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Vollständige Version anzeigen : Fragen zum Feindbegriff bei Carl Schmitt



-SG-
06.02.2008, 16:54
Kann mir da jemand helfen? Ich überlege, welches wohl die richtige Interpretation für folgende Zusammenhänge bei C. Schmitt ist:

Die "Verleugnung" des Feinds macht, so Schmitt, erst die absolute Vernichtung möglich. Hierzu sehe ich zwei mögliche Lesarten:

1. Ist dies so gemeint, dass ein Nicht-Anerkennen des Feindes als gleichwertiger Feind, mit dem man auf einer Augenhöhe steht, dazu führt, dass man aus einer moralischen Überlegenheit heraus nicht den Sieg, sondern die Vernichtung des Anderen zum Ziel hat, und dies moralisch mit Kategorien wie im Namen der "Menschheit" rechtfertigt? In diesem Fall ist also derjenige der "Vernichter", der den Feind leugnet, d.h. ihn nicht anerkennt.

2. Oder meint es eher dass die Verleugnung der Realität des Feindes durch ein Volk oder eine Gruppe dazu führt, dass es selbst vernichtet werden kann durch diesen Feind. In diesem Fall ist der "Vernichter" also der andere, dessen feindliche Gesinnung durch den Vernichteten geleugnet wurde.

In diesem Zusammenhang fragte ich mich auch, was wohl "Der Feind ist unsere Frage als Gestalt" bedeuten solle. Kennt sich da jemand aus?

dr-esperanto
06.02.2008, 22:20
Carl Schmitt ist ja der Vater nicht nur des Hitler-Régimes, sondern auch der Neo-Cohns und der polnischen Zwillingskartoffeln: alle haben Feindbilder aufgebaut, um von inneren Problemen abzulenken. Außerdem schweißt so ein Feindbild das Volk nach innen zusammen. So platt begründet das Carl Schmitt natürlich nicht, aber muss eben den banalen Wesenskern in hochtrabenden Gedankengängen erstmal finden. Gute Lektüre zu Carl Schmitt als Wegbereiter des Faschismus gibt es bei LaRouche/BüSo/Schillerinstitut.

dr-esperanto
06.02.2008, 22:27
http://www.godlikeproductions.com/forum1/message196932/pg1

Mcp
07.02.2008, 10:47
Kann mir da jemand helfen? Ich überlege, welches wohl die richtige Interpretation für folgende Zusammenhänge bei C. Schmitt ist:

Die "Verleugnung" des Feinds macht, so Schmitt, erst die absolute Vernichtung möglich. Hierzu sehe ich zwei mögliche Lesarten:

1. Ist dies so gemeint, dass ein Nicht-Anerkennen des Feindes als gleichwertiger Feind, mit dem man auf einer Augenhöhe steht, dazu führt, dass man aus einer moralischen Überlegenheit heraus nicht den Sieg, sondern die Vernichtung des Anderen zum Ziel hat, und dies moralisch mit Kategorien wie im Namen der "Menschheit" rechtfertigt? In diesem Fall ist also derjenige der "Vernichter", der den Feind leugnet, d.h. ihn nicht anerkennt.

2. Oder meint es eher dass die Verleugnung der Realität des Feindes durch ein Volk oder eine Gruppe dazu führt, dass es selbst vernichtet werden kann durch diesen Feind. In diesem Fall ist der "Vernichter" also der andere, dessen feindliche Gesinnung durch den Vernichteten geleugnet wurde.

In diesem Zusammenhang fragte ich mich auch, was wohl "Der Feind ist unsere Frage als Gestalt" bedeuten solle. Kennt sich da jemand aus?

Ich habe Ihre Frage ganz sicher missverstanden, da ich nicht weiß, auf welche Stelle bei Carl Schmitt Sie sich eigentlich beziehen, wenn sie von der „Verleugnung“ des Feindes als Voraussetzung seiner absoluten Vernichtung schreiben. Carl Schmitt hat, soweit ich sein Werk zu kennen glaube, nicht derartiges geschrieben, wiewohl der Feindbegriff bei ihm eine zentrale Rolle spielt, da er den Begriff des Politischen definiert.

Politik ist, nach Schmitt, Feindbestimmung, dabei ist es zunächst gleichgültig ob man ihn als Kongruenten, respektablen Gegner oder zu vernichtenden Feind betrachtet, sondern zunächst ist es die bloße Bezeichnung einer Menschengruppe, die dem Erreichen meiner politischer Ziele entgegensteht und deren Widerstand in der einen oder anderen Weise gebrochen werden muss. Auf welchem Wege dies geschieht, ob innerhalb eines ritualisierten politischen Systems, wie der Demokratie, oder durch gewaltsame Unterwerfung, respektive Vernichtung dieser Menschen ist für die Bestimmung des Begriffes an sich nachrangig.

„Feind ist also nicht der Konkurrent oder der Gegner im allgemeinen. Feind ist auch nicht der private Gegner, den man unter Antipathiegefühlen haßt. Feind ist nur eine wenigstens eventuell, d.h. der realen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen, die einer ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht. Feind ist nur der öffentliche Feind, weil alles, was auf eine solche Gesamtheit von Menschen, insbesondere auf ein ganzes Volk Bezug hat, dadurch öffentlich wird. Feind ist hostis, nicht inimicus im weiteren Sinne; polemios, nicht echthros“

Quelle: Carl Schmitt; Der Begriff des Politischen; Fassung von 1932; 2.

Die Qualität des Feindbegriffes schließt also moralische Wertungen aus, sie bleiben der Ausformung der konkreten Quantität, also dem bestimmen des konkret, historischen Feindes, also Kongruent, Gegner, Feind vorbehalten.

Hier lässt sich nach Schmitt eine historische Eskalation ausmachen, die sich vom Gegner mit einem mit fest umrissenen Rechtsstatus (von zivilen und militärischen Kodex bis zur Landkriegsordnung) zum vernichtenden, vollkommen rechtlosen Feind steigerte, um dessen grundlose Vernichtung es jenseits aller moralischen Rechtfertigung ging. Schmitt fasst das in seiner „Theorie des Partisanen“ am Beispiel Lenins wie folgt zusammen:

„Der Krieg der absoluten Feindschaft kennt keine Hegung. Der folgerichtige Vollzug einer absoluten Feindschaft gibt ihm seinen Sinn und seine Gerechtigkeit. Die Frage ist also nur: gibt es einen absoluten Feind und wer ist es in concreto? Für Lenin war die Antwort keinen Augenblick zweifelhaft, und seine Überlegenheit über alle andern Sozialisten und Marxisten bestand darin, daß er mit der absoluten Feindschaft Ernst machte. Sein konkreter absoluter Feind war der Klassenfeind, der Bourgeois, der westliche Kapitalist und dessen Gesellschaftsordnung in jedem Lande, in dem sie herrschte. Die Kenntnis des Feindes war das Geheimnis von Lenins ungeheuerlicher Schlagkraft.“

Quelle: Carl Schmitt; Theorie des Partisanen; Von Clausewitz zu Lenin

Und schließlich noch einmal aus dem Begriff des Politischen:

„Die Hegung und klare Begrenzung des Krieges enthält eine Relativierung der Feindschaft. Jede solche Relativierung ist ein großer Fortschritt im Sinne der Humanität. Freilich ist es nicht leicht, ihn zu bewirken, denn es fällt den Menschen schwer, ihren Feind nicht für einen Verbrecher zu halten. Dem europäischen Völkerrecht des zwischenstaatlichen Landkrieges ist der seltene Schritt jedenfalls gelungen. Wie er andern Völkern gelingen wird, die in ihrer Geschichte nur Kolonial- und Bürgerkriege kennen, bleibt abzuwarten. Auf keinen Fall ist es ein Fortschritt im Sinne der Humanität, den gehegten Krieg des europäischen Völkerrechts als reaktionär und verbrecherisch zu ächten und statt dessen, im Namen des gerechten Krieges, revolutionäre Klassen- oder Rassenfeindschaften zu entfesseln, die Feind und Verbrecher nicht mehr unterscheiden können und auch nicht mehr unterscheiden wollen.“

Quelle: Carl Schmitt; Der Begriff des Politischen; Vorwort

-SG-
07.02.2008, 15:41
Ich habe Ihre Frage ganz sicher missverstanden, da ich nicht weiß, auf welche Stelle bei Carl Schmitt Sie sich eigentlich beziehen, wenn sie von der „Verleugnung“ des Feindes als Voraussetzung seiner absoluten Vernichtung schreiben. Carl Schmitt hat, soweit ich sein Werk zu kennen glaube, nicht derartiges geschrieben, wiewohl der Feindbegriff bei ihm eine zentrale Rolle spielt, da er den Begriff des Politischen definiert.

Politik ist, nach Schmitt, Feindbestimmung, dabei ist es zunächst gleichgültig ob man ihn als Kongruenten, respektablen Gegner oder zu vernichtenden Feind betrachtet, sondern zunächst ist es die bloße Bezeichnung einer Menschengruppe, die dem Erreichen meiner politischer Ziele entgegensteht und deren Widerstand in der einen oder anderen Weise gebrochen werden muss. Auf welchem Wege dies geschieht, ob innerhalb eines ritualisierten politischen Systems, wie der Demokratie, oder durch gewaltsame Unterwerfung, respektive Vernichtung dieser Menschen ist für die Bestimmung des Begriffes an sich nachrangig.

„Feind ist also nicht der Konkurrent oder der Gegner im allgemeinen. Feind ist auch nicht der private Gegner, den man unter Antipathiegefühlen haßt. Feind ist nur eine wenigstens eventuell, d.h. der realen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen, die einer ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht. Feind ist nur der öffentliche Feind, weil alles, was auf eine solche Gesamtheit von Menschen, insbesondere auf ein ganzes Volk Bezug hat, dadurch öffentlich wird. Feind ist hostis, nicht inimicus im weiteren Sinne; polemios, nicht echthros“

Quelle: Carl Schmitt; Der Begriff des Politischen; Fassung von 1932; 2.

Die Qualität des Feindbegriffes schließt also moralische Wertungen aus, sie bleiben der Ausformung der konkreten Quantität, also dem bestimmen des konkret, historischen Feindes, also Kongruent, Gegner, Feind vorbehalten.

