reichsgericht in Leipzig sein trauriges Ende nahm endete der in London organisierte Gegenprozess (wussten Sie übrigens, dass es während des ersten Kriegs der USA gegen den Irak einen ähnlichen, vom ehemaligen US-Justizminister Ramsey Clark organisierten Prozess gab?) erwartungsgemäß mit einem Schuldspruch für die Nazis. Die Ereignisse in Berlin wurden auch im sog. Braunbuch behandelt, das in mehrere Sprachen übersetzt schließlich unter der Hand auch den Weg nach Deutschland fand. Nebenbei: Die gleichen „Historiker“ die jede Ungereimtheit des Leipziger Prozess' ignorieren und jedes Gutachten über den Brandablauf in den Wind schlagen zögern nicht, einzelne, aufgrund der begrenzten Mittel unvermeidbaren Fehler, Übertreibungen und Spekulationen des Braunbuchs als „Beweis“ für dessen grundsätzliche Unglaubwürdigkeit anzusehen. Außerdem wurde ja alles von Kommunisten geschrieben. Aber dazu später.

Wir schreiben also inzwischen das Jahr 1934 und „Normalität“ war immer noch nicht eingekehrt. Die Opposition außerhalb der NSDAP war zwar ruhiggestellt (d. h. tot, inhaftiert, geflohen oder im Untergrund), inzwischen ging aber ein Riss durch die eigenen Reihen. Die „alten Kämpfer“ der SA forderten nun endlich ihren Lohn für mehr als 10 Jahre Straßenterror. Ihr natürlicher interner Feind war seit der Machtergreifung die immer stärker werdende SS, in der die NSDAP geschickt willige Überläufer der alten herrschenden Schichten integrierte. Röhm, der beim Reichstagsbrand übergangene SA-Chef („das hätte ich besser gemacht“ höhnte er laut Zeugen über die im Nachhinein als recht schlampig durchgeführt zu bezeichnende Brandstiftung), strebte die Schaffung eines Volksheeres unter seiner Führung an und zögerte scheinbar auch nicht, „Parteigeheimnisse“ als Druckmittel einzusetzen. Die alte Reichswehr und die elitäre SS mit ihren gelangweilten Bürgersöhnchen, gehobenen Beamten, „Adeligen“ und Doktoren bekamen beim Gedanken an einen mehrere Millionen Köpfe zählenden, gut bewaffneten Straßenpöbel unter Röhm genauso große Angst wie die Wirtschaftsführer die fürchteten, irgendjemand würde möglicherweise doch noch das alte 25-Punkte-Programm der NSDAP durchlesen und an der Seite der „jüdischen“ Wucherer auch noch ein paar arische Wucherer aufknüpfen. Eine Entscheidung musste fallen, entweder die „zweite Revolution“ durch die SA oder eine Erledigung der alten Revolutionäre („Was macht man nach einer Revolution mit den Revolutionären?“ war eine schon von Mussolini aufgeworfene Frage). Tatsächliche Putschpläne der SA gegen ihren geliebten „Führer“ und Reichskanzler waren natürlich Unsinn, dass der Leiter der SA aber eine für seine parteiinternen Konkurrenten ein wenig zu große Popularität genoss und einen unbequemen Machtfaktor darstellte, dürfte daran abzulesen sein, dass Röhm selbst das offene Geheimnis seiner Homosexualität und die vielen Geschichten über die „Brigade 175“ nie sehr geschadet hatten.

Hitler entschied sich gegen seine alten Kämpfer und für die alten Kräfte des Staates (wie ja auch Stalin nach Lenins Tod nach und nach alle alten Bolschewiki ermordete und Wendehälse der alten Ordnung als wesentlich zuverlässigere Stütze seiner eigenen Macht bevorzugte, die Mehrzahl der Ideen der Revolution blieb dabei auf der Strecke). Binnen weniger Tage wurden alle noch verbliebenen Unruheherde und Unsicherheitsfaktoren ermordet. Dabei ist angesichts der späteren Entwicklung zur „Sippenhaft“ bemerkenswert, dass Hinterbliebene, die bereit waren „Schwamm drüber“ zu sagen, mit einer staatlichen Pension abgefunden wurden. Neben Röhm wurde die komplette SA-Führung, der marginal sozialistisch angehauchte Parteiflügel um Strasser, aber auch einige weitere bemerkenswerte Männer liquidiert. Zum einen der inzwischen berüchtigte Dr. Villain, der bei einem parteiinternen „Ehrengericht“ ein wenig zu direkt eine angemessene Belohnung für seine Verdienste um die Brandstiftung gefordert hatte. Ebenfalls erschossen wurde der als Informationssammler erwähnte SA-Mann Eugen von Kessel, sein Informant Georg von Detten, außerdem die schon immer mit der Brandstiftung in Verbindung gebrachten SA-Leute Karl Ernst und Othmar Toifl, der Münchner Journalist Fritz Gerlich sowie Erich Klausner, im Preußischen Innenministerium Leiter der Polizeiabteilung. Insbesondere bei den letzten beiden ist eine angebliche Beteiligung an irgendwelchen angeblich geplanten Revolten völlig unglaubwürdig, es müssen also andere Gründe für die Ermordung vorgelegen haben.

Nach dieser „Nacht der langen Messer“ konnte nun endlich die Mär vom zivilisierten, friedliebenden Nationalsozialismus gestrickt werden. Der „Führer“ wurde hoffähig (beim Papst war er es schon 1933) und das Ausland schien bereit, Deutschland wieder eine gewisse internationale Rolle zuzubilligen. In diese herrliche Zeit der Autobahnen und Olympischen Spiele fiel die schrittweise Entrechtung der Juden gar nicht mehr so ins Gewicht, waren ja sowieso nur Halsabschneider, die Kommunisten vermisste ja auch niemand. Man musste ja nur sein Maul halten, den Arm heben und alles war gut (wobei „man“ natürlich vergaß, dass in Unrechtssystemen jeder, auch der passive, „unpolitische“ Untertan bedroht ist, Sie wissen schon, „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ bzw. „als sie die Kommunisten geholt haben, habe ich geschwiegen...“). Wenn es aber selbst mit dem Schweigen nicht klappte, drohte sofortiges Ungemach. Im April 1937 büßte Richard Breiting sein nie erlahmendes Interesse an den Verbrechen der Nazis mit einem vorzeitigen Tod, ob man den gerade mal 55jährigen durch ständige Drohungen, Durchsuchungen und andere Druckmittel gesundheitlich ruinierte oder ob von Seiten der Gestapo mit Gift ein wenig nachgeholfen wurde, konnte die Familie aufgrund der verweigerten Obduktion und der gegen den Wunsch der Hinterbliebenen erfolgten Einäscherung nie geklärt werden. 1939 starb schließlich auch Oberbranddirektor Walter Gempp, der sich standhaft weigerte, die von ihm beobachteten Hinweise auf die weiteren Brandstifter zu vergessen. Selbst angesichts der Kristallnacht konnte er nicht staatsmännisch schweigen, sondern musste von „Schande“ sprechen. Da ihn offensichtlich weder politischer Druck noch seine bald nach dem Brand aus fadenscheinigen Gründen erfolgte Suspendierung in einen braven Untertan verwandeln konnten, wurde er schließlich 1938 im Zuge der „Minimax-Affäre“ verhaftet (auch damals gab es schon griffige Formulierungen wenn eher untergeordnete Vergehen aufgeblasen werden mussten). Man fand Gempp schließlich erdrosselt in seiner Gefängniszelle auf – „Selbstmord“ auf dem Totenschein zu notieren hatte man 1939 bereits nicht mehr nötig. Vier Monate später begann der vom „Führer“ herbeigesehnte Krieg gegen Polen. Deutschland und die Welt hatten jetzt andere Sorgen als die Frage, durch welche Verbrechen die Verbrecher ihre „Ermächtigung“ zum Weltkrieg erreicht hatten.

Damit könnte man die Geschichte beschließen. Auf dem Gebiet der DDR wurden nach 1945 einige Prozesse im Zusammenhang mit der Köpenicker Blutwoche geführt und Genosse Dimitroff bekam verdientermaßen am Schauplatz des Brandprozesses ein Museum. Auf dem Gebiet der BRD wurde das Geschehen weitgehend ignoriert, nicht wenige direkt mit dem Brand verbundene Personen wurden westintegriert. Warum auch nicht, treue, anpassungsfähige Beamte braucht jeder Staat. Selbst der brave Rudolf Augstein stellte 1950 und 1951 mehrmals im SPIEGEL fest, dass insbesondere die Polizei in der BRD auf das alte Fachpersonal des NS-Regimes nicht verzichten könne. Praktisch war in diesem Zusammenhang war die damals gerade erfundene „Kollektivschuld“, denn individuelle Schuld fiel danach plötzlich nicht mehr so ins Gewicht. Das herunterspielen der INDIVIDUELLEN Schuld war auf dem Gebiet der BRD großes Ziel der neuen/alten Stützen des Systems. Während man an den amtlichen Gedenktagen dicke Tränen in Auschwitz und Dachau vergoss wurde man sehr sehr böse, wenn irgendjemand darauf hinwies (entsprechende Hinweise kamen damals besonders gerne aus der DDR), dass der ein oder andere Bonner Demokrat DIREKT in die Verbrechen verwickelt war, vom mit samt seinem Stab in Lohn und Brot übernommenen Kamerad Gehlen bis zu Adenauers Intimus Globke. „Kommunistische Lügen“ war wieder ein salonfähiger Begriff (die KPD war ja auch sehr schnell wieder verboten) und so nahm die Geschichtsklitterung ihren Lauf. Mitten drin die „liberale“ ZEIT, der „linke“ SPIEGEL, ein Autor namens Fritz Tobias und ein Historiker namens Hans Mommsen. Am Rande beteiligt: Unter anderen Walter Zirpins (leitete die erste Vernehmung van der Lubbes und „bezeugte“ somit Lubbes Geständnis), Rudolf Braschwitz (leitete die „Brandkommission“) und der alte Goebbels. Sie spielten, freiwillig und unfreiwillig, Kronzeugen für die neue These der Alleintäterschaft van der Lubbes. Wie dies?

Der neue Ablauf der Weltgeschichte sah folgendermaßen aus. Der zu 75% erblindete van der Lubbe wanderte mit keinem Sechser in der Tasche in zwei Wochen von Holland nach Berlin, irrte ein wenig in der Hauptstadt zwischen SA-Aufmärschen und Männerwohnheimen herum, kaufte sich ein paar Kohlenanzünder, versuchte das Stadtschloss anzuzünden, stieg danach in den Reichstag ein und legte den Brand. Die NS-Führung war völlig überrascht, sie versuchte die Situation aber auszunutzen, wobei sie leider über das Ziel hinausschoss, Deutschland und die NSDAP „schlitterten“ gewissermaßen in eine nicht geplante Terrorherrschaft hinein. Die Diktatur Hitlers war eine Art Betriebsunfall („Überreaktion“ lt. SPIEGEL), der über die mit bester Gesinnung ausgestatteten Beamten der Weimarer Republik, Hitlers Parteispender, Koalitionspartner und das Volk hereinbrach. Mit der Hinrichtung von ein paar führenden Köpfen in Nürnberg konnte der böse Spuk beseitigt werden und alles war gut. Deutschland wurde eine westliche Demokratie nahm nach ein paar Jahren Schonfrist gemeinsam mit den alten Feinden im Westen den Kampf gegen den Ostblock auf.

Entsprechend mussten auch die folgenden Ereignisse umgeschrieben werden. Dies geschah wie oben erwähnt 1959/60 durch eine Serie in Augsteins SPIEGEL, ein 1962 von Fritz Tobias, dem Autor dieser Serie, veröffentlichtes Buch und Hans Mommsen, der dem ganzen professorale Weihen gab (sogar der inzwischen reichlich in Ungnade gefallene David Irving durfte seinen Beitrag leisten). Kronzeuge war Kommissar Zirpins, der van der Lubbe verhörte und dem der Verhaftete eine genaue Beschreibung der Brandstiftung lieferte. Da Zirpins „auch rückblickend nicht als Faschist“ bezeichnet werden könne (SPIEGEL) ist das erste Vernehmungsprotokoll und der geschilderte Tatablauf glaubhaft. Die Brandkommission unter Braschwitz bestand aus ehrlichen Beamte die den Tatablauf abschließend klären konnten. Lubbe wurde zu Recht verurteilt, ein freiheitlich-demokratisches Gericht hob 1967 allerdings die durch einen Rechtsbruch verhängte Todesstrafe gegen Lubbe auf und wandelte sie in Gefängnisstrafe um (das erbärmliche juristische Possenspiel das in einer Aufhebung des Urteils endete – nicht in einem Freispruch – dauerte noch bis 2007). Etwaige „Hintermänner“ van der Lubbes existierten nicht, sie wurden entweder von den Nazis erfunden um die Kommunisten zu beschuldigen oder von den Kommunisten um die Nazis zu beschuldigen. Zeugen und Gutachter die eine Alleinschuld Lubbes ablehnten irrten sich oder waren bezahlte Lügner.

In modernem Deutsch liest sich das so (Rezension des Buchs „Der Reichstagsbrand“ von Sven Kellerhoff in der SZ, Juli 2008): „Kellerhoff kommt nicht zu einem sensationellen, sondern zu einem bescheidenen, eher banalen Resultat. Der Autor hält nun für erwiesen, dass weder die Nazis noch die Kommunisten das Feuer gelegt haben, sondern der holländische Sonderling allein. Er stützt sich dabei auf die Vernehmungsprotokolle vom ersten Ortstermin. Da habe van der Lubbe 'fast jeden einzelnen Brandherd, den er gelegt hatte', detailliert beschrieben. Kellerhoff verschweigt nicht, dass in Leipzig 'vier von fünf Sachverständigen ausgeschlossen hatten, dass ein einzelner Brandstifter eine solche Feuersbrunst entfachen konnte'. Doch er stützt sich auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse: 1933 sei das heute als „Backdraft“ bekannte und gefürchtete „Phänomen“ der Rauchgasexplosion noch nicht erforscht gewesen.“

Zurück in die 60er. Insbesondere die SPIEGEL-Serie löste eine Welle von Reaktionen aus. Zahlreiche Zeitzeugen meldeten sich in Briefen beim Magazin und drängte auf Korrekturen, Feuerwehrleute, Familienangehörige von Beteiligten, alte Sachverständige. Sie fanden bei Augsteins Magazin wenig Gehör, dass man von ihnen weiß ist – wie vieles andere – dem Schweizer Historiker Walther Hofer und seinem Team zu verdanken. Sie trugen eine Fülle von Material zusammen das Tobias und den SPIEGEL der Lächerlichkeit preisgab. Sie überprüften die alten Brandgutachten und konnten sie durch „neuere wissenschaftliche Erkenntnisse“ voll bestätigen. Sie sichteten die Prozessprotokolle und konnten alle Ungereimtheiten der Alleintäterthese aufdecken für die, außer Kommissar Zirpins, so gut wie nichts sprach. Wie später bei anderen berühmten Attentaten mag es Wissenschaftler geben, die das eine oder andere widerlegen, beweisen oder zumindest in Frage stellen, damals wie heute kann man aber einfach feststellen, dass man nicht innert 20 Minuten einen aus schwerem Holz gebauten Saal ausschließlich mit Kohlenanzündern in Brand setzen kann, allem Backdraft zum Trotz. Dass eine Rauchgasexplosion oder eine Verpuffung die Glaskuppel des Reichstags zerstört hat ist keine sensationelle Neuerung, dass der Saal allein durch die Sauerstoffzufuhr plötzlich in Flammen stand, wird auch von niemand bestritten. Die Alleintäterthese scheitert aber an der Produktion der für diese Verpuffung notwendigen Rauchgase und der zur Entzündung notwendigen Erwärmung der Saaleinrichtung. Sie scheitert entweder an der Menge des dazu nötigen verbrannten Holzes (Zeitproblem für Lubbe) oder an der Menge des dazu notwendigen Brandbeschleunigers (Mengenproblem für nur einen Täter, damals wie heute wurde aus den gefundenen Rußrückständen und der zur Verpuffung nötigen Energie ein Bedarf von mindestens 50 Litern „Petroleumderivat“ berechnet). Ein Vertreter der Alleintätertheorie versuchte schließlich verzweifelt, den ganzen Brandablauf in Frage zu stellen, um Lubbe mehr Zeit zu verschaffen. Man kennt das ja mit den Einzeltätern. Jedes mal, wenn eine neue Unmöglichkeit auftaucht, gibt es ein neues Gutachten das diese Unmöglichkeit klärt, bis schließlich eine Kugel 20 Wunden verursacht wobei natürlich aber auch in 100 Jahren noch nicht geklärt werden kann, wie ein hinter dem Opfer stehender Schütze eine von mehreren Ärzten bezeugte Einschusswunde in der Kehle hinterlassen kann. Das Grundproblem ist immer das gleiche: The guy couldn't do the shooting. Nobody could. Als vorübergehend kein neues Gutachten mehr weiterhalf wurden einige Zeugen von den empörten Vertretern der Alleintäterschaft Lubbes gefragt, warum sie denn selbst nach 1945 noch geschwiegen hätten. Die Erwiderungen waren sehr entlarvend: Die meisten Zeitzeugen antworteten, dass ihnen beim besten Willen nicht bekannt gewesen wäre, dass jemand die Täterschaft der Nazis anzweifeln würde. Der gute David Irving brachte noch Goebbels als Kronzeugen für die Unschuld der Nazis ins Spiel, denn dieser hatte in seinen Tagebüchern von der Schuld der Kommunist geschrieben und in Tagebüchern müsse ja niemand lügen, also sei glaubhaft, dass es die Nazis nicht waren. Dass die entsprechenden Tagebuchbände aber bereits 1934 unter dem Titel „Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei“ veröffentlicht wurden, es sich also mitnichten um private Äußerungen handelte, ist dem Historiker offensichtlich entgangen (später fand man dann noch eine Stelle von 1941 derzufolge Goebbels und Hitler zusammen gerätselt hätten, wer denn nun den Reichstag angezündet hätte – also nicht van der Lubbe???)

