Roter Prolet
23.09.2004, 19:21
Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen der II. Weltkrieg. Weil am 17. September 1939 die Rote Armee in die Westukraine und Westbelorußland einrückte, wird die bürgerliche Geschichtsschreibung nicht müde, aus diesem Anlaß ein weiteres Gleichheitszeichen zwischen der faschistischen Diktatur und dem Sowjet-Sozialismus zu setzen. Aus diesem Grunde ist es notwendig, sich etwas genauer mit dem Nichtangriffspakt zwischen der UdSSR und Deutschland, den die Demagogen Hitler-Stalin-Pakt nennen, zu befassen. Zuerst sei daran erinnert, daß die Welt auch vor dem 1. September 1939 nicht mehr friedlich war. Der Faschismus überzog eine Region nach der anderen mit Krieg und militärischer Erpressung. Italien führte Krieg in Äthiopien, Deutschland holte Österreich "heim ins Reich", in der Folge des Münchener Abkommens wurde die Tschechoslowakei vom deutschen Faschismus zerschlagen, im spanischen Bürgerkrieg unterstützten diese Länder Franco. Im Fernen Osten regte sich das andere Ende der Achse Berlin-Rom-Tokio: Japan eroberte die Mandschurei und bedrohte die Nachbarn.... Unerwartet geschah dies alles nicht. Bereits auf dem 17. Parteitag der KPdSU im Januar 1934 stellte Stalin zur wachsenden Kriegsgefahr fest: "... der Sieg des Faschismus in Deutschland und der Triumph des Revanchegedankens, die die Beziehungen in Europa verschärften; der Austritt Japans und Deutschlands aus dem Völkerbunde, wodurch dem Anwachsen der Rüstungen und der Vorbereitungen zum imperialistischen Krieg ein neuer Anstoß gegeben wurde..."
Das waren die Fakten; die Ursachen sah Stalin und die KPdSU in der Krise der Weltwirtschaft. Absatzkrisen ließen die nationalen Wirtschaften immer stärker nach neuen Absatzmärkten gieren, der Zugriff zu den Rohstoffmärkten war Voraussetzung, um in der internationalen Konkurrenz bestehen zu können. Es deutete also alles darauf hin, daß ein Krieg zur Neuaufteilung der Welt fällig war, der den "Zukurzgekommenen", wie z.B. Deutschland, "den Platz an der Sonne sichern sollte". Der 2. Weltkrieg begann nicht als Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Der 2. Weltkrieg war bis zum Überfall auf die Sowjetunion ein ganz gewöhnlicher imperialistischer Krieg. Aber.Wie soll man der Kriegsgefahr begegnen? Diese Frage bewegt heute wieder viele Menschen, die fürchten, am Vorabend eines neuen Weltkrieges zu leben. Damals wie heute erscheint das Verhängnis fast unabwendbar. Auf dem 18. Parteitag der KPdSU im März 1939 mußte die Einschätzung von 1934 nicht korrigiert werden, im Gegenteil:
"Somit zog der Krieg , der sich so unmerklich an die Völker herangeschlichen, mehr als 500 Millionen Menschen in seinen Bannkreis..."
Stalin sprach von den "aggressiven Staaten“"Deutschland, Japan, Italien, die immer offener den ihnen gebührenden Anteil an Kolonien und Einflußsphären fordern, sich aber zur Tarnung "Antikomintern-Pakt" nennen, und von der "kuriosen Politik der nichtaggressiven kapitalistischen Staaten", die den aggressiven Staaten Zugeständnisse machen, obwohl sie in ihrer Gesamtheit doch stärker sind. Warum ist das so? Weil die nichtaggressiven Staaten - England, Frankreich, die USA nicht betrübt wären, wenn sich die Aggressivität auf den ersten sozialistischen Staat richten würde, auf die Sowjetunion. Man hoffte, die Kriegsgegner würden sich gegenseitig hinreichend schwächen, damit die nichtaggressiven Staaten dann als Friedensstifter kommen und einsammeln könnten, so Stalin Anfang 1939. Churchill hat dies 1941 ausgeplaudert
Dagegen ist die Außenpolitik der SU klar und verständlich:
"1. Wir sind für den Frieden und für die Festigung sachlicher Beziehungen mit allen Ländern...