Hier lässt sich nach Schmitt eine historische Eskalation ausmachen, die sich vom Gegner mit einem mit fest umrissenen Rechtsstatus (von zivilen und militärischen Kodex bis zur Landkriegsordnung) zum vernichtenden, vollkommen rechtlosen Feind steigerte, um dessen grundlose Vernichtung es jenseits aller moralischen Rechtfertigung ging. Schmitt fasst das in seiner „Theorie des Partisanen“ am Beispiel Lenins wie folgt zusammen:

„Der Krieg der absoluten Feindschaft kennt keine Hegung. Der folgerichtige Vollzug einer absoluten Feindschaft gibt ihm seinen Sinn und seine Gerechtigkeit. Die Frage ist also nur: gibt es einen absoluten Feind und wer ist es in concreto? Für Lenin war die Antwort keinen Augenblick zweifelhaft, und seine Überlegenheit über alle andern Sozialisten und Marxisten bestand darin, daß er mit der absoluten Feindschaft Ernst machte. Sein konkreter absoluter Feind war der Klassenfeind, der Bourgeois, der westliche Kapitalist und dessen Gesellschaftsordnung in jedem Lande, in dem sie herrschte. Die Kenntnis des Feindes war das Geheimnis von Lenins ungeheuerlicher Schlagkraft.“

Quelle: Carl Schmitt; Theorie des Partisanen; Von Clausewitz zu Lenin

Und schließlich noch einmal aus dem Begriff des Politischen:

„Die Hegung und klare Begrenzung des Krieges enthält eine Relativierung der Feindschaft. Jede solche Relativierung ist ein großer Fortschritt im Sinne der Humanität. Freilich ist es nicht leicht, ihn zu bewirken, denn es fällt den Menschen schwer, ihren Feind nicht für einen Verbrecher zu halten. Dem europäischen Völkerrecht des zwischenstaatlichen Landkrieges ist der seltene Schritt jedenfalls gelungen. Wie er andern Völkern gelingen wird, die in ihrer Geschichte nur Kolonial- und Bürgerkriege kennen, bleibt abzuwarten. Auf keinen Fall ist es ein Fortschritt im Sinne der Humanität, den gehegten Krieg des europäischen Völkerrechts als reaktionär und verbrecherisch zu ächten und statt dessen, im Namen des gerechten Krieges, revolutionäre Klassen- oder Rassenfeindschaften zu entfesseln, die Feind und Verbrecher nicht mehr unterscheiden können und auch nicht mehr unterscheiden wollen.“

Quelle: Carl Schmitt; Der Begriff des Politischen; Vorwort

Danke erstmal für die Antwort, ich versuche meine Frage zu präzisieren:

Ich bezog mich auf folgende Textstelle: "Erst die Ableugnung der wirklichen Feindschaft macht die Bahn frei für das Vernichtungswerk einer absoluten Feindschaft" (Theorie des Partisanen, S. 96)

Der Gegensatz von "wirklicher" und "absoluter Feindschaft" drückt den Gegensatz eines Gegners, welcher auf gleicher Augenhöhe behandelt und besiegt werden kann (Ziel: Frieden) und eines Objektes, gegenüber welchem man sich moralisch höherwertig betrachtet, welchem das Menschliche entzogen, und welcher folglich vernichtet werden muss, aus, also den auch in Ihren Textstellen angeführten Gegensatz von Feind (mit dem ein "gehegter Krieg" geführt werden kann und Verbrecher (der physisch vernichtet werden muss).

Die "wirkliche Feindschaft" "abzuleugnen", wie in o.g. Zitat ausgedrückt, könnte demnach bedeuten, den Feind eben nicht als Feind, sondern als Verbrecher anzusehen. Aus dieser "totalen Entwertung" (ebd., S. 95) entsteht die "Unentrinnbarkeit eines moralischen Zwanges" (ebd.), diesen Verbrecher physisch zu vernichten.

Das erscheint mir nun, nach nochmaligem Lesen der Textstelle, auch als die korrekte Lesart. Wer demnach im Namen der "Menschheit", der absoluten göttlichen Wahrheit und ähnlichem Kriege führt, erkennt den anderen nicht als legitimen Feind an, welcher ähnliche Interessen hat (z.B. territorialer Art), sondern als illegitimen Verbrecher, mit dem man keinen Frieden schließen kann. Diese Begriffsverschiebung vom Feind (wirklicher Feind) zum Verbrecher (absoluter Feind) meint also die "Ableugnung des wirklichen Feindes".

Die andere Variante, die sich aus dem Zusammenhang dieses Zitates wohl nicht ergibt, für welche sich aber speziell im "Begriff des Politischen" zweifellos unzählige Belege finden, ist die folgende: Ein (äußerer) Feind (hostis) ist real existent, unabhängig davon, ob das Subjekt diesen als solchen anerkennt. Wenn es dies nicht tut (d.h. den Feind "ableugnet"), heißt das deshalb nicht, dass es keinen Feind gibt (und folglich auch nichts "politisches"), sondern nur, dass eben dieses Subjekt sich der Sphäre des politischen entzieht (vgl. Begriff des Politischen, S. 54). Das, so die Schlussfolgerung, könnte ebenfalls dazu führen, dass dieses Subjekt dann vernichtet wird von eben diesem Feind, den es nicht als solchen erkennen wollte.

Ich hoffe mein Anliegen ist etwas klarer geworden. Die erste scheint mir nun in diesem Zusammenhang die richtige Lesart, wobei die zweite durchaus auch nicht aus der Luft gegriffen ist meiner Meinung nach. Ist das nachvollziehbar?

-SG-
07.02.2008, 15:59
Carl Schmitt ist ja der Vater nicht nur des Hitler-Régimes, sondern auch der Neo-Cohns und der polnischen Zwillingskartoffeln: alle haben Feindbilder aufgebaut, um von inneren Problemen abzulenken. Außerdem schweißt so ein Feindbild das Volk nach innen zusammen. So platt begründet das Carl Schmitt natürlich nicht, aber muss eben den banalen Wesenskern in hochtrabenden Gedankengängen erstmal finden. Gute Lektüre zu Carl Schmitt als Wegbereiter des Faschismus gibt es bei LaRouche/BüSo/Schillerinstitut.

Vielleicht ist dieser "banale Wesenskern" dann doch eher eine recht plumpe, unzulässige Reduktion. Was in Deinem zitierten Link steht :


Scalia expresses the same explicitly Romantic dogmas of the pro-fascist 'conservative revolution' of G.W.F. Hegel, Friedrich Nietzsche, et al., which Scalia has imitated, in keeping with the model precedent of the so-called 'Kronjurist' of Nazi Germany, Carl Schmitt.

entbehrt jeder Grundlage. Das ist einfach das simple, monokausale Weltbild, das viele gerne hätten. Von Hegel über Nietzsche und Schmitt bis Hitler ging die Linie also, soso. Dann meint der Autor noch, Carl Schmitt hätte das Führerprinzip entworfen, was kommt als nächstes? Claudia Roth als "crown jurist" von Al Qaida?

dr-esperanto
07.02.2008, 21:02
http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Schmitt

dr-esperanto
07.02.2008, 21:35
Spannaus scheint wohl das Buch "Nomos (estí) basileus = (Der Wille des) Führer(s) (ist) Gesetz" von Carl Schmitt zu meinen. Der Begriff "Führerprinzip" wurde aber wahrscheinlich von Keyserling geprägt. Aber auf rechtswissenschaftliche Grundlagen gestellt wurde er doch wohl von Carl Schmitt.




http://www.amazon.de/Schmitt-nomos-basileus-F%C3%BChrers-Gesetz/dp/3932031253

dr-esperanto
07.02.2008, 21:38
Vielleicht ist dieser "banale Wesenskern" dann doch eher eine recht plumpe, unzulässige Reduktion. Was in Deinem zitierten Link steht :



entbehrt jeder Grundlage. Das ist einfach das simple, monokausale Weltbild, das viele gerne hätten. Von Hegel über Nietzsche und Schmitt bis Hitler ging die Linie also, soso. Dann meint der Autor noch, Carl Schmitt hätte das Führerprinzip entworfen, was kommt als nächstes? Claudia Roth als "crown jurist" von Al Qaida?

Du musst in der Wissenschaft abstrahieren und möglichst den einen, wahren, ausschlaggebenden Grund/Punkt herausabstrahieren. Das ist die ganze Wissenschaft. Alles Unwesentliche, Nebensächliche weglassen und die großen Linien aus dem Wust der Geschichte herausarbeiten.

Salazar
07.02.2008, 21:40
Neo-Cohns

Wortspiel oder verschrieben? :D

-SG-
08.02.2008, 11:47
Du musst in der Wissenschaft abstrahieren und möglichst den einen, wahren, ausschlaggebenden Grund/Punkt herausabstrahieren. Das ist die ganze Wissenschaft. Alles Unwesentliche, Nebensächliche weglassen und die großen Linien aus dem Wust der Geschichte herausarbeiten.

plumpe Verkürzung als wissenschaftliche Abstraktion darzustellen ist natürlich immer leicht getan, aber um noch mal auf LaRouche zurückzukommen: Er sucht sich irgendein Phänomen zeitgenössischer politischer Theorie oder Praxis, stellt dann fest, dass sich damit schon Carl Schmitt befasst hat, und konstruiert somit die vermeintliche Nazi-Befangenheit des jeweiligen Themas.

Das ist einfach Unsinn. In wie weit man Schmitt NS-Denken attestiert oder nicht spielt dabei noch nicht mal eine Rolle. Selbst wenn Schmitt durch und durch Nazi gewesen wäre, würden staatstheoretische Felder wie Souveränität oder der Ausnahmezustand dadurch nicht auf Ewigkeit zu politiktheoretischen No-Go-Areas. Z.B. wird Art. 79,3 GG (Ewigkeitsgebot) oft dem "Verfassungskern" von Schmitt zugeschrieben, das allein macht den Artikel aber nicht schlecht.

Auch die US-amerikanische Regierung legt wenig von Schmitts Denken an den Tag, hierzu empfehle ich "Alain de Benoist - Carl Schmitt und der Krieg", in dem er überzeugend darlegt, warum Leute wie LaRouche falsch liegen in ihrer Unterstellung, Schmitt sei so etwas wie der "Vordenker" der Neocons.

Mcp
08.02.2008, 12:25
Ich hoffe mein Anliegen ist etwas klarer geworden. Die erste scheint mir nun in diesem Zusammenhang die richtige Lesart, wobei die zweite durchaus auch nicht aus der Luft gegriffen ist meiner Meinung nach. Ist das nachvollziehbar?


Nun ich denke, besagter Satz aus dem „Partisanen“ bezieht sich wirklich auf die Verleugnung des wahren Feindes, der dadurch zum absoluten Verbrecher mutiert. Man kann es in dieser Weise interpretieren, dass der Feinbegriff, der Feind selbst hinter dem Verbrechen verschwindet, dessen er sich moralisch schuldig machen soll. Dazu muss, nebenbei bemerkt, die absolute, die anthropologische Ethik einer relativen Moral weichen, die man als Fortschrittlich ausweist, weil man nur so neue Verbrechenstatbestände einführen kann, die eine Vernichtung des neu definierten „Verbrechers“ und seiner „Verbrechen“ rechtfertigen. Mithin wird auch nicht mehr der Sieg über den Feind zum Ziel des Kampfes, sondern seine physische Auslöschung. Aber er bleibt dennoch Teil der politischen Sphäre, er rückt sogar ihr Zentrum, weil seine Schuld, wie seine Bestrafung der moralischen Verwerflichkeit seiner Taten angemessen sein muss.

