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Vollständige Version anzeigen : Der Deutsche Krimi-Autor



Krimimann
09.12.2007, 09:00
Für den heute in relativer Freiheit und Unbekümmertheit lebenden Menschen ist es schier unvorstellbar, daß sich das deutsche Volk in den tausend Jahren vor 1945 durchgehend unter der Knute von Despoten befunden hat, in so vollständiger Unfreiheit, daß nicht nur das Eigentum des einfachen Mannes, sondern auch die körperliche Unversehrtheit jederzeit in akuter Gefahr schwebte. Man lebte in ständigem Unfrieden mit Nachbarn, ob nun mit dem nächsten Dorf wegen Wasserrechten oder dem nächsten Land wegen purer Boshaftigkeit, wurde in allen Belangen kontrolliert von einer Kirche, die gottgefälliges Leben ohne eigenständiges Denken sicherzustellen hatte und drangsaliert von einem Landesherren, der genauso bildungs- und ahnungslos war wie seine Untertanen, aber das Monopol auf Waffenbesitz pflegte. Der Unterschied zwischen Sklaven und Bürgern war ein denkbar geringer angesichts der Not, die Kirchen- und andere Fürsten mit ihrer Sucht nach Pracht und Reichtum über das gemeine Volk brachten. Die Fähigkeit, lesen und schreiben zu können, wurde für das Volk als verzichtbar angesehen, ansonsten hätte es ja mehr als eine Meinung rezipieren können, was doch als ziemlich unziemlich angesehen wurde.
In dieser elenden und nicht enden wollenden Zeit wurden die heute gültigen Ideale - Freiheit, Demokratie, Bildung, Rechtsstaatlichkeit, ethisch passables Verhalten - nur von ein paar Menschen hochgehalten, diskutiert, weiterentwickelt und notfalls mit dem eigenen Leben verteidigt: den Schriftstellern. Wortgewaltige Literaten, deren beste Köpfe noch heute bekannt sind, von denen viele früh starben und noch mehr vergessen wurden, pflanzten Gedanken in die Köpfe ihrer Mitmenschen, die mit der Zeit Früchte trugen. Der Schriftsteller stellt die einzige Form von Widerstand gegen einen Mächtigen dar, dessen Wirken nicht faßbar ist und doch unversehens gefährlich wird. Insofern wundert es nicht, daß alle Diktatoren dieser Welt auch heute noch freigeistige Literaten gnadenlos verfolgen und die Zunft der Schreibenden mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht wird, um sie vollständig zu kontrollieren.
In jüngster Zeit nun treten einige Erscheinungen der dunklen Jahre wieder verstärkt an die Oberfläche; Bildung und Interesse lassen nach, die Freiheit wird ganz unauffällig immer weiter eingeschränkt, kritische Stimmen planmäßig diskreditiert und als störend gebrandmarkt. Gleichzeitig wendet sich das Publikum zudem einem Subgenre der schreibenden Zunft zu, dem in diesen schwierigen Zeiten somit eine besondere Bedeutung zufällt.
Kriminalromane haben in der Gunst des Lesers alles hinter sich gelassen. Lehrreiche historische Stoffe wie etwa Golo Manns „Wallenstein“ werden ob des anstrengenden Satzbaus als mühselig zu lesen und noch mühseliger zu verstehen gemieden, politisch motivierte Texte als unpassend abgelehnt. Der eigentliche Boom findet auf dem Gebiet der Fantasy-Literatur statt, eine moderne Variante des Märchens, nur ohne Moral von der Geschicht´. Da halten sich manche zu gute, mit dem lesen von Krimis wenigstens ein bißchen Realitätssinn zu bewahren. In diesem Zusammenhang stellt sich damit die Frage, welchen gesellschaftlichen, politischen und moralischen Stellenwert der deutsche Krimi-Autor einnimmt, einzunehmen bereit ist, einzunehmen in der Lage ist. Oder anders:

Ist der heutige Krimi-Autor fachlich und menschlich in der Lage, in der gleichen Weise wie seine historischen Vorgänger Einfluß auf die Gesellschaft zu nehmen, indem er Werte vermittelt und die in langen Kämpfen erreichten Fortschritte in Kultur und Politik zu verteidigen trachtet?

Vokabelsturm
09.12.2007, 11:18
Du musst einer Tatsache ins Auge sehen: An einem Buch bzw. einem Krimi interessiert den heutigen 'Leser' (so man ihn wirklich so nennen will, obgleich 'lesen' auch eigentlich 'verstehen' impliziert) doch nur noch die dazugehörige Mimi. :D

Don Vito
09.12.2007, 11:25
Du musst einer Tatsache ins Auge sehen: An einem Buch bzw. einem Krimi interessiert den heutigen 'Leser' (so man ihn wirklich so nennen will, obgleich 'lesen' auch eigentlich 'verstehen' impliziert) doch nur noch die dazugehörige Mimi. :D

Klingt nach erfolglosem und frustriertem Autor!
Wolf Haas ist zwar kein deutscher Autor, aber seine wunderbaren Romane habe ich mit Genuss gelesen!
Gruß vom Don

Vokabelsturm
09.12.2007, 12:02
Klingt nach erfolglosem und frustriertem Autor!

Ich? Nein, diese beiden Kelche (die des Autorendaseins und der Frustration) sind an mir vorübergegangen, wobei ich dennoch angesichts der Welt am zweiten Becher durchaus gerne mal kurz nippe. :D

Aber der Threaderöffner scheint mir ein Autor zu sein. Habe ich Recht?

Don Vito
09.12.2007, 12:41
Grüße vom Don