2. Wir sind für friedliche, freundschaftliche und gutnachbarliche Beziehungen mit allen Ländern, die mit der SU eine gemeinsame Grenze haben...”
Für den Frieden sind auch die Imperialisten aus diplomatischen Gründen. Für einen sozialistischen Staat dagegen gehört Friedensliebe zum Selbstverständnis.
3. Wir sind für die Unterstützung der Völker, die Opfer der Aggression geworden sind und für die Unabhängigkeit ihrer Heimat kämpfen...”
Das ist heute völlig aus der Mode gekommen. Heute werden Aggressoren unterstützt und es gehört Mut dazu, sich aus der Meute herauszuhalten und zumindest auf Nichteinmischung zu bestehen.
4. Wir fürchten keine Drohungen der Aggressoren und sind bereit, auf einen Schlag der Kriegsbrandstifter, die versuchen, die Unantastbarkeit der Sowjetgrenzen zu verletzen, mit einem doppelten Schlag zu antworten..."
Die Sowjetunion setzte auf ihre Friedenspolitik, die darin bestand, ein System der gegenseitigen Sicherheit über Nichtangriffs- und Beistandspakte zu schaffen. Kriegsprovokateuren sollte nicht die Möglichkeit gegeben werden, die SU in Konflikte hineinzuziehen.
Die Fakten:
Am 10. 5.1939 lehnte die reaktionäre polnische Regierung das Angebot der Sowjetunion für einen Beistandspakt ab. Sie wußte zwar, daß Polen allein gegen Deutschland wehrlos war, aber man hatte immerhin einen Nichtangriffspakt mit Deutschland und Beistandsverträge mit Frankreich und England. Am 21. 8. 1939 scheiterten die Verhandlungen der Sowjetunion auch mit England und Frankreich endgültig.
Bis dahin hatte die Sowjetunion Verhandlungen mit Deutschland abgeblockt.
Am 20. August 1939 aber hatte Hitler der Regierung der UdSSR mitgeteilt, daß zwischen Polen und Deutschland jeden Tag eine Krise ausbrechen könne, und die Sowjetunion laufe Gefahr, hineingezogen zu werden, würde sie sich nicht zu einem Nichtangriffspakt mit Deutschland entschließen. Der Reichsaußenminister war mit allen Vollmachten nach Moskau gereist.
Die Sowjetunion wurde faktisch erpreßt. Es war sehr leicht möglich, daß sich jetzt die Westmächte mit Deutschland und Japan verbünden und einen einheitlichen Block gegen die Sowjetunion bilden würden, wenn die Sowjetunion Verhandlungen mit Hitler-Deutschland ausschlug. Ein Nichtangriffsvertrag bedeutete dagegen einen Zeitgewinn für die Sowjetunion. Am 23. August 1939 wurde der Nichtangriffsvertrag mit Deutschland geschlossen. Woroschilow kommentierte den Vertrag in der Prawda vom 27. August: "Die militärischen Verhandlungen mit England und Frankreich sind nicht deshalb abgebrochen worden, weil die UdSSR einen Nichtangriffsvertrag mit Deutschland geschlossen hat, sondern im Gegenteil, die UdSSR hat einen Nichtangriffspakt mit Deutschland unter anderem deshalb geschlossen, weil die militärischen Verhandlungen mit England und Frankreich infolge unüberwindlicher Meinungsverschiedenheiten in die Sackgasse geraten waren." Die sowjetische Regierung hatte nicht nur einfach den deutschen Vorschlägen zugestimmt, sie hatte Deutschland Zugeständnisse abgerungen, die die Lage der Sowjetunion in den künftigen Auseinandersetzungen verbesserten. Die von der bürgerlichen Geschichtsschreibung als sogenannter Geheimvertrag denunzierte Festlegung des maximalen Vorrückens der deutschen Wehrmacht ist nichts weiter als die Anerkennung der Curzon-Linie durch das faschistische Hitler-Deutschland. Polen wurde damit nicht zwischen der Sowjetunion und Deutschland aufgeteilt. Die Sowjetunion beanspruchte nur die Gebiete, die sie 1918-1920 verloren hatte. Das reaktionäre Polen konnte 1939 zwar dem faschistischen Deutschland keinen hinreichend großen Widerstand leisten, aber dieses Polen (also dessen Regime!) hatte sich 1920 auch als imperialistischer Räuber gezeigt.
