Aufpasser
09.09.2004, 14:10
Das folgende stammt aus dem 20. Kapitel des Buches Amerikas Kriegspolitik Roosevelt und seine Hintermänner von Roosevelts Schwiegersohn Curtis B. Dall,1975. Titel der im Verlag Cathedral of the Christian Crusade, Tulsa, Oklahoma, erschienenen Originalausgabe: „FDR, My Exploited Father-In-Law"
Zwanzigstes Kapitel, Zwanzig Jahre später
Mein Gespräch bei Mittagessen mit dem früheren Gouverneur George Earle zwanzig Jahre später war erschütternd, denn was er mir da erzählte, war fast unglaublich. Mein Freund Edward W. Shober aus Philadelphia hatte das Zusammentreffen mit seinem Onkel George Earle veranlaßt. Wir trafen uns im Rittenhouse-Club in Philadelphia, einem der führenden gesellschaftlichen Clubs.
Bei mehreren früheren Gelegenheiten hatte ich mit Ed über vieles gesprochen, was unser Land gegen den Wunsch und Willen der meisten Amerikaner in den Zweiten Weltkrieg getrieben hatte. Unsere nachherigen Verluste an Menschenleben, Material und Vorräten schienen nur ein Mittel für den im voraus geplanten Sieg der Sowjets gewesen zu sein.
Ebenso hatten wir im einzelnen darüber gesprochen, wie wir durch Wilson mit Hilfe von Bundesrichter Brandeis und anderen geschickt in den Ersten Weltkrieg hineinmanövriert worden waren. Auch in diesem Kriege hatten wir am Schluß nichts anderes als große Menschenverluste und Material zu beklagen.
„Curtis, kennst du meinen Onkel George Earle?" fragte er mich. „Nein, das heißt doch. Ich habe viel von ihm gelesen und gehört, warum?" „Ja", sagte er, „er könnte dir eine merkwürdige Geschichte erzählen über deinen früheren Schwiegervater Roosevelt und über sich selbst, so daß dir deine Haare zu Berge stehen würden. Er müßte diese Geschichte dir eigentlich selbst erzählen und das amerikanische Volk müßte sie auch wissen."
„Worum handelt es sich denn, Ed?"
„Nun, es handelt sich um ein deutsches Friedensangebot zur Beendigung des Zweiten Weltkriegs, das uns durch die höchsten Autoritäten unterbreitet wurde sowie um andere sehr wertvolle Informationen, die er im Jahre 1943 in Istanbul bekam. Die Sowjets taten damals so, als ob sie unsere Verbündeten wären, aber in Wirklichkeit hatten sie es sehr eilig, sich in Europa als unsere potentiellen Feinde festzusetzen. Sie wurden damals von uns weitgehend durch militärische Hilfe und mit Kriegsmaterial unterstützt. Du wirst dich noch erinnern, daß Präsident Roosevelt meinen Onkel zu seinem persönlichen Marineattaché im neutralen Istanbul ernannte, um sichere Informationen zu bekommen, was eigentlich auf dem Balkan und in Deutschland vor sich ginge. In diesem Sinne arbeitete er aber offenbar viel zu gut, als daß es den Politikern in New York und Washington, die den Krieg wollten, recht war."
George Earle war einer der ersten „Idealisten", die das New Deal unterstützten. Er bewunderte Roosevelt und dessen politische Philosophie. Zur rechten Zeit warf er einen fünfstelligen Scheck in den Klingelbeutel der Demokratischen Partei. Natürlich wurde diese Geste seinerseits von dem Finanzkommitee gebührend anerkannt.
Obgleich ich mit vielen von George Earles politischen Ansichten nicht übereinstimmte, war ich doch durch Eds Bemerkungen neugierig geworden und sagte ihm, daß ich seinen Onkel sehr gerne treffen möchte. Er erzählte mir noch, daß Roosevelt und seine Regierung seinen Onkel sehr herumgestoßen hätten, so daß ich noch neugieriger wurde und die Begegnung kaum abwarten konnte. Trotzdem war ich in keiner Weise auf so furchtbare Schläge vorbereitet, wie sie mir George Earles in ruhiger Weise vorgetragene Darstellung zwei Wochen später beim Mittagessen versetzte.
