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bernhard44
02.12.2007, 20:21
Falsche Kompromissbereitschaft - Die „Schwäche“ der Hochkulturen?
Lange habe ich mich gefragt, wieso und wie, sind große Kulturen wie die Sumerer, Perser, Ägypter, Griechen, Römer, Osmanen uva. untergegangen? Wo sie doch hochgerüstet und technologisch überlegen, militärisch nie entscheidend besiegt worden. Ursachen gibt es viele, einige sind sicher auch folgende Szenarien.
Ihr Untergang ging einher mit Selbstüberschätzung, Ignoranz, Dekadenz und Werteverlust. Um Druck von aussen zu nehmen, versuchte man mit Kompromissen und Zugeständnissen die eindringenden Völkerschaften ruhig zu stellen. Bot ihnen sogar Privilegien und Mitbestimmung an (Rom).
Eine Befruchtung der Gesellschaft von aussen durch Annahme fremder Gebräuche und Sitten, Kulturgüter und Religionen, fand nur solange statt, wie diese Einflüsse die eigene Kultur bereicherten und nicht verdrängten und die jeweiligen Migranten in der bestehenden Kultur aufgingen.
Sobald aber die Mischung nicht mehr stimmte und sich Subkulturen bildeten, war das der Anfang vom Ende. Die eingedrungenen, fremden Einflüsse begannen die bestehende Gesellschaft zu verändern und zu dominieren.
Die Eliten der Gesellschaft waren auch dort unfähig, die Gefahren zu erkennen, weil sie selbstherrlich, satt und träge sich gegenseitig mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen blockierten, bzw. sich zurückzogen.
So konnte es geschehen, dass die Gesellschaften von innen korrodierten und langsam zerfielen. Die fremden Einflüsse konnten sich durchsetzen und Schritt für Schritt die alten Strukturen ab/auflösen.
Götter wurden ausgetauscht, neue Religionen übergestülpt. Bestehende Rechtsordnungen wurden verändert und angepasst. Sitten, Gebräuche und Traditionen wurden verdrängt und durch andere ersetzt.
Den Hochkulturen fehlten einfach die Kraft, der Mut, der Wille und auch die Leidensfähigkeit sich gegen den Zerfall zu wehren.
Teile der Führungsschicht arrangierten sich mit den neuen Mächtigen, andere zogen sich zurück. Manche wurden vertrieben, manche beseitigt.
So oder so ähnlich erging es bisher allen Hochkulturen und so wird es auch in Zukunft sein.
Zurzeit haben wir wahrscheinlich wieder so einen Zeitpunkt erreicht, wo unsere Kultur bedrängt, und durch eine andere ersetzt werden soll.
Europa muss aufpassen, dass wir bei den ganzen Vereinigungsbemühungen (EG), nicht unsere Eigenständigkeiten verlieren, und uns entgegen den Bemühungen weiter voneinander entfernen.
Andere warten nur darauf, Europa den „Waren Glauben“ zu bringen und unseren Kulturkreis unter das Schwert des Allmächtigen zu stellen.
Das Alles soll aber nicht bedeuten das Veränderung und Erneuerung generell schlecht sei.
So lange es demokratisch und selbsbestimmt vorangeht, gerne.
Falsche Kompromissbereitschaft - Die „Schwäche“ der Hochkulturen?
Lange habe ich mich gefragt, wieso und wie, sind große Kulturen wie die Sumerer, Perser, Ägypter, Griechen, Römer, Osmanen uva. untergegangen?
Sie alle haben eines gemeinsam:
Sie wurden angesichts ihrer Macht und daraus resultierenden, überheblichen Großzügigkeit das Opfer einer falsch verstanden Toleranz gegenüber Andersdenkenden!!!
Die gleiche Überheblichkeit kannst Du heute bei unserer abendländischen Kultur feststellen!! X(
eigentlich reicht ein wort: dekadenz.
bernhard44
02.12.2007, 20:47
eigentlich reicht ein wort: dekadenz.
aber wer ist hier dekadent? Der Manager und der Hartz IV Empfänger, der Politiker und auch sein Redenschreiber? Der General und seine Soldaten....................oder sind es nur die Eliten, sind die Ossis nach der Wiedervereinigung plötzlich alle dekadent........?
dekadenz wir nicht auf individuen angewendet.
bernhard44
02.12.2007, 20:59
dekadenz wir nicht auf individuen angewendet.
bei der Beschreibung das gesellschaftlichen Verfalls sicher, doch zum beschreiben des Verhaltens von Personen mit Vorbildfunktion, also Personen des öffentlichen Lebens (Promis), Medienstars usw. sehr wohl!
ja, kann man machen.
aber eigentlich ist dekadenz ein ausdruck aus der staatstheorie.
sorry: du weisst ja, ich bin da etwas pingelig.
bernhard44
02.12.2007, 21:05
ja, kann man machen.
aber eigentlich ist dekadenz ein ausdruck aus der staatstheorie.
sorry: du weisst ja, ich bin da etwas pingelig.
mit dir "streite" ich doch gerne, hab auch schon das eine oder andere gelernt!
der begriff taucht in der griechischen philosophie erstmals auf und wurde später oft auf die letzte phase des römischen reiches gemünzt.
das wort selbst ist lateinischen ursprungs.
etwas platt gesagt, fängt die dekadenz eines staatsgebildes da an, wo die weiterentwicklung aufhört.
etwas problematisch ist die vorliebe aller kulturpessimisten für diesen begriff.
Ausonius
02.12.2007, 21:22
Lange habe ich mich gefragt, wieso und wie, sind große Kulturen wie die Sumerer, Perser, Ägypter, Griechen, Römer, Osmanen uva. untergegangen? Wo sie doch hochgerüstet und technologisch überlegen, militärisch nie entscheidend besiegt worden.
Na ja. Die Griechen und auch die Perser sind ja z.B. komplett militärisch besiegt worden; auch das Osmanische Reich musste deftige Niederlagen hinnehmen, bei den Römern sieht es mal ein bißchen anders aus.
Ihr Untergang ging einher mit Selbstüberschätzung, Ignoranz, Dekadenz und Werteverlust.
Ja, ja, die vielbeschworene Dekadenz, der "deus ex machina" bei allen Niedergangsszenarien. Dabei ist es schon schwierig, "Dekadenz" überhaupt zu definieren - erstmal heißt es im Wortsinn nur Niedergang. Im Detail sieht es dann oft anders aus: als längst alle antiken griechischen Staaten verschwunden waren, ging es der hellenistischen Kultur weiter blendend und sie bewahrte ihre Eigenständigkeit. Im spätantiken weströmischen Reich ging es sittenstrenger und besser organisiert (von der letzten Niedergangsphase ab dem späten 4. Jahrhundert mal abgesehen) zu als in der Expansionsphase der mittleren Kaiserzeit.
versuchte man mit Kompromissen und Zugeständnissen die eindringenden Völkerschaften ruhig zu stellen. Bot ihnen sogar Privilegien und Mitbestimmung an (Rom).