Ein Blick in die Geschichte
Polen wurde viel früher aufgeteilt. Vor dem ersten Weltkrieg war Deutschland Rußlands Nachbar, man hatte eine gemeinsame Grenze. Posen gehörte zum Deutschen Reich und Warschau zum Russischen Reich. Im 1. Weltkrieg rollte die Front über den russischen Teil Polens nach Osten und stand Ende 1917 zwischen Minsk und Brest-Litowsk. Die Oktoberrevolution fand in Rußland statt, aber nicht in Polen. Die Sowjetregierung dekretierte bereits am 2. November 1917 die Rechte der Völker Rußlands und damit auch für die Polen als ehemalige "zaristische Untertanen" das Recht auf Selbstbestimmung.
Der Brester Frieden vom 3. März 1918 schrieb die Abtrennung der polnischen Gebiete, Kurlands und Litauens von Rußland fest und fixierte die Anerkennung der Selbständigkeit Polens, der Ukraine und Finnlands. Hier hoffte die deutsche Seite, abhängige Regierungen installieren zu können. Die Weimarer Republik erwies sich dann als treuer Bündnispartner der Konterrevolution und okkupierten auf den Hilferuf reaktionärer Kräfte die Ukraine, drangen ins Baltikum ein und bedrohten Petrograd. Da waren überall "deutsche Interesse" zu verteidigen. An einem selbständigen Polen zeigten neben Deutschland auch die Entente-Mächte Interesse. Der englische Außenminister Curzon machte den Vorschlag einer "richtigen" polnischen Ostgrenze, die sich etwa an die Sprachgrenze zwischen Polen, Belorußland und der Ukraine hielt.
Das neue Polen beteiligte sich auf Seiten der Entente an der Intervention gegen Sowjetrußland. Ende 1920 erreichte die Sowjetunion nach schmerzhaften Zugeständnissen einen Friedensschluß mit Polen. Die Rote Armee und damit die Sowjetmacht mußten sich hinter die Curzon-Linie zurückziehen, Teile Belorußlands und der Ukraine gingen an Polen.
Diese 1920 Sowjetrusslands entrissenen Gebiete gab die spätere Regierung der UdSSR 1939 nicht preis.
