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Vollständige Version anzeigen : Ist der Neoliberalismus in Deutschland gescheitert?



Beverly
01.12.2007, 12:56
Wenn man sich das Agieren vieler Parteien so ansieht, meint man, dass der Neoliberalismus in Deutschland vor dem politischen Aus steht und selbst so unterschiedliche Kräfte wie die Grünen und die NPD, selbst manche Politiker der CDU, sich in einem einig sind:

Neoliberale Politik ist einer Mehrheit der Bevölkerung politisch nicht vermittelbar!

Und da Parteien resp. ihre Funktionäre und Anhänger darauf angewiesen sind, gewählt zu werden und sie dann Skrupel bekommen, eine Politik durchzusetzen, wenn sie dabei politisch Selbstmord begehen müssen, führt das zu folgender Einsicht:

Mit neoliberalen Forderungen lassen sich keine Wahlen beginnen!

Dieser Tage sehen das selbst diejenigen CDUler so, die Wahlkampf machen müssen und denen die Blockade der Union gegen den Mindestlohn dabei schadet.

Wird dann doch neoliberale Politik gemacht, geschieht das in der Regel "ohne Vorankündigung" nach den Wahlen, oft unter Bruch von Wahlversprechungen. Doch die Wähler lassen sich nicht beliebig oft belügen, "Wahltag ist Zahltag", irgendwo wird immer gewählt und es gibt mehr als genug Parteien auf dem Stimmzettel.

Selbst wer parteipolitisch resigniert hat und nicht glaubt, dass Parteien und Parlamente noch etwas Gutes bewirken können, kann mit seiner oder ihrer Stimme eines bewirken: Sand ins Getriebe streuen, dafür sorgen, dass es eine neoliberale Politik exekutierende "regierungsfähige Mehrheit" erst gar nicht gibt :rolleyes:
Da wird dann halt die SPD oder auch die CDU in einigen Landesparlamenten zu einer Kleinpartei reduziert. Alldiweil Linkspartei und NPD nichts voneinander wissen wollen, glaube ich, dass manche Wähler beide Parteien als "negative Querfront" gegen die mittigen Parteien benutzen.

Da wo radikale Parteien schwach sind oder die Wähler ihnen nichts zutrauen, gehen viele erst gar nicht zur Wahl. Wer etwa auf kommunaler Ebene nur die Wahl hat, welche Partei in den Rathäusern "spart", bleibt lieber zu Hause :rolleyes:

So zeigt das aktuelle Gebaren der Parteien:

CDU: die Wahlkämpfer sind unglücklich über die Ablehnung des Mindestlohns

Grüne: auf Parteitag mehr Sozialleistungen beschlossen

SPD: die Jusos machen auf links, tatkische Spielchen beim Mindestlohn

Linkspartei: z. B. Kritik an der Umverteilung von unten nach oben

NPD: Sozialpopulismus

dass neoliberale Politik politisch nicht durchsetzbar ist. Irgendwann wird es auch in den Parlamenten keine Mehrheiten für sie mehr geben, weil jede hart neoliberale Regierung resp. die sie tragenden Parteien eher früher als später diese Mehrheiten verlieren werden. Neoliberale "'Volksparteien" werden aufhören, Volksparteien zu sein und der Parteien-Zoo könnte noch bunter werden. So hatten in Berlin folgende Parteien mindestens 2 Prozent:

SPD
CDU
Linkspartei
Grüne

FDP
Graue Panther
WASG
NPD

Das sind 8 Parteien, Weimar lässt grüßen :rolleyes: und wer sozial "Weimarer Verhältnisse" haben will, bekommt sie politisch.

Denkpoli
01.12.2007, 13:15
Wenn man sich das Agieren vieler Parteien so ansieht, meint man, dass der Neoliberalismus in Deutschland vor dem politischen Aus steht und selbst so unterschiedliche Kräfte wie die Grünen und die NPD, selbst manche Politiker der CDU, sich in einem einig sind:

Neoliberale Politik ist einer Mehrheit der Bevölkerung politisch nicht vermittelbar!