Und deswegen funktionierte das römische Reich so lange so gut. Und blieb auch noch nach dem Untergang des weströmischen Reiches - der vor allem auf staatlicher Instabilität und den Machtinteressen der germanischen Adelsfamilien beruhte - noch über Jahrhunderte das Reichsideal.
Sobald aber die Mischung nicht mehr stimmte und sich Subkulturen bildeten, war das der Anfang vom Ende. Die eingedrungenen, fremden Einflüsse begannen die bestehende Gesellschaft zu verändern und zu dominieren.
Nicht zwingend. Viele Großreiche umfassten für große Teile ihrer Existenzspanne "Subkulturen" - man denke z.B. an die Juden im römischen Reich, oder ebenso die Kelten in Wales, oder Kosaken und Tataren in Russland, die sich über Jahrhunderte ihre kulturelle Identität bewahrten. Kulturelle Konflikte blieben freilich nicht aus, waren aber auch nicht immer existenzbedrohlich.
Die Eliten der Gesellschaft waren auch dort unfähig, die Gefahren zu erkennen, weil sie selbstherrlich, satt und träge sich gegenseitig mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen blockierten, bzw. sich zurückzogen.
Das ist hingegen ein Teilfaktor, den ich für legitim halte; die persönliche Führerschaft war in der Antike und im Mittelalter von enormer Bedeutung, aber unterschiedlich ausgeprägt. Immerhin konnte das römische Reich auch solche Vollpfosten wie Caligula und Nero + Entourage absorbieren, oder das Merowingerreich hielt sich fast 250 Jahre, obwohl die Mehrzahl der Könige intrigant und unfähig waren; umgekehrt gab es aber gerade auch in Krisenzeiten tatkräftige und tüchtige Männer, die einfach kein Glück hatten. So kommt die Geschichtswissenschaft bei den meisten der zahlreiche, oft nur ein oder zwei Jahre herrschenden Soldatenkaiser in den Wirren des 3. Jahrhunderts zu einem eher positiven Urteil.
Mal ein weiteres Gegenbeispiel: Das deutsche Kaiserreich (das ab 1870) war ohne Frage einer der leistungsfähigsten deutschen Staaten, unabhängig davon, was man politisch davon hält. Niemand würde behaupten, es wäre untergegangen wegen einer nebulösen "Dekadenz" oder weil die Eliten zu unfähig gewesen seien - es wurden doch eher politische Fehler gemacht.
So konnte es geschehen, dass die Gesellschaften von innen korrodierten und langsam zerfielen. Die fremden Einflüsse konnten sich durchsetzen und Schritt für Schritt die alten Strukturen ab/auflösen.
Götter wurden ausgetauscht, neue Religionen übergestülpt. Bestehende Rechtsordnungen wurden verändert und angepasst. Sitten, Gebräuche und Traditionen wurden verdrängt und durch andere ersetzt.
O je, das ist aber ein zutiefst konservativ-kulturpessimistischer Standpunkt, bei dem völlig unter den Tisch fällt, dass das Neue häufig auch fortschrittlicher war.
Außerdem gilt eben auch, dass einige Hochkulturen einzig und allein von außen zerstört wurden. Bei Großreichen kommt noch das Problem dazu, die zunächst fremden, besiegten Völkerschaften zu verwalten und befrieden. Je nach Stärke und Exzellenz der Organisation gelang das gut (Römisches Reich, lange Zeit Osmanisches Reich oder auch Österreich-Ungarn) oder schlecht (Mongolenreich, Deutsches Reich => Italien).
Den Hochkulturen fehlten einfach die Kraft, der Mut, der Wille und auch die Leidensfähigkeit sich gegen den Zerfall zu wehren.
Eine "werteorientierte" Sichtweise; es liegt aber nicht immer allein an den Einstellungen und Tugenden der Menschen, ob ein Staat lebt oder stirbt. Wirtschaftliche und klimatische Krisen, Kriege, Fehler im politischen System und der Verfassung usw. tragen eben auch zu Niedergangserscheinungen bei. Und die schwerste Aufgabe ist wohl, "den Mangel zu verwalten."
Zurzeit haben wir wahrscheinlich wieder so einen Zeitpunkt erreicht, wo unsere Kultur bedrängt, und durch eine andere ersetzt werden soll.
Diesen Tenor habe ich befürchtet, und möchte es auch nicht zu arg ausweiten. Nur zwei Bemerkungen:
1. Nicht immer die heutige politische Meinung als Folie zur Erklärung des Vergangenen nehmen, sondern - so begrenzt uns das möglich ist - die ehemaligen Hochkulturen aus sich selbst heraus zu verstehen.
2. Ein Fehler der Konservativen in den westlichen Demokratien ist häufig, dass sie sich für die alleinigen Kulturträger halten; diese Arroganz ist zu bedauern und ignoriert die Leistungen der Liberalen und Linken. Und für mich persönlich auch unverständlich, denn ich begrüße auch konservativen Intellektualismus, würde mir sogar mehr davon wünschen, damit man nicht über Kroppzeug der Marke Hahne, Herman oder Diekmann debattieren müsste.
Europa muss aufpassen, dass wir bei den ganzen Vereinigungsbemühungen (EG), nicht unsere Eigenständigkeiten verlieren, und uns entgegen den Bemühungen weiter voneinander entfernen.
Andere warten nur darauf, Europa den „Waren Glauben“ zu bringen und unseren Kulturkreis unter das Schwert des Allmächtigen zu stellen.
Das erste ist ein tatsächliches Problem - denn tatsächlich muss die EU bemüht sein, zwischen Unionsinteressen und kulturellen und nationalen Eigenständigkeiten zu vermitteln.
Was das zweite betrifft, so ist dem zuzustimmen - allerdings waren "wir" Europäer allzulange selbst mit dem "wahren Glauben" beschäftigt und leider "Gottes" ist er immer noch Teil der kulturellen Identitä Europas.
Schließlich aber darf man nicht vergessen, dass das Islamproblem - hochgepusht durch den 11. September 2001 - kein Neues ist und fast seit Beginn des Islams immer auch Muslime in Europa lebten.
bernhard44
02.12.2007, 21:28
@ Ausonius,
sehr schöner Beitrag, mit vielen Denkanstössen!
Klasse, es gibt sie doch noch die sachbezogenen Diskussionsbeiträge.
Wobei ich nicht umhinkomme, mich unter den gegebenen Umständen eher zu den Kulturpessimisten zu rechnen, was ja aus meinem Beitrag und deiner Erwiderung auch deutlich hervorgeht!
Klopperhorst
02.12.2007, 21:37
Warum sterben Menschen? Aus dem gleichen Grunde, aus dem auch Kulturen sterben.