Beginn des 2. Weltkrieges und Befreiungsfeldzug der Roten Armee
Am frühen Morgen des 1. September 1939 begann der gut vorbereitete faschistische Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen. Die deutsche Wehrmacht probte erfolgreich den Blitzkrieg. Polen wurden von seinen Verbündeten im Stich gelassen: England und Frankreich sahen sich zwar verpflichtet, Hitlerdeutschland am 3. September den Krieg zu erklären, doch weiter geschah nichts. Kampfhandlungen im Westen wurden nicht eröffnet und damit hatte die deutsche Wehrmacht in Polen freie Hand. Damit kam der Zusammenbruch schnell. Am 16. September floh die polnische Regierung nach Rumänien. Die Sowjetregierung befahl der Roten Armee erst am 17. September, als der polnische Staat nicht mehr existierte, die Staatsgrenze zu überschreiten. Dem noch in Moskau weilenden polnischen Botschafter wurde mitgeteilt, die Sowjetunion habe sich entschlossen, "das Leben und das Eigentum der Bevölkerung der Westukraine und Westbelorußlands unter ihren Schutz zu nehmen". Dieser Befreiungsfeldzug dauerte vom 17. bis zum 25. September 1939. Die Rote Armee wurde von der Bevölkerung begrüßt. Die polnischen Truppen leisteten kaum Widerstand. Lwow z.B. wurde von der polnischen Armee erbittert gegen die Faschisten verteidigt, der Roten Armee aber unaufgefordert übergeben. Die Curzon-Linie wurde in etwa wiederhergestellt, 12 Millionen Menschen vor dem faschistischen Terror bewahrt und von der Ausbeutung durch die polnischen Pans befreit. Bereits im Oktober fanden Wahlen statt. Die neuen Volksversammlungen verkündeten die Sowjetmacht und baten gar den Obersten Sowjet der UdSSR um Aufnahme in die Union. Einen Monat später entsprach der Oberste Sowjet dieser Bitte. Die Westukraine vereinigte sich mit der Ukrainischen SSR, Westbeloruß-land mit der Belorussischen SSR. Die befreiten Gebiete wurden mit Lebensmitteln, Industriewaren und Ausrüstungen versorgt. Der Boden wurde den Bauern übergeben, es entstanden schnell MTS und die ersten Kolchose. Er erklärte am 1. Oktober 1939 im Rundfunk: "Die Tatsache, daß sich die russischen Armeen an dieser Linie befinden, ist für die Absicherung Rußlands gegen die drohende deutsche Gefahr unbedingt notwendig. Jedenfalls sind die Stellungen bezogen, und die Ostfront geschaffen, die zu überfallen sich das nazistische Deutschland nicht erdreisten wird."
Es bleibt festzustellen: Die Sowjetunion erkannte die aufziehende Kriegsgefahr rechtzeitig und tat viel, um den Völkern der Welt den Frieden zu erhalten. Die Sowjetunion war bestrebt, ein System der gegenseitigen Sicherheit zu entwickeln, was aber an den Interessen der verschiedenen imperialistischen Mächtegruppen scheiterte. Die Sowjetunion versuchte, sich so lange wie möglich nicht in den Krieg hineinziehen zu lassen. Gleichzeitig mußte die Sowjetunion sich so gut wie möglich auf den unvermeidlichen Krieg vorbereiten. Die KPdSU schätzte die Lage realistisch ein und kritisierte im Frühjahr 1940 die These von der Möglichkeit eines leichten Sieges über den Gegner. Die Kriegsgefahr war nicht gebannt, die Sowjetunion nutzte die letzten Friedensmonate, um die Verteidigungskraft zu erhöhen.
Quelle: Geschichte des zweiten Weltkrieges in 12 Bd., Bd. 2 und 3, Militärverlag der DDR
Das waren die Fakten; die Ursachen sah Stalin und die KPdSU in der Krise der Weltwirtschaft. Absatzkrisen ließen die nationalen Wirtschaften immer stärker nach neuen Absatzmärkten gieren, der Zugriff zu den Rohstoffmärkten war Voraussetzung, um in der internationalen Konkurrenz bestehen zu können. Es deutete also alles darauf hin, daß ein Krieg zur Neuaufteilung der Welt fällig war, der den "Zukurzgekommenen", wie z.B. Deutschland, "den Platz an der Sonne sichern sollte". Der 2. Weltkrieg begann nicht als Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Der 2. Weltkrieg war bis zum Überfall auf die Sowjetunion ein ganz gewöhnlicher imperialistischer Krieg. Aber.Wie soll man der Kriegsgefahr begegnen? Diese Frage bewegt heute wieder viele Menschen, die fürchten, am Vorabend eines neuen Weltkrieges zu leben. Damals wie heute erscheint das Verhängnis fast unabwendbar. Auf dem 18. Parteitag der KPdSU im März 1939 mußte die Einschätzung von 1934 nicht korrigiert werden, im Gegenteil:
"Somit zog der Krieg , der sich so unmerklich an die Völker herangeschlichen, mehr als 500 Millionen Menschen in seinen Bannkreis..."