Als am 4. August 1914 der deutsche Kaiser den Burgfrieden mit den Worten, „ich kenne keine Parteien mehr, nur noch Deutsche“ ausrief, beendete er praktisch einseitig die durch Marxismus und Sozialismus verkündete Klassenfeindschaft. Er entzog damit den deutschen Staat der politischen Sphäre, ohne das sich am Wesen der Gesellschaft oder der Feindschaft zur ihr etwas geändert hatte. Das war im Angesicht eines äußeren Feindes für den Augenblick erfolgreich, letztlich jedoch, wieder Novemberverrat in 1918 zeigte, verhängnisvoll, denn unter dem Schutz dieses einseitigen „Friedens“ entfaltete der erklärte Feind des Reiches seine zersetzende Propaganda.

Die Idee des „Burgfriedens“ war nur möglich, weil man in der Kaiserzeit noch der Idee des „wirklichen“ Feindes, auch im Inneren, anhing, mit dem ein gehegter Kampf möglich sein müsse. Diese Vorstellungen wurden durch die niederprasselnden Stahlgewitter genauso atomisiert, wie durch das Heraufziehen des „totalen“ Klassenkampfes im Zuge der russischen Revolution und der ungeahnten Entfaltung des roten Terrors in den Weiten Russlands.

Aus dieser traumatischen Erfahrung heraus unterschied Hitler nicht mehr zwischen einem inneren und äußeren Feind, nicht mehr länger waren Staaten Hautgegner, sondern Menschengruppen, die unter dem Begriff der „jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung“ subsumiert wurden. Damit waren die deutschen und russischen Bolschewisten genauso gemeint, wie die „Plutokraten“ und Spekulanten des angelsächsischen Kapitalismus. Hitler wäre nie der Idee eines „Burgfriedens“ verfallen.

Die einseitige Beendigung der Feindschaft, die Verleugnung des Feindes, das ignorieren von inneren oder äußeren Bedrohungen, entweder aus geglaubter Übermacht oder der vagen, wie trügerischen Hoffung, auf die Vernunft zum friedlichen Ausgleich, Kompromiss und Miteinander ist kein einmaliger historischer Vorgang.

Oswald Spengler bezeichnet diesen Vorgang als „Fellachentum“, als Aufgabe der historischen Idee einer ganzen Kultur. Das christliche Abendland wollte expansiv missionieren, deshalb eroberte es die Welt und trug seine Ideen bis in den letzten Winkel des Globus.

Das „moderne“ Europa scheut nicht nur jeden Konflikt, seine Bürger wollen im Grunde ihre Ruhe haben, um die Früchte jener Arbeit zu konsumieren, die ihre Vorvorderen in der Vergangenheit angehäuft haben. Ohne die USA wäre Europa zutiefst isolationistisch, man zieht nur höchst unwillig in Kampf und Krieg. Die neue Mission des „Westens“, die Verbreitung von Demokratie und Freiheit, ist praktisch alleinige Anstrengung der Weltmacht USA, die ihre „verbündeten Vasallen“ in die Pflicht nimmt.

Den irrationalen Angriffen eines Teiles der islamischen Welt, steht die europäische Elite hilflos gegenüber, weil sie unfähig ist, die Wurzel dieses Hasses zu begreifen, der ihr mit Teppichmessern bewaffnet entgegentritt und um den Preis des eigenen Untergangs die Konfrontation sucht. Die meisten Europäer ignorieren diesen sichtbaren Konflikt tapfer weg oder vermuten dahinter eine Verschwörung ihrer eigenen Eliten. Statt ihn wegzubomben, würden sie ihn viel lieber wegreden. Den „Feindbegriff“ jedenfalls meidet der Europäer wie der Teufel das Weihwasser. Deshalb versuchen sie ihn krampfhaft aus der politischen Sphäre zu verbannen. „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“, war wohl eine Losung der 68iger. Wir brauchen tatsächlich nicht zum Krieg zu gehen, er kommt zu uns.

-SG-
08.02.2008, 13:14
Als am 4. August 1914 der deutsche Kaiser den Burgfrieden mit den Worten, „ich kenne keine Parteien mehr, nur noch Deutsche“ ausrief, beendete er praktisch einseitig die durch Marxismus und Sozialismus verkündete Klassenfeindschaft. Er entzog damit den deutschen Staat der politischen Sphäre, ohne das sich am Wesen der Gesellschaft oder der Feindschaft zur ihr etwas geändert hatte. Das war im Angesicht eines äußeren Feindes für den Augenblick erfolgreich, letztlich jedoch, wieder Novemberverrat in 1918 zeigte, verhängnisvoll, denn unter dem Schutz dieses einseitigen „Friedens“ entfaltete der erklärte Feind des Reiches seine zersetzende Propaganda.

Die Idee des „Burgfriedens“ war nur möglich, weil man in der Kaiserzeit noch der Idee des „wirklichen“ Feindes, auch im Inneren, anhing, mit dem ein gehegter Kampf möglich sein müsse. Diese Vorstellungen wurden durch die niederprasselnden Stahlgewitter genauso atomisiert, wie durch das Heraufziehen des „totalen“ Klassenkampfes im Zuge der russischen Revolution und der ungeahnten Entfaltung des roten Terrors in den Weiten Russlands.

Aus dieser traumatischen Erfahrung heraus unterschied Hitler nicht mehr zwischen einem inneren und äußeren Feind, nicht mehr länger waren Staaten Hautgegner, sondern Menschengruppen, die unter dem Begriff der „jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung“ subsumiert wurden. Damit waren die deutschen und russischen Bolschewisten genauso gemeint, wie die „Plutokraten“ und Spekulanten des angelsächsischen Kapitalismus. Hitler wäre nie der Idee eines „Burgfriedens“ verfallen.

Die einseitige Beendigung der Feindschaft, die Verleugnung des Feindes, das ignorieren von inneren oder äußeren Bedrohungen, entweder aus geglaubter Übermacht oder der vagen, wie trügerischen Hoffung, auf die Vernunft zum friedlichen Ausgleich, Kompromiss und Miteinander ist kein einmaliger historischer Vorgang.

Oswald Spengler bezeichnet diesen Vorgang als „Fellachentum“, als Aufgabe der historischen Idee einer ganzen Kultur. Das christliche Abendland wollte expansiv missionieren, deshalb eroberte es die Welt und trug seine Ideen bis in den letzten Winkel des Globus.

Ist es aber nicht genau diese Art der Kriegsführung, die moralische und ästhetische Unterscheidungen impliziert, eine Kriegsführung, die nach Schmitt nicht zum gehegten Krieg des ius publicum europaeum vor dem 1. Weltkrieg zählt?

Hierbei muss meiner Meinung nach unterschieden werden. Die Abwehr gegen die Belagerung Wiens durch die Türken wäre etwa dieser klassischen Kriegsführung gegen den "wirklichen" Feind zuzurechnen. Hier wird gegen den hostis, der "die eigene Frage als Gestalt" auf einer gleichen, äußerst politischen Ebene darstellt, Krieg geführt. Ziel eines solchen Krieges ist der Frieden, womit sich Schmitt ja explizit vom "Bellizismus" des jungen Ernst Jünger abgrenzt.

Anders dagegen sind meiner Ansicht nach die missionarischen Bestrebungen, die über die Wiedererlangung der Heiligen Stadt hinausgehen, eben nicht diesem gehegten Krieg mit seinem wirklichen Feind zuzuschreiben. Vielmehr werden die Völker Südamerikas und Afrikas als moralisch minderwertig angesehen, deren Ideologie es zu vernichten gilt, ähnlich wie der internationale Sozialismus im Kapitalismus die zu vernichtende Ideologie sieht.



Das „moderne“ Europa scheut nicht nur jeden Konflikt, seine Bürger wollen im Grunde ihre Ruhe haben, um die Früchte jener Arbeit zu konsumieren, die ihre Vorvorderen in der Vergangenheit angehäuft haben. Ohne die USA wäre Europa zutiefst isolationistisch, man zieht nur höchst unwillig in Kampf und Krieg. Die neue Mission des „Westens“, die Verbreitung von Demokratie und Freiheit, ist praktisch alleinige Anstrengung der Weltmacht USA, die ihre „verbündeten Vasallen“ in die Pflicht nimmt.

Den irrationalen Angriffen eines Teiles der islamischen Welt, steht die europäische Elite hilflos gegenüber, weil sie unfähig ist, die Wurzel dieses Hasses zu begreifen, der ihr mit Teppichmessern bewaffnet entgegentritt und um den Preis des eigenen Untergangs die Konfrontation sucht. Die meisten Europäer ignorieren diesen sichtbaren Konflikt tapfer weg oder vermuten dahinter eine Verschwörung ihrer eigenen Eliten. Statt ihn wegzubomben, würden sie ihn viel lieber wegreden. Den „Feindbegriff“ jedenfalls meidet der Europäer wie der Teufel das Weihwasser. Deshalb versuchen sie ihn krampfhaft aus der politischen Sphäre zu verbannen. „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“, war wohl eine Losung der 68iger. Wir brauchen tatsächlich nicht zum Krieg zu gehen, er kommt zu uns.

Die "Mission des Westens", Freiheit und Demokratie zu verbreiten, ist doch die typische Vermengung von Moral und Politik, die den absoluten Krieg ermöglicht. Ebenso die Kriege im Namen der Menschenrechte. Menschheit meint entweder einen zoologischen Begriff oder einen leeren Begriff, meint Spengler, und Schmitt fügt hinzu: Wer im Namen der Menschheit Krieg führt, nimmt dem Anderen das Menschliche, er wird so zum Unmenschen, gegen den absolute Vernichtung moralisch geboten ist und kein gleichberechtigter Friede möglich ist.

Die Europäer leugnen den Feind gänzlich, die Amerikaner kriminalisieren seine Ideologie und machen ihn so zum Verbrecher, was sich schon in der Terminologie von den "internationalen Polizeieinsätzen" niederschlägt.
Beide haben Unrecht, wie ich finde. Europa geht sang- und klanglos unter, ohne dies überhaupt zu erkennen, während Amerika sich in einen immer intensiveren, moralisch sich stetig zuspitzenden, totalen Krieg verfängt. Die Alternative wäre, die jeweils andere Kultur als gleichberechtigt anzuerkennen, d.h. sie auf den Status des hostis herauf- (Amerika) bzw. herabzusetzen (Europa). Dies würde den einzelnen Großräumen (Schmitt) ihre Souveränität zurückgeben: Die europäische Welt regelt europäische Angelegenheiten, die islamische Welt die ihrigen, und sollte es zu Konflikten in Form von Krieg, Terror oder sonstigem kommen, so ist ein gehegter Krieg mit dem Ziel des (Sieg-)Friedens möglich.