DAMIT ETWAS NEUES ENTSTEHEN KANN.
---
Aldebaran
02.12.2007, 21:39
Falsche Kompromissbereitschaft - Die „Schwäche“ der Hochkulturen?
Lange habe ich mich gefragt, wieso und wie, sind große Kulturen wie die Sumerer, Perser, Ägypter, Griechen, Römer, Osmanen uva. untergegangen? Wo sie doch hochgerüstet und technologisch überlegen, militärisch nie entscheidend besiegt worden. ....
Das ist von Fall zu Fall zumindest oberflächlich sehr unterschiedlich. Das Osmanische Reich ist ganz sicher auch militärisch gescheitert. Allerdings stellt sich natürlich die Frage, warum es darauf nicht adäquat reagiert hat. Die Osmanen haben sich zwar um die Modernisierung der Armee auch durch ausländische Berater bemüht, aber wahrscheinlich ist eine moderne Armee in einer vormodernen Gesellschaft gar nicht möglich.
Ähnliches gilt für das erste Perserreich. Ohne Alexanders Zug wäre es wohl nciht so schnell untergegangen. Aber auch hier stellt sich die Frage, warum die Perser trotz ihrer Erfahrungen mit den Griechen nie in der Lage waren, qualitativ ähnliche Truppen aufzustellen. Ein persischer Hoplit wäre wohl mit der persischen Kultur und Gesellschaftsordnung unvereinbar gewesen.
Im Fall des Römischen Reiches war es wohl die "Germanisierung" des Militärs. Zunächst haben die germanischen Soldaten zwar noch das Reich gegen ihresgleichen verteidigt, doch war das eine Scheinlösung, die nur das Siechtum verlängerte. Am Ende wurde der letzte weströmische Kaiser von einem germanischen General nach Hause geschickt. Die Römer trösteten sich damit, dass das Reich theoretisch noch existierte, die germanischen Könige vom Kaiser im Osten immer noch Titel verliehen bekamen und die Kirche weitgehend unangetastet blieb. Vor allem natürlich blieben die Besitzverhältnisse weitgehend bestehen.
Es ist schwer, da ein System zu erkennen.
Walter Hofer
02.12.2007, 21:43
Warum sterben Menschen?
weil bei etwa 140 Jahre alle biologischen Organe "hingeärmelt" sind.
Aus dem gleichen Grunde, aus dem auch Kulturen sterben.
DAMIT ETWAS NEUES ENTSTEHEN KANN.
Quatsch, ich sterbe privat nicht, damit was Neues entstehen kann. :))
Welche komischen Bücher habt ihr auf dem Nachttisch liegen?
bernhard44
02.12.2007, 21:43
Warum sterben Menschen? Aus dem gleichen Grunde, aus dem auch Kulturen sterben.
DAMIT ETWAS NEUES ENTSTEHEN KANN.
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ist etwas neues automatisch etwas besseres........? Ist die Entwicklung hin zu EURABIEN ein Fortschritt?
Ja ich weiss, hier muss man in anderen zeitlichen Dimensionen denken, was sind schon 60 Jahre...............
Klopperhorst
02.12.2007, 21:52
weil bei etwa 140 Jahre alle biologischen Organe "hingeärmelt" sind.
Quatsch, ich sterbe privat nicht, damit was Neues entstehen kann. :))
Welche komischen Bücher habt ihr auf dem Nachttisch liegen?
Das sind die physikalischen Ursachen, der Kausalnexus für den Verstand. Menschen, wie Kulturen sind nur Versuche, Experimente, die eine Lebenszeit haben, um ihr Schicksal zu verwirklichen.
Eine Kultur ist wie ein Organismus, der eine Kindheit, Jugend, Reife und ein Alter hat.
---
Walter Hofer
02.12.2007, 21:52
Wobei ich nicht umhinkomme, mich unter den gegebenen Umständen eher zu den Kulturpessimisten zu rechnen,***
Es gibt keinen Grund zum Kulturpessimismus! Wir stehen erst am Anfang der Epoche der Aufklärung und gehen den Weg des Empirismus und der Säkularisierung weiter. Das mögen fundamentalistische Anhänger von Religionen bedauern und verzweifelt bekämpfen, aber sie wird der Wind der Geschichte hinwegfegen.
Aldebaran
02.12.2007, 21:54
Warum sterben Menschen? Aus dem gleichen Grunde, aus dem auch Kulturen sterben.
DAMIT ETWAS NEUES ENTSTEHEN KANN.
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Kulturen können sich aber im Prinzip unbegrenzt fortentwickeln, Menschen nicht.
Überhaupt ist es fraglich, ob man bei Kulturen von einem "Untergang" sprechen kann. Das ist wohl eine graduelle Frage, die man nicht mit ja oder nein beantworten kann.
Wann ist die römische Zivilisation untergegangen? Das spätrömische Reich hatte ohnehin nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem Reich des Augustus. Die Religion war eine andere, das Bürgerrecht verallgemeinert, aber nicht mehr viel wert, Rom war nicht mehr der unangefochtene Mittelpunkt und wirtschaftlich ging es stetig bergab, wurde die Geldwirtschaft zunehmend durch Naturalwirtschaft und Arbeitsverpflichtungen ersetzt.
Wann ging das römische Reich endgültig unter? 1453 mit dem Tod des letzten "echten" römischen Kaisers? Gab es einen Bruch zum Mittelalter? Wurde das Ende vielleicht erst 1789 eingeläutet? Lebt es sogar fort in Gestalt des Papstes, dem Bischof von Rom?
Das andere Extrem wäre die indianische Kultur Mittelamerikas. Niemand würde da den Begriff "Untergang" bestreiten, wenn es auch noch einige Reste davon gibt.
Aldebaran
02.12.2007, 21:56
Es gibt keinen Grund zum Kulturpessimismus! Wir stehen erst am Anfang der Epoche der Aufklärung und gehen den Weg des Empirismus und der Säkularisierung weiter. Das mögen fundamentalistische Anhänger von Religionen bedauern und verzweifelt bekämpfen, aber sie wird der Wind der Geschichte hinwegfegen.
Es gibt ihn noch, den guten alten Fortschrittsglauben des 19. Jhs.
Ganz falsch finde ich die Ansicht nicht, nur dass ich nicht glaube, dass das eine zwangsläufige Entwicklung ist. Es ist durchaus möglich, dass wir es vermasseln.
Walter Hofer
02.12.2007, 21:56
Kulturen können sich aber im Prinzip unbegrenzt fortentwickeln, Menschen nicht.
Das wird sich in den nächsten 100 Jahren mit der pico-Technologie und der Gentechnik grundlegend ändern.
FranzKonz
02.12.2007, 21:57
bei der Beschreibung das gesellschaftlichen Verfalls sicher, doch zum beschreiben des Verhaltens von Personen mit Vorbildfunktion, also Personen des öffentlichen Lebens (Promis), Medienstars usw. sehr wohl!