Stalin sprach von den "aggressiven Staaten“"Deutschland, Japan, Italien, die immer offener den ihnen gebührenden Anteil an Kolonien und Einflußsphären fordern, sich aber zur Tarnung "Antikomintern-Pakt" nennen, und von der "kuriosen Politik der nichtaggressiven kapitalistischen Staaten", die den aggressiven Staaten Zugeständnisse machen, obwohl sie in ihrer Gesamtheit doch stärker sind. Warum ist das so? Weil die nichtaggressiven Staaten - England, Frankreich, die USA nicht betrübt wären, wenn sich die Aggressivität auf den ersten sozialistischen Staat richten würde, auf die Sowjetunion. Man hoffte, die Kriegsgegner würden sich gegenseitig hinreichend schwächen, damit die nichtaggressiven Staaten dann als Friedensstifter kommen und einsammeln könnten, so Stalin Anfang 1939. Churchill hat dies 1941 ausgeplaudert
Dagegen ist die Außenpolitik der SU klar und verständlich:
"1. Wir sind für den Frieden und für die Festigung sachlicher Beziehungen mit allen Ländern...
2. Wir sind für friedliche, freundschaftliche und gutnachbarliche Beziehungen mit allen Ländern, die mit der SU eine gemeinsame Grenze haben...”
Für den Frieden sind auch die Imperialisten aus diplomatischen Gründen. Für einen sozialistischen Staat dagegen gehört Friedensliebe zum Selbstverständnis.
3. Wir sind für die Unterstützung der Völker, die Opfer der Aggression geworden sind und für die Unabhängigkeit ihrer Heimat kämpfen...”
Das ist heute völlig aus der Mode gekommen. Heute werden Aggressoren unterstützt und es gehört Mut dazu, sich aus der Meute herauszuhalten und zumindest auf Nichteinmischung zu bestehen.
4. Wir fürchten keine Drohungen der Aggressoren und sind bereit, auf einen Schlag der Kriegsbrandstifter, die versuchen, die Unantastbarkeit der Sowjetgrenzen zu verletzen, mit einem doppelten Schlag zu antworten..."
Die Sowjetunion setzte auf ihre Friedenspolitik, die darin bestand, ein System der gegenseitigen Sicherheit über Nichtangriffs- und Beistandspakte zu schaffen. Kriegsprovokateuren sollte nicht die Möglichkeit gegeben werden, die SU in Konflikte hineinzuziehen.
Die Fakten:
Am 10. 5.1939 lehnte die reaktionäre polnische Regierung das Angebot der Sowjetunion für einen Beistandspakt ab. Sie wußte zwar, daß Polen allein gegen Deutschland wehrlos war, aber man hatte immerhin einen Nichtangriffspakt mit Deutschland und Beistandsverträge mit Frankreich und England. Am 21. 8. 1939 scheiterten die Verhandlungen der Sowjetunion auch mit England und Frankreich endgültig.
Bis dahin hatte die Sowjetunion Verhandlungen mit Deutschland abgeblockt.
Am 20. August 1939 aber hatte Hitler der Regierung der UdSSR mitgeteilt, daß zwischen Polen und Deutschland jeden Tag eine Krise ausbrechen könne, und die Sowjetunion laufe Gefahr, hineingezogen zu werden, würde sie sich nicht zu einem Nichtangriffspakt mit Deutschland entschließen. Der Reichsaußenminister war mit allen Vollmachten nach Moskau gereist.