Der SPIEGEL, die ZEIT (auch in Person des heutigen Herausgebers Jessen), Tobias und andere griffen zum letzten Mittel: Walther Hofer und sein Team hätten Dokumente gefälscht, um die armen Nazis zu belasten. Zum Beweis führte man beispielsweise an, dass in einigen Dokumenten „Kroatismen“ verwendet würden (eines der Mitglieder des Teams stammte aus Istrien). „Kroatismen“, die sich allerdings sowohl in offiziellen Verzeichnissen deutscher Sprichworte als auch in den Schriften von Goethe finden (bspw. der heute unübliche Ausdruck „verbrennen von Häusern“). „Fälschungen“ konnte man lediglich dem SPIEGEL nachweisen. Betrachten wir kurz den Kronzeugen der Alleintäterthese, Walter Zirpins, der, um das schöne Wort des SPIEGELS noch einmal zu wiederholen, „auch rückblickend nicht als Faschist“ bezeichnet werden kann. Kriminalrat Zirpins wurde 1938 Schulungsexperte der Sicherheitspolizei im Reichssicherheitshauptamt unter Reinhard Heydrich. Als SS-Obersturmbannführer war er danach Leiter der Kriminalpolizei in Lodz, bekämpfte im dortigen Ghetto tatkräftig das „jüdische Verbrechertum“ (aus einem selbsterstellten Lebenslauf) und schrieb nebenbei ein Lehrbuch über die NS-Strafjustiz und ein Buch über die weltanschauliche Grundlage des III. Reichs. Ein lupenreiner Demokrat also, der zwar auf der polnischen Kriegsverbrecherliste landete, nach dem Krieg aber in den niedersächsischen Polizeidienst übernommen wurde (allerdings forderten die Polen auch – ebenso vergeblich – die Auslieferung des erste Ministerpräsident Niedersachsen, Hinrich Kopf, gleich und gleich gesellt sich gern). Ein zweiter Kronzeuge der Alleintäterthese, Rudolf Braschwitz, hätte eigentlich wegen Meineids oder Falschaussage oder Beweisfälschung angeklagt werden müssen (er bezeugte bspw. die Echtheit eines angeblich bei Dimitroff gefundenen Stadtplans auf dem das Schloss und der Reichstag markiert waren, noch im Prozess in Leipzig wurde ihm durch verschiedene Zeugen die nachträgliche Manipulation des Stadtplans nachgewiesen). Aber von den Vertretern der Alleintätertheorie wird er als respektabler, pflichtbewusster Beamter der Weimarer Demokratie bezeichnet, denn man braucht seine Aussagen dringend. Und so wird neben der Beweisfälschung auch vergessen, dass Braschwitz schon 1933 in die Gestapo eintrat und ab 1. März 1933 „förderndes Mitglied“ der SS war um schlussendlich ebenfalls im Reichssicherheitshauptamt, „der wahren Verbrechenszentrale des III. Reichs“ (Walther Hofer) zu landen. Auch er war also keinesfalls der unpolitische, in der Demokratie verwurzelte Beamte.

Damit wollen wir es endgültig bewenden lassen. Ziel dieses kleinen Aufsatzes war nicht die abschließende Lösung des großen „Rätsels“. Angesichts des dürftigen Medienechos zum 75. Jahrestag, das in guter Tradition der freiheitlich-demokratischen Geschichtskorrektur meist ebenfalls nur von „Gerüchten“, „unbeweisbaren Vermutungen“ und ähnlichen halbseidenen Formulierungen strotzte, wollte ich aber darauf hinweisen, dass es reichlich Material über diesen „Kriminalfall“ (wie die jüngste Veröffentlichung den Vorabend des NS-Staatsstreichs und den Justizmord am holländischen Bürger Marinus van der Lubbe verharmlosend nennt) gibt anhand dessen der Brand und die folgenden Ereignisse nahezu eindeutig beurteilt werden können. Das Ergebnis sieht anders aus als die von den inzwischen gesamtdeutschen Medien verbreitete These des „Alleintäters“ und der „Diktatur als Betriebsunfall“ die durch die Hintertür auch den Begriff der „kommunistischen Lügenpropaganda“ wieder in die Debatte einführt. Bezeichnenderweise wird diese These gebetsmühlenartig vom „linken“ SPIEGEL und der „liberalen“ ZEIT vertreten, zwei Druckerzeugnissen, die in den letzten Jahren immer hysterischer hinter jedem Glatzkopf und hinter jeder noch so banalen Bürgerinitiative das neue III. Reich heraufziehen sehen. Zum Verständnis des Faschismus tragen sie selbst aber nichts bei, im Gegenteil, seit Anfang der BRD werden die tatsächlichen Täter verharmlost und Unbeteiligte durch die Kollektivschuld belastet, das Verständnis des Faschismus wird einem unwissenden Erschaudern geopfert. Selbst der Holocaust wird normalerweise nicht durch die Ergüsse geistig minderbemittelter Historiker verharmlost, sondern durch die Tatsache, dass bspw. die durch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ verhängten Berufsverboten gegen die Bürger jüdischen Glaubens als NOTWENDIGE Vorstufe des Holocaust ignoriert werden. Auch der Holocaust fiel nicht vom Himmel, sondern wurde Schritt für Schritt vorbereitet. Der Begriff „Endlösung“ verdeutlicht dies sehr gut, denn jede Endlösung muss einen Anfang haben und der war nicht die Kristallnacht, sondern der 1. April 1933, als sich der bestellte oder freiwillige Volkszorn zum ersten Mal gegen die Juden und ihre „Lügenpropaganda“ richtete.

Eine „gute Seite“ des III. Reichs gab es keinen einen Tag lang, und alle, die deswegen auf einer dummen Fernsehmoderatorin herumhacken sollten erst einmal überprüfen, ob sie selbst diese Tatsache auch wirklich verstanden haben. Denn selbst die angeblich „linksliberalen“ Medien, die „Gutmenschen“, die Grünen „Pazifisten“, die „Alt-68er“, alle stellen sich lieber brav in den Dienst des Systems, der Muff von 1000 Jahren wird damals wie heute ignoriert, du bist nichts, die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist alles. Und so macht der „Antifaschismus“ auf Recht, Gesetz und vor allem auf die Vernunft fröhlich einen großen Haufen. Straßenschläger stärken die Demokratie und Demonstrationsverbote fördern die Meinungsfreiheit. Und wer Berufsverbote gegen „Nazis“ oder „Kommunisten“ mit den Berufsverboten gegen Juden auch nur ansatzweise vergleicht „verharmlost den Holocaust“, ist also Nazi. Basta. Wehe man erinnert auch noch daran, dass der straffällig gewordene Ausländer Hitler 1923, auf Basis der geltenden Gesetze, eigentlich sein Leben, zumindest aber sein Aufenthaltsrecht verwirkt hatte. Er konnte seine Karriere nur aufgrund verständnisvoller Richter mit der Bereitschaft zur Rechtsbeugung fortsetzten, die ihn nicht einmal ins Zuchthaus stecken wollten, sondern eine „ehrenvolle“ Festungshaft anordneten. Eugen Leviné hatte vier Jahre vorher weniger Glück, kommunistische „Hochverräter“ wurden einfach an die Wand gestellt. Wie gesagt, irgendein „Rassismus“ ist für ein faschistisches System entbehrlich, Rechtsbeugung, das Messen mit zweierlei Maß und die völlige Abkehr von der Vernunft nicht.

Ich hoffe, ich konnte mit dieser kleinen Übersicht dazu anregen, sich um das Verständnis des Faschismus zu bemühen. Denn alles noch so gutgemeinte Gedenken nützt nichts, wenn man das Wesen des Faschismus nicht verstanden hat. Denn ohne Verständnis des Faschismus erkennt man nicht, wenn sich die Geschichte wiederholt, besonders wenn sich die Wiederkehr des Faschismus als Farce nach der Tragödie tarnt.

P.S. Ein kleiner Witz noch für alle erfahrenen „Verschwörungstheoretiker“. Wie hieß der ebenfalls im Zuge der „Röhm-Revolte“ ermordete Adjutant von Karl Ernst? Walter von Mohrenschildt. Sein Bruder Udo von Mohrenschildt überlebte die Mordaktion und gab nach dem Krieg ebenfalls einige Hinweise auf die Hintermänner des Brands.


c.


Literatur:
Alexander Bahar (Hrsg.), Der Reichstagsbrand, 1992, AHRIMAN-Verlag
(ISBN-13: 978-3922774808)
Sven Felix Kellerhoff, Der Reichstagsbrand: Die Karriere eines Kriminalfalls, 2008,
Bebra Verlag
(ISBN-13: 978-3898090780 )
Reinhard Kühnl, Formen der bürgerlichen Herrschaft, 1995, Rowohlt Taschenbuch-Verlag
(ISBN-13: 978-3499113420)
Reinhard Kühnl, Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten, 2002,
Papyrossa Verlagsges.
(ISBN-13: 978-3894382506 )
Monika Zorn (Hrsg.), Hitlers zweimal getötete Opfer, 2001, AHRIMAN-Verlag
(ISBN-13: 978-3894844011)

roxelena
22.10.2008, 17:13
Kannst als Threaderöffnung das nächstemal ein Buch reinkopieren:cool2:

cajadeahorros
23.10.2008, 08:12
Kannst als Threaderöffnung das nächstemal ein Buch reinkopieren:cool2:

Gerne.

Ich fands hier im Forum aber besser platziert als in irgendeinem Blog autistisch vor mich hinzuschreiben.

malnachdenken
23.10.2008, 13:22
Der Eingangstext ist wirklich etwas sehr lang. Vielleicht magst Du den Inhalt ja mal in kurz zusammenfassen?

cajadeahorros
23.10.2008, 14:29
Der Eingangstext ist wirklich etwas sehr lang. Vielleicht magst Du den Inhalt ja mal in kurz zusammenfassen?

Geht eigentlich nicht da der Eingangsbeitrag die Zusammenfassung eines 500 Seiten Buchs ist (Der Reichstagsbrand, Hrsg. A. Bahar, eine Neuausgabe der Studien von Walther Hofer et. al.)

Aber in einem Satz:
Die Nazis haben den Reichstag als bewusste Provokation angezündet und die in den 60er Jahren aufgebrachte Alleintäterthese ist haltlos, sie diente zur Reinwaschung des westintegrierten NS-Personals.

marc
23.10.2008, 14:30
Södele.
Nachdem ich dem Text eine Chance gegeben habe, kann ich dir schonmal insofern ein Kompliment machen, weil er gut zu lesen ist und man ihn auch angenehm bis zum Ende folgen kann, obwohl man sich zuerst natürlich fragt, ob diese Textmasse in einem Internetforum überhaupt die Mühe wert ist.

Zwischendurch habe ich mich allerdings gefragt, worauf du eigentlich hinauswillst und ob das geschichtswissenschaftliche Fundament, das du hier legst, nicht zu ausführlich beschrieben ist, wenn man die Größe des zeitgenössischen Dachgeschosses bedenkt, von dem aus man "das Wesen des Faschismus" dann erkennen und beobachten könnte.

Offensichtlich (lese ich dich da richtig?) sind es zwei Punkte, auf die du hinauswillst: Erstens sei die mehr oder minder subtile Geschichtskittung vergangener Faschismusformen ein Symptom für gegenwärtige Faschismusformen, und die Ausführlichkeit, mit der du den Reichstagsbrand beschreibst, hat ihr Ziel nicht, oder nicht nur, in dem Aufzeigen der Beweislast, die erdrückend gegen den braunen Mephisto im Hintergrund spricht, sondern sie dient eigentlich und vorallem als Lanze gegen zeitgenössische Medien. Das wäre dann der zweite Punkt, so wie Adorno geschrieben hat, dass er sich vor der Rückkehr der Faschisten nicht im Mantel der Faschismus fürchten würde, sondern im Mantel der Demokraten. Also das ist für dich schon eingetreten?

Dafür könnte vielleicht auch der jedenfalls schönste Satz in dem Text sprechen:


Das Verständnis des Faschismus wird einem unwissenden Erschaudern geopfert.


Vielleicht mal ein paar Dinge, zu denen ich jetzt spontan was sagen will:


Die Stoßrichtung ist klar. Der „Führer“ war ein unerklärlicher Betriebsunfall.

Dieser Gedanke, der sich in letzter Zeit wieder größerer Beliebtheit zu erfreuen scheint, stört mich auch. Vor zwei Jahren z.B. besuchte der Papst Auschwitz und beschrieb das Dritte Reich als eine "Schar(!) von Verbrechern", die mit allerlei Mitteln "Macht über uns Volk" gewonnen hätten, das sich von Gott abgewendet habe, dessen Wurzeln folglich auch ganz ausgerissen werden sollten.

Das macht auch eine zweite Argumentationslinie deutlich, die erschreckend oft gebraucht wird und nach der es ja nur eine Schar von echten Nazis gegeben hätte, ein Dutzend vereinzelnte Personen, die sich halt Macht verschafft hätten.

Eine Systematik, ein langsamer Prozess wird hier gar nicht mehr erwähnt und an dem Ende dieser Gedanken fällt es auch leicht, jemanden wie Filbinger als eigentlichen Gegner des NS-Regimes auszuweisen.



Ebenso zuwider wie der verordnete Antikommunismus, dem seit 1990 wohl mehr als 75% der KZ-Gedenkstätten, Denkmäler und Erinnerungstafeln auf dem Gebiet der DDR zum Opfer fielen (...) wen interessieren schon ein paar hingerichtete rote Ratten und Vaterlandsverräter. Was ist ein jahrelang aktiver Widerstandskreis um Georg Schumann im Vergleich zu unseren braven christlichen Studenten Scholl. Was ist ein Richard Sorge schon gegen unseren herrlichen Oberst Stauffenberg. Und wer ist überhaupt Georgi Dimitroff? Ein stalinistischer Verbrecher, sonst nichts, in 20 Jahren kennt ihn sowieso niemand mehr...

Das wiederum finde ich nicht ganz unverständlich. (Haben wir eigentlich einen Thread über den Historikerstreit?) Aber ... ich meine, es ist halt so, dass erstens die Kommunisten zu dem Zeitpunkt des Reichstagsbrandes schon ein paar Millionen Opfer auf dem Gewissen hatten und die Nazis gerade erst angefangen haben - und nach dem Zweiten Weltkrieg machten die Kommunisten ja auch munter weiter mit ihrem mörderischen, "rot lackierten Faschismus".

In diese Richtung würde auch meine Kritik an Linksaußen gehen, die auf dem linken Auge eben oft blind sind.


Nachdem Hitler eine Werbetour durch die Vorstandsetagen der deutschen Wirtschaft hinter sich gebracht hatte und sich nachdrücklich von den scheinsozialistischen Elementen seines Parteiprogramms distanziert hatte („Ich stehe zum Privateigentum“)

Ja, ich glaube dazu habe ich auch schon mehrmals was geschrieben - also dass die NSDAP kein sozialistisches Wirtschaftsprogramm hatte, sondern wenn man eine Definition suchen würde, vielleicht rechte Keynesianer sagen müsste.
Die heutige NPD ist im Grunde wesentlich sozialistischer als die damalige NSDAP.

malnachdenken
23.10.2008, 14:39
Aber in einem Satz:
Die Nazis haben den Reichstag als bewusste Provokation angezündet und die in den 60er Jahren aufgebrachte Alleintäterthese ist haltlos, sie diente zur Reinwaschung des westintegrierten NS-Personals.

Seltsamerweise war Goebbels aber doch sehr überrascht von dem Brand (steht wohl so in seinem Tagebuch) und auch Hitler wollte es erst nicht glauben, war sich aber der Gelegenheit, die dieser Brand gab, dann bewusst.

cajadeahorros
23.10.2008, 16:22
Seltsamerweise war Goebbels aber doch sehr überrascht von dem Brand (steht wohl so in seinem Tagebuch) und auch Hitler wollte es erst nicht glauben, war sich aber der Gelegenheit, die dieser Brand gab, dann bewusst.