Man fühlt sich selbst nicht gerne dekadent. ;)
Klopperhorst
02.12.2007, 22:00
Kulturen können sich aber im Prinzip unbegrenzt fortentwickeln, Menschen nicht.
....
Menschen auch, durch ihre Nachkommen, aber die sind schon etwas anderes. Alles, was entsteht, ist einem organischen Wesen gleich, das von Geburt bis Tod einer Entwicklung folgt. Nichts kann in ewiger Blüte stehen, alles muss vergehen. Die Ursachen dafür sind nicht entscheidend, entscheidend ist, daß alles aus dem schöpferischen Urgrund der Welt kommt und dahinein zurück fällt. Das ist Metaphysik, die nie ein Wissenschaftler verstehen kann, denn er sieht nur Ursachen und Wirkungen ... und mag von ewiger Kultur faseln und dergleichen mehr.
---
Walter Hofer
02.12.2007, 22:00
Es gibt ihn noch, den guten alten Fortschrittsglauben des 19. Jhs.
Neugier ist ein nicht zu unterschätzender Antrieb.
Ganz falsch finde ich die Ansicht nicht, nur dass ich nicht glaube, dass das eine zwangsläufige Entwicklung ist. Es ist durchaus möglich, dass wir es vermasseln.
Natürlich wird es weitere Krisen geben, aber insgesamt sind unsere abendländischen Gesellschaftssysteme elastischer und wandelfähiger als manche vermuten.
bernhard44
02.12.2007, 22:01
Man fühlt sich selbst nicht gerne dekadent. ;)
ja, deshalb ist man ja auch gern unter sich!:]
Ich bin zwar kein Pessimist, aber ich glaube, daß wir in der Entwicklung in Europa an einen Scheideweg kommen. Ein muslimisch beherrschtes Europa ist zumindestens in einigen Jahrzehnten denkbar. Dies kann dann durchaus mit der mittelalterlichen Barbarei nach dem Untergang des römischen Reiches verglichen werden. Dies muß nicht passieren, derzeit bewegen wir uns aber aufgrund einer falschen Toleranz darauf hin.
Aldebaran
02.12.2007, 22:18
Und deswegen funktionierte das römische Reich so lange so gut. Und blieb auch noch nach dem Untergang des weströmischen Reiches - der vor allem auf staatlicher Instabilität und den Machtinteressen der germanischen Adelsfamilien beruhte - noch über Jahrhunderte das Reichsideal.
Die Geschichte des frühen Mittelalters zeigt aber, dass dieses Ideal nicht zu den Germanen passte. Erst die "Feudalisierung" nach dem Niedergang des Frankenreiches ließ z.B. das Abendland militärisch die Oberhand über den Islam gewinnen. Überhaupt setzte ziemlich genau um das Jahr 1000 herum ein enormer Aufschwung auf allen Gebieten in Europa ein.
Nicht zwingend. Viele Großreiche umfassten für große Teile ihrer Existenzspanne "Subkulturen" - man denke z.B. an die Juden im römischen Reich, oder ebenso die Kelten in Wales, oder Kosaken und Tataren in Russland, die sich über Jahrhunderte ihre kulturelle Identität bewahrten. Kulturelle Konflikte blieben freilich nicht aus, waren aber auch nicht immer existenzbedrohlich.
Aber nur, solange diese Subkulturen die "Oberhoheit" der "Leitkultur" anerkannten. Die Juden hatten ja bekanntlich ihre Probleme damit und dafür einen hohen Preis bezahlt.
Das ist hingegen ein Teilfaktor, den ich für legitim halte; die persönliche Führerschaft war in der Antike und im Mittelalter von enormer Bedeutung, aber unterschiedlich ausgeprägt. Immerhin konnte das römische Reich auch solche Vollpfosten wie Caligula und Nero + Entourage absorbieren, oder das Merowingerreich hielt sich fast 250 Jahre, obwohl die Mehrzahl der Könige intrigant und unfähig waren; umgekehrt gab es aber gerade auch in Krisenzeiten tatkräftige und tüchtige Männer, die einfach kein Glück hatten. So kommt die Geschichtswissenschaft bei den meisten der zahlreiche, oft nur ein oder zwei Jahre herrschenden Soldatenkaiser in den Wirren des 3. Jahrhunderts zu einem eher positiven Urteil.
Das hängt auch davon ab, inweiweit die Umgebung solche Schwächen ausnutzt. Die endlosen Diadochenkämpfe nach dem Tod Alexanders hätten ja ein Anlass für die unterworfenen Völker sein können, sich zu lösen. Auch später waren die Griechen nur eine kleine Minderheit. Dergleichen ist aber kaum versucht worden. Auch hier scheinen die Juden die große Ausnahme gewesen zu sein, die sich ja mit zwischenzeitlich großem Erfolg gegen die Seleukiden erhoben.
Eine "werteorientierte" Sichtweise; es liegt aber nicht immer allein an den Einstellungen und Tugenden der Menschen, ob ein Staat lebt oder stirbt. Wirtschaftliche und klimatische Krisen, Kriege, Fehler im politischen System und der Verfassung usw. tragen eben auch zu Niedergangserscheinungen bei. Und die schwerste Aufgabe ist wohl, "den Mangel zu verwalten."
Die Frage ist aber doch, warum eine Häufung von Fehlentscheidungen zustande kommen kann. Das spätrömische Reich ging den Weg in den Militär- und Zwangsstaat. Gab es wirklich keine Alternative?
Schließlich aber darf man nicht vergessen, dass das Islamproblem - hochgepusht durch den 11. September 2001 - kein Neues ist und fast seit Beginn des Islams immer auch Muslime in Europa lebten.
Die Anwesenheit des Islam in Europa gründete aber immer auf militärischen Eroberungen und führte zu ähnlichen Gegenreaktionen. Die Erfahrungen mit dem "Zusammenleben" sind insgesamt katastrophal. Langfristig scheint es so, dass es "nur einen geben kann" - auf ein Land bezogen.
bernhard44
02.12.2007, 22:21
so stelle ich mir Diskussion vor! :top:
Aldebaran
02.12.2007, 22:24
Menschen auch, durch ihre Nachkommen, aber die sind schon etwas anderes. Alles, was entsteht, ist einem organischen Wesen gleich, das von Geburt bis Tod einer Entwicklung folgt. Nichts kann in ewiger Blüte stehen, alles muss vergehen. Die Ursachen dafür sind nicht entscheidend, entscheidend ist, daß alles aus dem schöpferischen Urgrund der Welt kommt und dahinein zurück fällt. Das ist Metaphysik, die nie ein Wissenschaftler verstehen kann, denn er sieht nur Ursachen und Wirkungen ... und mag von ewiger Kultur faseln und dergleichen mehr.