Mcp
08.02.2008, 15:01
Ist es aber nicht genau diese Art der Kriegsführung, die moralische und ästhetische Unterscheidungen impliziert, eine Kriegsführung, die nach Schmitt nicht zum gehegten Krieg des ius publicum europaeum vor dem 1. Weltkrieg zählt?

Hierbei muss meiner Meinung nach unterschieden werden. Die Abwehr gegen die Belagerung Wiens durch die Türken wäre etwa dieser klassischen Kriegsführung gegen den "wirklichen" Feind zuzurechnen. Hier wird gegen den hostis, der "die eigene Frage als Gestalt" auf einer gleichen, äußerst politischen Ebene darstellt, Krieg geführt. Ziel eines solchen Krieges ist der Frieden, womit sich Schmitt ja explizit vom "Bellizismus" des jungen Ernst Jünger abgrenzt.

Anders dagegen sind meiner Ansicht nach die missionarischen Bestrebungen, die über die Wiedererlangung der Heiligen Stadt hinausgehen, eben nicht diesem gehegten Krieg mit seinem wirklichen Feind zuzuschreiben. Vielmehr werden die Völker Südamerikas und Afrikas als moralisch minderwertig angesehen, deren Ideologie es zu vernichten gilt, ähnlich wie der internationale Sozialismus im Kapitalismus die zu vernichtende Ideologie sieht.
Da das Wochenende naht, nur kurz. Sowohl die missionarischen Bestrebungen im Heiligen Land, als auch die Eroberung Südamerikas waren keine modernen Kriege. Weder die Kreuzritter, noch die Spanier betrachteten ihre Gegner als Freiwild. Schauen Sie auf die fundamentalen Unterschiede in der Kolonialisierung Süd- und Nordamerikas. Hätten die Spanier die Ureinwohner als Untermenschen betrachtet, gäbe es heute keinen einzigen Mexikaner. Ist ein Heide zum Christentum konvertiert, wurde er ein Mensch mit Rechten. Es ging um Bekehrung, neue Untertanen, nicht um deren Ausrottung, jedenfalls nicht im katholischen Süden. Über die Kolonialisierung wird heute genauso viel Unsinn geschwätzt, wie über die Kreuzzüge. Vielleicht können wir das Thema nächste Woche vertiefen. Es würde mich wirklich freuen. Auch im Hinblick auf Jünger.


Die "Mission des Westens", Freiheit und Demokratie zu verbreiten, ist doch die typische Vermengung von Moral und Politik, die den absoluten Krieg ermöglicht. Ebenso die Kriege im Namen der Menschenrechte. Menschheit meint entweder einen zoologischen Begriff oder einen leeren Begriff, meint Spengler, und Schmitt fügt hinzu: Wer im Namen der Menschheit Krieg führt, nimmt dem Anderen das Menschliche, er wird so zum Unmenschen, gegen den absolute Vernichtung moralisch geboten ist und kein gleichberechtigter Friede möglich ist.
Oberflächlich betrachtet mögen Sie im Hinblick auf die USA Recht haben. Es gibt und gab in der USA immer Tendenzen zur Verteufelung der Feindes, aber auch hier überwiegt letztlich der Wille zur Bekehrung. „Demokratie und Freiheit“ verschaffen dem Imperium die gewünschten Zugriffe auf freie Märkte. Darin sind die USA dem römischen Imperium ähnlich. Coca Cola und Burger King ersetzen die gehassten Besatzungstruppen. Die Feinde sollen bekehrt werden. Im Kommunismus hatte der Klassenfeind solche Chancen nicht.



Die Europäer leugnen den Feind gänzlich, die Amerikaner kriminalisieren seine Ideologie und machen ihn so zum Verbrecher, was sich schon in der Terminologie von den "internationalen Polizeieinsätzen" niederschlägt.
Beide haben Unrecht, wie ich finde. Europa geht sang- und klanglos unter, ohne dies überhaupt zu erkennen, während Amerika sich in einen immer intensiveren, moralisch sich stetig zuspitzenden, totalen Krieg verfängt. Die Alternative wäre, die jeweils andere Kultur als gleichberechtigt anzuerkennen, d.h. sie auf den Status des hostis herauf- (Amerika) bzw. herabzusetzen (Europa). Dies würde den einzelnen Großräumen (Schmitt) ihre Souveränität zurückgeben: Die europäische Welt regelt europäische Angelegenheiten, die islamische Welt die ihrigen, und sollte es zu Konflikten in Form von Krieg, Terror oder sonstigem kommen, so ist ein gehegter Krieg mit dem Ziel des (Sieg-)Friedens möglich.

Nun ja, mit der Anerkennung anderer Kulturen habe ich, wenn Sie auf Benoist anspielen, meine Probleme. Im Grunde ist diese Variante die andere Seite der europäischen Vogel-Strauss-Politik, auch nur ein Versuch eines einseitigen Friedensschlußes. Eroberer aber kennen nur eine Art Friedens: die Unterwerfung.

-SG-
08.02.2008, 16:18
Da das Wochenende naht, nur kurz. Sowohl die missionarischen Bestrebungen im Heiligen Land, als auch die Eroberung Südamerikas waren keine modernen Kriege. Weder die Kreuzritter, noch die Spanier betrachteten ihre Gegner als Freiwild. Schauen Sie auf die fundamentalen Unterschiede in der Kolonialisierung Süd- und Nordamerikas. Hätten die Spanier die Ureinwohner als Untermenschen betrachtet, gäbe es heute keinen einzigen Mexikaner. Ist ein Heide zum Christentum konvertiert, wurde er ein Mensch mit Rechten. Es ging um Bekehrung, neue Untertanen, nicht um deren Ausrottung, jedenfalls nicht im katholischen Süden. Über die Kolonialisierung wird heute genauso viel Unsinn geschwätzt, wie über die Kreuzzüge. Vielleicht können wir das Thema nächste Woche vertiefen. Es würde mich wirklich freuen. Auch im Hinblick auf Jünger.


Oberflächlich betrachtet mögen Sie im Hinblick auf die USA Recht haben. Es gibt und gab in der USA immer Tendenzen zur Verteufelung der Feindes, aber auch hier überwiegt letztlich der Wille zur Bekehrung. „Demokratie und Freiheit“ verschaffen dem Imperium die gewünschten Zugriffe auf freie Märkte. Darin sind die USA dem römischen Imperium ähnlich. Coca Cola und Burger King ersetzen die gehassten Besatzungstruppen. Die Feinde sollen bekehrt werden. Im Kommunismus hatte der Klassenfeind solche Chancen nicht.



Nun ja, mit der Anerkennung anderer Kulturen habe ich, wenn Sie auf Benoist anspielen, meine Probleme. Im Grunde ist diese Variante die andere Seite der europäischen Vogel-Strauss-Politik, auch nur ein Versuch eines einseitigen Friedensschlußes. Eroberer aber kennen nur eine Art Friedens: die Unterwerfung.

zur Fortsetzung nächster Woche: Gerne, auch bei mir naht der Feierabend.

Ich denke trotzdem - und so verstehe ich auch Schmitt in dem Punkt - dass die Kriegsführung unter der Fahne einer Ideologie - seien es die universalen Standards der Demokratie, die einzig wahre Religion oder die Internationale - ganz elementar dem klassischen Kriegsrecht widerspricht. Es gibt weder das ius in bello, nach dem z.B. Nicht-kombattanten von den Kampfhandlungen ausgeschlossen werden (sie müssen auch "bekehrt" werden, wenn nötig mit Gewalt), noch gibt es einen Frieden in Form eines Waffenstillstands und einer weiteren Koexistenz. Ein solcher Krieg für die Demokratie oder für die Missionierung der Heiden hat zur Folge, dass der Feind vernichtet wird, wenn auch nicht unbedingt physisch, so doch ideell. Wenn die ganze Welt germanisiert wird, ist es unsinnig, weiterhin von Deutschland zu reden, weil es dann kein anderes Land zur Abgrenzung mehr gibt. Wenn die ganze Welt christianisiert wird, so verschwindet zwar nicht das Christentum, aber doch sein politischer Charakter. Dieser Absolutheitsanspruch ist damit das, was oben im Zusammenhang mit dem "absoluten Feind" als Gefahr für den Ausbruch des totalen Kriegs bezeichnet wurde.

Unter einer durch "gehegte" Kriege gekennzeichneten Weltordnung wären solche "Bekehrungs"aspirationen demnach unzulässig. Dies muss nicht in einer Vogel-Strauß-Haltung münden. Von Verteidigung und Präventivkriegen bis hin zum Ankriffskrieg aus strategischen Interessen wird nichts durch diesen Ansatz ausgeschlossen. Ich denke, Israel ist ein gutes Beispiel dafür. Von den präventiven Kampfeinsätzen des Sechs-Tage-Krieges bis zu den Luftschlägen gegen die irakischen Atomreaktoren ist die israelische Außenpolitik alles andere als defaitistisch. Aber es wird nicht im Namen der Menschenrechte oder der hohen Kultur versucht, andere zu "bekehren" oder zu vernichten, es geht stets um die Existenz gegen eine, wie Sie zitiert haben, der reellen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit (Schmitt), den äußeren Feind, welcher die eigene Art zu leben bedroht.

dr-esperanto
09.02.2008, 01:07
plumpe Verkürzung als wissenschaftliche Abstraktion darzustellen ist natürlich immer leicht getan, aber um noch mal auf LaRouche zurückzukommen: Er sucht sich irgendein Phänomen zeitgenössischer politischer Theorie oder Praxis, stellt dann fest, dass sich damit schon Carl Schmitt befasst hat, und konstruiert somit die vermeintliche Nazi-Befangenheit des jeweiligen Themas.

Das ist einfach Unsinn. In wie weit man Schmitt NS-Denken attestiert oder nicht spielt dabei noch nicht mal eine Rolle. Selbst wenn Schmitt durch und durch Nazi gewesen wäre, würden staatstheoretische Felder wie Souveränität oder der Ausnahmezustand dadurch nicht auf Ewigkeit zu politiktheoretischen No-Go-Areas. Z.B. wird Art. 79,3 GG (Ewigkeitsgebot) oft dem "Verfassungskern" von Schmitt zugeschrieben, das allein macht den Artikel aber nicht schlecht.