Zu dieser Frage hilft dann nur der Text.

cajadeahorros
23.10.2008, 17:09
Das wiederum finde ich nicht ganz unverständlich. (Haben wir eigentlich einen Thread über den Historikerstreit?) Aber ... ich meine, es ist halt so, dass erstens die Kommunisten zu dem Zeitpunkt des Reichstagsbrandes schon ein paar Millionen Opfer auf dem Gewissen hatten und die Nazis gerade erst angefangen haben - und nach dem Zweiten Weltkrieg machten die Kommunisten ja auch munter weiter mit ihrem mörderischen, "rot lackierten Faschismus".


Besten Dank fürs Lesen, war ja scheinbar nicht umsonst den Text einzustellen. Auch wenn er etwas sperrig fürs Forum war, er lag herum, warum also nicht solange der Speicherplatz umsonst ist.

Bezüglich der Millionen Toten des Kommunismus widerspreche ich mit der gebotenen Vorsicht. 1933 war der Kommunismus noch nicht völlig diskreditiert (und als Idee auch noch nicht völlig durch unwürdige Vertreter zerstört). Stalins Position war noch nicht gefestigt, die Schauprozesse begannen später. Und die Millionen Toten waren nun einmal zum großen Teil Opfer eines sicherlich widerwärtigen Bürgerkrieges, aber keine spezifischen Opfer des Kommunismus, die Jagdstrecke der Weißen Garden war erheblich. Und auch der berühmte Holodomor kann zu einem größeren Teil aus den bürgerkriegsbedingten Zerstörungen erklärt werden. Und die 1933 bereits existierenden faschistischen Staaten bewiesen dass "lieber tot als rot" nur bedingt eine Option war.

Lichtblau
23.10.2008, 22:35
Habs gelesen, gut geschrieben.

Du solltest unbedingt deine Erkentnisse, natürlich ohne den Sarkasmus, im Wikipedia-Artikel einarbeiten. (am besten mit Belegen durch Fußnoten)

Damit kannst du wirklich viele erreichen.

cajadeahorros
24.10.2008, 10:26
Habs gelesen, gut geschrieben.

Du solltest unbedingt deine Erkentnisse, natürlich ohne den Sarkasmus, im Wikipedia-Artikel einarbeiten. (am besten mit Belegen durch Fußnoten)

Damit kannst du wirklich viele erreichen.

Wikipedia habe ich aufgegeben. Dort sind zuviele Idioten mit zuviel Zeit die einen, was politische Inhalte betrifft, in sinnlose "edit-wars" verwickeln.

Ganz genau lieber elektrofisch, du bist gemeint (falls du auch hier zensierst).

Hellmann
24.10.2008, 21:20
Sehr guter Eröffnungstext.

Allerdings fehlen da zwei wichtige Leute:

1. Putzi Hanfstaengl

2. Sefton Delmer

Die Rolle dieser beiden habe ich mal im Politikforum näher betrachtet.

-> http://www.politik.de/forum/showthread.php?p=7612250#post7612250

Man muß leider den Strang durchlesen, weil ich das jetzt nicht alles noch einmal zusammenfassen will.

Jedenfalls ist davon auszugehen, dass mit Sefton Delmer und Hanfstaengl die britische Regierung und die US-Botschaft von der Brandstiftung informiert waren und Hitler mit entsprechenden öffentlichen Beschuldigungen hätten verhindern können.

marc
24.10.2008, 21:28
Wikipedia habe ich aufgegeben. Dort sind zuviele Idioten mit zuviel Zeit die einen, was politische Inhalte betrifft, in sinnlose "edit-wars" verwickeln.

Ganz genau lieber elektrofisch, du bist gemeint (falls du auch hier zensierst).

Kann ich bestätigen.
Als ich angefangen habe zu studieren, saß ich mal in einem Seminar über Max Weber und zu den Aufgaben, die uns gestellt wurden, gehörte unter anderem, mindestens drei Fehler in den Wikiartikeln über seine Bücher zu finden. :))

Ein anderer Professor war ganz begeistert von Wikipedia und er forderte seine Studenten auf, Artikel über bestimmte Historiker, Politikwissenschaftler usw. zu schreiben. Er war Feuer und Flamme, schrieb Rundmails über die "Chance Wikipedia" und hat erst später gemerkt, dass auch er als Professor kaum eine Chance hatte, einen Artikel über Leute zu verfassen, bei denen er selbst promoviert hat!, ohne dass er sich in endlose "edit-wars" mit ein paar Wichtigtuern verfangen konnte - seinen Studenten ging es genauso.
Die ganze Idee hat er dann schnell aufgegeben, der Arme. :D

Kluger Mann, aber das Internet kannte er anscheinend nicht so recht.

mabac
27.10.2008, 03:55
Sagenhaft, was manch einer von Wikipedia erwartet! :D

In der Forenwelt erspart Wikipedia oft das Abtippen von Zitaten, umfangreicher als Brockhaus - Beiträge sind Wiki - Beiträge allemal.

Ein Beispiel zum Thema, ich könnte jetzt Jan Valtins Tagebuch der Hölle wieder leihen oder für drei Euro auf dem Grabbeltisch kaufen, statt dessen zitiere ich aus einem bei Wikipedia verlinkten Artikel:


Auch einige bekannte historische Ereignisse, etwa den Reichstagsbrandprozess, erzählt das Tagebuch der Hölle neu. Laut Valtin war der Angeklagte in Leipzig, Georgi Dimitroff, in Wahrheit Leiter des Westbüros und damit der wichtigste Geheimnisträger der Komintern. Um ihn zu schützen, verhaftete die Sowjetunion nach seiner Festnahme ihrerseits eine Reihe deutscher Staatsbürger und presste dem Dritten Reich das Versprechen ab, den Bulgaren nach der Verhandlung freizusprechen. Daher der weltweit bewunderte Mut, mit dem sich Dimitroff vor Gericht verhielt.
http://www.freitag.de/2003/01-02/03012201.php

Also, so harmlos, wie die armen deutschen Kommunisten und ihre Führer dargestellt werden,waren sie nicht!

Dubidomo
27.10.2008, 17:38
Aber in einem Satz:
Die Nazis haben den Reichstag als bewusste Provokation angezündet und die in den 60er Jahren aufgebrachte Alleintäterthese ist haltlos, sie diente zur Reinwaschung des westintegrierten NS-Personals.

:top:

Jetzt kommt der nächste Schritt: Die Frage wozu das Dritte Reich gut gewesen sein soll? Irgendjemand muss daran großes Interesse gehabt haben; denn für die Zeit von 1919 bis 1930 gilt: Ohne Moos nichts los. In einer Zeit, in der 0,36 RM Stundenlöhne an Männer gezahlt wurden, kann die Frage der finanziellen Mittel nicht unter den berühmten Teppich gekehrt werden.

Sowie Hitler seine Getreuen zur Sicherung seiner Ziele geopfert hat, so wurden seine ihm verbliebenen Getreuen von den Drahtziehern im Hintergrund 1946 ganz ordentlich vom Leben zum Tode befördert. Ich habe mich oft gefragt, was sich die führenden Nazis dachten, wenn sie Recht und Gesetz so sehr zum Schaden Deutschlands missachteten.
Nun denn: Es erging ihnen wie dem so erfolgreichen Dr. Villain!

Dubidomo
27.10.2008, 18:09
Also, so harmlos, wie die armen deutschen Kommunisten und ihre Führer dargestellt werden,waren sie nicht!

Da geb ich dir Recht! Wer mit den Nazis zwecks Aushebelung des freiheitlichen Rechtstaates paktiert, darf sich hinterher über die entstandene Rechtslosigkeit nicht beschweren. Dasselbe dümmliche Genöhle tritt schon im Zusammenhang mit der Ermordung R. Luxemburgs und Karl Liebknechts auf. Die deutschen Kommunisten haben es seit den Tagen des Spartakus versäumt eine eigene Position zu beziehen, die Position gemäß der Interessen der deutschen Arbeiterschaft. Der Versailler Vertrag ging vor allem zu Lasten und auf Kosten der Arbeiterschaft. Stattdessen waren sie nie anderes als Befehlempfänger russ. Interessen und waren daher von den Direktiven aus Moskau abhängig. Die deutschen Kommunisten haben wohl nie mitbekommen, dass Stalin 1926 seine Position in der russ. Arbeiterpartei dadurch stärkte und er deshalb zum Generalsekretär der Partei gewählt wurde, weil er vom leninschen Prinzip des Internationalismus Abschied nahm und dem Aufbau des Sozialismus im eigenen Land den Vorrang einräumte. Mit der Änderung der Zielrichtung der KPDSU wäre es für die deutschen Kommunisten Zeit geworden sich von der SU abzunabeln und den Weg der Interessen der deutschen Arbeitschaft zu gehn. Der Vorwurf der vaterlandslose Gesellen zu sein oder die Rolle von Trojanern zu spielen, hätte nicht gefruchtet. So aber konnten die Großkapitalisten diese psychologische Schwäche in der Argumentationsphalanx der deutschen Kommunisten voll nutzen. Wieso mussten die deutschen Kommunisten eigentlich treu zu Moskau stehn? Die Rolle Stalins kommt mir zu dieser Zeit reichlich dubios vor. Die Curzon-Line hatte er wohl schon geschluckt. Diesen Irrtum in der Bewertung der Rolle Stalins mussten dann viele deutsche Kommunisten in ihrem Exil in Moskau mit dem Leben bezahlen. Sie glaubten zu sehr und achteten dabei zu wenig auf ihr persönliches Wohlergehn. Altruismus in solchen Zeiten ist lebensgefährlich.

Dubidomo
27.10.2008, 18:40
Sehr guter Eröffnungstext.

Allerdings fehlen da zwei wichtige Leute:

1. Putzi Hanfstaengl

2. Sefton Delmer

Die Rolle dieser beiden habe ich mal im Politikforum näher betrachtet.

-> http://www.politik.de/forum/showthread.php?p=7612250#post7612250

Man muß leider den Strang durchlesen, weil ich das jetzt nicht alles noch einmal zusammenfassen will.

Jedenfalls ist davon auszugehen, dass mit Sefton Delmer und Hanfstaengl die britische Regierung und die US-Botschaft von der Brandstiftung informiert waren und Hitler mit entsprechenden öffentlichen Beschuldigungen hätten verhindern können.

Darum vertrete ich die These, dass Hitler, wie das deutsche Gewerkschafter 1934 zu spüren bekamen und wie das J. Fest in seinem Werk "Hitler" für 1938 beschreibt, von den Briten massiv unterstützt worden ist. Mittels des geldreichen Charles Edward von Sachsen etc. waren zwei Dinge gegeben: Die Verbindung nach GB wie auch das benötigte Geld für den Aufstieg und die Ausbildung der Multiplikatoren vor 1930.
Und so ein "Verhören" des franz. Botschafters ist gut zur Verwirrung der Historiker, die dann über viele solcher Dubiositäten sich in die Wolle kriegen können. Das behindert den Prozess der Wahrheitsfindung ungemein. Was will man mehr im Lager der Auftrageber? Und je länger es dauert bis zur vollen Aufklärung, um so länger kann man sich an den Früchten seiner Verbrechen erfreuen und um so weniger wird hinterher revidiert werden können. Denn wer wird die seit bald drei Generationen in den ehemaligen deutschen Ostgebieten siedelnden Polen noch rauswerfen können?

Nereus
17.09.2012, 22:24
Lesestunde für Geschichtsinteressierte (Teil I)
Wie der „Kampf gegen Links“ durch den preußischen Innenminister und die Berliner politische Polizei 1933geführt wurde.

Hermann GÖRING, ab Jan. 1933 kommiss. Preußischer Innenminister
Rudolf DIELS, Chef der Berliner politischen Polizei
Walter ZIRPINS, Berliner politische Polizei

Im Januar 1933 wurde Zirpins in die Abteilung I A (Politische Polizei) beim Polizeipräsidium Berlin versetzt. In dieser Eigenschaft war er einen Monat später maßgeblich in die Ermittlungen anläßlich des Reichstagsbrands in der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933 involviert: Als Mitglied der provisorischen Brandkommission vernahm er als einer der ersten den Tatverdächtigten Marinus van der Lubbe und begleitete diesen am Tag nach dem Brand bei einer Tatortbegehung, bei der Lubbe die Durchführung des Brandes vorführen sollte. Bei seinen Vernehmungen des Verdächtigen fälschte Zirpins nach aktuellem Forschungsstand „dessen Aussage [...] bewusst, um die These von der Alleintäterschaft (van der Lubbes) zu erhärten.“[3] Außerdem trat Zirpins einige Monate später als Sachverständiger im sogenannten Reichstagsbrandprozess auf.


Bahar/Kugel, »Der Reichstagsbrand – Wie Geschichte gemacht wird« edition q, 2001:
Rekonstruktion der Reichstagsbrandstiftung
Die Reichstagsbrandstiftung kann nach den vorliegenden Fakten - allerdings nur unter allen Vorbehalten eines Indizienbeweises - folgendermaßen rekonstruiert werden:
Die Tat muß bereits einige Zeit vor dem 27. Februar 1933 geplant worden sein. Die Idee dazu scheint auf den NSDAP-Propagandachef und Wahlkampfleiter für die Reichstagswahlen am 5. März 1933, Joseph Goebbels, zurückzugehen. Das Ziel war die Ausschaltung der KPD, um den Rechtsparteien nach Kassierung der KPD-Mandate eine (knappe) parlamentarische Mehrheit zu verschaffen. Göring stellte seine Möglichkeiten als Reichstagspräsident sowie seine tätige Mitarbeit unter Benutzung des Reichstagspräsidentenpalais zur Verfügung, das über einen unterirdischen Gang mit dem Reichstagsgebäude verbunden war. SA-Gruppenführer Graf Helldorf und der Chef der von Göring neu organisierten Politischen Polizei, Rudolf Diels, waren eingeweiht. SA-Untergruppenführer Karl Ernst, Mitglied des Reichstags, übernahm das Oberkommando der Aktion.
Spätestens 1932 hatte der SA-Sturmführer Hans Georg Gewehr für die SA ein selbstentzündliches Brandmittel entwickelt und in SA-Kreisen demonstriert. Diese selbstentzündliche Flüssigkeit (Phosphor in Schwefelkohlenstoff) wurde von einem SA-Sonderkommando verschiedentlich angewendet.
Einige Zeit vor dem Brand deponierte ein SA-Sonderkommando aus dem Wedding (Sturm 17 oder 101) - vermutlich unter Mitwirkung des später von der Gestapo ermordeten SA-Mannes Adolf Ball - im Keller des Reichstagspräsidentenpalais ode im unterirdischen Gang zum Reichstagsgebäude Brandmittel (Phosphor, Mineralöl, Benzin, Fackeln).
Am 27. Februar 1933 um etwa 20 Uhr gelangte ein Kommando von minimal 3, maximal 10 SA-Leuten unter Führung von Hans Georg Gewehr in den Keller des Reichstagspräsidentenpalais. Das Kommando nahm die deponierten Brandmittel, drang durch den unterirdischen Gang vom Reichstagspräsidentenpalais in das Reichstagsgebäude ein und präparierte dort insbesondere den Plenarsaal mit einer wahrscheinlich erst hier angemischten selbstentzündlichen Flüssigkeit, die nach einer gewissen Latenzzeit den Brand im Plenarsaal auslöste. Das Kommando entkam wieder durch den unterirdischen Gang und den Keller des Reichstagspräsidentenpalais (möglicherweise auch durch die anschließenden Keller zum Maschinenhaus und Beamtenhaus) auf die öffentliche Straße „Reichstagsufer". Göring betrat spätestens um 21.19 Uhr allein das brennende Reichstagsgebäude, wahrscheinlich, um den Rückzug der Brandstiftertruppe zu decken.
Van der Lubbe wurde genau um 21 Uhr von der SA zum Reichstagsgebäude gebracht und in dieses eingelassen. Der Plenarsaal war bereits präpariert. Das von Zeugen bemerkte Klirren der von van der Lubbe für seinen Einstieg angeblich eingeschlagenen Scheiben diente wahrscheinlich nur dazu, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen. Der Holländer wurde als einzig greifbarer Täter und Strohmann geopfert.