Das mag für Wahlkampfparolen gelten. In Wahrheit sind alle im Bundestag vertretenden Parteien neoliberalisitsch. Man bedenke: Sogar die PDS/Linke hat duch ihr Pro zu EU-Osterweiterung Managern Lohnerpressungsmittel in die Hand gedrückt.

Beverly
01.12.2007, 13:41
Das mag für Wahlkampfparolen gelten. In Wahrheit sind alle im Bundestag vertretenden Parteien neoliberalisitsch.

Wenn dem so ist, sitzen irgendwann andere Parteien im Bundestag und das müssen nicht einmal Extremisten sein - eine technokratische und zugleich glaubwürdig und konsequent anti-neoliberale Partei würde es auch schaffen. Siehe Berlin, wo die jeden Extremismus und Neoliberalismus unverdächtigen "Grauen Panther" bei den letzten Wahlen drei Prozent bekommen haben, mehr als WASG oder gar die NPD.

Derzeit rettet Etablierte resp. Neoliberale nur noch die 5-Prozent-Hürde, doch ist der Damm einmal gebrochen ist die Flut um so heftiger. Mal davon abgesehen, dass auch die eine oder andere etablierte Partei wegen zu offenem Neoliberalismus an den 5 Prozent scheitern könnte ;)

Denkpoli
01.12.2007, 14:37
Wenn dem so ist, sitzen irgendwann andere Parteien im Bundestag und das müssen nicht einmal Extremisten sein - eine technokratische und zugleich glaubwürdig und konsequent anti-neoliberale Partei würde es auch schaffen. Siehe Berlin, wo die jeden Extremismus und Neoliberalismus unverdächtigen "Grauen Panther" bei den letzten Wahlen drei Prozent bekommen haben, mehr als WASG oder gar die NPD.

Die Deutschen scheinen sich an jede Senkung des Lebensstandards zu gewöhnen, wenn es nur nicht zu schnell geschieht.



Derzeit rettet Etablierte resp. Neoliberale nur noch die 5-Prozent-Hürde

Richtig, ohne die 5% - Hürde hätte die Etablierte schon länger ein echtes Problem.


, doch ist der Damm einmal gebrochen ist die Flut um so heftiger. Mal davon abgesehen, dass auch die eine oder andere etablierte Partei wegen zu offenem Neoliberalismus an den 5 Prozent scheitern könnte ;)

Die erste Möglichkeit ( falls nicht ein unererwartetes Ereignis, wie etwa ein Terroranschlag dazwischenkommt ) dürfte der extrem schnell und stark sinkende Lebensstandard im Jahr 2011 sein, wenn der deutsche Arbeitsmarkt mit Osteuropäern geflutet wird. Dummerweise ist die nächste Btw dann weit weg, so dass die Deutschen wieder reichlich Zeit bekommen, sich daran zu gewöhnen. Allerdings könnten die Auswirkungen auch derart heftig sein, dass ...... das Thema wäre einen eigenen Thread wert.

Beverly
01.12.2007, 15:51
Die Deutschen scheinen sich an jede Senkung des Lebensstandards zu gewöhnen, wenn es nur nicht zu schnell geschieht.

Aber irgendwann ist die Schmerzgrenze erreicht, fällt der Tropfen der das Fass zum Überlaufen bringt, schlägt Qualität in Quantität um - wie immer man das nennen mag.

Denkpoli
01.12.2007, 16:09
Aber irgendwann ist die Schmerzgrenze erreicht, fällt der Tropfen der das Fass zum Überlaufen bringt, schlägt Qualität in Quantität um - wie immer man das nennen mag.

Wann ( und in welchem Zusammenhang ) denkst du, fällt dieser Tropfen?