---
Ja, aber es bleibt das Abgrenzungsproblem. Bei einem Menschen oder einem Stern kann ich den Tod bzw. das Ende der nuklearen Energieumwandlung eindeutig feststellen, aber wie ist es bei einer Kultur?
Aldebaran
02.12.2007, 22:27
so stelle ich mir Diskussion vor! :top:
Ich hoffe mal, dass es weitergeht.
:nacht:
Interessantes Thema!
Nun, zu Europa. Europa ist im hellenisch judäo - christlicher Kulturkreis, kurz das Abendland, nicht mehr Zentrum. Seit Auflösung der Kolonialreiche hat Europa als Zentrum die Bedeutung verloren.
Einwanderer/Zuzügler aus anderen Kulturkreisen können nicht mehr integriert werden.
Das ist die erste Stufe der Auflösung einer Kultur.
Nun, das Zentrum ist noch intakt, und selbst Lateinamerika mit der starken römisch-katholischen Kirche ist trotz indigener und negroider Bevölkerung ein stärkeres Bollwerk des Kulturkreises als das degenerierte Europa.
MfG
mabac
Ausonius
03.12.2007, 17:53
Ich hoffe mal, dass es weitergeht.
Weiter gehts!
Die Geschichte des frühen Mittelalters zeigt aber, dass dieses Ideal nicht zu den Germanen passte. Erst die "Feudalisierung" nach dem Niedergang des Frankenreiches ließ z.B. das Abendland militärisch die Oberhand über den Islam gewinnen. Überhaupt setzte ziemlich genau um das Jahr 1000 herum ein enormer Aufschwung auf allen Gebieten in Europa ein.
Ich würde es eher so sehen, dass die ursprüngliche Gentilordnung in den meisten germanischen Königreichen keine gute Grundlage für Reichsbildung und Verwaltung bildete. Weil es nicht gelang, eine Bindung zwischen der germanischen Herrscherschicht und den fremden Untertanen zu bilden, konnten viele der germanischen Königreich durch gezielte Feldzüge in wenigen Jahren zerstört werden (Vandalen, Westgoten, Sueben, Ostgoten). Wenn du den Aufschwung erst um 1000 einsetzen lässt, unterschlägst du natürlich die sehr erfolgreiche Phase der Karolinger, wobei Karl der Große natürlich ohne Frage der "Urahn" des späteren Deutschen Reiches ist, auch wenn es um 900 fast schon wieder zu zerfallen drohte.
Aber nur, solange diese Subkulturen die "Oberhoheit" der "Leitkultur" anerkannten. Die Juden hatten ja bekanntlich ihre Probleme damit und dafür einen hohen Preis bezahlt.
Ich denke, es gehört mehr dazu als eine "Leitkultur"- wie schon im ersten Post dargelegt, sollte man den Aufstieg und Zerfall der Reiche nicht allein an der Kultur festmachen, die nur eine der Säulen eines Staates bildete. Es gab Reiche, bei denen die Oberschichten kaum eigene "Kultur" schufen und sich sogar gegenüber ihren fremdethnischen Untertanen assimilierten - das prominenteste Beispiel dafür dürfte die Keimzelle Russlands, das Reich der Kiewer Rus sein. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde die normannische Oberschicht "slawisiert", die Annahme des Christentums tat ihr übriges, um die Ursprungskultur völlig zu verändern. Natürlich gab es auch Großreiche und Hochkulturen mit einer sehr starken "Leitkultur" - in gewisser Weise das römische Reich, dass aber auch sehr stark "nichtrömische" Einflüsse zulässt, besonders aber auch die hellenistischen Diadochenstaaten, obgleich diese oft politisch schwach waren.
Das hängt auch davon ab, inweiweit die Umgebung solche Schwächen ausnutzt. Die endlosen Diadochenkämpfe nach dem Tod Alexanders hätten ja ein Anlass für die unterworfenen Völker sein können, sich zu lösen. Auch später waren die Griechen nur eine kleine Minderheit. Dergleichen ist aber kaum versucht worden. Auch hier scheinen die Juden die große Ausnahme gewesen zu sein, die sich ja mit zwischenzeitlich großem Erfolg gegen die Seleukiden erhoben.
Ja, das stimmt; wie oben bereits dargelegt, behielt die griechisch-hellenistische Kultur ihren großen Einfluss. Allerdings gab es sehr wohl eine Reihe von Sezessionen und neuen Reichsbildungen auf dem Gebiet der Diadochenstaaten - der Osten (Baktrien) ging ja rasch völlig verloren, dazu gab es die vielen kleinen Reiche in Ostanatolien und dem Zweistromland (Kelten, Kommagene, Armenien etc.). Dennoch waren auch diese kulturell oft an den "Griechen" orientiert.
Die Frage ist aber doch, warum eine Häufung von Fehlentscheidungen zustande kommen kann. Das spätrömische Reich ging den Weg in den Militär- und Zwangsstaat. Gab es wirklich keine Alternative?
Eine spannende Frage; sicher ist, dass die diokletianischen Reformen noch einmal zur letzten Blüte des Gesamtreiches führten. Die Frage des Zwangsstaates ist heute heiß umstritten; unbestritten ist die Vergrößerung, vermutlich Verdopplung des Heeres. Es war aber wohl der zentrale Pfeiler der Reform, der schon nach wenigen Jahren scheiterte: die Tetrarchie. Denn das Kaisertum auf mehrere Schultern zu verteilen und gleichzeitig das dynastische Prinzip wenn nicht gänzlich abzuschaffen, so doch aufzuheben, war wohl Diokletians innovativste Idee - die sich am beeindruckendsten in seiner freiwilligen Abdankung 305 dokumentiert. Hier hätte meiner Meinung nach die von dir nachgefragte Alternative gelegen: das sich das Kaisertum letztlich zu einer Oligarchie, einer Art "Aristokratenrepublik" gewandelt hätte. Denn für das Reich am schädlichsten waren sicherlich die endlosen Bürgerkriege, die sich bis ans Ende Westroms hinzogen. Dabei stellt die Alleinstellung des Kaiser ein großes Problem dar - nicht nur wegen der Gefahr der Despotie, sondern weil sich der jeweilige Amtsinhaber in ständiger Lebensgefahr gegenüber Usurpatoren befand.
Die Anwesenheit des Islam in Europa gründete aber immer auf militärischen Eroberungen und führte zu ähnlichen Gegenreaktionen.
Das ist richtig - und es ist berechtigt zu fragen, warum sich der Islam genausowenig friedlich in Europa durchsetzte wie umgekehrt später das Christentum in den islamisierten oder kernislamischen Gebieten Vorderasiens und Nordafrikas. Zu berücksichtigen sind allerdings auch die Phasen relativ friedlicher Koexistenz zwischen den Religionen, im Kalifat Cordoba etwa, auf Sizilien, und selbst auf dem Balkan.