Wie ich mir so Eds Onkel am Mittagstisch ansah, hatte ich einen Mann von mittlerer Größe vor mir, dessen ganzes Interesse nur dem Wohl und der Zukunft seines Landes galt. Nach meinem Empfinden war er von keinerlei Ressentiments mehr erfüllt, sondern nur noch von einer tiefen Enttäuschung über die Vereitelung jener Pläne, die im Interesse seines Landes im Zweiten Weltkrieg gemacht worden waren. Weder lokale noch nationale Politik wurden vom Gouverneur erwähnt. Im Hinblick auf die Bedeutung des vorliegenden Themas wären diese auch nur „Kinkerlitzchen" gewesen. Sein wertvoller und rechtzeitig gegebener Rat wurde unverschämterweise ignoriert. Durch die „Palast-Garde" des Weißen Hauses, vielleicht aber sogar durch seinen alten Freund Roosevelt, der ganz unter ihrem Einfluß stand, wurde er behutsam auf ein totes Gleis geschoben. Und George Earle hatte viele Vertrauensposten innegehabt. Daher hatten seine Worte auch Gewicht.
Im Ersten Weltkrieg war er Marineoffizier, kommandierte einen U-Boot-Jäger und wurde seiner Tapferkeit wegen ausgezeichnet; 1933 bis 1934 war er amerikanischer Botschafter in Österreich; 1935 bis 1939 Gouverneur von Pennsylvanien und von 1940 bis 1942 Botschafter in Bulgarien; im Jahre 1942 ging er wieder als Fregattenkapitän in den aktiven Dienst der Marine und war Erster Artillerie-Offizier auf dem Transporter „Hermitage", der den großen amerikanischen General George S. Patton und seine Truppen nach Nordafrika brachte.
Kurz bevor Roosevelt und Churchill sich 1943 in Casablanca trafen, um die kurzsichtige Politik der „bedingungslosen Kapitulation" Deutschland gegenüber zu verkünden, ernannte Roosevelt den Kapitän Earle zu seinem persönlichen Marineattaché in der Türkei. Roosevelt schickte seinen Freund George Earle dorthin, weil es sich um eine sehr delikate Mission handelte. Bei Beginn unseres Essens erzählte ich dem Gouverneur Earle, daß ich auch in den beiden Weltkriegen in der Marine, Armee und bei der Luftwaffe gedient hätte und daß ich 1956 zu gegebener Zeit in die „Mothball-Brigade" der Luftwaffe versetzt worden wäre.
Ich redete ihn mit „Gouverneur" an, was ihm lieber zu sein schien als „Kapitän". Der Gouverneur eröffnete das Gespräch, wie es sich für einen Marineartillerie-Offizier gehört, mit einer vollen Breitseite. Er sagte: „Dall, als ich Roosevelts Marineattaché in Istanbul war, erzählte ich ihrem früheren Schwiegervater, wie schnell wir den Zweiten Weltkrieg hätten beenden können, d. h. innerhalb von etwa zwei Jahren. Er wollte jedoch nicht auf mich hören, oder soll ich besser sagen, er durfte nicht auf mich hören. Können Sie sich das vorstellen?" Ich zuckte mit den Wimpern und erwiderte: „Inwiefern, Herr Gouverneur?" „Nun", sagte er, „haben Sie vielleicht zufällig gelesen, was ich Fowler von den Human Events in Washington erzählt habe, und was er über diese Sache geschrieben hat?"
„Gelesen habe ich es noch nicht", erwiderte ich, „aber ich habe davon durch einen Freund gehört."
Der Gouverneur erzählte mir dann in allen Einzelheiten eine erschütternde Geschichte, so daß ich das Essen vor mir auf dem Tisch gänzlich vergaß.
Im Frühjahr 1943 kam er nach Istanbul. Anscheinend wurde der Gouverneur kurze Zeit vorher in einem ganz bekannten Restaurant in Bulgarien mit einigen wichtigen Nazis in einen Krach verwickelt. Die Nazis hatten von dem Orchester im Restaurant verlangt, „Deutschland über alles" zu spielen, was auch geschah. George Earle begegnete dann dieser musikalischen Aufführung dadurch, daß er dem Dirigenten des Orchesters eine brandneue Banknote hinschickte mit der Bitte „Tipperary" zu spielen, was er auch tat. In dem darauf folgenden Handgemenge soll Kapitän Earle mit einer Flasche auf einen der Deutschen eingeschlagen haben. Diese Ereignis hat in der internationalen Öffentlichkeit viel Aufsehen erregt, vor allem aber mit großer Genugtuung in Washington von den dem Weißen Haus nahestehenden politischen Kreisen aufgenommen worden sein. Aus diesem Vorfall entwickelte sich später ein bemerkenswertes Echo in wichtigen Antinazi-Kreisen, das dann in Istanbul seinen Widerhall fand.