Und hier ein Auszug aus Meissner (Sohn von Dr. Otto Meissner, Staatssekretär von 1918-1945) / Wilde: Die Machtergreifung - Die Technik des nationalsozialistischen Staatsstreichs u.a. nach Mitteilungen von Diels. (ab S. 200 ff)
»Dr. Goebbels hat für die Wahl des Reichstages am 5. März 1933 ganz eigene Pläne. Er gibt sich nicht der Illusion hin, daß die NSDAP auf legale Weise die Zweidrittelmehrheit erobern kann, mit der es möglich ist, auf elegante Weise von dem Ehrenwort loszukommen, daß Hitler so großzügig gab. Daß die Deutschnationalen die Regierung verlassen müssen, steht für jeden führenden Nationalsozialisten fest. Man braucht Ministerposten für die eigenen Leute, und mit den Deutschnationalen kann man keinen totalitären Staat nach nationalsozialistischem Muster errichten. Es bedarf also eines überzeugenden Anlasses, um die Notwendigkeit von Ausnahmezustand und Sondergesetzen zu begründen. Die von Hitler beschworene Weimarer Verfassung kann nur „auf verfassungsmäßigem Wege" außer Kraft gesetzt werden. Dr. Goebbels ist um eine Lösung nicht verlegen.
„Der bolschewistische Revolutionsversuch muß zuerst einmal aufflammen!" schrieb er am 31. Januar in sein Tagebuch. Daß er nicht von selbst aufflammen wird, weiß er. Seine Verbindungsmänner in den kommunistischen Organisationen haben ihm über die letzten Entwicklungen in der KPD und der SPD Meldung gemacht. Also muß man nachhelfen. Der kleine hinkende Doktor verfällt dabei auf das klassische Mittel eines „Attentates". Dabei darf Hitler natürlich nicht zu Schaden kommen, das ist die Voraussetzung.
Als Tag des „Attentates" merkt Goebbels in seinem Kalender den 27. Februar vor, den letzten Montag vor der Wahl. Am Sonntag darauf geht das deutsche Volk dann zur Urne. Der Schock und alle Maßnahmen, die als Folge eines Anschlages gegen Hitler noch zu treffen sind, müssen sich aber noch vor der Wahl auswirken. Sie haben nicht nur die Kommunisten und Sozialdemokraten, sondern auch die gegnerischen bürgerlichen Kreise schachmatt zu setzen. In der Liste der Großkundgebungen, die Goebbels aufsetzt, werden sowohl der 25., wie auch der 26. und 27. Februar ausgespart, wobei offen bleibt, ob Hitler nicht doch noch am 25. in irgend einer Stadt spricht. Seine Anwesenheit bei den Vorbereitungen ist nicht erforderlich, im Gegenteil, er muß herausgehalten werden, um für alle Fälle eine Rückzugslinie offenzuhabent. Vorgesehen wird von Goebbels, am 27. Februar gegen das Auto des Reichskanzlers eine „Bombe" werfen zu lassen, um den Ausnahmezustand verhängen zu können.

Doch der Plan wird verraten! Jedenfalls warnt etwa zwei Wochen vorher der kommunistische Abgeordnete Wilhelm Pieck in einer der letzten Versammlungen, die die KPD noch abhalten kann, öffentlich vor einem Attentat auf Hitler. Auch der kommunistische Abgeordnete Ernst Torgler spricht am 23. Februar in einer Sitzung des Preußischen Staatsrates, an der auch der Kölner Oberbürgermeister Dr. h. c. Konrad Adenauer teilnimmt, von einem „Attentat" auf Hitler, allerdings ohne zu ahnen, daß Goebbels den ursprünglichen Plan längst abgeblasen hat, und daß die Vorbereitungen für einen raffinierteren Anschlag gegen die Weimarer Verfassung bereits auf vollen Touren laufen. Denn nicht nur der Anschlag selber muß vorbereitet werden, nicht nur die gesetzlichen Verordnungen und sonstigen Maßnahmen müssen fertig in der Schublade liegen, viel wichtiger ist, in den bis zum 27. Februar zur Verfügung stehenden Wochen alle zentralen Stellen in Preußen mit „vertrauenswürdigen" Personen zu besetzen. Das aber ist Görings Ressort.

Bereits am Nachmittag nach seiner Ernennung zum preußischen Innenminister war Hermann Göring in Begleitung des Adjutanten Körner zu seinem Amtssitz Unter den Linden gefahren, ausgerüstet mit den Direktiven seines Führers. Die höheren Beamten des Ministeriums saßen schon seit den Mittagsstunden in ihren Amtsräumen, bereit, dem Ruf des neuen Herrn Folge zu leiten. Der Fliegerhauptmann Göring ließ sich vom Pförtner direkt in das Ministerzimmer führen, das seit der Absetzung Severings im Sommer letzten Jahres kaum noch benutzt worden war.
„Haben wir hier Leute von uns sitzen?" fragte er als erstes. Doch bevor sein Adjutant antworten konnte, erinnerte er sich an einen Regierungsrat namens Dr. Rudolf Diels. Er befahl Körner, ihn zu rufen.

Diels betrat unmittelbar danach das Ministerzimmer und begrüßte den neuen Herrn. Göring ging gleich in medias res.
„Ich will mit den Halunken, die hier im Hause sitzen, nichts zu tun haben. Gibt es überhaupt hier anständige Menschen?"
Dr. Diels, jung, frech und unbeschwert, konnte seine Überraschung kaum verbergen, aber er ging schnell auf den Ton ein. Der Staatssekretär des Ministeriums, der Herr von Bismarck, meinte Diels, sei ein ganz honoriger Mann, und der Herr Minister hätte ihn eigentlich sofort empfangen müssen. Göring hob beide Hände.
„Dieser Kerl soll sich ja nicht vor mir blicken lassen, der wird als erster nach Hause geschickt."

„Dann empfehle ich Ihnen, mit dem Ministerialdirektor Schütze zu sprechen, dem Chef der Personalabteilung", fuhr Diels fort.
Göring sah ein, daß er als neuer Minister nicht gleich alle Beamten auf die Straße setzen konnte, und ließ Schütze kommen. Nach der Unterredung mit ihm meinte er dann zu Diels, er, Göring, habe durchaus nicht die Absicht, sich als Elefant im Porzellanladen zu benehmen, ohne näher zu erläutern, was er sich darunter vorstelle.
Görings guter Vorsatz hielt ganze zwei Tage an. Dann hatte er sich eingelebt und begann zu regieren.

Einer der ersten von denen, die ihren Abschied bekommen, ist Ministerialdirektor Klausener, Ressortchef der preußischen Polizei. An seine Stelle setzt Göring einen „Gefolgsmann" Himmlers, den Angestellten der Berliner Müllabfuhr und Chef der Berliner SS, Kurt Daluege. Dieser alte Parteigenosse hatte sich bei der Rebellion der Berliner SA im Jahre 1930 gewisse Verdienste erworben. Daß nicht nur Dalueges Feinde, sondern auch seine engsten Freunde von ihm behaupten, er zeichne sich durch besonderen Mangel an Intelligenz aus, stört Göring nicht, auch nicht, daß die vorlauten Berliner SA-Männer den neuen Protege des Innenministers „Dummi-Dummi" nennen. Vielleicht betrachtet er das sogar als einen Vorzug.
Kurt Daluege kommandiert die preußische Polizei, und wird von Göring nach einigen Wochen sogar zum General befördert. Auch ein Oberst darf sich noch die Generalstressen an seine Polizeiuniform heften: Herr Stielen von Heydekamp. Er wird Chef der westdeutschen Polizeieinheiten mit dem Sitz in Dortmund und soll das Ruhrgebiet gegen mögliche kommunistische Aufstände absichern. Major Wecke aber, der am 29. Januar die Berliner Polizeieinheiten bereitstellte, um den sagenhaften Putschplan Schleichers zu durchkreuzen, wird Führer einer motorisierten Polizeitruppe „zur speziellen Verwendung". Alle diese Ernennungen unterzeichnet der kommissarische preußische Ministerpräsident Franz von Papen, Vizekanzler in der Reichsregierung, ohne zu merken, daß sie nur dazu dienen, den Ast abzusägen, auf dem er und seine deutschnationalen Freunde im Kabinett sitzen. Sogar der Auflösung des preußischen Landtages, der ebenfalls am 5. März neugewählt werden soll, stimmt er zu. Auch eine Anzahl Polizeipräsidenten großer Städte werden abgelöst und durch zuverlässige Nationalsozialisten ersetzt. Wo es dennoch gelingt, einen Deutschnationalen vorzuschieben, sorgt Göring dafür, daß ihm ein strammer Nationalsozialist als Sachbearbeiter an die Seite gestellt wird. Nebenher laufen die gesetzgeberischen Maßnahmen. Auch die Gemeindeparlamente in Preußen werden als aufgelöst erklärt und ihre Neuwahl für den 12. März angesetzt, eine Woche nach der Reichstagswahl, die ja die totale Machtergreifung bringen soll. Wenigstens rechnet Goebbels fest damit. Um die Neubildung von Parteien zu verhindern, bestimmt eine Notverordnung, daß zur Einreichung von Wahllisten in Zukunft 60 000 Unterschriften in mindestens einem Wahlkreis notwendig sind, gegen die 500, die bisher genügten. Hitler will sich gegenüber Gregor Strassen abdecken.
Am 10. Februar spricht er im Berliner Sportpalast. Seine Rede schließt mit den Worten:
„Das ist mein Glaube: Es wird wieder auferstehen ein neues Deutsches Reich der Größe, der Ehre, der Kraft und der Herrlichkeit! Amen!" Solche Sätze wirken um so mehr, als die Propaganda der anderen Parteien, sogar die der Deutschnationalen, mehr und mehr behindert wird. Eine Notverordnung legt der Presse so viele Fesseln an und wird so ungünstig ausgelegt, daß es Beschlagnahmen und Verbote von kommunistischen, sozialdemokratischen und linksbürgerlichen Zeitungen nur so hagelt. Papen wird allmählich klar, was im Kommen ist. Verzweifelt bemüht er sich, eine „Christlich-Nationale Einheitsfront" zustande zu bringen, aber es reicht nur zu einer „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot", die faktisch nicht mehr ist als die alte DNVP. Nachdem Göring die Kommandostellen der Polizei umbesetzt hat, erläßt er einen Schießbefehl. Darin heißt es:

„Dem Treiben staatsfeindlicher Organisationen ist mit den schärfsten Mitteln entgegenzutreten. Polizeibeamte, die in Ausübung dieser Pflichten von der Schußwaffe Gebrauch machen, werden, ohne Rücksicht auf die Folgen des Schußwaffengebrauchs, von mir gedeckt; wer hingegen in falscher Rücksichtnahme versagt, hat dienststrafrechtliche Folgen zu gewärtigen."

In einer Rede in Essen ergänzt Göring diesen Erlaß mit den Worten:
„Wennn wir auch vieles falsch machen, wir werden jedenfalls handeln; lieber schieße ich ein paarmal zu kurz oder zu weit, aber ich schieße wenigstens." Noch deutlicher wird er am 20. Februar vor Berliner Polizeibeamten:
„Mit einer Polizei, die Disziplinarverfahren zu fürchten hat, wenn sie ihre Pflicht tut, kann ich gegen den roten Mob nicht vorgehen. Die Verantwortung muß wieder richtiggestellt werden. Sie liegt nicht bei dem kleinen Beamten auf der Straße, sondern ich muß in Euer Hirn hineinhämmern, daß die Verantwortung bei mir allein liegt. Ihr müßt Euch klarmachen: Wenn Ihr schießt,, so schieße ich. Wenn einer tot liegt, habe ich ihn erschossen, wenn ich auch oben im Ministerium sitze, denn das ist meine Verantwortung allein." Mitte Februar wird durch eine Notverordnung bestimmt, daß die SA, SS und der Stahlhelm als „Hilfspolizei" herbeigezogen werden können. Es genügt hierfür eine einfache weiße Armbinde und der neue Exekutivbeamte des Staates ist fertig. Er kann Verhaftungen und Haussuchungen vornehmen und er kann schießen, ohne befürchten zu müssen, zur Rechenschaft gezogen zu werden. „Wenn einer tot liegt", so hat ihn ja nicht der Hilfsbeamte, sondern der Herr Minister erschossen.

Aber alle Provokationen und offenen Verfassungsbrüche fruchten nichts. Weder die Linksparteien noch die der Mitte lassen sich zu offener Auflehnung hinreißen, von kleineren örtlichen Zwischenfällen abgesehen. Der „bolschewistische Revolutionsversuch", von dem Goebbels am 31. Januar so erwartungsvoll schrieb, will und will nicht „aufflammen". So bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Denn wenn nichts geschieht, wird die Wahl am 5. März als totes Rennen ausgehen und die NSDAP nicht die Alleinmehrheit erzielen, die sie braucht, um die totale Macht zu erringen.

Einer der ungezählten V-Männer, die in Berlin ihr Brot mit dem Zusammentragen von „Nachrichten" verdienen, ist der Dauererwerbslose Paul Waschinski. Die Angaben über ihn erhielt derAutor HW (Harry Wilde) in Paris bereits seit 1934 von einem SA-Mann, der nach dem sogenannten „Röhmputsch" fliehen mußte. Dieser SA-Mann war mit Paul Waschinski befreundet. Anfang 1933 arbeitet Waschinski, sozusagen „hauptberuflich", für den SA-Obergruppenführer von Berlin-Brandenburg, Graf Helldorf, sucht aber auch noch bei anderen Stellen sein Wissen gegen klingende Münze zu verkaufen. Das ist an sich nichts Außergewöhnliches, denn erfahrungsgemäß arbeiten fast alle Agenten für zwei Seiten.
Waschinski war früher als „Medium" und „Mann aus dem Saale" für den „Hellseher" Erik Jan Hanussen (Herschel Steinschneider, vormals jüd. Gemeinde Wien) tätig. Obwohl er Mitte des Jahres 1932 zu Helldorf hinüberwechselte, blieb er seinem alten Chef „treu". Fast täglich informiert er Hanussen telephonisch oder mündlich über gewisse Vorgänge in der SA und NSDAP. Die Arbeitslosenunterstützung ist nicht hoch, und Hanussen zahlt gut. Er braucht auch die Informationen Waschinskis dringend. In seinem Organ „Hanussens Bunte Wochenschau" veröffentlicht er regelmäßig “wissenschaftliche Horoskope", die einigermaßen stimmen müssen. Glücklicherweise ist Graf Helldorf recht vertrauensselig und plaudert manches aus. Waschinski, ein wacher Berliner Junge, hört gut zu, hat eine ausgezeichnete Kombinationsgabe und weiß auch genau, was Hanussen benötigt. Als Goebbels das „Attentat gegen den Führer" plante, suchte er eifrig nach einem „Attentäter". Sich an Röhm zu wenden, hielt er nicht für günstig. So fragte er Helldorf, der ihm dann Paul Waschinski empfahl. Goebbels ließ sich Waschinski kommen, fand ihn aber nicht geeignet. Der Junge war ihm einerseits zu wach, andererseits nicht taktfest genug. Einem Verhör durch gewiegte Berliner Kriminalbeamte würde er bestimmt nicht standhalten. Inzwischen hat Goebbels den „Attentatsplan" abblasen müssen. Dazu war er noch krank geworden und konnte nur vom Bett aus seine Direktiven geben. Das war recht hinderlich, denn geschehen wußte etwas. Der 27. Februar rückte immer näher, und den ganzen Versammlungsplan umzuwerfen, war nahezu unmöglich. Aber die Sache war zu delikat, als daß er sie anderen anvertrauen konnte.

Paul Waschinski hatte schnell begriffen, daß etwas in der Luft lag. Warum ließ ihn Goebbels kommen? Warum läßt Graf Helldorf Listen von Kommunisten aufstellen? Sollen diese verhaftet werden? Warum wird er immer wieder ausgeschickt, um nach „terroristischen Kommunisten" Ausschau zu halten, und warum ist man so enttäuscht, wenn er nichts zu melden weiß?
Als sich Waschinski sein Bild gemacht hat, geht er zu Hanussen und erzählt ihm, was er weiß, was er aufschnappte und was er kombinierte. Der „Hellseher" ist über die Primitivität des „Attentat"-Planes entsetzt. Jedenfalls spielt er meisterhaft seine Erregung über das Attentat gegen den „Führer", der dabei doch „zu Schaden kommen" könne. Außerdem, meint er, wer sei schon bei einem Attentat dabei? So ein paar zufällige Straßenpassanten, mehr nicht. Aber wenn man schon etwas startete, dann müßten Tausende zusehen können, wie bei einem Großfeuer, zum Beispiel im Rathaus oder im Schloß oder gar im Reichstag.
Damit ist ein verhängnisvolles Wort gefallen. Über Waschinski kommt es zu Helldorf und Goebbels. Der Propagandachef der NSDAP erkennt sofort die unwahrscheinlichen Möglichkeiten, die in der Idee stecken. Zwar ist es ein ungeheuerliches Verbrechen, zum Beispiel den Reichstag anzuzünden, aber das gerade ist das Beste daran. Niemand wird den Nationalsozialisten so etwas zutrauen, aber sehr wohl den Kommunisten. Die Hunderttausende, ja Millionen, die in Berlin und in den Wochenschauen der Kinos ein öffentliches Gebäude brennen sehen, wird Entsetzen packen. Das ist der große Wahlschlager, nach dem Goebbels suchte. Daß er nicht von selber darauf kam! Sagte der Führer nicht einmal, er werde die „Schwatzbude am Platz der Republik" nie
betreten?

Goebbels, der noch an den Nachwirkungen einer Grippe leidet, beauftragt Helldorf, der ebenfalls Abgeordneter ist, das Reichstagsgebäude auf diese Möglichkeit hin zu inspizieren. Der Graf meldet sich schon am nächsten
Tage im Palais des Reichstagspräsidenten, weiht aber Göring, getreu den Anweisungen von Goebbels, nicht ein. Morphinisten sind geschwätzige Leute! Daß allerdings für den 27. Februar etwas geplant ist, weiß Göring schon lange. Darüber wurde ganz offen im engsten Führerkreis gesprochen, und für diesen „Tag X" bereitet er ja die Verhaftungslisten vor. Nur das Datum muß noch
eingefügt werden.

