Der Schakal
23.09.2004, 15:53
EHEBRUCH-STREIT BEIGELEGT
Verheugen lädt Türkei zu Beitrittsverhandlungen ein
Der Weg für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist aus Sicht von Günter Verheugen frei. "Es liegen keine weiteren Hindernisse mehr auf dem Tisch", sagte der Erweiterungskommissar nach einem Treffen mit dem türkischen Premier Tayyip Erdogan. Der Streit über die Strafrechtsreform sei beigelegt.
Brüssel - "Wir haben Lösungen für die noch ausstehenden Probleme gefunden", sagte Verheugen nach der Unterredung in Brüssel. Die türkische Regierung hat der EU nach Angaben von Verheugen eine Garantie zur Einhaltung der Menschenrechte abgegeben. Damit brauche die Regierung in Ankara keine weiteren Bedingungen für eine etwaige Aufnahme von Beitrittsgesprächen mehr zu erfüllen. Er fügte hinzu: "Aus meiner Sicht gibt es keine Hindernisse für eine Empfehlung mehr." Verheugen betonte, dass es nach Erkenntnissen der EU-Kommission in der Türkei "keine systematische Folter" mehr gebe. Eine von ihm nach Ankara entsandte Expertengruppe sei zu diesem Ergebnis gekommen.
Erdogan sagte Verheugen eine ernsthafte und entschlossene Umsetzung aller Reformen zu. In EU-Kreisen hieß es, die Türkei verzichte auf die Strafbarkeit von Ehebruch. Zuvor hatte der türkische Ministerpräsident für kommenden Sonntag eine Sondersitzung des Parlaments in Ankara angekündigt. Bei dieser Sitzung werde die noch ausstehende Strafrechtsreform beschlossen, sagte Erdogan. Er betonte, seine Regierung habe wichtige Schritte für politische Reformen und deren Umsetzung unternommen.
Die EU-Kommission will am 6. Oktober einen vorentscheidenden Bericht über den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorlegen. Die endgültige Entscheidung treffen die Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Staaten im Dezember.
Die ursprünglichen Pläne von Erdogans Regierung, Ehebruch in der Türkei unter Strafe zu stellen, hatten eine klare Empfehlung der Kommission für Beitrittsverhandlungen ebenso in Frage gestellt wie eine Verzögerung der Strafrechtsreform im Parlament. Die Reform soll unter anderem Strafen für Folterer und Vergewaltiger erhöhen und die Rechte von Frauen verbessern. Verheugen hatte erklärt, die Strafrechtsreform sei entscheidend dafür, dass die Türkei als Rechtsstaat gelten könne.
Merkel sucht weiter nach Verbündeten
Unterdessen will die CDU-Vorsitzende Merkel laut der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auf dem nächsten Gipfeltreffen der EVP-Mitgliedsparteien am 4. Oktober um Unterstützung für ihre Position werben, einen EU-Beitritt der Türkei abzulehnen. Auch bei einer im Oktober geplanten Begegnung mit dem französischen Wirtschafts- und Finanzminister Sarkozy werde sie dieses Thema ansprechen. Sollte die EU Aufnahmeverhandlungen mit der Türkei beschließen, fordert Merkel, dass nicht nur über eine Vollmitgliedschaft, sondern auch über eine "privilegierte Partnerschaft" gesprochen wird.
Dafür, dass die Frage des türkischen EU-Beitritts ungeachtet der schwerwiegenden Konsequenzen, die er für die Deutschen hätte, bislang keine angemessene Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden habe, machte Merkel die Bundesregierung verantwortlich. "Der Bundeskanzler erzeugt bei den Menschen den Eindruck, dass der Beitritt der Türkei eine Sache ist, die nicht mehr zu ihren Lebzeiten stattfindet und um die sie sich deshalb auch nicht weiter kümmern brauchen". Das sei zwar falsch, wohl aber der Grund dafür, dass das Thema bislang nicht die ihm angemessene Rolle in der politischen Diskussion einnehme.
Die CDU-Vorsitzende sagte der "FAZ", eine Vollmitgliedschaft der Türkei würde die EU überfordern. Das gelte wegen der finanziellen Belastung; das gelte ebenso wegen der Konsequenzen, die die Gewährung der Freizügigkeit der Wahl des Wohn- und Arbeitsplatzes in der EU für die Türken hätte. Ihre Ablehnung einer türkischen Vollmitgliedschaft begründe sich aber auch auf deren Auswirkungen für die europäischen Institutionen wie das europäische Parlament. Dort hätte die Türkei (derzeit 70 Millionen Einwohner; 2015: voraussichtlich 89 Millionen) bei einer Vollmitgliedschaft Anspruch auf etwa 100 Sitze.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,319434,00.html
Verheugen lädt Türkei zu Beitrittsverhandlungen ein
Der Weg für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist aus Sicht von Günter Verheugen frei. "Es liegen keine weiteren Hindernisse mehr auf dem Tisch", sagte der Erweiterungskommissar nach einem Treffen mit dem türkischen Premier Tayyip Erdogan. Der Streit über die Strafrechtsreform sei beigelegt.