Manfred_g
01.12.2007, 17:17
Vom selbst erwirtschafteten Bruttoeinkommen knapp die Hälfte ausbezahlt zu bekommen, ist kein Neoliberalismus. :rolleyes: Sowas gab es in Deutschland nie und wurde auch nie wirklich versucht, einzuführen.

Beverly
01.12.2007, 18:39
Wann ( und in welchem Zusammenhang ) denkst du, fällt dieser Tropfen?

Wenn das Existenzminimum nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, also:

- eigene Wohnung
- Kühlschrank voll
- das, was man an Kleidung und Haushaltsgeräten bzw. -elektronik braucht
- soziale Kontakte pflegen, was auch eine materielle Dimension hat (Fahrten, um jemanden zu besuchen, Geld fürs Ausgehen oder gemeinsam ein Essen machen etc.)

Bei Erwerbstätigen wohl auch:

- feststellen zu müssen, dass man trotz Stress nicht besser lebt als Empfänger von Transferleistungen
- nicht mehr verreisen zu können
- trotz Arbeiten gehen finanziell am Monatsende bei Null
- sich das Ausgehen und den Deckel in der Gastwirtschaft nicht mehr leisten zu können

Da ist bei vielen schon die Schmerzgrenze erreicht und je nach ideologischer Ausrichtung wählt man rechts von Union und REP oder links von SPD und Grünen. Oder wählt überhaupt nicht - was ich für falsch halte, weil man mit "radikal wählen" zumindest Sand ins Getrieben streuen kann.

Sollte ein Neocon-Volltrottel dazu noch Dinge wie den Paragraphen 175 wieder einführen wollen, wird es richtig "lustig" - weil sich viele mit ihrer individuellen Freiheit über materielle Verluste und berufliche Perspektivlosigkeit hinwegtrösten. Wenn dieser Trost weg ist ... *bumm*

Beverly
01.12.2007, 18:45
Vom selbst erwirtschafteten Bruttoeinkommen knapp die Hälfte ausbezahlt zu bekommen, ist kein Neoliberalismus. :rolleyes: Sowas gab es in Deutschland nie und wurde auch nie wirklich versucht, einzuführen.

Es ist neoliberale Politik, die Leistungsträger auszuquetschen, weil sie durch ihre Arbeit und ihre Abgaben zugleich die Reichen und Superreichen und den Staat und seine Transferleistungen (welche IMHO kaum mehr als die billigste Form der Aufruhrbekämpfung sind) tragen und finanzieren müssen.

Schon in den 1990er Jahren sprach jemand in einer Talkshow von der "Drittel-Drittel-Drittel-Gesellschaft":

1. Das mittlere Drittel arbeitet und zahlt Steuern und trägt dadurch

2. Das obere reiche Drittel und

3. Das arme untere Drittel.

Jetzt ist es so gekommen und das mittlere Drittel muss sich fragen lassen, wie es damit umgeht. Den Oberen in den Allerwertesten kriechen, um von denen mit einem Tritt verabschiedet zu werden, wenn die es nicht mehr brauchen und dann spätestens mit der Rente beim unteren Drittel zu landen? Wer als Leistungsträger auch die Armut im Alter scharf ist, brauch nur weiter die Etablierten zu wählen :rolleyes:

politisch Verfolgter
01.12.2007, 22:35
Nix tun und keinen Nachwuchs haben. Den Arbeitsbegriff entsorgen, ebenso seine Arbeitsgesetzgebung. Und hoffen, daß Zuzügler dem Politdreck den Garaus bereiten.
Deutsche Proleten rentieren sich für Ausländer schon bald mehr als für Inländer.
Viele Inhaber benötigen zudem gar keine deutschen Konsumenten, sind Exportweltmeister. Inlandskonsum wird immer vernachlässigbarer.
Waren aus dem Ausland konsumieren, von deutschen Inhabern möglichst wenig nehmen.
Wikipedia:
"Heute dient der Begriff Neoliberalismus oft als polemisches Schlagwort in der politischen Auseinandersetzung. Art und Sinn seiner Verwendung sind daher umstritten."
Ein nichtssagender Begriff soll also gescheitert sein.
Na, was solls ;-)