Das Palais des Reichstagspräsidenten wird von einer Stabswache der SA beschützt. Diese Leute unterstehen dem direkten Kommando von Oberführer Ernst, einem Untergebenen Helldorfs. Der Graf zeigt sich um die Sicherheit des Herrn Präsidenten und preußischen Innenministers Hermann Göring sehr besorgt. Bei dem Rundgang durch das Palais besichtigt er auch das Maschinenhaus im Garten. Die Heizungsanlagen dieses Hauses erwärmen den ganzen Gebäudekomplex. In einem mannshohen Gang, der sich bequem begehen läßt, führen die Heizungsrohre unter der Friedrich-Ebert-Straße zu dem Reichstagsgebäude hinüber. Gruppenführer Graf Helldorf und sein Adjutant Oberführer Ernst lassen sich die Gittertore zum Heizungsgang aufschließen und dringen ein. Es öffnet sich vor ihnen ein Labyrinth von Gängen, mit Abzweigungen und Sackgassen, eine richtige unterirdische Festung. Die beiden brauchen mehr als eine Stunde, um zurückzufinden. Vom unterirdischen Gang aus führen Luftschächte zur Portierloge im Palais des Reichstagspräsidenten. Der Nachtwächter Adermann hört in der Loge etwa acht Tage vor dem Reichstagsbrand Schritte. Er kontrolliert daraufhin die Eingänge, vermag aber nichts Verdächtiges zu entdecken. Doch trägt er seine Wahrnehmung in das Meldebuch ein. Scranowitz, der Hausmeister des Reichstags, liest anderntags diese Bemerkung und meldet den Vorfall seinem Vorgesetzten Hermann Göring, der daraufhin von Ernst eine Verstärkung der Stabswache verlangt. Pflichteifrig tut Scranowitz noch ein übriges. Er spannt am Abend um die Gitterstäbe der Eingangstüren zum unterirdischen Gang unauffällige Fäden und Papierstreifen und legt auch kleine Holzklötzchen auf die Stufen. Tags darauf sind die Fäden zerrissen und die Klötzchen verschoben. Es war also wieder jemand im Gang. Auch in den folgenden Nächten wiederholt sich dieser Vorgang.
Bei der zweiten Besichtigung bringt Ernst eine Gruppe Leute mit, in Berlin unter den Buchstaben „ZbV" (Zur besonderen Verwendung) bekannt. Sie müssen gut einexerziert werden, damit sie sich in der entscheidenden Nacht nicht verlaufen.
Als Brandstoff sieht Ernst eine Mischung aus Benzol, Phosphor und Sangajol vor, die sich je nach der Zusammensetzung nach einer genau abzustimmenden Zeit von selbst entzündet. Die Gruppe ZbV hat damit im vergangenen Jahr ausgezeichnete Erfahrungen gemacht. In regelrechten Schulungskursen lernte sie, Litfaßsäulen, die gegnerische Wahlplakate trugen, mit dieser Flüssigkeit zu besprühen. Dutzende von Reklamesäulen gingen in Flammen auf, ohne daß je einer der Brandstifter gefaßt werden konnte.

Am 25. Februar 1933 ist man startbereit. Die „Kriegsspiele" im unterirdischen Gang sind zufriedenstellend verlaufen, jeder der Leute von Ernsts Gruppe ZbV weiß, was er zu tun hat. Der Brandstoff ist ausprobiert und genau auf zwanzig Minuten eingestellt. Im Gaubüro liegen die im Polizeipräsidium ausgestellten Verhaftungsbefehle bereit, im Reichsministerium des Innern die gesetzlichen Verordnungen, die dazu dienen sollen, den Brand politisch auszuwerten - alles ist vorbereitet, bis auf eines: der „Attentäter" für die Öffentlichkeit fehlt noch. Bis zur Stunde ließ sich kein „Kommunist" oder „Sozialdemokrat" auftreiben, den man verhaften lassen kann, um ihm dann nach sowjetischem Vorbild den Prozeß zu machen. Aber im letzten Moment soll sich auch das noch finden.«

Fortsetzung: Ein Brandstifter wird gefunden und präpariert

Nereus
17.09.2012, 23:07
Lesestunde für Geschichtsinteressierte (Teil II)
Wie der „Kampf gegen Links“ durch den preußischen Innenminister und die Berliner politische Polizei 1933geführt wurde.

Ein Brandstifter wird gefunden und präpariert

»In den Niederlanden gibt es eine politische Gruppe, die sich „Raden-Communisten" - Räte-Kommunisten - nennt. Sie leitet ihr Programm jedoch nicht von der kommunistischen, marxistischen Weltanschauung ab, sondern vom Anarchismus. Leiter dieser Gruppe ist der ehemalige Matrose Sierach, einer der Rädelsführer bei der Meuterei auf dem niederländischen Panzerkreuzer „Zeven Provincien". Nach Verbüßung einer hohen Zuchthausstrafe ließ er sich in Rotterdam nieder und gründete dort die Bewegung der „Raden
Communisten".
Groß ist diese Gruppe nicht. Zu ihren vielleicht fünfzig, höchstens hundert Anhängern gehören Arbeiter, verkrachte Kleinbürger und ein paar Intellektuelle. Auch ein Maurer Marinus van der Lobbe gehört dazu. Ziel der Gruppe ist „die direkte Aktion", das heißt: die Vernichtung der Rathäuser, Schlösser, Gefängnisse, Kasernen, Gerichtsgebäude und so weiter, die ihnen als „Zwingburgen des Kapitalismus" gelten. Ein Parlament lehnen die Raden-Communisten ab. Sie bekämpfen auch erbittert die Sozialdemokraten und selbst die Kommunisten. Allerdings kam es in den Niederlanden nie zu schweren Terrorakten der Anhänger Sierachs. Ihre Agitation blieb bloße Theorie. Nur bei dem augenkranken und nur halb arbeitsfähigen van der Lubbe und in Deutschland soll sich die Lehre auswirken.

Am 28. Januar 1933, am Tage von Schleichers Rücktritt, aus der Augenklinik entlassen, fährt van der Lubbe zwei Tage später nach Rotterdam zu seinem Freunde Sierach. Die Zeitungen melden gerade, daß Adolf Hitler Reichskanzler geworden ist. Fast alle Kommentatoren sagen revolutionäre Entwicklungen voraus. Man kann sich im Ausland nicht vorstellen, daß die mächtige deutsche Arbeiterbewegung den Regierungsantritt Hitlers ruhig hinnehmen wird. Sierach krümmt sich vor Magenschmerzen und äußert seinem Gast gegenüber:
Jetzt müßte man in Deutschland sein. Dort reife eine Situation heran, wie nie zuvor in der Geschichte. Die KPD hätte abgewirtschaftet, ebenso die SPD und erst recht „die Pfaffen". Wenn man jetzt die Arbeiter lehre, ihr Schicksal selber in die Hand zu nehmen, wenn man ihnen beweise, daß Stempelstellen und Rathäuser nur Mittel der Bourgeoisie seien, die Arbeiterschaft bei der Stange zu halten, wenn man also diese Stempelstellen und Rathäuser vernichte, dann müsse doch das Proletariat alles selbst in die Hand nehmen.
Auf van der Lubbe machen diese Ausführungen einen starken Eindruck. Er steht noch unter der Schockwirkung seiner Erkenntnis, früher oder später zu erblinden. Sein sonst so gesunder kräftiger Körper rebelliert gegen die Aussicht, abseits vom Leben stehen zu müssen, als Blinder auf die Hilfe fremder Menschen angewiesen zu sein. Er springt auf und sagt, er werde nach Deutschland gehen, „um noch eine Tat zu tun", auch wenn er im „Feuer der Revolution'" verbrennen müsse.
Nachdem er sich von Sierach verabschiedet hat, trampt er zurück nach Leiden, holt seine wegen des Klinikaufenthaltes aufgelaufene Rente ab, erbettelt sich von seinem Bruder einen Anzug und macht sich am 3. oder 4. Februar auf den Weg nach Deutschland. Achtundvierzig Stunden später überschreitet er die Grenze.

Am 17. Februar nächtigt van der Lubbe im Obdachlosenasyl in Glindow bei Werder (Potsdam). Von da an läßt sich sein Weg bis zum 27. Februar 1933, dem Tage des Reichstagsbrandes, genau verfolgen.
Van der Lubbe ist kein guter Redner, auch beherrscht er die deutsche Sprache nur unvollkommen, aber in der Unterhaltung mit Kameraden steht er seinen Mann. Er hat es gern, wenn man ihm zuhört, wenn man seine Abenteuer bewundert und über seine Streiche lacht, die er den holländischen Behörden spielte.
Als er am 18. Februar zum ersten Mal in Berlin in dem Männerheim in der Alexandrinenstraße übernachtet, sitzt unter den Zuhörern ein junger Bursche mit schwarzem Mantel und langen schwarzen Schaftstiefeln. Schnell schließt Lubbe mit ihm Freundschaft, und am nächsten Morgen machen sich beide zusammen auf den Weg in die Stadt. Marinus van der Lubbe nennt seinen Vornamen: Rinus, und Waschinski den seinen: Paule. Rinus erzählt von seiner revolutionären Vergangenheit. Daß er im Arbeitsamt Fensterscheiben einschlug, genügt natürlich nicht. Es müssen die dutzendemale gehörten revolutionären Taten von Sierach herhalten. Rinus, der angeblich auch den Kanal durchschwamm und sogar in der Sowjetunion war, wächst in seine Rolle als Anführer einer Matrosenrevolte immer mehr hinein. Paul Waschinski ist nicht auf den Kopf gefallen, aber wann die holländischen Matrosen Revolution machten, weiß er nicht. Wüßte er es, könnte er nachrechnen, daß dieser Rinus damals genau neun Jahre alt gewesen war. Aber da ist noch etwas anderes. Waschinski hat ja den Auftrag, zu revolutionären Taten bereite Kommunisten zu suchen. Als er fragt, welcher Partei Rinus angehört und dieser antwortet: „Raden-Communisten", hört er nur das Wort „Kommunisten". Das genügt ihm.

Waschinski beschließt, seinem Gruppenführer Graf Helldorf von seiner Entdeckung Mitteilung zu machen. Helldorf ist auch interessiert, verweist aber Waschinski an Goebbels. Der Propagandachef der NSDAP erkennt sofort, daß dieser sagenhafte „kommunistische Großagent" ein Aufschneider ist. Er vermutet auch richtig, daß Waschinski die Erzählungen Lubbes noch etwas ausschmückte. Dennoch gibt ihm Goebbels den Auftrag, den Holländer nicht mehr aus den Augen zu lassen. Die Berichte über diesen Lubbe soll Waschinski an den Gruppenführer Graf Helldorf geben. Inzwischen hat Göring das Hauptquartier der KPD, das Karl-Liebknecht-Haus am Bülowplatz, durchsuchen lassen, ohne daß man belastendes Material fand. SA-Leute leisteten dabei zum ersten Mal als Hilfspolizisten Dienst. Wenige Tage später meldet sich im Polizeipräsidium ein Mann, der behauptet, es gäbe im Karl-Liebknecht-Haus einige „Geheimkeller". Offensichtlich hat er selber mit an der Tarnung gearbeitet. Genau eine Woche nach der ersten Durchsuchung sperren Dutzende von Überfallwagen, Lastwagen, Polizei auf Motorrädern, verstärkt durch SA-Hilfspolizisten, den gesamten Gebäudekomplex von neuem ab. Man findet auch die Eingänge zu den „Katakomben", die mit allen möglichen Papieren und Broschüren vollgepackt sind. Schwitzend laden die Polizeibeamten das Material auf Lastwagen. Göring triumphiert. Das ist der große Schlag. Denn unter den Schriften finden sich auch einige Exemplare der berüchtigten Broschüre „Die Kunst des bewaffneten Aufstandes". Den Fachleuten der Abteilung IA des Berliner Polizeipräsidiums ist diese Schrift und auch ihr ungenannter Autor, der kommunistische Reichstagsabgeordnete Hans Kippenberger, seit Jahren bekannt, aber Göring sieht das Heft zum ersten Male. Noch wichtiger erscheint ihm das Protokoll einer ZK-Sitzung vom 21. Februar 1932, das sich unter den wenigen beschlagnahmten Parteiakten befand. Es heißt darin:

„Die Partei der Arbeiterklasse muß, ohne die Legalität aufzugeben, aber ohne diese auch nur einen Augenblick zu überschätzen, die legale Arbeit mit der illegalen vereinigen, wie 1911 und 1914. Nicht eine Stunde lang die illegale Arbeit im Stich lassen. Aber auch an die konstitutionellen und friedlichen Illusionen nicht glauben.
Sofort und überall und für alles illegale Organisationen oder Zellen gründen, für die Herausgabe von Flugblättern usw.... Sich sofort umstellen, konsequent, beharrlich auf der ganzen Linie."
Nach diesen Sätzen bleibt es rätselhaft, warum die Kommunisten nicht putschen. Zwar rufen sie in ihren hektographierten Zellenzeitungen immer wieder zum Widerstand auf, doch von einer zentralen Leitung ist nichts zu merken. Die Fachleute für kommunistische Tätigkeit im Berliner Polizeipräsidium allerdings wundern sich gar nicht. Diese „Anweisung" in dem ZKProtokoll ist ein uraltes Zitat von Lenin, und zum andern wußte die Polizei seit Jahren immer wenige Stunden nach einer ZK-Sitzung, was dort besprochen worden war. Die Abteilung IA hat überall ihre Vertrauensleute sitzen, und in den letzten Tagen meldeten sich zusätzliche Dutzende von „Rückversicherern", die nun ihre Kenntnisse an den Mann bringen. So weiß man auch, daß die Leiter des verbotenen RFB vor Wochen abberufen wurden und einer von ihnen sogar in die UdSSR fahren mußte. Ohne zentrale Leitung kommt es aber in Deutschland zu keiner Revolution. Auch Goebbels läßt sich die Ergebnisse der beiden Haussuchungen vorlegen. Er hält sie ebenfalls für recht mager, und es bedarf seiner ganzen Kunst, etwas daraus zu machen. Der „Tag X", der 27. Februar, steht unmittelbar vor der Tür. Es wäre nicht gut, gleich mit dem Reichstagsbrand zu beginnen. Es muß schon vorher etwas passieren, als Auftakt sozusagen, um die träge und denkfaule Masse vorzubereiten.
Aber statt daß sich der Widerstand der Linken versteift, sinkt er merklich ab. Sogar die üblichen täglichen Schlägereien fehlen, seit die SA zur Hilfspolizei ernannt wurde und offiziell Waffen tragen darf. Doch der kleine Doktor hat Glück. Am 25. Februar, also gerade noch vor Torschluß, leider an einem Samstag, der die sofortige journalistische Auswertung behindert, brennt es in Berlin an mehreren Stellen.

Der Berliner Stadtteil Neukölln ist eine der Hochburgen des hauptstädtischen Kommunismus. Bis zum 30. Januar beherrschte hier Rot-Front die Straße. Darin ist nun eine gründliche Wandlung eingetreten. Seit Hitler Reichskanzler geworden ist, zieht die SA, singend und offen ihre Waffen tragend, durch die Straßen. Die ehemaligen roten Herren dieses Stadtteils stehen mit bösen Gesichtern auf den Bürgersteigen und wagen höchstens mal einen höhnischen Zuruf. Schon dazu gehört Mut, denn die Polizei, bis zum 30. Januar noch verhältnismäßig objektiv, nimmt jetzt offen für die Nationalsozialisten Partei. Einer der politischen Brennpunkte Neuköllns ist die Zweigstelle des Wohlfahrtsamtes am Mittelweg. Dort strömen täglich Tausende von Erwerbslosen zusammen, lassen sich ihren Kontrollstempel geben oder holen ihr Geld ab. Vor den Schaltern bilden sich lange Schlangen, bis auf die Korridore, ja sogar bis auf den Vorplatz hinaus, verstärkt durch jene, die bereits abgefertigt sind, aber noch eine Weile herumstehen.
Die Kommunisten, deren Versammlungen praktisch schon seit Tagen verboten sind und deren Zeitungen nicht mehr erscheinen können, aber auch die Sozialdemokraten und andere oppositionelle Gruppen, haben das Hauptgewicht ihrer Agitation in die zahlreichen Stempelstellen verlegt. Hier kostet es keine Saalmiete, kein Kriminalbeamter kontrolliert die Papiere der Redner, und Zuhörer sind in Massen da.