Die Erfahrungen mit dem "Zusammenleben" sind insgesamt katastrophal. Langfristig scheint es so, dass es "nur einen geben kann" - auf ein Land bezogen.
In dieser Härte würde ich es nicht sehen - selbst in den Kreuzfahrerstaaten gab es lange Phasen der Koexistenz. Aber es ist natürlich festzustellen, dass durch die islamischen Eroberungen im Frühmittelalter eine Grenze mitten durch einen uralten Kulturraum gezogen wurde. Denn nicht "Europa" stand am Beginn dessen, was "abendländische Zivilisation" genannt wurde, sondern der mediterrane Kulturraum - und grundsätzlich entwickelte sich bei allen unzähligen Kriegen, aufsteigenden und zerfallenden Reichen rund ums Mittelmeer eine ähnliche, städtisch geprägte Kultur.
Aldebaran
04.12.2007, 00:18
Ich würde es eher so sehen, dass die ursprüngliche Gentilordnung in den meisten germanischen Königreichen keine gute Grundlage für Reichsbildung und Verwaltung bildete. Weil es nicht gelang, eine Bindung zwischen der germanischen Herrscherschicht und den fremden Untertanen zu bilden, konnten viele der germanischen Königreich durch gezielte Feldzüge in wenigen Jahren zerstört werden (Vandalen, Westgoten, Sueben, Ostgoten). Wenn du den Aufschwung erst um 1000 einsetzen lässt, unterschlägst du natürlich die sehr erfolgreiche Phase der Karolinger, wobei Karl der Große natürlich ohne Frage der "Urahn" des späteren Deutschen Reiches ist, auch wenn es um 900 fast schon wieder zu zerfallen drohte.
Diese geringe Bindung war m.E. eine Folge der zuvor eingetretenen Entfremdung selbst der Mittelschichten vom Reich. Diese konnten die Germanen ausnutzen, da die Bevölkerung ihre Herrschaft nicht als Verschlechterung, sondern in einigen Fällenn sogar eher als Erleichterung ansahen gegenüber den vorigen Verhältnissen. Man könnte auch sagen, dass diese Entfremdung die Voraussetzung für die germanische Herrschaft war, denn bei allen militärischen Tugenden wäre die Beherrschung einer wohl um Größenordnungen zahlenmäßig überlegenen Bevölkerung kaum möglich gewesen.
Ähnliches gilt übrigens auch für die arabische Eroberung der oströmischen Provinzen im Nahen Osten und Nordafrika.
Die Germanen waren allerdings von ihrer Prägung her lieber Gefolgsleute als Beamte. Das römische Staatsmodell lag ihnen einfach nicht. Erst im "zweiten Anlauf", also im Spätmittelalter und in der FNZ setzte es sich mehr oder weniger durch.
Ob das Karolingerreich mehr in die Vergangenheit als in die Zukunft weist, kann ich selbst nicht sagen.
Ein wichtiger allgemeiner Gesichtspunkt folgt aber aus diesen Überlegungen: Ein Imperium und auch eine "Kultur" können nur existieren, wenn sich ein genügend großer Teil der Bevölkerung damit identifiziert. Das war wahrscheinlich die große Stärke der griechischen Kultur. Die Masse der Bevölkerung des römischen Reiches betrachtete dessen "Untergang" wohl ähnlich gleichgültig wie die der Sowjetunion, für deren Weiterbestehen schließlich auch niemand mehr eintreten wollte - von dem unsäglichen "Putsch" gegen Gorbatschow abgesehen.
Ich denke, es gehört mehr dazu als eine "Leitkultur"- wie schon im ersten Post dargelegt, sollte man den Aufstieg und Zerfall der Reiche nicht allein an der Kultur festmachen, die nur eine der Säulen eines Staates bildete. Es gab Reiche, bei denen die Oberschichten kaum eigene "Kultur" schufen und sich sogar gegenüber ihren fremdethnischen Untertanen assimilierten - das prominenteste Beispiel dafür dürfte die Keimzelle Russlands, das Reich der Kiewer Rus sein. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde die normannische Oberschicht "slawisiert", die Annahme des Christentums tat ihr übriges, um die Ursprungskultur völlig zu verändern. Natürlich gab es auch Großreiche und Hochkulturen mit einer sehr starken "Leitkultur" - in gewisser Weise das römische Reich, dass aber auch sehr stark "nichtrömische" Einflüsse zulässt, besonders aber auch die hellenistischen Diadochenstaaten, obgleich diese oft politisch schwach waren.
Aber die Reiche ohne "Leitkultur" waren kurzlebig und hinterließen wenig wie das persische Reich oder das der Mongolen.
In diesem Sinne wäre ein erfolgreiches Großreich auch an seinen dauerhaften Nachwirkungen zu messen. Das Römische schneidet da nicht schlecht ab (romanische Sprachen, katholische Kirche, römisches Recht). Sehr erfolgreich waren dann auch die Araber und Spanier.
Ja, das stimmt; wie oben bereits dargelegt, behielt die griechisch-hellenistische Kultur ihren großen Einfluss. Allerdings gab es sehr wohl eine Reihe von Sezessionen und neuen Reichsbildungen auf dem Gebiet der Diadochenstaaten - der Osten (Baktrien) ging ja rasch völlig verloren, dazu gab es die vielen kleinen Reiche in Ostanatolien und dem Zweistromland (Kelten, Kommagene, Armenien etc.). Dennoch waren auch diese kulturell oft an den "Griechen" orientiert.
Eben. Zumindest im Fall Baktriens waren auch ethnische Griechen und Makedonen maßgeblich an der Abspaltung beteiligt.
Es gab kein babylonisches oder ägyptisches "revival" mehr. Diese Kulturen waren wohl "ausgebrannt".
Eine spannende Frage; sicher ist, dass die diokletianischen Reformen noch einmal zur letzten Blüte des Gesamtreiches führten. Die Frage des Zwangsstaates ist heute heiß umstritten; unbestritten ist die Vergrößerung, vermutlich Verdopplung des Heeres. Es war aber wohl der zentrale Pfeiler der Reform, der schon nach wenigen Jahren scheiterte: die Tetrarchie. Denn das Kaisertum auf mehrere Schultern zu verteilen und gleichzeitig das dynastische Prinzip wenn nicht gänzlich abzuschaffen, so doch aufzuheben, war wohl Diokletians innovativste Idee - die sich am beeindruckendsten in seiner freiwilligen Abdankung 305 dokumentiert. Hier hätte meiner Meinung nach die von dir nachgefragte Alternative gelegen: das sich das Kaisertum letztlich zu einer Oligarchie, einer Art "Aristokratenrepublik" gewandelt hätte. Denn für das Reich am schädlichsten waren sicherlich die endlosen Bürgerkriege, die sich bis ans Ende Westroms hinzogen. Dabei stellt die Alleinstellung des Kaiser ein großes Problem dar - nicht nur wegen der Gefahr der Despotie, sondern weil sich der jeweilige Amtsinhaber in ständiger Lebensgefahr gegenüber Usurpatoren befand.