Der Gouverneur erzählte mir, daß eines Morgens jemand an seine Hotelzimmertür klopfte. Er öffnete und sah einen breitschultrigen, mittelgroßen Mann in Zivil vor sich, der um ein persönliches Gespräch bat. Er stellte sich als Admiral Canaris vor, Leiter des deutschen Geheimdienstes.
Der Kern dieser Unterhaltung mit Canaris war, daß es viele vernünftige Deutsche gäbe, die ihr Vaterland liebten, aber gegen Adolf Hitler eine Abneigung hätten, weil sie das Gefühl hätten, daß Hitler die deutsche Nation in den Abgrund brächte. Er führte dann weiter aus, daß die kürzlich von Roosevelt und Churchill in Casablanca verkündete „bedingungslose Kapitulation" bei den deutschen Generälen niemals Widerhall finden würde. Sollte allerdings Präsident Roosevelt auch nur andeuten, daß er eine ehrenvolle Übergabe von der deutschen Armee annehmen würde, dann könnte der wirkliche Feind der westlichen Zivilisation, die Sowjets, aufgehalten werden. Die deutsche Armee würde dann gegen die östliche Front marschieren, um den zermalmenden Anprall der durch Roosevelts Pacht- und Leihlieferungen stark gemachten, gut ernährten und bewaffneten Sowjet-Armee gegen den Westen aufzuhalten.
Die Sowjets hätten das Ziel, sich als die führende Macht in Europa festzusetzen, und betrögen, unterstützt durch viele hohe Agenten in den Vereinigten Staaten, das amerikanische Volk.
Der Gouverneur führte aus, daß er zuerst erschrocken gewesen sei, aber dann vorsichtig dem Admiral und seinen überraschenden Vorschlägen gegenüber reagiert habe. Hierauf erfolgte eine Zusammenkunft mit dem deutschen Botschafter Franz von Papen, einem gläubigen Katholiken, der gegen Hitler war.
Eine geheime Zusammenkunft sollte dann mitten in der Nacht an einem einsamen Platz unter Bäumen, fünf oder sechs Meilen außerhalb von Istanbul, stattfinden, wo sich der Gouverneur und der deutsche Botschafter mehrere Stunden lang hätten unterhalten sollen.
Der Gouverneur erzählte mir dann weiter, daß er sehr bald von der Aufrichtigkeit des Angebotes der Antinazi-Deutschen überzeugt worden sei. Als er dann noch weiter über die geheimen Pläne der sowjetrussischen Streitkräfte unterrichtet worden war, schickte er sofort ein Geheimtelegramm auf diplomatischem Wege an Roosevelt in Washington, in dem er Bericht erstattete. Dann wartete er auf die gewünschte Antwort. Doch keine kam! Wie vereinbart, rief ihn Admiral Canaris nach dreißig Tagen telefonisch an und fragte: „Haben Sie irgendwelche Nachrichten?"
Der Gouverneur erwiderte: „Ich warte auf Nachrichten. Habe aber bis jetzt keine." Der Admiral sagte: „Das tut mir wirklich sehr leid." Darauf sei Stille gewesen.
Kurz darauf entwickelte sich die Angelegenheit weiter. In einer privaten Unterhaltung in Istanbul hörte dann der Gouverneur von der Gattin des deutschen Botschafters, der Baronin von Papen, einige gegen Hitler gerichtete Bemerkungen. Darauf traf er den Baron Kurt von Lersner, der die Orientgesellschaft, eine deutsche kulturelle Organisation, leitete. Letzterer erzählte Earle, daß er über ihn in der Presse gelesen hätte und auch seine Ansichten über die Nazis kenne, daher hätte er das Gefühl, daß sie über gewisse Dinge derselben Meinung wären. Ein Zusammentreffen der beiden an demselben entlegenen Platz, spät in der Nacht, wurde schnell verabredet. Das Gespräch dauerte mehrere Stunden.