Die Sowjetunion wurde faktisch erpreßt. Es war sehr leicht möglich, daß sich jetzt die Westmächte mit Deutschland und Japan verbünden und einen einheitlichen Block gegen die Sowjetunion bilden würden, wenn die Sowjetunion Verhandlungen mit Hitler-Deutschland ausschlug. Ein Nichtangriffsvertrag bedeutete dagegen einen Zeitgewinn für die Sowjetunion. Am 23. August 1939 wurde der Nichtangriffsvertrag mit Deutschland geschlossen. Woroschilow kommentierte den Vertrag in der Prawda vom 27. August: "Die militärischen Verhandlungen mit England und Frankreich sind nicht deshalb abgebrochen worden, weil die UdSSR einen Nichtangriffsvertrag mit Deutschland geschlossen hat, sondern im Gegenteil, die UdSSR hat einen Nichtangriffspakt mit Deutschland unter anderem deshalb geschlossen, weil die militärischen Verhandlungen mit England und Frankreich infolge unüberwindlicher Meinungsverschiedenheiten in die Sackgasse geraten waren." Die sowjetische Regierung hatte nicht nur einfach den deutschen Vorschlägen zugestimmt, sie hatte Deutschland Zugeständnisse abgerungen, die die Lage der Sowjetunion in den künftigen Auseinandersetzungen verbesserten. Die von der bürgerlichen Geschichtsschreibung als sogenannter Geheimvertrag denunzierte Festlegung des maximalen Vorrückens der deutschen Wehrmacht ist nichts weiter als die Anerkennung der Curzon-Linie durch das faschistische Hitler-Deutschland. Polen wurde damit nicht zwischen der Sowjetunion und Deutschland aufgeteilt. Die Sowjetunion beanspruchte nur die Gebiete, die sie 1918-1920 verloren hatte. Das reaktionäre Polen konnte 1939 zwar dem faschistischen Deutschland keinen hinreichend großen Widerstand leisten, aber dieses Polen (also dessen Regime!) hatte sich 1920 auch als imperialistischer Räuber gezeigt.
Ein Blick in die Geschichte
Polen wurde viel früher aufgeteilt. Vor dem ersten Weltkrieg war Deutschland Rußlands Nachbar, man hatte eine gemeinsame Grenze. Posen gehörte zum Deutschen Reich und Warschau zum Russischen Reich. Im 1. Weltkrieg rollte die Front über den russischen Teil Polens nach Osten und stand Ende 1917 zwischen Minsk und Brest-Litowsk. Die Oktoberrevolution fand in Rußland statt, aber nicht in Polen. Die Sowjetregierung dekretierte bereits am 2. November 1917 die Rechte der Völker Rußlands und damit auch für die Polen als ehemalige "zaristische Untertanen" das Recht auf Selbstbestimmung.
Der Brester Frieden vom 3. März 1918 schrieb die Abtrennung der polnischen Gebiete, Kurlands und Litauens von Rußland fest und fixierte die Anerkennung der Selbständigkeit Polens, der Ukraine und Finnlands. Hier hoffte die deutsche Seite, abhängige Regierungen installieren zu können. Die Weimarer Republik erwies sich dann als treuer Bündnispartner der Konterrevolution und okkupierten auf den Hilferuf reaktionärer Kräfte die Ukraine, drangen ins Baltikum ein und bedrohten Petrograd. Da waren überall "deutsche Interesse" zu verteidigen. An einem selbständigen Polen zeigten neben Deutschland auch die Entente-Mächte Interesse. Der englische Außenminister Curzon machte den Vorschlag einer "richtigen" polnischen Ostgrenze, die sich etwa an die Sprachgrenze zwischen Polen, Belorußland und der Ukraine hielt.
Das neue Polen beteiligte sich auf Seiten der Entente an der Intervention gegen Sowjetrußland. Ende 1920 erreichte die Sowjetunion nach schmerzhaften Zugeständnissen einen Friedensschluß mit Polen. Die Rote Armee und damit die Sowjetmacht mußten sich hinter die Curzon-Linie zurückziehen, Teile Belorußlands und der Ukraine gingen an Polen.