Für mich steht schon das Interesse der Bevölkerung im Vordergrund. Mit den Diokletianischen Reformen hat man den kurzfristig einleuchtenden, langfristig aber "tödlichen" Weg beschritten. So etwas wie eine "Föderalisierung" wurde unmöglich, ein "Reichspatriotismus" entwickelte sich nicht oder bildete sich sogar zurück.
Auch daraus kann man einen allgemeinen Schluss ziehen: Gefährlich ist eine einseitige Sorge um das Funktionieren der Institutionen, ohne die gesellschaftlichen, demographischen und wirtschaftlichen Grundlagen zu beachten.
Das ist richtig - und es ist berechtigt zu fragen, warum sich der Islam genausowenig friedlich in Europa durchsetzte wie umgekehrt später das Christentum in den islamisierten oder kernislamischen Gebieten Vorderasiens und Nordafrikas. Zu berücksichtigen sind allerdings auch die Phasen relativ friedlicher Koexistenz zwischen den Religionen, im Kalifat Cordoba etwa, auf Sizilien, und selbst auf dem Balkan.
Man kann natürlich nicht immer Krieg führen. Die Kriege zwischen Islam und Christentum in Europa gehörten aber zweifellos zu den blutigsten. In den Türkenkriegen wurden z.B. bis ins 18. Jh. selten Gefangenen gemacht und an der ungarischen Grenze herrschte von 1526 an praktisch ein permanenter Kriegzustand. Die "Erfolgsperiode" in Spanien währte relativ kurz (Omajadenkalifat). Die Herrschaften der Almoraviden und Almohaden waren kein Ruhmesblatt der islamischen Zivilisation mehr. Außerdem muss man bedenken, dass der größte Teil der islamischen "Angriffswucht" von den Byzantinern und nicht den Lateinern abgewehrt worden ist - die arabische Belagerung von Konstantinopel 723 war sicher eine der größten militärischen Katatstrophen der Weltgeschichte.
In dieser Härte würde ich es nicht sehen - selbst in den Kreuzfahrerstaaten gab es lange Phasen der Koexistenz. Aber es ist natürlich festzustellen, dass durch die islamischen Eroberungen im Frühmittelalter eine Grenze mitten durch einen uralten Kulturraum gezogen wurde. Denn nicht "Europa" stand am Beginn dessen, was "abendländische Zivilisation" genannt wurde, sondern der mediterrane Kulturraum - und grundsätzlich entwickelte sich bei allen unzähligen Kriegen, aufsteigenden und zerfallenden Reichen rund ums Mittelmeer eine ähnliche, städtisch geprägte Kultur.
Das ist wirklich schwer zu sagen, ob das Aufkommen des Islam dem lateinischen Europa langfristig geschadet oder genutzt hat. Wenn es genutzt hat, dann aber eher als Herausforderung und weniger durch den Austausch.
aber wer ist hier dekadent? Der Manager und der Hartz IV Empfänger, der Politiker und auch sein Redenschreiber? Der General und seine Soldaten....................oder sind es nur die Eliten, sind die Ossis nach der Wiedervereinigung plötzlich alle dekadent........?
Dekadent sind eindeutig die eigenen Politiker. Ihre Dekadenz besteht darin, die Eigeninteressen des Volkes nicht mehr zu achten und zu verteidigen. An deren Stelle setzen sie einfach ihre subjektiven Wertvorstellungen. Da aber alle Völker sich immer in einer Konkurrenz zueinander befinden (auch wenn das eben von der Dekandenz geleugnet wird), wird die eigene Kultur auf diese Weise verdrängt.
Bei den Römern z.B. war die Situation allerdings anders. Ihre kulturelle Überlegenheit ermöglichte ihnen ein angenehmeres Leben. Das führte zu einem Verfall der Sitten, der "mores majorum", wie z.B. Sallust in seiner "Die Verschwörung des Catilina" beklagt.
Die Römer waren, trotz überlegener Kriegsstategie, verweichlicht, so daß sie im Westen tatsächlich miltitärisch den Germanen unterlagen. Dazu kam, daß sich das Riesenreich nicht mehr verwalten und kontrollieren ließ, was letztlich zur Spaltung von West- und Ostrom führte.
Jodlerkönig
04.12.2007, 07:40
aber wer ist hier dekadent? Der Manager und der Hartz IV Empfänger, der Politiker und auch sein Redenschreiber? Der General und seine Soldaten....................oder sind es nur die Eliten, sind die Ossis nach der Wiedervereinigung plötzlich alle dekadent........?dekadent sind vor allen dingen, die die sich ihr leben nicht selbst verdienen müssen und von hilfen anderer leben oder die, die mit wenig arbeit (künstler,schauspieler) an eine menge geld gekommen sind.
wenn ich schon so einen blödmann wie campino politisch reden höre, drückst mir das essen wieder hoch.......sein quatschen von wir lieben uns alle, ist sowas von realitätsfern, daß es kracht.
dekadenz, versnoppung und der glaube, alle probleme der welt mit nächstenliebe, diskussion lösen zu können, führt zum untergang von hochkulturen.
Ausonius
04.12.2007, 21:36
dekadent sind vor allen dingen, die die sich ihr leben nicht selbst verdienen müssen und von hilfen anderer leben oder die, die mit wenig arbeit (künstler,schauspieler) an eine menge geld gekommen sind.
Tja, kann halt nicht nur nach DIN-Norm eingepasste BWLer und Ingenieure geben...
Alfredos
04.12.2007, 22:02
Falsche Kompromissbereitschaft - Die „Schwäche“ der Hochkulturen?
Lange habe ich mich gefragt, wieso und wie, sind große Kulturen wie die Sumerer, Perser, Ägypter, Griechen, Römer, Osmanen uva. untergegangen? Wo sie doch hochgerüstet und technologisch überlegen, militärisch nie entscheidend besiegt worden. Ursachen gibt es viele, einige sind sicher auch folgende Szenarien.
Ihr Untergang ging einher mit Selbstüberschätzung, Ignoranz, Dekadenz und Werteverlust. Um Druck von aussen zu nehmen, versuchte man mit Kompromissen und Zugeständnissen die eindringenden Völkerschaften ruhig zu stellen. Bot ihnen sogar Privilegien und Mitbestimmung an (Rom).
Eine Befruchtung der Gesellschaft von aussen durch Annahme fremder Gebräuche und Sitten, Kulturgüter und Religionen, fand nur solange statt, wie diese Einflüsse die eigene Kultur bereicherten und nicht verdrängten und die jeweiligen Migranten in der bestehenden Kultur aufgingen.
Sobald aber die Mischung nicht mehr stimmte und sich Subkulturen bildeten, war das der Anfang vom Ende. Die eingedrungenen, fremden Einflüsse begannen die bestehende Gesellschaft zu verändern und zu dominieren.