Brüssel - "Wir haben Lösungen für die noch ausstehenden Probleme gefunden", sagte Verheugen nach der Unterredung in Brüssel. Die türkische Regierung hat der EU nach Angaben von Verheugen eine Garantie zur Einhaltung der Menschenrechte abgegeben. Damit brauche die Regierung in Ankara keine weiteren Bedingungen für eine etwaige Aufnahme von Beitrittsgesprächen mehr zu erfüllen. Er fügte hinzu: "Aus meiner Sicht gibt es keine Hindernisse für eine Empfehlung mehr." Verheugen betonte, dass es nach Erkenntnissen der EU-Kommission in der Türkei "keine systematische Folter" mehr gebe. Eine von ihm nach Ankara entsandte Expertengruppe sei zu diesem Ergebnis gekommen.
Erdogan sagte Verheugen eine ernsthafte und entschlossene Umsetzung aller Reformen zu. In EU-Kreisen hieß es, die Türkei verzichte auf die Strafbarkeit von Ehebruch. Zuvor hatte der türkische Ministerpräsident für kommenden Sonntag eine Sondersitzung des Parlaments in Ankara angekündigt. Bei dieser Sitzung werde die noch ausstehende Strafrechtsreform beschlossen, sagte Erdogan. Er betonte, seine Regierung habe wichtige Schritte für politische Reformen und deren Umsetzung unternommen.
Die EU-Kommission will am 6. Oktober einen vorentscheidenden Bericht über den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorlegen. Die endgültige Entscheidung treffen die Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Staaten im Dezember.
Die ursprünglichen Pläne von Erdogans Regierung, Ehebruch in der Türkei unter Strafe zu stellen, hatten eine klare Empfehlung der Kommission für Beitrittsverhandlungen ebenso in Frage gestellt wie eine Verzögerung der Strafrechtsreform im Parlament. Die Reform soll unter anderem Strafen für Folterer und Vergewaltiger erhöhen und die Rechte von Frauen verbessern. Verheugen hatte erklärt, die Strafrechtsreform sei entscheidend dafür, dass die Türkei als Rechtsstaat gelten könne.
Merkel sucht weiter nach Verbündeten
Unterdessen will die CDU-Vorsitzende Merkel laut der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auf dem nächsten Gipfeltreffen der EVP-Mitgliedsparteien am 4. Oktober um Unterstützung für ihre Position werben, einen EU-Beitritt der Türkei abzulehnen. Auch bei einer im Oktober geplanten Begegnung mit dem französischen Wirtschafts- und Finanzminister Sarkozy werde sie dieses Thema ansprechen. Sollte die EU Aufnahmeverhandlungen mit der Türkei beschließen, fordert Merkel, dass nicht nur über eine Vollmitgliedschaft, sondern auch über eine "privilegierte Partnerschaft" gesprochen wird.
Dafür, dass die Frage des türkischen EU-Beitritts ungeachtet der schwerwiegenden Konsequenzen, die er für die Deutschen hätte, bislang keine angemessene Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden habe, machte Merkel die Bundesregierung verantwortlich. "Der Bundeskanzler erzeugt bei den Menschen den Eindruck, dass der Beitritt der Türkei eine Sache ist, die nicht mehr zu ihren Lebzeiten stattfindet und um die sie sich deshalb auch nicht weiter kümmern brauchen". Das sei zwar falsch, wohl aber der Grund dafür, dass das Thema bislang nicht die ihm angemessene Rolle in der politischen Diskussion einnehme.
Die CDU-Vorsitzende sagte der "FAZ", eine Vollmitgliedschaft der Türkei würde die EU überfordern. Das gelte wegen der finanziellen Belastung; das gelte ebenso wegen der Konsequenzen, die die Gewährung der Freizügigkeit der Wahl des Wohn- und Arbeitsplatzes in der EU für die Türken hätte. Ihre Ablehnung einer türkischen Vollmitgliedschaft begründe sich aber auch auf deren Auswirkungen für die europäischen Institutionen wie das europäische Parlament. Dort hätte die Türkei (derzeit 70 Millionen Einwohner; 2015: voraussichtlich 89 Millionen) bei einer Vollmitgliedschaft Anspruch auf etwa 100 Sitze.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,319434,00.html