Vor einigen Tagen hat sich der Erwerbslose Fikowsky, der am Mittelweg zuständig war, das Leben genommen. Die Polizei registrierte als Ursache „Schwermut" und „wirtschaftliche Sorgen", mit anderen Worten: ein alltäglicher Fall, wie er seit Ausbruch der Wirtschaftskrise zu Tausenden in der Polizeiberichten zu finden ist. Neuerdings bringen die Zeitungen solche Meldungen gar nicht mehr. Den Kommunisten allerdings kommt dieser Selbstmord gerade recht, es läßt sich politisch Kapital daraus schlagen. Seit eh und je haben sie alle derartigen Fälle der gerade amtierenden Regierung in die Schuhe geschoben. Die Nationalsozialisten, die sonst gern in das allgemeine Klagelied mit eingestimmt hatten, fühlen sich jetzt nach dem 30. Januar herausgefordert. Es kommt deshalb am Dienstag, dem 21. Februar, auf dem Wohlfahrtsamt Mittelweg zu einer schweren Schlägerei. Beamte alarmieren die Polizei. Sie trifft schnell ein, trennt die Streitenden und nimmt einige Kommunisten fest. Nationalsozia1isten werden nicht mehr verhaftet.
Auch das ist alltäglich, aber die Erregung brodelt weiter. Heißsporne meinen schimpfend, man sollte am besten „die ganze Bude anzünden". Doch im Ernst denkt niemand daran. Schwerwiegender ist schon die Drohung, es den Nationalsozialisten heimzuzahlen. Der ängstliche Schwager des toten Fikowsky läuft zum nächsten SA-Heim und warnt den Sturm. Er will sich weniger als Spitzel anbiedern, als sich vor möglichen Repressalien schützen. Der Sturmführer gibt die Meldung „pflichtgemäß" an Helldorf weiter, benachrichtigt aber auch die Polizei, die in jene Stempelstelle am Mittelweg eine Wache legt. Doch nichts geschieht. Am Morgen gehen die Polizeibeamten durchfroren und mit steifen Gliedern in ihr Revier zurück. Gruppenführer Graf Helldorf, die Meldung seines Neuköllner Sturms in der Hand, beauftragt Waschinski, in Neukölln Umschau zu halten. Waschinski macht sich auf den Weg. In seiner Begleitung befindet sich Lubbe. Schon seit Samstag, dem 18. Februar, sind sie zusammen, schlafen gemeinsam im Männerheim in der Alexandrinenstraße, dann in der „Palme", im Städtischen Obdachlosenasyl in der Fröbelstraße. Dort wird man schon sehr früh auf die Straße getrieben. Die beiden treffen also am Mittwoch in den ersten Vormittagsstunden am Mittelweg ein.

Für Waschinski sind solche Plätze die ergiebigsten Jagdgründe. Niemand beachtet ihn, aber man hört allerhand. Auch diesmal würde niemand sagen können, ihn gesehen zu haben, wenn nicht ein an sich unbedeutender Zwischenfall die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. Aber nicht Waschinski fällt auf, sondern der Bursche, der in seiner Begleitung das Barackengelände betritt. Eigentlich ist es „Unbefugten verboten", in die Räumlichkeiten einer Stempelstelle zu kommen, aber in dem Gewimmel fragt niemand danach. Bei einer Gruppe kommunistischer Erwerbsloser bleiben die beiden Burschen stehen. Van der Lubbe kann sich nicht zurückhalten und mischt sich in die
Debatten ein. Stempelstellen sind seine Welt. In seinem etwas holprigen Deutsch meint er, man müsse alle Arbeitsämter anzünden. Er wisse, wie man Revolution mache, er sei „in der Sowjetunie" gewesen und sozusagen Spezialist auf diesem Gebiet. Stolz zeigt er seinen holländischen Paß mit den zahlreichen Stempeln von Grenzübertritten. Die Debattierenden, die gestern selber meinten, man müsse „die Bude anstecken", erschrecken. Wenn die Stempelbaracke in Flammen aufgeht, bekommen sie womöglich ihre Unterstützung nicht rechtzeitig ausgezahlt. Die Frau wird schimpfen, die Kinder werden vor Hunger weinen, denn die Besitzerin des Grünkramladens gibt schon lange nichts mehr auf Kredit, und überhaupt, ein waschechter Kommunist ist solchen nicht befohlenen Terrorakten abgeneigt. Schimpfen ist etwas anderes, als zur Tat auffordern. Das kann nur ein Provokateur sein. Die Parole der Partei aber lautet: „Laßt Euch nicht provozieren!" Kräftige Fäuste packen Lubbe und schubsen ihn zum Ausgang. Waschinski und der Holländer werden getrennt. Als der Überfallwagen der Polizei eintrifft, stieben alle auseinander. Lubbe wird von einem gutmütigen Arbeiter mitgeschleppt. Er nimmt ihn mit in seine Wohnung, und seine Frau gibt ihm auch etwas zu essen. Sogar die Nacht über darf er dableiben und auf dem Sofa in der Küche schlafen. Am Morgen warnt der Arbeiter seinen holländischen Gast, keine Brandreden auf dem Wohlfahrtsamt zu halten. Überall säßen bereits Spitzel und Provokateure und der junge Mann, mit dem er gekommen sei, käme ihm nicht geheuer vor.
Lubbe verspricht alles und trottet am Vormittag los, durch die endlosen Straßen der Stadt, ohne Ziel und Plan. Am Abend gerät er in den Strom der Menschenmassen, die zum Sportpalast ziehen. Dr. Goebbels spricht und die riesige Halle gleicht einem brodelnden Meer von Köpfen und Armen. Lubbe sitzt auf der Galerie. Mit seinen schwachen Augen kann er den Fahnenwald unten in dem weiten Rund gerade noch als bunten Farbfleck erkennen. Zu diskutieren wagt er nicht. Er verläßt die Versammlung auch lange vor Schluß.
Spät trifft er im Männerheim in der Alexandrinenstraße ein. Lieber wäre er wieder in die Fröbelstraße gegangen, denn sein Geld ist knapp geworden, aber das Asyl schließt schon um 7 Uhr seine Pforten. Ihm ist klar geworden, das Ausrufen einer Revolution ist keine so einfache Sache. Am besten scheint ihm, nach Holland zurückzukehren. Wenn er seine Rente, die ihm nachgeschickt wird, erhält, wird er sich wieder auf den Weg machen. Fast fühlt Lubbe so etwas wie Heimweh.
Am Freitagmorgen ist er schon früh auf den Beinen, lange bevor Waschinski, der ihn seit Mittwoch verzweifelt sucht, nach ihm fragen kommt. Auf dem Postamt C 2 ist das Geld noch immer nicht eingetroffen. Da Lubbe der Hunger quält, geht er wieder nach Neukölln. Vielleicht gibt ihm die Frau, bei der er schon einmal war, etwas zu essen. Doch als er an der Gastwirtschaft Schlaffke vorbeikommt, sieht er einen Auflauf. Dieses kommunistische Verkehrslokal wurde gestern ausgehoben, auf Grund der Anzeige des Schwagers von Fikowsky. Zahlreiche Arbeiter diskutieren über den Fall. Lubbe stellt sich zu ihnen, aber bevor er loslegen kann, nimmt ihn einer der Arbeiter beiseite. „Es ist dicke Luft!" erklärt er ihm. Zu Hause schenkt er ihm dann eine Mütze und einen Mantel. Den ganzem Tag über hält Lubbe sich bei dem Arbeiter auf. Erst nachdem es dunkel geworden ist, geht er zum Männerheim in der Alexandrinenstraße. Dort fühlt er sich sicherer als im Obdachlosenasyl. Im Männerheim bekommt ihn Waschinski wieder zu fassen. Von diesem Moment an wird er seinen „Freund Rinus" nicht mehr loslassen.

Es ist Samstag, der 25. Februar. Zusammen mit Waschinski trottet Lubbe nach dem Postamt C 2. Die Rente ist diesmal eingetroffen, und die mißliche Stimmung ist wie weggeblasen. Lubbe lebt nicht gern auf Kosten anderer, er gibt lieber, als daß er nimmt. In einem der billigen Lokale der Münzstraße, wo man einen Kartoffelpuffer für fünf Pfennige bekommt, hält er Waschinski aus und erzählt ihm dabei, daß er nach Holland zurückgehen werde. Waschinski erschrickt. Helldorf hat gestern getobt und kategorisch verlangt, diesen holländischen Erzkommunisten wiederzufinden und endlich herumzukriegen, sonst sei er, der Herr Gruppenführer, blamiert. Er habe sich bei Goebbels stark gemacht, und nun stecke womöglich gar nichts dahinter!
Waschinski redet auf seinen „Freund" ein. Gerade jetzt wolle er zurückgehen, wo der proletarische Aufstand gegen die Nationalsozialisten unmittelbar bevorstehe?
Gestern Abend im Männerheim schon halb entschlossen, nach Holland zurückzuwandern, horcht Lubbe auf. Wenn er wieder nach Leiden kommt, ohne etwas vollbracht zu haben, wird man ihn auslachen und keiner wird ihm mehr folgen. Einst war er der anerkannte Führer der revolutionären Jugend von Leiden. Wenn er zu irgend einer Aktion aufrief, folgten ihm die Erwerbslosen in Scharen. Aber in der letzten Zeit lachte man schon mehr über ihn, als auf ihn zu hören. Daß er sich den Raden-Communisten in Rotterdam anschloß, war eigentlich nichts anderes als die Flucht in eine neue Gruppe, wo man ihn noch nicht so genau kannte. Und dann, Lubbe wird es bestürzend klar, hat er Sierach versprochen, noch „eine Tat zu tun", bevor - - bevor sich die Nacht über seine Augen senkt. „Wat is mit de Opstand?" fragt er Waschinski. Paul Waschinski tut sehr geheimnisvoll. Eine kommunistische Gruppe, erklärt er, werde „das Signal zum Aufstand geben", und wenn er, der Rinus aus Leiden in Holland, mit seiner großen revolutionären Erfahrung dabei sein wolle, dann könne er mitmachen. Jedenfalls werde er die Verbindung herstellen.

Van der Lubbe will wissen, was das für eine Gruppe ist. Waschinski kommt diese direkte Frage ungelegen. Genaues weiß er ja selber nicht. Schon der „Hellseher" Hanussen versuchte vergeblich, mehr zu erfahren. Sicher ist nur die Tatsache, daß am kommenden Montag etwas geschehen soll und daß Oberführer Ernst, der Intimus von Graf Helldorf, und die Gruppe ZbV ihre Hand im Spiele haben. Aber Paul Waschinski findet dann doch eine Antwort. Gleich morgen, sagt er, werde er seinen Freund Rinus mit der Gruppe zusammenbringen. Allerdings hätte das einen Haken. Die Mitglieder der geheimnisvollen Terrorgruppe können nicht einfach jeden aufnehmen, der dahergelaufen käme. Die Gefahr des Verrats sei zu groß. Sie verlangen so etwas wie einen Beweis, eine Art Mutprobe. Das Gespräch versandet. Van der Lubbe zahlt, und gemeinsam gehen die beiden jungen Männer nach draußen.

Unwillkürlich schlägt Lubbe den Weg nach Neukölln ein.
Vor einem Geschäft bleibt er plötzlich stehen und sieht interessiert durch die beschlagenen Fensterscheiben, ohne etwas erkennen zu können. Forsch stapft er in den Laden. An der Theke stehend, erkennt er, daß es ein Milchgeschäft ist. Aber in den Regalen liegen auch andere Waren. Lubbe ersteht ein Paket Streichhölzer. Vor einem Kolonialwarenladen bleibt er erneut stehen und geht dann kurz entschlossen hinein. Als die Verkäuferin nach seinen Wünschen fragt, zeigt er mit der Hand auf einen Stapel Kohlenanzünder und sagt: „Dinger zum Kacheln!" Die Verkäuferin muß über den merkwürdigen Dialekt lachen und fragt, woher er sei. „Ick ben Rheinländer!” antwortet Lubbe und sagt dabei nicht einmal die Unwahrheit. Auch bei Leiden fließt der Rhein ins Meer.
In ein drittes Geschäft begleitet ihn Waschinki. Wieder kauft Lubbe „drie Pakjes" Kohlenanzünder. Auf der Straße fragt Waschinski, was das bedeuten soll. Lubbe grinst und sagt: „Ick will het Stempelbarack aansteeken." Waschinski glaubt nicht recht zu hören. „Die Stempelbaracke? Ja warum denn das?"
Als sie am Mittelweg ankommen, ist es noch nicht ganz dunkel. Sie müssen warten und gehen schweigend auf und ab. Als Lubbe die Zeit für gekommen hält und auch gerade kein Passant zu sehen ist, setzt er über den Zaun, wie ein Turner übers Reck, läuft zur Baracke und entzündet eins seiner Pakete. Er schwingt es wie eine Fackel, bis es hell brennt. Dann wirft er die Feuerlohe in das offene Fenster der Frauentoilette. Ein zweites brennendes Paket schleudert er auf das verschneite Dach. Ohne die Wirkung abzuwarten, läuft er zurück zu Paul, der als vorsichtiger Mann etwas abseits auf der anderen Straßenseite wartet. Langsam gehen sie weiter.
Ein Straßenpassant sieht den Qualm und den Feuerschein in der Holzbaracke und alarmiert die Feuerwehr, die sehr schnell eintrifft. In der mit Blech ausgeschlagenen Toilette ist nur ein unbedeutender Brand entstanden, der in wenigen Minuten erstickt wird. Das brennende Paket auf dem verschneiten Dach erlosch durch das Schmelzwasser von selber. Es wird erst am nächsten Morgen entdeckt. Am Montag erhalten die Erwerbslosen ihr Geld ohne jede Verzögerung ausbezahlt.
Dennoch ist van der Lubbe zufrieden. Das bimmelnde Feuerwehrauto hat eine große Menschenmenge angelockt. In seinen Augen ist das schon etwas. Leider verkennen die Neugierigen den Sinn des Feuers vollkommen, sie errichten keine Barrikaden. Waschinski wiederum wird die Gefahr der Ansammlung sofort bewußt. Es braucht nur einer in Marinus den „Brandredner" vom Mittwoch zu erkennen und schon kann er verhaftet werden. Schnell zieht er ihn deshalb in die nächste U-Bahn-Station und löst zwei Karten zum Alexanderplatz.
Während der Fahrt wird nicht gesprochen. Lubbe ist auch zu sehr mit sich beschäftigt. Seine Augen sind unnatürlich starr. Wie ein Schlafwandler folgt er Waschinski, steigt mit ihm in der Friedrichstraße um und verläßt am Alexanderplatz mit ihm die U-Bahn. Schweigend gehen sie durch die belebte Königstraße in Richtung Rathaus. Plötzlich bleibt Lubbe stehen. Er hat ein offenes Kellerfenster entdeckt. Kurz entschlossen holt er ein Paket Kohlenanzünder aus der Manteltasche, steckt es an und wirft es in den Rathauskeller. Keiner der Passanten achtet auf die beiden Burschen. Es ist kalt, und alle haben es eilig.
In gesicherter Entfernung warten die beiden jungen Männer der kommenden Dinge. Doch diesmal klingelt kein Feuerwehrauto. Als die erleuchtete Uhr im Rathausturm bereits halb acht anzeigt, schleichen sich beide davon. Lubbe ist enttäuscht. Wie ist das möglich? Versteht er nicht einmal mehr, ein richtiges Feuer zu legen? Diese Scharte muß sofort ausgewetzt werden.
Die Feuerwehr wurde tatsächlich nicht alarmiert. Der Maschinenmeister Kiekbusch, der im Rathaus eine Werkswohnung hat, bemerkte den Brand und löschte das Paket Kohlenanzünder mit ein paar Eimern Wasser. Da er das Ganze für einen Streich dummer Jungen hält, informiert er auch nicht die Polizei.
Van der Lubbe und Waschinski gehen weiter zum Schloßplatz. Neben dem Eosander-Portal des ehemals kaiserlichen Schlosses ragt ein Baugerüst bis zum Dachfirst hoch. Marinus bleibt stehen. Trotz seiner schlechten Augen erkennt er die Möglichkeit, hier hinaufzuklettern. Er ruft seinem Freund Paul zu, einen Moment zu warten, und hangelt sich an den Steigleitern hoch. Auf dem Dach des Schlosses läuft er zur Südseite. Der Versuch, die Bauhütte anzuzünden, schlägt fehl, doch dahinter ist eine Lüftungsklappe offen. Er opfert das letzte Paket Kohlenanzünder und wirft es in den dunklen Schacht. Dann läuft er zurück und hangelt sich nach unten, wo Waschinski wartet. Keiner der Passanten hat den Vorgang beobachtet. Die Schloßwache entdeckt den Brand, die Kohlenanzünder haben einen Fensterrahmen angesengt. Nässe und Farbe entwickeln einen mächtigen Gestank. Bevor die alarmierte Feuerwehr eintrifft, ist der Brand schon gelöscht. Immerhin stellen Kriminalbeamte fest, daß es sich hier um einen Brandstiftungsversuch handelt, den zweiten an diesem Abend. Wie er bewerkstelligt wurde, ist ihnen ein Rätsel. Daß der Brandstifter über das Dach kam, können sie nicht glauben.
Als die Feuerwehr anrückt, entfernen sich die beiden jungen Burschen. Gegen 9 Uhr kommen sie im Männerheim in der Alexandrinenstraße an, zahlen ihre 50 Pfennige und belegen ein Bett. Lubbe legt sich sofort schlafen, Paul Waschinski geht noch einmal fort. Er muß noch Gruppenführer Graf Helldorf benachrichtigen. Helldorf gibt die Meldung, die ihm sein V-Mann bringt, sofort an Goebbels weiter. Der Propagandameister der NSDAP hält das Ganze zwar für recht mager, aber er gibt der Redaktion des ‘Angriffs' die Anweisung durch, den Brandstiftungsversuch im Schloß „ganz groß" aufzumachen, selbstverständlich als „kommunistischen Terrorversuch". Da nirgends Meldungen von Unruhen vorliegen, sind die beiden Feuerchen ein willkommenes Geschenk. Dann schreibt er in sein Tagebuch:
„Alles konzentriert sich jetzt auf den Wahlkampf. Wenn wir den gewinnen, dann geht alles andere wie von selbst. Wir müssen nur dafür sorgen, daß das Tempo im Anfang nicht überspannt wird; denn bis zum letzten Tage soll immer noch eine Steigerung möglich sein."
„Alles konzentriert sich jetzt auf den Wahlkampf", der bereits seit dem 1. Februar im Gange ist. Aber Goebbels hat recht, das Tempo darf nicht überspannt werden, denn der größte Coup steht noch bevor. Am Dienstag wird es keine sozialdemokratische, kommunistische und linksbürgerliche Presse mehr geben, der Terror wird die Menschen einschüchtern und auch die rechtsbürgerlichen Zeitungsredaktionen zur Vorsicht mahnen. Die letzte Steigerung muß dann der „Tag der erwachenden Nation" bringen. Noch bevor sich Goebbels schlafen legt, gibt er die Mitteilung heraus, daß man im Schloß eine Menge Brandmaterial gefunden hat. Das ist sicher ein guter Auftakt für den Reichstagsbrand und für die amtlichen Verlautbarungen, die am 28. Februar erscheinen sollen. Sie liegen fertig in der Schublade. Zum Sonntagabend hat sich Goebbels Karten für die „Götterdämmerung" in der Städtischen Oper bestellt.«

Und so kam es zur Sprengung der Türme, äh zum Brand des Reichstages, wo Waschinski van der Lubbe zur vorgesehenen Zeit zum Portal gebracht und zum Einsteigen und Zündeln animiert hatte.