Die Eliten der Gesellschaft waren auch dort unfähig, die Gefahren zu erkennen, weil sie selbstherrlich, satt und träge sich gegenseitig mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen blockierten, bzw. sich zurückzogen.
So konnte es geschehen, dass die Gesellschaften von innen korrodierten und langsam zerfielen. Die fremden Einflüsse konnten sich durchsetzen und Schritt für Schritt die alten Strukturen ab/auflösen.
Götter wurden ausgetauscht, neue Religionen übergestülpt. Bestehende Rechtsordnungen wurden verändert und angepasst. Sitten, Gebräuche und Traditionen wurden verdrängt und durch andere ersetzt.
Den Hochkulturen fehlten einfach die Kraft, der Mut, der Wille und auch die Leidensfähigkeit sich gegen den Zerfall zu wehren.
Teile der Führungsschicht arrangierten sich mit den neuen Mächtigen, andere zogen sich zurück. Manche wurden vertrieben, manche beseitigt.
So oder so ähnlich erging es bisher allen Hochkulturen und so wird es auch in Zukunft sein.
Zurzeit haben wir wahrscheinlich wieder so einen Zeitpunkt erreicht, wo unsere Kultur bedrängt, und durch eine andere ersetzt werden soll.
Europa muss aufpassen, dass wir bei den ganzen Vereinigungsbemühungen (EG), nicht unsere Eigenständigkeiten verlieren, und uns entgegen den Bemühungen weiter voneinander entfernen.
Andere warten nur darauf, Europa den „Waren Glauben“ zu bringen und unseren Kulturkreis unter das Schwert des Allmächtigen zu stellen.
Das Alles soll aber nicht bedeuten das Veränderung und Erneuerung generell schlecht sei.
So lange es demokratisch und selbsbestimmt vorangeht, gerne.
Weil sie keine Kompromisse eingingen sind sie untergegangen. Die Burgunder gingen stets Kompromisse ein und sind neben den Franken und einigen anderen Völker Eckpfeiler der europäischen Zivilisation.
Kenshin-Himura
04.12.2007, 22:17
Falsche Kompromissbereitschaft - Die „Schwäche“ der Hochkulturen?
Lange habe ich mich gefragt, wieso und wie, sind große Kulturen wie die Sumerer, Perser, Ägypter, Griechen, Römer, Osmanen uva. untergegangen? Wo sie doch hochgerüstet und technologisch überlegen, militärisch nie entscheidend besiegt worden. Ursachen gibt es viele, einige sind sicher auch folgende Szenarien.
Ihr Untergang ging einher mit Selbstüberschätzung, Ignoranz, Dekadenz und Werteverlust. Um Druck von aussen zu nehmen, versuchte man mit Kompromissen und Zugeständnissen die eindringenden Völkerschaften ruhig zu stellen. Bot ihnen sogar Privilegien und Mitbestimmung an (Rom).
Eine Befruchtung der Gesellschaft von aussen durch Annahme fremder Gebräuche und Sitten, Kulturgüter und Religionen, fand nur solange statt, wie diese Einflüsse die eigene Kultur bereicherten und nicht verdrängten und die jeweiligen Migranten in der bestehenden Kultur aufgingen.
Sobald aber die Mischung nicht mehr stimmte und sich Subkulturen bildeten, war das der Anfang vom Ende. Die eingedrungenen, fremden Einflüsse begannen die bestehende Gesellschaft zu verändern und zu dominieren.
Die Eliten der Gesellschaft waren auch dort unfähig, die Gefahren zu erkennen, weil sie selbstherrlich, satt und träge sich gegenseitig mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen blockierten, bzw. sich zurückzogen.
So konnte es geschehen, dass die Gesellschaften von innen korrodierten und langsam zerfielen. Die fremden Einflüsse konnten sich durchsetzen und Schritt für Schritt die alten Strukturen ab/auflösen.
Götter wurden ausgetauscht, neue Religionen übergestülpt. Bestehende Rechtsordnungen wurden verändert und angepasst. Sitten, Gebräuche und Traditionen wurden verdrängt und durch andere ersetzt.
Den Hochkulturen fehlten einfach die Kraft, der Mut, der Wille und auch die Leidensfähigkeit sich gegen den Zerfall zu wehren.
Teile der Führungsschicht arrangierten sich mit den neuen Mächtigen, andere zogen sich zurück. Manche wurden vertrieben, manche beseitigt.
So oder so ähnlich erging es bisher allen Hochkulturen und so wird es auch in Zukunft sein.
Zurzeit haben wir wahrscheinlich wieder so einen Zeitpunkt erreicht, wo unsere Kultur bedrängt, und durch eine andere ersetzt werden soll.
Europa muss aufpassen, dass wir bei den ganzen Vereinigungsbemühungen (EG), nicht unsere Eigenständigkeiten verlieren, und uns entgegen den Bemühungen weiter voneinander entfernen.
Andere warten nur darauf, Europa den „Waren Glauben“ zu bringen und unseren Kulturkreis unter das Schwert des Allmächtigen zu stellen.
Das Alles soll aber nicht bedeuten das Veränderung und Erneuerung generell schlecht sei.
So lange es demokratisch und selbsbestimmt vorangeht, gerne.
Ich denke auch, dass die Dekadenz da eine entscheidende Rolle spielt, wenn auch nicht die einzige. Sie führt zumindest zu einer Schwächung der Gesellschaft, wenn auch noch nicht zu ihrem Untergang.
Vielleicht hast du ja noch nicht von folgendem Buch zu diesem Thema gehört, ich will es demnächst lesen:
http://teutonika.de/meyerundmeyer/?p=65
Alfredos
04.12.2007, 22:46
Sie alle haben eines gemeinsam:
Sie wurden angesichts ihrer Macht und daraus resultierenden, überheblichen Großzügigkeit das Opfer einer falsch verstanden Toleranz gegenüber Andersdenkenden!!!
Die gleiche Überheblichkeit kannst Du heute bei unserer abendländischen Kultur feststellen!! X(
Du hast den Westen beschrieben und nicht das Abendland. Sie sind Rückständig und der westen ist Arrogant und Ignorant. Genau das ist es, warum die BRIC-Staaten den Westen ein- und überholen.
Aldebaran
05.12.2007, 23:23
Du hast den Westen beschrieben und nicht das Abendland. Sie sind Rückständig und der westen ist Arrogant und Ignorant. Genau das ist es, warum die BRIC-Staaten den Westen ein- und überholen.
Aus aktuellem Anlass:
PISA-Ergebnis Naturwissenschaften 2006/2003:
D: 516 / 502 Punkte
USA: 489 / 491
Russland: 479 / 489
Brasilien: 390 / 390
http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,521201,00.html
Russland vielleicht noch, aber Brasilien ....
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