Auch die US-amerikanische Regierung legt wenig von Schmitts Denken an den Tag, hierzu empfehle ich "Alain de Benoist - Carl Schmitt und der Krieg", in dem er überzeugend darlegt, warum Leute wie LaRouche falsch liegen in ihrer Unterstellung, Schmitt sei so etwas wie der "Vordenker" der Neocons.


Und wie erklärst du dir dann das Buch "Nomos basileus" von Carl Schmitt? Das bedeutet immerhin "der König ist das Gesetz".

dr-esperanto
09.02.2008, 01:09
http://de.wikipedia.org/wiki/Alain_de_Benoist

De Benoist ist selber Faschist und gehört zur Neuen Rechten.

Mcp
09.02.2008, 05:27
http://de.wikipedia.org/wiki/Alain_de_Benoist

De Benoist ist selber Faschist und gehört zur Neuen Rechten.


Da Sie stetig nur WIKI benutzen, um ihre Denunziationen loszuwerden und auch sonst nichts zum Inhalt der Disputation beitragen, haben Sie vermutlich nicht eine einzige Zeile von Schmitt oder Benoist gelesen.

Entweder diskutieren Sie sachkundig mit, es gibt eine Eingangs gestellte, hochinteressante Frage, oder Sie halten ihre Klappe. lm anderen Fall müsste ich sehr unhöflich werden, denn Sie beginnen mich mit ihren dumben "Nazi, Nazieeee" Geschrei ernsthaft zu nerven.

Wahabiten Fan
09.02.2008, 13:07
Weder die Kreuzritter, noch die Spanier betrachteten ihre Gegner als Freiwild. .

Mit Verlaub, "Lügen haben kurze Beine".

Und Ihre Lügen werden Ihrem "Herrn und Schöpfer" betimmt nicht gefallen.

Oder doch?

Sein ganzes "Imperium" ist ja auf Lügen aufgebaut.

Vokabelsturm
09.02.2008, 14:16
De Benoist ist selber Faschist

Und diese Aussage begründest Du genau womit...?

mabac
09.02.2008, 15:26
Wortspiel oder verschrieben? :D

Neo Cohns? Kennen Sie die nicht? :D

mabac
09.02.2008, 15:28
Carl Schmitt ist ja der Vater nicht nur des Hitler-Régimes, ...
Gute Lektüre zu Carl Schmitt als Wegbereiter des Faschismus gibt es bei LaRouche/BüSo/Schillerinstitut.

Ja was denn nun, der Vater oder Wegbereiter? ?(

dr-esperanto
09.02.2008, 18:29
Ja was denn nun, der Vater oder Wegbereiter? ?(


Entschuldigung, ich habe Unsinn geschrieben: natürlich ist Carl Schmitt nicht der Vater des Hitler-Régimes, aber er gilt doch allgemein (siehe Wikipedia) als "Kronjurist des Naziregimes". Wenn der Papst Hitler theologisch abgesegnet hat, dann hat das Carl Schmitt juristisch getan, soviel steht mal fest.

dr-esperanto
09.02.2008, 18:34
Und diese Aussage begründest Du genau womit...?

"Neue Rechte beziehen sich ferner auf Vordenker und Theoretiker des Faschismus:

* Julius Evola
* Robert Michels
* Vilfredo Pareto
* José Antonio Primo de Rivera
* Georges Sorel."

Aus Wiki-Eintrag "neue Rechte".

dr-esperanto
09.02.2008, 18:38
Chanan, wenn du zu jstor Zugang hast, kannst du herausfinden, welchem Freund und Poeten Schmitt das von dir gesuchte Zitat entlehnt hat und wie es gemeint ist ("der Feind ist unsere Frage als Gestalt"):


http://links.jstor.org/sici?sici=0034-6705(199124)53%3A1%3C219%3AMOSAS%3E2.0.CO%3B2-8

Vokabelsturm
09.02.2008, 18:39
Aus Wiki-Eintrag "neue Rechte".

Begründe bitte eigenhändig anhand Aussagen, Schriften etc. von de Benoist, inwiefern er ein 'Faschist' sei.

mabac
09.02.2008, 18:43
Entschuldigung, ich habe Unsinn geschrieben: natürlich ist Carl Schmitt nicht der Vater des Hitler-Régimes, aber er gilt doch allgemein (siehe Wikipedia) als "Kronjurist des Naziregimes". Wenn der Papst Hitler theologisch abgesegnet hat, dann hat das Carl Schmitt juristisch getan, soviel steht mal fest.

Schmitt hat sich ohne Zweifel sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Doch Schmitt mit dem Papst zu vergleichen, nun, soweit sollte man Schmitt nicht überschätzen. :D

Vokabelsturm
09.02.2008, 18:50
Da Sie [dr-esperanto] stetig nur WIKI benutzen, um ihre Denunziationen loszuwerden (...), haben Sie vermutlich nicht eine einzige Zeile von (...) Benoist gelesen.

Ich glaube, Du hattest Recht.

dr-esperanto
09.02.2008, 19:22
Begründe bitte eigenhändig anhand Aussagen, Schriften etc. von de Benoist, inwiefern er ein 'Faschist' sei.

Kann ich jetzt im Moment nicht, aber er ist der Chefideologe von GRÈCE - einer antik-heidnischen rechten Sekte, die vom jüdisch-christlichen Front National so gar nichts hält (BERNHARD SCHMID:"Die Rechten in Frankreich", S.160). Ich glaube schon, dass man so weit rechts stehende Bewegungen als "faschistisch" titulieren darf, oder nicht?

-SG-
09.02.2008, 19:30
Chanan, wenn du zu jstor Zugang hast, kannst du herausfinden, welchem Freund und Poeten Schmitt das von dir gesuchte Zitat entlehnt hat und wie es gemeint ist ("der Feind ist unsere Frage als Gestalt"):


http://links.jstor.org/sici?sici=0034-6705(199124)53%3A1%3C219%3AMOSAS%3E2.0.CO%3B2-8

Ich habe das Buch von Meier gelesen, falls Du hier Deine (bzw LaRouches) Strauss-Schmitt-Neocon Verbindung belegt haben willst, muss ich Dir leider sagen dass nur die Besprechung Strauss' von Schmitts "Begriff des Politischen" sowie drei kurze unbeantwortete Briefe Strauss' an Schmitt enthalten sind. Nach 33 endet der Kontakt ohnehin, da der jüdischstämmige Strauss über Frankreich nach Amerika emigriert und Schmitt zunehmend antisemitische Publikationen und Vorträge ablässt.

Hier dann eine direkte Verbindung von Schmitt über Strauss auf die amerikanischen Neocons zu ziehen ist lächerlich.

Soviel ich weiß ist das Zitat von Th. Däubler, vollständig klar geworden ist mir noch nicht, was es heißt, ist es an einer Stelle im Buch von Heinrich Meier näher erklärt?

-SG-
09.02.2008, 19:43
Kann ich jetzt im Moment nicht, aber er ist der Chefideologe von GRÈCE - einer antik-heidnischen rechten Sekte, die vom jüdisch-christlichen Front National so gar nichts hält (BERNHARD SCHMID:"Die Rechten in Frankreich", S.160). Ich glaube schon, dass man so weit rechts stehende Bewegungen als "faschistisch" titulieren darf, oder nicht?

"so weit rechts" ist eine leere Aussage, seine Globalisierungs- und Kapitalismuskritik spricht z.B. auch Linke an, ebenso ist die Aussage, ein arabischer Gemüsehändler würde mehr für die französische Kultur tun als jemand, der bei McDonalds kauft oder so ähnlich. Ich habe ein paar Sachen von ihm gelesen, war nicht immer einverstanden, aber als "faschistisch" konnte ich da nichts einordnen

Vokabelsturm
09.02.2008, 19:48
Kann ich jetzt im Moment nicht, aber er ist der Chefideologe von GRÈCE - einer antik-heidnischen rechten Sekte, die vom jüdisch-christlichen Front National so gar nichts hält (BERNHARD SCHMID:"Die Rechten in Frankreich", S.160). Ich glaube schon, dass man so weit rechts stehende Bewegungen als "faschistisch" titulieren darf, oder nicht?

Ich muss gestehen, dass mir GRÈCE so gut wie nichts sagt, und kann mich deswegen nicht dazu äußern.
Wenn ich aber - um mich auch mal meinerseits auf Wiki zu stützen - solche Sätze wie diesen lese: "Gegen die vorgebliche politische, militärische und kulturelle Hegemonie der USA, die als Endpunkt des liberalkapitalistischen Individualismus betrachtet wird, setzt die Nouvelle Droite auf die Identität der europäischen Völker", sehe ich zunächst nichts, was die Bezeichnung 'faschistisch' rechtfertigt.
Aber, wie bereits gesagt: ich kenne GRÈCE nicht sonderlich und will mir deshalb kein Urteil darüber erlauben.

Um zu de Benoist selbst zurückzukommen: Wo siehst Du z.B. in dem Werk "Aufstand der Kulturen" faschistische Züge?

-SG-
09.02.2008, 19:54
Und wie erklärst du dir dann das Buch "Nomos basileus" von Carl Schmitt? Das bedeutet immerhin "der König ist das Gesetz".

Schmitt hat sich viel mit Themen wie Souveränität, Ausnahmezustand und Dezision beschäftigt. Sein Standpunkt ist, dass eine Rechtsnorm nicht im Chaos gelten kann, und dass es daher einen Souverän geben muss, der bestimmt, was überhaupt der Normalzustand ist, und dass dieser folgerichtig im Ausnahmezustand außer Kraft gesetzt werden kann. Den Ausnahmezustand kennzeichne nämlich, dass er nicht vorhersehbar ist, weshalb er in einer bestehenden Rechtsordnung nicht normativ behandelt werden kann.

Zweifelsohne ergriff er in den ersten Jahren der Nazizeit Partei für das Regime und konnte das Führerprinzip auch gut in seine Theorie integrieren. Trotzdem sind die rechtsphilosophischen Überlegungen von anderer, vom konkreten historischen Rahmen unabhängiger Qualität. Das erklärt auch, wieso er seine Theorie in der Weimarer Republik auf den Weimarer Reichspräsidenten, zu Beginn des dritten Reichs auf Hitler und nach 45 auf den Verfassungskern projizieren konnte. Nicht ganz umsonst wurde ihm 36 von der SS Opportunismus vorgeworfen, wonach er bis 45 keine größere Rolle mehr spielte.

dr-esperanto
09.02.2008, 20:18
Ich muss gestehen, dass mir GRÈCE so gut wie nichts sagt, und kann mich deswegen nicht dazu äußern.
Wenn ich aber - um mich auch mal meinerseits auf Wiki zu stützen - solche Sätze wie diesen lese: "Gegen die vorgebliche politische, militärische und kulturelle Hegemonie der USA, die als Endpunkt des liberalkapitalistischen Individualismus betrachtet wird, setzt die Nouvelle Droite auf die Identität der europäischen Völker", sehe ich zunächst nichts, was die Bezeichnung 'faschistisch' rechtfertigt.
Aber, wie bereits gesagt: ich kenne GRÈCE nicht sonderlich und will mir deshalb kein Urteil darüber erlauben.