Diese 1920 Sowjetrusslands entrissenen Gebiete gab die spätere Regierung der UdSSR 1939 nicht preis.
Beginn des 2. Weltkrieges und Befreiungsfeldzug der Roten Armee
Am frühen Morgen des 1. September 1939 begann der gut vorbereitete faschistische Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen. Die deutsche Wehrmacht probte erfolgreich den Blitzkrieg. Polen wurden von seinen Verbündeten im Stich gelassen: England und Frankreich sahen sich zwar verpflichtet, Hitlerdeutschland am 3. September den Krieg zu erklären, doch weiter geschah nichts. Kampfhandlungen im Westen wurden nicht eröffnet und damit hatte die deutsche Wehrmacht in Polen freie Hand. Damit kam der Zusammenbruch schnell. Am 16. September floh die polnische Regierung nach Rumänien. Die Sowjetregierung befahl der Roten Armee erst am 17. September, als der polnische Staat nicht mehr existierte, die Staatsgrenze zu überschreiten. Dem noch in Moskau weilenden polnischen Botschafter wurde mitgeteilt, die Sowjetunion habe sich entschlossen, "das Leben und das Eigentum der Bevölkerung der Westukraine und Westbelorußlands unter ihren Schutz zu nehmen". Dieser Befreiungsfeldzug dauerte vom 17. bis zum 25. September 1939. Die Rote Armee wurde von der Bevölkerung begrüßt. Die polnischen Truppen leisteten kaum Widerstand. Lwow z.B. wurde von der polnischen Armee erbittert gegen die Faschisten verteidigt, der Roten Armee aber unaufgefordert übergeben. Die Curzon-Linie wurde in etwa wiederhergestellt, 12 Millionen Menschen vor dem faschistischen Terror bewahrt und von der Ausbeutung durch die polnischen Pans befreit. Bereits im Oktober fanden Wahlen statt. Die neuen Volksversammlungen verkündeten die Sowjetmacht und baten gar den Obersten Sowjet der UdSSR um Aufnahme in die Union. Einen Monat später entsprach der Oberste Sowjet dieser Bitte. Die Westukraine vereinigte sich mit der Ukrainischen SSR, Westbeloruß-land mit der Belorussischen SSR. Die befreiten Gebiete wurden mit Lebensmitteln, Industriewaren und Ausrüstungen versorgt. Der Boden wurde den Bauern übergeben, es entstanden schnell MTS und die ersten Kolchose. Er erklärte am 1. Oktober 1939 im Rundfunk: "Die Tatsache, daß sich die russischen Armeen an dieser Linie befinden, ist für die Absicherung Rußlands gegen die drohende deutsche Gefahr unbedingt notwendig. Jedenfalls sind die Stellungen bezogen, und die Ostfront geschaffen, die zu überfallen sich das nazistische Deutschland nicht erdreisten wird."
Es bleibt festzustellen: Die Sowjetunion erkannte die aufziehende Kriegsgefahr rechtzeitig und tat viel, um den Völkern der Welt den Frieden zu erhalten. Die Sowjetunion war bestrebt, ein System der gegenseitigen Sicherheit zu entwickeln, was aber an den Interessen der verschiedenen imperialistischen Mächtegruppen scheiterte. Die Sowjetunion versuchte, sich so lange wie möglich nicht in den Krieg hineinziehen zu lassen. Gleichzeitig mußte die Sowjetunion sich so gut wie möglich auf den unvermeidlichen Krieg vorbereiten. Die KPdSU schätzte die Lage realistisch ein und kritisierte im Frühjahr 1940 die These von der Möglichkeit eines leichten Sieges über den Gegner. Die Kriegsgefahr war nicht gebannt, die Sowjetunion nutzte die letzten Friedensmonate, um die Verteidigungskraft zu erhöhen.
Quelle: Geschichte des zweiten Weltkrieges in 12 Bd., Bd. 2 und 3, Militärverlag der DDR