Nereus
20.09.2012, 16:19
Da die Beiträge aus einem anderen Strang hierher verschoben wurden, will ich auch den ersten Beitrag hier mitteilen, welcher den Anlaß gab, mich mit dem Thema Reichstragsbrand zu beschäftigen. Das Thema scheint bisher noch nicht eindeutig geklärt zu sein. Die Gelehrten streiten sich noch immer.
Möglicherweise gibt es heute eine politische Parallele dazu? Jetzt aber mal anders herum.

http://www.politikforen.net/showthread.php?117674-quot-Dönermorde-quot-NAZI-Hysterie-und-der-Verfassungsschutz&p=5678522&viewfull=1#post5678522

cajadeahorros
20.09.2012, 16:34
Bald kommt die Neuauflage des Buches unter dem Titel "Das Ende einer Legende" in den Buchhandel.

Nomen Nescio
16.02.2013, 14:48
Da die Beiträge aus einem anderen Strang hierher verschoben wurden, will ich auch den ersten Beitrag hier mitteilen, welcher den Anlaß gab, mich mit dem Thema Reichstragsbrand zu beschäftigen. Das Thema scheint bisher noch nicht eindeutig geklärt zu sein. Die Gelehrten streiten sich noch immer.
Möglicherweise gibt es heute eine politische Parallele dazu? Jetzt aber mal anders herum.
Inzwischen ist ein Buch erschienen

Marcus Giebeler, Doktorand an der Mainzer Universität, hat mit einer verdienstvollen Arbeit über den Reichstagsbrand seinen Magistertitel erworben. Es ist eine Fleißarbeit, die mit bisher nicht erreichter Akribie die von 1933 bis zur Gegenwart anhaltende Kontroverse aufzeichnet und analysiert. Kritisch wägt er die Argumente beider Seiten gegeneinander ab, rügt die hier wie dort oft überbordende, bis in persönliche Diskriminierungen gehende Polemik, scheut am Ende ein unumstößliches Urteil über die konkrete Täterschaft. Er kommt aber doch zu dem Schluss, dass insbesondere die neueren Forschungen so viele Fragwürdigkeiten und „sinnentstellende Verzerrung von Quellen“ in den Argumenten für die Einzeltäterschaft nachgewiesen haben, dass diese „faktisch nicht möglich war“. Zu dieser Erkenntnis haben nach der politischen „Wende“ von 1989/90 auch die originalen, in der DDR verwahrten Polizei- und Gestapo-Akten sowie Gerichtsprotokolle von 1933 beigetragen.
Es geht aber weiter

Heute hat die Einsicht in ein Sowohl-Als-auch längst das Entweder-Oder ersetzt. Nur beim Reichstagsbrand ist eine Seite – vom „Spiegel“, in dem Fritz Tobias 1959/60 seine These erstmals ausbreitete, und Hans Mommsen, der sie 1964 scheinbar wissenschaftlich bestätigte, bis Sven Felix Kellerhoff, der sie 2009 neu zu belegen versuchte – auf dem Erkenntnisstand von 1960/64 stehen geblieben, wie Giebeler, eine frühere Rezension des hiesigen Rezensenten zitierend, schreibt.
Besonders deutlich war dies

Was bleibt? Die Verteidiger der These von der Schuld van der Lubbes können für dessen Alleintäterschaft außer seiner Selbstbezichtigung bis heute keine stichhaltigen Beweise vorlegen, müssen sich vielmehr umfangreiche Manipulationen von Dokumenten und Zeugenaussagen durch Tobias nachweisen lassen. Dass ein Einzelner diesen Großbrand binnen kürzester Zeit nicht entfachen konnte, haben Brandfachleute seit 1933 vielfach nachgewiesen, und bis heute hat sich kein Sachverständiger gefunden, der dies widerlegt hätte.
Dies fand ich in einer Besprechung über Giebelers Buch.

Der Mann, der behauptete Van der Lubbe sei der Einzeltäter ist Fritz Tobias, der nach seinem Tod mit einem Artikel in dem Spiegel gelobt wurde und mit einem anderen Artikel niedergemacht wurde (http://www.publikative.org/2011/01/28/zweifelhafter-reichstagsbrandforscher-tobias-verstorben/).

Was ich aber hier schmerzlich vermisse ist den Link nach der Polemik die im Netz über den Reichstagsbrand geführt wurde (http://www.zlb.de/projekte/kulturbox-archiv/brand/).

Ich habe alles dort ausgedruckt und gelesen. Allmählich wurde meine Meinung gefestigt, die jetzt durch Giebelers Buch bestätigt wird: Van der Lubbe war nicht der Einzeltäter.

In meinem Niederländischen Forum habe ich darüber ausgebreitet berichtet und schließlich meine Schlußfolgerung gegeben: man wird es nie (mehr) beweisen können, aber es gibt so viel Tatsachen die vernachlässigt oder gefällscht wurden, das sich die Frage aufdrängt "Wer hatte damals die Macht soviel zu vertuschen?". Denn da muß man vermutlich die Schuldigen suchen, weil sie daran Interesse hatten.

Die Antwort ist deutlich: das waren die Nazis.

Nereus
25.02.2013, 10:32
Inzwischen ist ein Buch erschienen

Es geht aber weiter

Besonders deutlich war dies

Dies fand ich in einer Besprechung über Giebelers Buch.

Der Mann, der behauptete Van der Lubbe sei der Einzeltäter ist Fritz Tobias, der nach seinem Tod mit einem Artikel in dem Spiegel gelobt wurde und mit einem anderen Artikel niedergemacht wurde (http://www.publikative.org/2011/01/28/zweifelhafter-reichstagsbrandforscher-tobias-verstorben/).

Was ich aber hier schmerzlich vermisse ist den Link nach der Polemik die im Netz über den Reichstagsbrand geführt wurde (http://www.zlb.de/projekte/kulturbox-archiv/brand/).

Ich habe alles dort ausgedruckt und gelesen. Allmählich wurde meine Meinung gefestigt, die jetzt durch Giebelers Buch bestätigt wird: Van der Lubbe war nicht der Einzeltäter.

In meinem Niederländischen Forum habe ich darüber ausgebreitet berichtet und schließlich meine Schlußfolgerung gegeben: man wird es nie (mehr) beweisen können, aber es gibt so viel Tatsachen die vernachlässigt oder gefällscht wurden, das sich die Frage aufdrängt "Wer hatte damals die Macht soviel zu vertuschen?". Denn da muß man vermutlich die Schuldigen suchen, weil sie daran Interesse hatten.

Die Antwort ist deutlich: das waren die Nazis.

Hallo,
HEUTE (25.2.13) um 19:15-20 Uhr auf Deutschland Radio (dradio.de) wird in der Sendung AUSDRUCK über den Reichstagsbrand gesprochen und Bahar/Kuge und ein zweites Buch vorgestellt.

Nomen Nescio
25.02.2013, 12:38
Hallo,
HEUTE (25.2.13) um 19:15-20 Uhr auf Deutschland Radio (dradio.de) wird in der Sendung AUSDRUCK über den Reichstagsbrand gesprochen und Bahar/Kuge und ein zweites Buch vorgestellt.
ganz sicher interessant !!!!

Bolle
28.07.2019, 19:14
Neue alte Dokumente beweisen, es war doch Marinus van der Lubbe!


Reichstagsbrand

Was die neue eidesstattliche Erklärung eines SA-Manns bedeutet

Wer zündete 1933 den Reichstag an? Die neu entdeckte Aussage eines SA-Manns von 1955 soll auf die Nazis als Täter verweisen. Dessen Darstellung widersprechen allerdings die Ermittlungsakten.

Wird nach mehr als 86 Jahren endlich das Rätsel um den Reichstagsbrand gelöst? Diesen Eindruck erweckt die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ (HAZ), die jetzt prominent eine ganze Seite unter der Überschrift „Wer war der wahre Brandstifter? (https://www.welt.de/regionales/berlin/article197502515/Erklaerung-legt-NS-Beteiligung-an-Reichstagsbrand-nahe.html)“ veröffentlicht hat.
Dem Bericht zufolge soll eine bislang unbekannte Eidesstattliche Versicherung des SA-Mannes Hans-Martin Lennings (1904-1962) auf Nationalsozialisten als „wahre Brandstifter“ hindeuten. Lennings erklärt in dem Dokument aus dem Jahr 1955, er habe am Abend des 27. Februar 1933 den später auf frischer Tat im brennenden Reichstagsgebäude ertappten (und rechtswidrig zum Tode verurteilten) Holländer Marinus van der Lubbe (https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article123237845/Der-Schauprozess-endet-mit-einem-Justizmord.html) zwischen 20 und 21 Uhr im Auto zum Reichstag gefahren. Dort sei ihm aufgefallen, dass „ein eigenartiger Brandgeruch herrschte und dass auch schwache Rauchschwaden durch die Zimmer hindurchzogen“. Das würde bedeuten, dass das Gebäude bereits brannte, als der später als Brandstifter verurteilte van der Lubbe den Tatort erreichte.
Offenbar ist das Dokument echt in dem Sinne, dass es tatsächlich von Lennings verfasst wurde. Das bestätigt auch das Amtsgericht Hannover, in dessen Archiv das Zeugnis gefunden wurde. Allerdings bedeutet diese Authentizität der Eidesstattlichen Versicherung nicht, dass auch der Inhalt des Dokuments zutrifft. Das ist nämlich nicht der Fall. Mehrere Indizien legen vielmehr nahe, dass die von Lennings 1955 notariell beglaubigte Aussage nicht der Wahrheit entspricht.
In den im Bundesarchiv Berlin zugänglichen Ermittlungsakten der damaligen Politischen Polizei (aus der wenige Wochen später die Gestapo wurde (https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article121923405/Original-von-Hitlers-Gestapo-Gesetz-entdeckt.html)) ist eindeutig nachzuvollziehen, welchen Weg Marinus van der Lubbe am 27. Februar 1933, einem klirrend kalten Montag, genommen hat. Ebenso die Vorgeschichte.



weiter auf:https://www.welt.de/geschichte/article197532259/Reichstagsbrand-Was-die-neue-Erklaerung-eines-SA-Manns-bedeutet.html



Schon erstaunlich, das in einer Bundesdeutschen Postille zu lesen! Wo es doch fest stand, dass die NAZIS es waren, um die Ermächtigungsgesetze installieren zu können.

Dubidomo
29.07.2019, 07:13
Neue alte Dokumente beweisen, es war doch Marinus van der Lubbe!



weiter auf:https://www.welt.de/geschichte/article197532259/Reichstagsbrand-Was-die-neue-Erklaerung-eines-SA-Manns-bedeutet.html



Schon erstaunlich, das in einer Bundesdeutschen Postille zu lesen! Wo es doch fest stand, dass die NAZIS es waren, um die Ermächtigungsgesetze installieren zu können.
Im Jahre 1932 war der Staat tot. Ermittlungen der preussischen Polizei sind mit Vorsicht zu geniessen. Der Preussenschlag belegt, dass die preussische Polizei nicht mehr unabhängig ermitteln konnte. Ein Mann allein soll den Reichstag in Brand gelegt haben? Der Schwede Göring besass den Schlüssel zum Reichstag. Welche Rolle also sollte der hypnotisierte van der Lubbe spielen? Nichts als Ablenke! Was man alles glauben muss. Das Verwirrspiel geht weiter. Offenbar gibt es noch einiges aufzudecken. Und solange der Geheimvertrag zwischen GB, Frankreich, Italien und Hitler vom 15. Juli 1933 nicht veröffentlicht ist, solange sind alle Aussagen zum Dritten Reich mit Vorsicht zu geniessen.
Nicht mal Goebbels berichtet unter dem 30.1.1933, dass Hitler von von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden ist. Mit der Wahl vom 5. März 1933 war Hitler offiziell Reichskanzler unabhängig von der Ernennung vom 30.1.1933. Auch diese angebliche Ernennung Hitlers zum Reichskanzler dient nur dazu vom demokratischen Versagen der Weimarer Republik abzulenken. Das so überaus hehre Frauenwahlrecht hat Deutschland das Dritte Reich beschert. Wieso haben mehr als doppelte so viele Frauen wie Männer am 5. März 1933 Hitler gewählt, wobei doch Männer viel eher zum Faschismus neigen als Frauen? So jedenfalls geht die Mär! Deutsche Frau sollte tunlichst dieses Versagen vom 5.3.1933 aufklären, bevor Sie weiter politischen Unsinn verzapft. Wer emanzipiert sein will, ist für sein Tun voll verantwortlich!

herberger
29.07.2019, 08:35
Aussage von Generalstabschef Franz Halder in Nürnberg:

»Anläßlich eines gemeinsamen Mittagsmahls am Geburtstag des Führers 1942 kam in der Umgebung des Führers das Gespräch auf das Reichstagsgebäude und seinen künstlerischen Wert. Ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie Göring in das Gespräch hineinrief: ›Der einzige, der den Reichstag wirklich kennt, bin ich; ich habe ihn ja angezündet.‹ Dabei schlug er sich mit der flachen Hand auf die Schenkel.«

Quelle: http://www.zeno.org/Geschichte/M/Der+N%C3%BCrnberger+Proze%C3%9F/Hauptverhandlungen/Vierundachtzigster+Tag.+Montag,+18.+M%C3%A4rz+1946/Nachmittagssitzung


Lesen kannst du also auch nicht. Du weißt doch ganz genau das Halder ein Ami Knecht war.


JUSTICE JACKSON: Er hatte schon begonnen, Erklärungen abzugeben, und Sie wurden ganz allgemein beschuldigt, das Reichstagsgebäude in Brand gesteckt zu haben. Wußten Sie das?

GÖRING: Diese Anklage, daß ich den Reichstag angezündet hätte, kam von einer gewissen Auslandspresse. Das konnte mich weiter nicht berühren, weil es nicht den Tatsachen entsprach. Es hatte keinen Zweck und Sinn für mich, den Reichstag anzustecken. Ich bedauere an sich von der künstlerischen Seite durchaus nicht, daß das Plenum verbrannt ist; ich hoffte, ein besseres aufzubauen. Ich bedauerte aber außerordentlich, daß ich gezwungen war, einen neuen Reichstagssitzungssaal zu suchen und, da ich keinen gefunden habe, meine Kroll-Oper, sprich zweite Staatsoper, dafür herzugeben. Die Oper erschien mir erheblich wichtiger als der Reichstag.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie sich jemals damit gebrüstet, wenn auch nur aus Witz, den Reichstag angezündet zu haben?
GÖRING: Nein. Ich habe einen Witz gebraucht, wenn Sie den meinen, daß ich sagte, ich trete demnächst in Konkurrenz mit dem Kaiser Nero. Es wird voraussichtlich sehr bald heißen, ich habe mit einer roten Toga, mit einer Leier in der Hand gegenübergestanden und zu dem Reichstagsbrand aufgespielt. Das war der Witz. Tatsächlich aber wäre ich beinahe durch den Reichstagsbrand umgekommen, für das deutsche Volk sehr unangenehm, für seine Gegner sehr angenehm.

JUSTICE JACKSON: Sie haben also nie erklärt, den Reichstag angesteckt zu haben?

GÖRING: Nein, ich weiß, daß Herr Rauschning in seinem Buch, das hier mehrfach herangezogen wurde, sagt, ich hätte mit ihm darüber gesprochen. Herrn Rauschning habe ich in meinem Leben nur zweimal ganz flüchtig gesehen. Wenn ich schon den Reichstag angezündet hätte, so würde ich das voraussichtlich nur im allerengsten Vertrauenskreis, wenn überhaupt, bekanntgegeben haben. [483] Einem Mann, den ich überhaupt nicht kenne und von dem ich heute nicht sagen kann, wie er überhaupt ausgesehen hat, würde ich mich niemals gegenüber geäußert haben. Es ist dies eine absolute Fälschung.