Lichtblau
02.04.2009, 12:15
Mittlerweile haben wir ja die weltweite Wirtschaftskrise.
Der Neoliberalismus hat in diese Krise geführt.
Findet jetzt ein Umdenken statt? Oder werden nur kosmetische Änderungen gemacht?

-jmw-
02.04.2009, 12:47
Wer vom Neo'liberalismus' die Schnauze voll hat, der kann's ja mal mit dem Original versuchen und dem Verweis in meiner Sig folgen. ;)

politisch Verfolgter
02.04.2009, 13:44
Uraltbeitrag von mir:
Fr. Dr. Hamm-Brücher (FDP-Seniorin) erklärte vor Jahrzehnten wortwörtlich:
"Der Eigentumsbegriff des modernen Liberalismus ist undemokratisch."

Heute ist klar, Neoliberalismus meint modernen Feudalismus.
Wir haben G. Orwell's "1984" 'doublethink': Begriffe werden in ihr Gegenteil pervertiert.

-jmw-
02.04.2009, 17:18
Ich wies vor geraumer Zeit darauf hin, dass selbstverständlich der Eigentumsbegriff nicht nur eines vorgeblich "modernen" und nicht nur des Liberalismus, sondern überhaupt streng undemokratisch ist.

Und dass, wer das als Vorwurf versteht, vieles sein mag, mitnichten aber ein Liberaler!

Selbstbestimmung und Mitbestimmung sind nunmal nicht identisch.

(Je suis desole, Monsieur Rousseau...)

Ausonius
02.04.2009, 17:28
Wenn man sich das Agieren vieler Parteien so ansieht, meint man, dass der Neoliberalismus in Deutschland vor dem politischen Aus steht und selbst so unterschiedliche Kräfte wie die Grünen und die NPD, selbst manche Politiker der CDU, sich in einem einig sind:



...

CDU: die Wahlkämpfer sind unglücklich über die Ablehnung des Mindestlohns

Grüne: auf Parteitag mehr Sozialleistungen beschlossen

SPD: die Jusos machen auf links, tatkische Spielchen beim Mindestlohn

Linkspartei: z. B. Kritik an der Umverteilung von unten nach oben

NPD: Sozialpopulismus

...


Deine Analyse kann ich nicht ganz teilen, denn - was ich sehr bedauere - die FDP befindet sich momentan stark im Aufwind. Angesichts der Wirtschaftskrise ist mir das völlig unverständlich.

Skorpion968
02.04.2009, 17:43
Deine Analyse kann ich nicht ganz teilen, denn - was ich sehr bedauere - die FDP befindet sich momentan stark im Aufwind. Angesichts der Wirtschaftskrise ist mir das völlig unverständlich.

So unverständlich ist das gar nicht. Es ist ja nicht so, dass zigtausend Leute nun zum "Neoliberalismus" umschwenken. In der FDP sammelt sich jetzt einfach alles, was marktradikal ist. Diese zusätzlichen Stimmen für die FDP kommen aus dem marktradikalen Flügel der CDU/CSU, die nun die Partei wechseln, weil ihnen die Union nicht mehr marktradikal genug ist. Das sind die Ewiggestrigen und Leute, die meinen, sie müssten nun mit Zähnen und Klauen ihre Pfründe verteidigen.
Im Grunde ist das sogar eine sehr gute Entwicklung. Jetzt hat man sie gebündelt in einer Partei auf einem Haufen. Und man kann gut erkennen, welchen Stimmenanteil diese Leute in diesem Land noch haben, nämlich etwa 16%. Das ist nicht mehr viel.