Dort stellte Baron von Lersner dieselbe Frage an Earle. Es handelte sich darum, ob, falls die Antinazi-Kräfte in Deutschland die deutsche Armee an die amerikanischen Streitkräfte ausliefern würden, sie dann mit einer Mitarbeit der Alliierten rechnen könnten, um die Sowjets aus Mitteleuropa herauszuhalten. Von Lersner sagte weiter, wenn Roosevelt einer „ehrenvollen Übergabe" zustimmen würde, würden sie Hitler, falls er von seinen eigenen Leuten nicht vorher umgebracht sein sollte, an die Amerikaner ausliefern. Weiterhin würde die Sowjet-Armee in Schach gehalten und an den Grenzen abgeriegelt werden.
Nochmals erklärte der Gouverneur, er würde ein dringendes verschlüsseltes Telegramm an das Weiße Haus schicken, um Präsident Roosevelt zu bitten, das Angebot der Antinazis zu prüfen. Aber es kam immer noch keine Antwort.
Darauf erfolgte ein zweites Zusammentreffen mit von Lersner, der als neuen Plan vorschlug, Hitlers abgelegenes östliches Hauptquartier zu umzingeln und dann die deutsche Armee an die Ostfront zu schicken, bis ein Waffenstillstand abgeschlossen werden könnte. Gouverneur Earle erzählte, daß er ferner eine äußerst dringende Botschaft vorbereiten und an Präsident Roosevelt in Washington schicken würde, diesmal aber nicht mit der diplomatischen Post, sondern durch die Armee und Marine, um ganz sicher zu gehen, daß diese wichtige Botschaft auch Roosevelt erreichen würde. Er sagte, er hätte das Gefühl, daß Roosevelt und seine Hauptberater unter dem bezaubernden Einfluß von Stalin stünden oder, daß Roosevelt irrtümlicherweise meinte, er könne Stalin „bezaubern", überdies sei das Weiße Haus wirklich nicht der richtige Ort, die Verhältnisse in Sowjet-Rußland angemessen zu überprüfen und zu enthüllen. Bei dieser aufschreckenden Bemerkung des Gouverneurs zuckte ich wieder mit den Augen und schwieg.
Dann fuhr er fort und sagte, er hätte das sichere Gefühl, daß ein starker „Einfluß" aus dem Weißen Hause den Präsidenten beherrscht hätte, der den festen Willen erkennen lasse, das ganze deutsche Volk auszumerzen, ohne Rücksicht darauf, wie viele amerikanische Soldaten auf dem Schlachtfeld, zur See und in der Luft ihr Leben opfern müßten, nur um dieses abscheuliche Ziel zu erreichen.
In Istanbul waren Pläne ausgearbeitet worden, nach denen der Gouverneur nach der erhofften günstigen Antwort von Roosevelt hinsichtlich einer ehrenvollen Übergabe zu einem geheimen Ort in Deutschland fliegen sollte, um dort von Hitlers Feinden weitere Einzelheiten über die Übergabebedingungen zu bekommen, die dann sofort an das Weiße Haus zwecks weiterer Aktionen geleitet werden sollten. Ein Flugzeug in der Nähe von Istanbul wartete. Es wartete und wartete vergebens.
Als aus Washington auf diese dringenden Botschaften immer noch keine Antwort kam, wurde der Gouverneur immer enttäuschter und immer mehr entmutigt. Endlich kam tatsächlich eine Art Antwort an. Sie besagte, daß er mit dem Oberkommandierenden in Europa Vorschläge für einen auszuhandelnden Frieden ausarbeiten sollte. Hätte man sich ein undurchführbareres oder tragischeres Vorgehen denken können?
Vollkommen erschüttert bemerkte ich, daß es sicherlich für ihn eine herzzerbrechende „Abfuhr" gewesen sein müßte. Ich hatte das bestimmte Gefühl, daß es so gewesen war.