GSch
29.07.2019, 08:53
Im Jahre 1932 war der Staat tot. Ermittlungen der preussischen Polizei sind mit Vorsicht zu geniessen. Der Preussenschlag belegt, dass die preussische Polizei nicht mehr unabhängig ermitteln konnte.

Die Polizei ist ohnehin ein Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft. Eine Behörde ist niemals unabhängig. Eine "politische Polizei" schon gar nicht.


... Göring besass den Schlüssel zum Reichstag.

Immerhin war er Präsident des Reichstags. Dass er irgendwo in seinem Schreibtisch einen Generalschlüssel hatte, sollte nicht überraschen. Aber er war sicher nicht der einzige, der Zutritt zum Gebäude hatte, auch wenn es offiziell geschlossen war.


Nicht mal Goebbels berichtet unter dem 30.1.1933, dass Hitler von von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden ist.

Stimmt. Er berichtet es unter dem 31. Januar, weil er die Eintragungen immer erst am nächsten Tag machte.

Seine Eintragungen vom 27. Februar erwecken übrigens den Eindruck, als seien Hitler und er selbst vom Reichstagsbrand überrascht worden. Sein ganzer Bericht über den Abend bis zum Eintreffen der Nachricht und die in der Nacht folgenden Aktionen sieht nicht nach der Abarbeitung eines wohlvorbereiteten Plans aus.


Mit der Wahl vom 5. März 1933 war Hitler offiziell Reichskanzler unabhängig von der Ernennung vom 30.1.1933. Auch diese angebliche Ernennung Hitlers zum Reichskanzler dient nur dazu vom demokratischen Versagen der Weimarer Republik abzulenken.

Hitler wurde Reichskanzler, indem er von Hindenburg am 30. Januar ernannt wurde. In der Weimarer Republik geschah das unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Reichstag ("Präsidialkabinette"). Auch eine Reichstagswahl änderte für den Amtsinhaber zunächst einmal nichts. Er blieb so lange Kanzler, bis der Reichspräsident einen neuen ernannte. Das geschah bekanntlich nach dem 30. Januar 1933 nicht mehr.

Dass das ein demokratisches Versagen der Weimarer Republik war, stimmt haarscharf. Formal allerdings lief alles völlig korrekt und nach der Verfassung ab.

Nach GG endet die Amtszeit des Bundeskanzlers automatisch, wenn ein neu gewählter Bundestag erstmals zusammentritt. Bis dieser einen neuen Kanzler gewählt hat, ist der alte nur noch geschäftsführend im Amt. Eine solche Regel gab es in der Weimarer Verfassung nicht. Hitler blieb Reichskanzler bis zu seinem Tod.


Das so überaus hehre Frauenwahlrecht hat Deutschland das Dritte Reich beschert.

Die deutschen Frauen waren erstmals bei der Wahl zur Weimarer Nationalversammlung im Januar 1919 stimmberechtigt, und ihr Stimmrecht war auch in der Weimarer Verfassung festgeschrieben. Dass Hitler in der weiblichen Wählerschaft einen stärkeren Rückhalt hatte als in der männlichen, ist wohl zutreffend, obwohl sich das nur schwer nachprüfen lässt (Wahlgeheimnis). Meinungsumfragen im heutigen Sinne dürfte es damals wohl kaum schon gegeben haben.


Wer emanzipiert sein will, ist für sein Tun voll verantwortlich!

Gewiss. Und? Allerdings gilt das nicht rückwirkend.

Chronos
29.07.2019, 09:27
(....)

Das so überaus hehre Frauenwahlrecht hat Deutschland das Dritte Reich beschert.
.....
Wieso haben mehr als doppelte so viele Frauen wie Männer am 5. März 1933 Hitler gewählt, wobei doch Männer viel eher zum Faschismus neigen als Frauen?

Das so überaus hehre Frauenwahlrecht hat Deutschland über eineinhalb Jahrzehnte eine Bundeskanzlerin Merkel beschert.

Wieso wählen Frauen mehrheitlich Grüne und ganz besonders den schnieken Schwiegersohn-Prototyp Habeck, wo doch Männer bekanntlich viel eher zu realistischen politischen Einschätzungen neigen als Frauen?

Dubidomo
29.07.2019, 10:36
Hitler wurde Reichskanzler, indem er von Hindenburg am 30. Januar ernannt wurde. In der Weimarer Republik geschah das unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Reichstag ("Präsidialkabinette"). Auch eine Reichstagswahl änderte für den Amtsinhaber zunächst einmal nichts. Er blieb so lange Kanzler, bis der Reichspräsident einen neuen ernannte. Das geschah bekanntlich.
Prädidialkabinette gab es dann, wenn es im Reichstag keine Mehrheit für eine Regierung gab. Dann wurde der Reichskanzler vom Präsidenten gestützt. Durch die Wahl vom 5. März 1933 hatte Hitler eine absolute Mehrheit im Reichstag. Da er schon ernannt war, musste er nicht nochmal ernannt werden.
Der Fakt bleibt bestehen, dass nicht von Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt hat. Die Bemerkungen Goebbels über von Hindenburg sind eindeutig. Und schaut man sich die Unterschrift auf der Ernennungsurkunde an, so ist das nicht die Unterschrift eines Blinden. Im Übrigen ist von Hindenburg schon am 28.1.1933 aus Berlin in Richtung seines Landgutes in Ostpreussen abgedüst. So liest man es in Goebbels Tagebüchern unter dem 30.1.1933.

Lichtblau
29.07.2019, 11:46
Lesen kannst du also auch nicht. Du weißt doch ganz genau das Halder ein Ami Knecht war.

Nein weiss ich nicht. Was genau soll ich versucht haben zu lesen und konnte es dann nicht?

herberger
29.07.2019, 11:54
Nein weiss ich nicht. Was genau soll ich versucht haben zu lesen und konnte es dann nicht?

Zitat vom Reichsmarschall.

"Ich habe im roten Gewand mit einer Leier vor dem brennenden Reichstag gesungen"!

Lichtblau
29.07.2019, 13:18
Zitat vom Reichsmarschall.

"Ich habe im roten Gewand mit einer Leier vor dem brennenden Reichstag gesungen"!

???

herberger
29.07.2019, 13:35
???

Das Geständnis aus dem Munde des Herren Reichsmarschall.

GSch
29.07.2019, 13:57
Durch die Wahl vom 5. März 1933 hatte Hitler eine absolute Mehrheit im Reichstag. Da er schon ernannt war, musste er nicht nochmal ernannt werden.

Die Wahl vom 5. März 1933 brachte der NSDAP keineswegs die absolute Mehrheit, zu ihrer großen Enttäuschung. Und der Reichskanzler blieb Reichskanzler, bis er entlassen wurde. Auch dann, wenn zwischendurch der Reichstag neu gewählt wurde.


Der Fakt bleibt bestehen, dass nicht von Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt hat.

Wer denn dann?


Und schaut man sich die Unterschrift auf der Ernennungsurkunde an, so ist das nicht die Unterschrift eines Blinden.

Hindenburg war alt und krank und schon recht tatterig, aber nicht blind.


Im Übrigen ist von Hindenburg schon am 28.1.1933 aus Berlin in Richtung seines Landgutes in Ostpreussen abgedüst. So liest man es in Goebbels Tagebüchern unter dem 30.1.1933.

Lies mal seinen Eintrag vom 31. Januar. Was du da zitierst, wird eingeführt mit: "Denn Alvensleben kommt mit tollen Mären."

herberger
29.07.2019, 14:06
Die Antifa hat mal vor dem Reichstag ein Ehrenmal für den Widerstandskämpfer van der Lubbe gebastelt in Unkenntnis das Lubbe nach kommunistischer Meinung ein Werkzeug der Nazis war, das Ehrenmal war aber gleich wieder weg.

Diskurti
29.07.2019, 23:47
Zitat vom Reichsmarschall.

"Ich habe im roten Gewand mit einer Leier vor dem brennenden Reichstag gesungen"!

Der Reichtagsbrand kam den Nasos sehr gelegen..
Ohne den Brand keine Reichtagsbrandverordnung
keine gefälschte Wahl am 5. März
und kein Ermächtigungsgesetz.,.

kein Wunder dass Göring jubelte über den gelungenen Schurkenstreich .,!

herberger
30.07.2019, 07:09
Der Reichtagsbrand kam den Nasos sehr gelegen..
Ohne den Brand keine Reichtagsbrandverordnung
keine gefälschte Wahl am 5. März
und kein Ermächtigungsgesetz.,.

kein Wunder dass Göring jubelte über den gelungenen Schurkenstreich .,!

Also entsprach es der Wahrheit das Göring wie einst Nero in einer roten Toga vor dem brennenden Reichstag sang und auf der Leier spielte?

GSch
30.07.2019, 10:37
Also entsprach es der Wahrheit das Göring wie einst Nero in einer roten Toga vor dem brennenden Reichstag sang und auf der Leier spielte?

Wohl eher nicht. In einer Toga hat man ihn nie gesehen, Leier spielen konnte er sicher nicht, und wie es um seine Sangeskünste stand, ist nicht überliefert. Er hätte auch der Feuerwehr im Wege gestanden.

Das Zitat stammt zwar von ihm, aber er hat damit im Nürnberger Prozess karikiert, was man ihm wohl noch alles anhängen würde.

GSch
30.07.2019, 10:44
Der Reichtagsbrand kam den Nasos sehr gelegen..
Ohne den Brand keine Reichtagsbrandverordnung
keine gefälschte Wahl am 5. März
und kein Ermächtigungsgesetz.,.

kein Wunder dass Göring jubelte über den gelungenen Schurkenstreich .,!

Diese Argumentation "Wer hatte was davon?" ist allerdings das stärkste Argument derer, die den Nazis die Schuld an dem Brand geben. Diese Idee tauchte ja tatsächlich noch am Abend des Feuers in vielen Köpfen auf. Und es ist nicht zu leugnen, dass das Ereignis den Nazis wie gerufen kam. Endlich konnte Hitler aus dem Käfig ausbrechen, in den ihn seine Koalitionspartner gesperrt hatten. Der Reichstagsbrand war der Beginn der Nazi-Diktatur.

Allerdings: Koinzidenz ist kein Beweis für Kausalität. Harte Fakten, mit deren Hilfe man den Nazis die Brandstiftung nachweisen könnte, gibt es nicht, nur eine Menge Indizien. (Den angeblichen Ausspruch des Großmauls Göring, er sei es gewesen, würde ich aber noch nicht mal als Indiz werten.) Das gilt aber auch für die andere Seite, die Leute mit der Alleintäter-Theorie. Die können sich auf das Geständnis van der Lubbes berufen, das aber bei näherer Betrachtung doch einige Fragen offen lässt.

Eridani
30.07.2019, 10:51
Aussage von Generalstabschef Franz Halder in Nürnberg:

»Anläßlich eines gemeinsamen Mittagsmahls am Geburtstag des Führers 1942 kam in der Umgebung des Führers das Gespräch auf das Reichstagsgebäude und seinen künstlerischen Wert. Ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie Göring in das Gespräch hineinrief: ›Der einzige, der den Reichstag wirklich kennt, bin ich; ich habe ihn ja angezündet.‹ Dabei schlug er sich mit der flachen Hand auf die Schenkel.«

Quelle: http://www.zeno.org/Geschichte/M/Der+N%C3%BCrnberger+Proze%C3%9F/Hauptverhandlungen/Vierundachtzigster+Tag.+Montag,+18.+M%C3%A4rz+1946/Nachmittagssitzung

Ich neige auch eher dazu, die Tat den Nationalsozialisten zuzurechnen. Cui bono? Wem nützte es? Und van der Lubbe, der eher leicht beschränkte Typ, hätte wohl weder die Logistik, den Mum, noch das Organisationstalent dazu gehabt.

Lykurg
30.07.2019, 10:57
https://www.politikforen.net/images/misc/quote_icon.png Zitat von Lichtblau https://www.politikforen.net/images/buttons/viewpost-right.png (https://www.politikforen.net/showthread.php?p=1983141#post1983141)

Aussage von Generalstabschef Franz Halder in Nürnberg:

»Anläßlich eines gemeinsamen Mittagsmahls am Geburtstag des Führers 1942 kam in der Umgebung des Führers das Gespräch auf das Reichstagsgebäude und seinen künstlerischen Wert. Ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie Göring in das Gespräch hineinrief: ›Der einzige, der den Reichstag wirklich kennt, bin ich; ich habe ihn ja angezündet.‹ Dabei schlug er sich mit der flachen Hand auf die Schenkel.«

Quelle: http://www.zeno.org/Geschichte/M/Der...mittagssitzung (http://www.zeno.org/Geschichte/M/Der+N%C3%BCrnberger+Proze%C3%9F/Hauptverhandlungen/Vierundachtzigster+Tag.+Montag,+18.+M%C3%A4rz+1946/Nachmittagssitzung)



Eine ironische Aussage von Göring, dem die Bolschewisten ja die Tat von Anfang an anlasten wollten. Mehr auch nicht.

Lichtblau
30.07.2019, 12:38
Eine ironische Aussage von Göring, dem die Bolschewisten ja die Tat von Anfang an anlasten wollten. Mehr auch nicht.

es könnte ironisch gemeint sein, ob das weißt du auch nicht.
Halder hat es jedenfalls nicht als ironisch verstanden oder gibt den ironischen Charakter verfälscht wieder.

Chronos
30.07.2019, 13:54
es könnte ironisch gemeint sein, ob das weißt du auch nicht.
Halder hat es jedenfalls nicht als ironisch verstanden oder gibt den ironischen Charakter verfälscht wieder.

Wie bescheuert muss man eigentlich sein, in der heutigen Zeit zu glauben, ein Herrmann Göring alias Hermann Maier würde sich in roter Tunika vor den brennenden Reichstag stellen und - tief bewegt mit der Laute klimpernd - irgendwelche Schandmoritaten schmettern?

Wer ernsthaft annimmt, dass das keine bitterböse Ironie war, sollte mal seine Sensoren nachjustieren lassen - oder ganz einfach mal ein paar Stunden im Wald spazieren gehen. Das erdet nämlich ungemein.....

Xarrion
30.07.2019, 14:30
Wie bescheuert muss man eigentlich sein, in der heutigen Zeit zu glauben, ein Herrmann Göring alias Hermann Maier würde sich in roter Tunika vor den brennenden Reichstag stellen und - tief bewegt mit der Laute klimpernd - irgendwelche Schandmoritaten schmettern?

Wer ernsthaft annimmt, dass das keine bitterböse Ironie war, sollte mal seine Sensoren nachjustieren lassen - oder ganz einfach mal ein paar Stunden im Wald spazieren gehen. Das erdet nämlich ungemein.....

Korrekt.

(Grün derzeit leider nicht möglich)

herberger
30.07.2019, 15:03
es könnte ironisch gemeint sein, ob das weißt du auch nicht.
Halder hat es jedenfalls nicht als ironisch verstanden oder gibt den ironischen Charakter verfälscht wieder.

Man zeigte im Gerichtssaal einen Film vom Reichsparteitag, als der Film beendet war und das Licht wieder anging,sagte Göring in die Runde "Jetzt will Justice Jackson bestimmt auch in die NSDAP eintreten"! Das zeigt das Göring sehr viel und einen exzellenten Humor hatte. Göring als singender Nero vor dem brennenden Reichstaggebäude ist schon ein klasse Humor.

Diskurti
30.07.2019, 21:08
Diese Argumentation "Wer hatte was davon?" ist allerdings das stärkste Argument derer, die den Nazis die Schuld an dem Brand geben. Diese Idee tauchte ja tatsächlich noch am Abend des Feuers in vielen Köpfen auf. Und es ist nicht zu leugnen, dass das Ereignis den Nazis wie gerufen kam. Endlich konnte Hitler aus dem Käfig ausbrechen, in den ihn seine Koalitionspartner gesperrt hatten. Der Reichstagsbrand war der Beginn der Nazi-Diktatur.

Allerdings: Koinzidenz ist kein Beweis für Kausalität. Harte Fakten, mit deren Hilfe man den Nazis die Brandstiftung nachweisen könnte, gibt es nicht, nur eine Menge Indizien. (Den angeblichen Ausspruch des Großmauls Göring, er sei es gewesen, würde ich aber noch nicht mal als Indiz werten.) Das gilt aber auch für die andere Seite, die Leute mit der Alleintäter-Theorie. Die können sich auf das Geständnis van der Lubbes berufen, das aber bei näherer Betrachtung doch einige Fragen offen lässt.

Das Cui Bono war nicht als Argument für die NS-Täterschaft angeführt sondern als Erklärung für Görings Jubel..
Die Alleintäterthese bleibt dagegen völlig unhaltbar, weil sie den Gesetzen der Physik widerspricht..
(den Plenarsaal - 10000 m³ binnen 2 min in ein Flammenmeer entfacht mit 1 verschwitztem Hemd als Fackel..)
Die Frage stellt sich also vielmehr nach dem Cui Bono der Alleintäterthese.,.