Um zu de Benoist selbst zurückzukommen: Wo siehst Du z.B. in dem Werk "Aufstand der Kulturen" faschistische Züge?

Faschistisch ist für mich, wenn eine rechte Bewegung von der Hochfinanz und dem Großkapital gespritzt wird. Ob das bei Grèce der Fall ist, weiß ich nicht. Werde mich mal auf die Suche begeben....ich kannte de Benoist ja auch nur aus dem Buch von Bernhard Schmid.

dr-esperanto
09.02.2008, 20:23
Ich habe das Buch von Meier gelesen, falls Du hier Deine (bzw LaRouches) Strauss-Schmitt-Neocon Verbindung belegt haben willst, muss ich Dir leider sagen dass nur die Besprechung Strauss' von Schmitts "Begriff des Politischen" sowie drei kurze unbeantwortete Briefe Strauss' an Schmitt enthalten sind. Nach 33 endet der Kontakt ohnehin, da der jüdischstämmige Strauss über Frankreich nach Amerika emigriert und Schmitt zunehmend antisemitische Publikationen und Vorträge ablässt.

Hier dann eine direkte Verbindung von Schmitt über Strauss auf die amerikanischen Neocons zu ziehen ist lächerlich.

Soviel ich weiß ist das Zitat von Th. Däubler, vollständig klar geworden ist mir noch nicht, was es heißt, ist es an einer Stelle im Buch von Heinrich Meier näher erklärt?


Weiß ich leider nicht, da jstor im Internet nur "poet Theodor" (oder war es Thomas?) sichtbar macht.

dr-esperanto
09.02.2008, 20:27
http://66.102.9.104/search?q=cache:RGwcOOX6oIIJ:www.zahns.de/Aphorismen/Politik/politik.html+%22theodor+d%C3%A4ubler%22+%22der+fei nd+ist%22&hl=de&ct=clnk&cd=2&gl=de

dr-esperanto
09.02.2008, 20:33
Jetzt hab ich's: "Der Feind ist unsre eigne Frage als Gestalt" aus Däublers Hymnus an Italien bedeutet "Der Feind ist unsere eigene gestaltgewordene oder fleischgewordene oder verkörperte Frage", also ein SPIEGELBILD unserer selbst. Ich glaube, so ähnlich sieht es auch Carl Schmitt (dass man ohne Feind gar nicht leben kann, dass man Abgrenzung braucht, um sich selbst zu definieren).

dr-esperanto
09.02.2008, 20:38
Ich habe das Buch von Meier gelesen, falls Du hier Deine (bzw LaRouches) Strauss-Schmitt-Neocon Verbindung belegt haben willst, muss ich Dir leider sagen dass nur die Besprechung Strauss' von Schmitts "Begriff des Politischen" sowie drei kurze unbeantwortete Briefe Strauss' an Schmitt enthalten sind. Nach 33 endet der Kontakt ohnehin, da der jüdischstämmige Strauss über Frankreich nach Amerika emigriert und Schmitt zunehmend antisemitische Publikationen und Vorträge ablässt.

Hier dann eine direkte Verbindung von Schmitt über Strauss auf die amerikanischen Neocons zu ziehen ist lächerlich.

Soviel ich weiß ist das Zitat von Th. Däubler, vollständig klar geworden ist mir noch nicht, was es heißt, ist es an einer Stelle im Buch von Heinrich Meier näher erklärt?


Naja, Carl Schmitt hatte auch mit dem Leo-Strauß-Freund Kojève korrespondiert. Der Kontakt ist sicher nicht so leicht abgerissen. Dass Kojève/Kozhévnikov in einer jüdischen Exiltruppe zusammen z.B. mit Kandinsky war, zeigt allerdings wieder, dass Carl Schmitt nicht wirklich ein Nazi gewesen sein kann...
Aber kann man denn sagen, Leo Strauß sei Carl Schmitts Mentor gewesen?

-SG-
11.02.2008, 15:08
Naja, Carl Schmitt hatte auch mit dem Leo-Strauß-Freund Kojève korrespondiert. Der Kontakt ist sicher nicht so leicht abgerissen. Dass Kojève/Kozhévnikov in einer jüdischen Exiltruppe zusammen z.B. mit Kandinsky war, zeigt allerdings wieder, dass Carl Schmitt nicht wirklich ein Nazi gewesen sein kann...
Aber kann man denn sagen, Leo Strauß sei Carl Schmitts Mentor gewesen?

Schmitt hatte ja auch mit anderen jüdischen Autoren Kontakt, z.B. Blumenberg, und sogar einem Rabbi. Eine widersprüchliche Person eben.

Strauss als Schmitts Mentor zu bezeichnen verdreht wohl einiges. Schmitt war Professor als er mit Strauss in Kontakt trat und diesem zu einem Stipendium verholf - für ein Schüler-Mentor-Verhältnis eine, naja, untypische Konstellation denke ich. Allerdings ist Strauss einer der wenigen, dessen Schreiben Schmitt zu einer Änderung des eigenen Werks veranlasst haben. Allerdings geschah dies nach einer Strauss-Abhandlung über Schmitts "Begriff des Politischen", auch eine Hobbes-Studie von Strauss würdigte Schmitt, aber Schmitt wurde nicht von irgendeinem "eigenständigen" Werk des jungen Strauss beeinflusst, von daher kann von "Mentor" keine Rede sein. Auch andersherum wäre diese Beschreibung der Beziehung wohl wenig sinnvoll, denn Strauss' spätere Werke hatten soviel ich sie kenn auch nicht viel mit Schmitt'schem Denken zu tun.

-SG-
11.02.2008, 15:15
Jetzt hab ich's: "Der Feind ist unsre eigne Frage als Gestalt" aus Däublers Hymnus an Italien bedeutet "Der Feind ist unsere eigene gestaltgewordene oder fleischgewordene oder verkörperte Frage", also ein SPIEGELBILD unserer selbst. Ich glaube, so ähnlich sieht es auch Carl Schmitt (dass man ohne Feind gar nicht leben kann, dass man Abgrenzung braucht, um sich selbst zu definieren).

Das kann sein, sowas habe ich mir auch schon gedacht, müsste dafür aber noch mehr belegende Literaturstellen finden

Mcp
17.02.2008, 04:01
Das kann sein, sowas habe ich mir auch schon gedacht, müsste dafür aber noch mehr belegende Literaturstellen finden

Der Feind existiert bei Carl Schmitt nur in der politischen Sphäre. Er ist nicht einmal böse oder das Böse an sich, er wird nur totalisiert.

Der totale Feind ist eine Innovation der Politik in Massengesellschaften. Man muss, mit der erneuten Einführung der Wehrpflicht bei gleichzeitiger, nie dagewesener, Verheerung des Waffengebrauchs, die Stahlgewitter Jüngers, dass Ausmaß der Bedrohung in das Übernatürliche erhöhen, sonst riskiert kein Bauer, kein Handwerker, kein Arbeiter oder Gelehrte sein Leben im bunten Rock für Volk und Vaterland.

Der Propagandaaufwand, den Spießer ins Feld zu zwingen, ist so enorm, dass der Feind so böse sein muss, wie der Krieg an Totalität gewinnt. Moderne Kriege werden zur sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. Der Feind ist kein Mensch, sondern Nazi. Nicht umsonst sorgt die banale Feststellung der evangelischen Kirche, dass auch Rechtsextreme Menschen seinen, für Schlagzeilen im Blätterwald. Hinter solchem Feindbild versinkt der letzte Rest jener Menschlichkeit, die uns der feudalen Ehrenkodex der Berufskrieger überliefert. Dies kriegerische Gesetz ist übrigens kulturlos; man kennt es von diversen Ritterorden genauso, wie von der Kriegerkaste der Samurai. Es ist ursprünglich das, was Carl Schmitt unter einem gehegten Krieg versteht und dessen gesetzlichen, wie ethischen Verlust er zurecht beklagt. Das die Furie an ihren Ketten zerrt, sie manchmal sogar zerrissen hat, ist eine, nicht erwähnenswerte, hoch überflüssige Selbstverständlichkeit.

Der Mensch ist kein politsiches Wesen. Er definiert sah nicht über eine Feindschaft, sondern über die Nächstenliebe, die Liebe zu seinen Vorfahren, seinen Eltern, seiner Frau und seinen Kindern und Enkeln. Gesellschaften, also Menschen in der unmittelbarer Gesellschaft wir unser Leben verbringen, sind nie, waren nie hobbsche Leviathane in der angeblich jeder jeden bekämpft. Gesellschaften kooperieren, betreiben keine Politik, bestimmen keinen Feind. Wohl wissend das jeder Konflikt, jede geringe Verwundung die eigenen Lebenschancen dramatisch reduziert. Kein Mensch zieht ohne Not in Kampf und Krieg. Anders wäre Sklaverei, die willige Unterwerfung von Menschen durch Menschen nicht zu erklären. Aber eben auch dadurch wird der Krieg zur notwendigen Daseinsform des Mannes.

dr-esperanto
18.02.2008, 00:18
Und warum will Carl Schmitt, dass alle wehrfähigen Männer in den Krieg ziehen?

