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Vollständige Version anzeigen : Warum seid ihr radikal und extremistisch geworden?



Beverly
16.01.2008, 09:44
Ich hatte letztens eine Diskussion darüber, was aus mir wohl geworden wäre, wenn ich den den 1920er Jahren gelebt hätte. Was aus mir aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geworden wäre, ist ein Teil der bürgerlichen Gesellschaft. Damals schon aufgrund der entsetzlichen sozialen Zustände des bürgerlich-kapitalistischen Systems.

Bei den radikalen Systemalternativen hatte man damals die Wahl zwischen NSDAP / Nationalsozialisten einerseits und KPD / Kommunisten / Bolschewisten andererseits.

Nun glaube ich, dass das radikal-werden wenig bis garnichts mit den Ideologien dieser beiden Strömungen zu tun hat. Die waren bestenfalls eine krude Mischung aus Sinn und Unsinn. Das Führungspersonal? Lenin hatte noch Format, aber die Namen Hitler und Stalin sprechen IMHO für sich.

Die Radikalen und Extremisten verdankten schon damals ihren Erfolg nicht sich selbst, sondern äußeren Umständen. Ohne die Dummheiten von Zar Nikolaus und Kerenski wäre Lenin im Exil versauert oder wegen seiner Kungeleien mit dem Kaiserreich als deutscher Agent erschossen worden. Ohne die Weltwirtschaftskrise von 1929 wäre die NSDAP ebenso eine braune Kleinpartei geblieben wie ihre Nachfolgerin.

Leider ist das Thema "warum werdet ihr Extremisten?" alles andere als Historie. Das einschlägige "System" züchtet sich die Extremisten heute ebenso fleißig wie vor 80 oder 90 Jahren. Nur sorgt es dafür, dass die Möchtegern-Extremisten heute keine Strukturen finden, in denen sie sich zusammenrotten können. Was da heute die Nachfolge von NSDAP oder Bolschewiki antritt, ist entweder zu brav -Linkspartei - oder nur peinlich - NPD. Oder beides - REP. Oder bedeutungslose Sekte - MLPD, DKP ....

Hier geht es um die wichtigsten Gründe, warum ihr radikal oder extremistisch geworden seid.

1. Das bestehende System ist nicht mehr zu retten

Man hat vielleicht versucht, "vor Ort", im eigenem sozialen Umfeld oder in "demokratischen" Parteien Gutes zu tun, die Dinge zum Besseren zu wenden. Ohne Erfolg, immer wieder ist man gegen Wände gelaufen und wurde von Intrigaten ausgebremst.
Selbst wenn man von seiner wirtschaftlichen Funktion und den zu erfüllenden Aufgaben ein "angesehenes Mitglied der Gesellschaft" ist, hat man erkannt, dass diese nicht mehr zu retten ist. Zum System zu gehören gibt einen nur mehr Einblick darin, wie verrottet es ist.

2. Eigene Ausgrenzung vom bestehenden System

Man wollte eigentlich nur eines: Teil der Gesellschaft sein, in welcher "Nische" auch immer. Mit den Extremisten hatte man vielleicht nichts am Hut, nur musste man feststellen, dass die bestehende Ordnung einen nicht will - egal, wie sehr man sich anstrengt.

3. Zusammenhalt in der Gemeinschaft der Radikalen

Von Rechten resp. Aussteigern aus der "rechten Szene" wird gesagt, dass für sie die "Kameradschaft" sehr wichtig ist. Die radikale resp. extremistische Gruppe (egal ob rechts oder links) gibt auch soziale Kontakte und hier ist man - im Gegensatz zum Mainstream - akzeptiert und anerkannt.

4. Als Extremist Karriere machen

Wäre Lenin nicht Revolutionsführer geworden, hätte er sein Leben vielleicht als Vertreter für Herrentoupets beschließen müssen. Radikale Bewegungen geben Menschen Arbeit und Positionen, die sonst keine finden. Schon in der "Kampfzeit" wird da so manche Stelle geschaffen und nach dem Umsturz werden alte Posten frei und neue geschaffen ;)

5. Die Ideologie

Man gehört zu dem kleinen harten Kern der "Überzeugungstäter", die in einer Polit-Sekte Ausgrenzung und Entbehrungen auf sich nehmen, weil sie deren Ideologie glauben. Und die - zusammen mit vielen anderen rivalisierenden Sekten - auf den Tag warten, an dem sich das System selbst den Ast absägt, auf dem es sitzt.

Drosselbart
16.01.2008, 10:15
Als radikal und extremistisch würde ich mich zwar nicht bezeichnen, aber die aufschlußreiche Erfahrung mit und das Durchschauen von politischen Lumpen, die unter dem Deckmäntelchen der Anständigkeit ihren Gaunereien nachgehen haben mich zumindest skeptisch werden lassen.