Wachmann
18.02.2008, 11:40
Der Mensch ist vielleicht kein zoon politicon, kein politisches Wesen, aber ein soziales Wesen, was gleichzeitig auch eine spezifische Identität impliziert. Eine Identität, zumal sie fest und klar ist, bedeutet aber auch klare Kriterien und Maßstäbe, nach denen sie festgelegt wird. Eine feste Identität impliziert aber auch ein außen, was außerhalb dieser Identität liegt. Und hier kommt die Kategorie des Feindes.
Der Feind ist das andere, das fremde, das, wogegen man sich wehren muss.
Es ist nicht wirklich stimmig, wenn hier geschrieben wurde, dass Menschen sich nur über Freundschaft oder Kooperation definieren und Konflikten gegenüber avers eingestellt sind. Dagegen spricht eine lange historische Faktizität, in denen Konflikte und Kriege dominierten. Vielmehr spricht da das Weltbild des Autors. Kooperation wie Konflikt sind beide mögliche Verhaltensformen, abhängig davon, wie man den anderen einschätzt, wie man mit ihm kommunizieren kann und inwiefern Überschneidungen bei Interessen und Wahrnehmungen bestehen.
Es gäbe keine Xenophobie, keine Ablehnung von Minderheiten usw. wenn Menschen nur über Freundschaft und Kooperation sich definierten. Denn es gibt immer auch den anderen, der mich potenziell bedrohen könnte.
Wer nicht ist wie ich/wir, der ist anders, der gehört nicht zu uns, den muss und kann man bekämpfen. Diese Denkmuster gab es auch und gerade in tribalen, traditionalen Gesellschaften schon. Schmitt jedoch totalisiert, absolutiert den Feind zum morallosen anderen, er wird entmenschlicht (hier gehe ich mit dem Vorredner konform). Frühere Regelungen (ius ad bellum und später ius in bello), die das Freund-Feind-Verhalten regulierten verlieren völlig an Bedeutung in seinen Schriften. Es zählt nur die eigene Gemeinschaft, keine Moral und auch keine Idee einer allgemeinen Menschlichkeit oder die Idee der Vernunft. Dieses partikular-kollektivistische Denken war insofern für die Nazis verwertbar, als sie daraus Anleihen für ihre Volksgemeinschaft nehmen konnten. Um nicht missverstanden zu werden: Die Dämonisierung des Feindes war nichts neues, auch der übersteigerte Nationalismus war schon weit über 50 Jahre alte damals, dies alles gab es auch schon vorher. Aber Schmitt brachte all diese Gedanken sozusagen pointiert auf die Spitze und präsentierte damit zeitnah den Nazis eine ideologische "Zufütterung" für ihren Führerstaat, der die Volksgemeinschaft beherrschte.
Juden, Polen, Sowjets etc. waren die Feinde, sie waren keine Menschen, sie waren Untermenschen, die DEN Deutschen unterlegen waren und vernichtet werden mussten. Kein ius in bello mehr, gar nichts. Nur noch der apokalyptische Kampf der Volksgemeinschaften gegeneinander um den Sieg gegen die Vernichtung (auch hier gab es Anleihen von Nietzsche...).

dr-esperanto
18.02.2008, 21:28
Das ist normalerweise bei ganz primitiven Völkern oder Stämmen so, dass alle anderen gar keine Menschen sind. Und so eine Anschauung wird im modernsten Land der Welt vertreten, das Deutschland damals zu Schmitts Zeiten war!
Richtig ist allerdings, dass Definition und Identität zwangsläufig über Abgrenzung passiert. Deswegen braucht man den Anderen aber noch lange nicht zu vernichten. Außerdem gäbe es dann auch niemanden mehr, von dem man sich absetzen könnte...

-SG-
19.02.2008, 21:03
Der Mensch ist vielleicht kein zoon politicon, kein politisches Wesen, aber ein soziales Wesen, was gleichzeitig auch eine spezifische Identität impliziert. Eine Identität, zumal sie fest und klar ist, bedeutet aber auch klare Kriterien und Maßstäbe, nach denen sie festgelegt wird. Eine feste Identität impliziert aber auch ein außen, was außerhalb dieser Identität liegt. Und hier kommt die Kategorie des Feindes.
Der Feind ist das andere, das fremde, das, wogegen man sich wehren muss.
Es ist nicht wirklich stimmig, wenn hier geschrieben wurde, dass Menschen sich nur über Freundschaft oder Kooperation definieren und Konflikten gegenüber avers eingestellt sind. Dagegen spricht eine lange historische Faktizität, in denen Konflikte und Kriege dominierten. Vielmehr spricht da das Weltbild des Autors. Kooperation wie Konflikt sind beide mögliche Verhaltensformen, abhängig davon, wie man den anderen einschätzt, wie man mit ihm kommunizieren kann und inwiefern Überschneidungen bei Interessen und Wahrnehmungen bestehen.
Es gäbe keine Xenophobie, keine Ablehnung von Minderheiten usw. wenn Menschen nur über Freundschaft und Kooperation sich definierten. Denn es gibt immer auch den anderen, der mich potenziell bedrohen könnte.
Wer nicht ist wie ich/wir, der ist anders, der gehört nicht zu uns, den muss und kann man bekämpfen. Diese Denkmuster gab es auch und gerade in tribalen, traditionalen Gesellschaften schon. Schmitt jedoch totalisiert, absolutiert den Feind zum morallosen anderen, er wird entmenschlicht (hier gehe ich mit dem Vorredner konform). Frühere Regelungen (ius ad bellum und später ius in bello), die das Freund-Feind-Verhalten regulierten verlieren völlig an Bedeutung in seinen Schriften. Es zählt nur die eigene Gemeinschaft, keine Moral und auch keine Idee einer allgemeinen Menschlichkeit oder die Idee der Vernunft. Dieses partikular-kollektivistische Denken war insofern für die Nazis verwertbar, als sie daraus Anleihen für ihre Volksgemeinschaft nehmen konnten. Um nicht missverstanden zu werden: Die Dämonisierung des Feindes war nichts neues, auch der übersteigerte Nationalismus war schon weit über 50 Jahre alte damals, dies alles gab es auch schon vorher. Aber Schmitt brachte all diese Gedanken sozusagen pointiert auf die Spitze und präsentierte damit zeitnah den Nazis eine ideologische "Zufütterung" für ihren Führerstaat, der die Volksgemeinschaft beherrschte.
Juden, Polen, Sowjets etc. waren die Feinde, sie waren keine Menschen, sie waren Untermenschen, die DEN Deutschen unterlegen waren und vernichtet werden mussten. Kein ius in bello mehr, gar nichts. Nur noch der apokalyptische Kampf der Volksgemeinschaften gegeneinander um den Sieg gegen die Vernichtung (auch hier gab es Anleihen von Nietzsche...).

Naja, was wir bis jetzt zusammen getragen haben, und was eigentlich auch dem "common sense" entspricht (kann ja jeder nachlesen), ist das genaue Gegenteil von dem was Du hier schreibst, nämlich dass bei Schmitt der Feind eben nicht der "absolute", entmenschlichte Feind ist, sondern dass er genau das bemängelt.

Es geht ihm auch explizit nicht darum, dass Feindschaft die einzige mögliche Form des Zusammenlebens sei. Zu seiner Anthropologie bemerkt er lediglich, dass der Mensch grundsätzlich zum töten fähig ist, und dass die reine Möglichkeit eines Krieges die Voraussetzung fürs politische ist. Das ist auch das Argument, welches er Leuten wie Dir vorhält, die ankommen und sagen: Wenn doch nur alle kooperieren und Freundschaften schließen würden. Der Feind ist die "der realen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen", und wenn diese Gesamtheit von ihrer realen Möglichkeit Gebrauch macht, hilft Dir kein Kooperationsangebot. Der Krieg, und das betont Schmitt, wird nur um den Frieden willen geführt, man führt ihn nicht um den Gegner zu vernichten.

Ich stimme zu, dass bei Schmitt wohl ein Weltbild von zwischeneinander ums Überleben kämpfenden Völkern geherrscht haben könnte. Dieses Weltbild ist aber nicht per se Unsinn. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass bestimmte Völker nur Jahrtausende überstanden haben, weil sie sich im Konfliktfall bewusst von anderen abgegrenzt haben, z.B. die Israeliten in Ägypten. Aber so ein Nebeneinander muss nicht im Vernichtungskrieg enden, im Gegenteil, genau das soll es ja nicht nach Schmitt.

-SG-
19.02.2008, 21:05
Richtig ist allerdings, dass Definition und Identität zwangsläufig über Abgrenzung passiert. Deswegen braucht man den Anderen aber noch lange nicht zu vernichten. Außerdem gäbe es dann auch niemanden mehr, von dem man sich absetzen könnte...

Ganz richtig, wenn Deutschland die Welt erobert, dann gibt es kein Deutschland mehr.

-SG-
19.02.2008, 21:14
Der totale Feind ist eine Innovation der Politik in Massengesellschaften. Man muss, mit der erneuten Einführung der Wehrpflicht bei gleichzeitiger, nie dagewesener, Verheerung des Waffengebrauchs, die Stahlgewitter Jüngers, dass Ausmaß der Bedrohung in das Übernatürliche erhöhen, sonst riskiert kein Bauer, kein Handwerker, kein Arbeiter oder Gelehrte sein Leben im bunten Rock für Volk und Vaterland.

Der Propagandaaufwand, den Spießer ins Feld zu zwingen, ist so enorm, dass der Feind so böse sein muss, wie der Krieg an Totalität gewinnt. Moderne Kriege werden zur sich selbst erfüllenden Prophezeiungen.

Das ist ein interessanter Gedanke, ich denke man kann es auch so formulieren, dass die individualistische Gesellschaft, welche für den Augenblick lebt, weder Vergangenheit noch Zukunft noch so etwas wie ein Gemeinwohl kennt, sondern auf verfassungsrechtlich verbriefter individualistischer Selbstverwirklichung aufbaut (Art. 2 GG), es nicht schafft, seine Mitglieder für eben diese Gemeinschaft, für ihr Überleben, für ihr Wohlergehen ihr Leben riskieren zu lassen.

Es wäre auch völlig sinnlos, für einen Menschen in dieser Gesellschaft, sein Leben für eben diese zu lassen, das wäre eine zutiefst unrentable Kosten-Nutzen-Rechnung. Dies wäre eine einseitige Entscheidung - der Gesellschaft eine Gemeinschaft zu unterstellen - welche nicht auf Reziprozität beruhen würde und daher eine idiotische Entscheidung wäre.

Daher muss man auf höhere Moral-Prinzipien wie Freiheit, Menschlichkeit, Demokratie und ähnliches zurückgreifen

dr-esperanto
19.02.2008, 22:49
Ja, heute heißt es, wir sollen unsere "wehrhafte Demokratie" am Hindukusch verteidigen.

Wachmann
05.04.2008, 12:47
@Chanan

Naja...
Schmitt selbst hab ich zu wenig gelesen, allerdings bin ich doch immer wieder auf die Rezeption seiner Gedanken gestoßen.
Und da muss man eben sagen, insbesondere wenn man dann seine Aussagen kritisch prüft, kommt man letztlich realiter doch zu solchen Aussagen, wie ich sie getroffen habe.
Konflikte sind nicht einfach nur eine Möglichkeit menschliches Handelns, genauso wenig wie Kooperation einfach nur eine voraussetzungslose Alternative menschlichen Handelns ist. Das ist eben nicht völlig kontingent, weil durch die historischen, sozialen und wirtschaftlichen Vorbedingungen und Vorereignisse und Strukturen Konflikte wie Kooperation letztlich Resultate, Fortschreibungen von Gedankensystemen, Lernprozesse, sprich von vorherigen Ereignisse und Prozessen sind. Die Welt um dich entscheidet sich nicht einfach so dazu, dich zu bekriegen, dafür gibt es immer Bedingungen der Möglichkeit. Und durch ein bestimmtes Auftreten von dir, deinem Staat und durch bestimmte Handlungen wird aber solch ein Waffengang um so wahrhscheinlicher. Dir sollte doch sicherlich die self-fulling prophecy, die selbstbewahrheitende Propheizung etwas sagen: Analog zu diesem simplen Grundmodell führen Schmitts Aussagen in verhängnisvolle dynamisch eskalierende Feind-Freund-Konstellationen.
Ich sage, dass der andere der Feind ist um mich selbst politisch/gesellschaftlich zu integrieren und zu ordnen, eine Solidarität zu stiften und handle so nach außen. Was passiert dadurch? Mein Handeln wird durch andere wahrgenommen, weiterhin danach Erwartungen ausgebildet und in den so sich entwickelnden Dynamiken wird aus dem Konflikt um den Frieden in völliger Verkennung der realiter bestehenden Komplexität ein sich perpetuierender Konflikt, der zum Vernichtungskrieg ausartet/ leicht ausarten kann, weil man nur bei entsprechender funktionaler Dämonisierung des Feindes und entsprechender Propaganda den "Volkskörper" geschlossen hält. Diese ideologische Verrohung impliziert aber letztlich auch die ins materielle umschlagende Vernichtung in letzter Konsequenz: Die Nazis haben sich ja auch nicht damit begnügt, Juden, Kommunisten und Osteuropäer als für die Deutschen einheitsstiftende Feinde zu bezeichnen, sondern sie haben letztlich so so gehandelt. Und Schmitt übersieht eben völlig, dass eine bestimmte ideologische völkische Einheitsdenke und die dazugehörigen einheitsstiftenden Feindmuster auch in die Handlungen des betreffenden Staates früher oder später eingehen. Schließlich handelt man so, wie man glaubt/denkt.
Dass was hier gebracht wurden als angeblicher common sense sind die üblichen Schmittverteidigungen, die im Rahmen seines eigenen, defizitären Gedankenkonstruktes auch völlig ok sind. Aber gerade wegen der hier aufgezeigten Defizite, wegen den teilweise völlig überreduzierten "Grundbildern" und Grundüberlegungen und seiner Antropologie sind seinem Werk viele Schwachstellen inhärent, die letztlich zu dieser problematischen Rezeptionsgeschichte und seiner Nähe zu den Nazis geführt hat.

Rheinlaender
05.04.2008, 14:58
Das ist einfach Unsinn. In wie weit man Schmitt NS-Denken attestiert oder nicht spielt dabei noch nicht mal eine Rolle. Selbst wenn Schmitt durch und durch Nazi gewesen wäre, würden staatstheoretische Felder wie Souveränität oder der Ausnahmezustand dadurch nicht auf Ewigkeit zu politiktheoretischen No-Go-Areas. Z.B. wird Art. 79,3 GG (Ewigkeitsgebot) oft dem "Verfassungskern" von Schmitt zugeschrieben, das allein macht den Artikel aber nicht schlecht.

Die Diskussion bezueglich eines, auch durch Verfassungsaenderung, nicht zu veraendernden "Verfassngskerns" ist aelter als Carl Schmitt. Sie wurde das erste mal aktuell im Rahmen der Einfuegung eines Art. 8, 2 in Franz. Verfassung 1884: "Die republikanische Staatsform darf nicht Gegenstand eines Änderungsvorschlages sein.". Sie wurde ebenfalls heiss diskutiert im Rahmen des Parliament Act 1907, der die Rechte des House of Lords im britischen Verfassungsgefuege beschraenkte (obwohl das UK bis heute ueberhaupt keine Verfassung im strikten Sinne hat).

Rheinlaender
05.04.2008, 15:06
Das „moderne“ Europa scheut nicht nur jeden Konflikt, seine Bürger wollen im Grunde ihre Ruhe haben, um die Früchte jener Arbeit zu konsumieren, die ihre Vorvorderen in der Vergangenheit angehäuft haben.

Das wollten die meisten Menschen schon immer: Sonst haetten Grossreich nicht so lange funktioniert: Der durchschnittliche Inder wollte in Ruhe seine Kinder aufziehen und ihm war primaer egal, ob der Boss nun der der Rana von XYZ war oder Victoria. Der Unterthan der roemsichen Kaiser wollte auch primaer seine Ruhe haben - und Grossreiche konnte diese Ruhe eher garantieren, da die ganzen lokalen Kriege wegfielen.


Ohne die USA wäre Europa zutiefst isolationistisch, man zieht nur höchst unwillig in Kampf und Krieg. Die neue Mission des „Westens“, die Verbreitung von Demokratie und Freiheit, ist praktisch alleinige Anstrengung der Weltmacht USA, die ihre „verbündeten Vasallen“ in die Pflicht nimmt.

Das ist ein Fehleinschaetzung: Die EU betreibt genauso Grossmachtspolitik, wie die USA, nur leiser durch Handelsvertraege, Ausbildung von Beamten etc. und dardurch Demokratisierung. Das Ziel ist fast das gleiche, nur die Methode ist anders.

Rheinlaender
05.04.2008, 15:17
Schmitt hat sich viel mit Themen wie Souveränität, Ausnahmezustand und Dezision beschäftigt. Sein Standpunkt ist, dass eine Rechtsnorm nicht im Chaos gelten kann, und dass es daher einen Souverän geben muss, der bestimmt, was überhaupt der Normalzustand ist, und dass dieser folgerichtig im Ausnahmezustand außer Kraft gesetzt werden kann. Den Ausnahmezustand kennzeichne nämlich, dass er nicht vorhersehbar ist, weshalb er in einer bestehenden Rechtsordnung nicht normativ behandelt werden kann.

Was ein verfassungsrechtlicher Rueckschritt ist. Zunaechst ist der Souveraen nicht unbedingt der Handelnde, sondern nur die Quelle der staatlichen Macht, ohne selber in Einscheinung treten zu muessen, bei deren Ausfuehrung. Hier im UK ist der Souveraen der Monarch. Er ist die Quelle aller gesetzgeberischen, judikativen und exekutiven Macht, auch die Macht des Parlamentes leitet sich aus der Person des Monarchen her. Nur diese Person uebt selber diese Gewalt nicht mehr aus, sondern ueberlaesst dies, unwiderruflich, den von ihm bestellten Gewalten.

Ferner: Moderne Verfassungen kennen einen Ausnahmezustand, der unter bestimmten Vorraussetzungen erklaert wird und auch wieder aufgehoben, ohne das die Rechtsnormen gebrochen werden muessen. Im britischen Verfassungrecht gibt es die Einrichtung des Convent Parliaments, dass in solchen Ausnahmezustaenden einberufen wird, bzw. sich selber einberuft und als einheitliche Versammlung alle exekutiven, legislative und judikative Gewalt insich vereint, nur um im Falle der Wiederherrstellung "normaler" Verhaltnisse wieder die Gewaltenteilung zu etablieren (das letzte Mal 1686 einberufen, im Falle einer dt. Inavasion im 2. Weltkrieg geplant).

Die Idee, dass es einen Zustand geben sollte, der ausserhalb der Rechtsnormen steht ist gefaehrlich.

Rheinlaender
05.04.2008, 15:30
Der Mensch ist vielleicht kein zoon politicon, kein politisches Wesen, aber ein soziales Wesen, was gleichzeitig auch eine spezifische Identität impliziert. Eine Identität, zumal sie fest und klar ist, bedeutet aber auch klare Kriterien und Maßstäbe, nach denen sie festgelegt wird. Eine feste Identität impliziert aber auch ein außen, was außerhalb dieser Identität liegt. Und hier kommt die Kategorie des Feindes.
Der Feind ist das andere, das fremde, das, wogegen man sich wehren muss.
Es ist nicht wirklich stimmig, wenn hier geschrieben wurde, dass Menschen sich nur über Freundschaft oder Kooperation definieren und Konflikten gegenüber avers eingestellt sind. Dagegen spricht eine lange historische Faktizität, in denen Konflikte und Kriege dominierten. Vielmehr spricht da das Weltbild des Autors. Kooperation wie Konflikt sind beide mögliche Verhaltensformen, abhängig davon, wie man den anderen einschätzt, wie man mit ihm kommunizieren kann und inwiefern Überschneidungen bei Interessen und Wahrnehmungen bestehen.
Es gäbe keine Xenophobie, keine Ablehnung von Minderheiten usw. wenn Menschen nur über Freundschaft und Kooperation sich definierten. Denn es gibt immer auch den anderen, der mich potenziell bedrohen könnte.
Wer nicht ist wie ich/wir, der ist anders, der gehört nicht zu uns, den muss und kann man bekämpfen. Diese Denkmuster gab es auch und gerade in tribalen, traditionalen Gesellschaften schon. Schmitt jedoch totalisiert, absolutiert den Feind zum morallosen anderen, er wird entmenschlicht (hier gehe ich mit dem Vorredner konform). Frühere Regelungen (ius ad bellum und später ius in bello), die das Freund-Feind-Verhalten regulierten verlieren völlig an Bedeutung in seinen Schriften. Es zählt nur die eigene Gemeinschaft, keine Moral und auch keine Idee einer allgemeinen Menschlichkeit oder die Idee der Vernunft.

Dieses Denken Schmidts ist wirklichkeitsfremd: Menschengruppen sind zum einen sehr komplex und ueberschneiden sich, zum anderen stehen sie zwar in Konkurenz zueinander, bis zu toedlichee Konkurenz, aber aber auch in Kooperation.

Ob ein Konflikt in toetlicher Manier ausgekaempft wird, oder durch Kooperation und Kompromis geloest wird haengt von den Interessen ab. Dabei wird doch der moegliche Gewinn gegen die moeglichen Kosten des Konflikts abgewaegt.

Desto komplexer unsere Gesellschaften werden, desto verletztlicher wird ihre Infrastruktur (kommunikationswege, Transport etc.), die fuer das blanke Ueberleben notwendig sind, umso verwobener werden sie auch. Die Folge ist, dass der Preis einer toetlichen Auseinandersetz, volkstuemlich Krieg genannt, immer hoeher wird, der moegliche Gewinn immer geringer. Konflikte koennen also immer weniger brutal geloest werden, sondern nur noch auf dem weg der Kooperation.

Das Feind-Denken endet nicht deshalb, weil Menschen ploetzlich besser geworden sind, sondern weil es zu teuer geworden ist.

Am Rande: Bei genauer Betrachtung laesst sich auch die Humanisierung der Kriegsfuehrung seit dem Dreizigjaehrigen Krieg sehr gut auf dieses Kostenargumet zuruekcfuehren.