Blitzschnell erinnerte ich mich an General Eisenhowers abwegigen Entschluß, daß unsere amerikanischen Truppen weder Berlin noch Prag einnehmen sollten, obwohl die Bevölkerung in Prag inbrünstig darum gebeten hatte, sich den Amerikanern ergeben zu dürfen. Man behauptet, dieser Entschluß Eisenhowers sei ein offenkundiger Fehler gewesen; das stimmte indessen nicht. Er selbst hat nämlich die Entscheidung getroffen und den Befehl gegeben, den Vormarsch der amerikanischen Truppen aufzuhalten, um die Ankunft der Sowjetarmee abzuwarten, wodurch dieser die Möglichkeit gegeben wurde, als „erste" einzutreffen. Auf diese Weise wurde einer feindlichen Macht ein großer Abschnitt der westlichen Zivilisation in die Hände gegeben. Das Bild, daß man sich von General Eisenhowers Gedankengängen zu jener Zeit machen will, ist, wenn man es so nennen soll, leicht zu erklären. Es ist kein Wunder, daß Stalin seiner Zeit so viel Lob an ihn verschwendete. Diese Erweiterung der Ziele der auf weite Sicht arbeitenden Weltfinanz lag jedoch nicht im Interesse zahlloser guter Amerikaner in Uniform, die ihrem Vaterlande das höchste Opfer brachten.
Nun mußte die westliche Zivilisation jahrzehntelang für diese und auch für andere sorgfältig geplanten „Irrtümer" bezahlen. In Wirklichkeit waren es jedoch keine Irrtümer, sondern sie spiegelten das auf weite Sicht geplante Ziel von Baruchistan wider, das General Eisenhower nur allzu gut bekannt war. Welche Aussichten hatte da noch George Earle, um an Roosevelt heranzukommen?
Ganz benommen saß ich am Mittagstisch und erinnerte mich, daß die Invasion in der Normandie erst ein ganzes Jahr später erfolgte.
Unsere Unterhaltung näherte sich dem Ende. Ich fragte den Gouverneur: „Was geschah dann?"
Er antwortete: „Ich war erschüttert, voller Enttäuschung und fühlte, daß ich nicht mehr von Nutzen sein konnte. Daher ging ich in die Staaten, zurück nach Hause. Der Zweite Weltkrieg nahm weiter seinen geplanten Verlauf, bis die Sowjets sich über Europa ausgebreitet hatten." Dann fügte er hinzu: „Nach einiger Zeit jedoch entschloß ich mich, meine Ansichten und Beobachtungen über unsere sogenannten Alliierten, die Sowjets, bekanntzugeben, um das amerikanische Volk aufzurütteln. Es sollte erfahren, was in Wirklichkeit geschah.Ich setzte mich mit dem Präsidenten in Verbindung, um ihn über mein Vorhaben zu unterrichten. Er reagierte indessen vollkommen ablehnend und verbot mir streng, meine Ansichten zu veröffentlichen. Als ich dann darum bat, wieder aktiven Dienst in der Marine tun zu dürfen, wurde ich nach dem weit im südlichen Pazifik liegenden Samoa geschickt. Dort würden meine großen Erfahrungen mit den zwiegesichtigen Sowjets und unsere verpaßte Gelegenheit, nutzloses Gemetzel aufzuhalten und den großen Sieg der Sowjets in Europa zu verhindern, keinen Eindruck auf die friedlichen Samoaner machen."
Ich fand keine passenden Worte der Erwiderung. Es kam mir vor, als ob ich nicht einer New-Deal-politischen Persönlichkeit, einem früheren Gouverneur von Pennsylvanien, gegenübersaß, sondern einem sehr tapferen Marineoffizier.
Seit jenem unvergeßlichen Essen sind sechs Jahre oder noch mehr verflossen. Kürzlich sprach ich wieder mit dem Gouverneur und erzählte ihm, daß ich an diesem Buch schriebe. Ich bat ihn um seine Erlaubnis, die seinerzeit beim Essen besprochenen Einzelheiten verwerten zu dürfen. Er war mir gegenüber sehr zuvorkommend und ging sogar so weit, daß er mir den Vorschlag machte, durch seinen Neffen Verbindung mit seinem Freund B. Norris Williams, dem Direktor der Historischen Gesellschaft von Pennsylvanien, aufzunehmen. Ich sollte ihn dann bitten, die Sammlung seiner persönlichen Briefe, die dort bei den Akten lagen, zu lesen und zu prüfen. Diese vorher genannten George-Earle-Briefe sind von überaus weitreichender Bedeutung. Gott allein weiß, wieviel Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn Roosevelt den Wunsch und die Möglichkeit gehabt hätte, zu kabeln: „George, sage ja, schicke nähere Einzelheiten, FDR."
In der Historischen Gesellschaft von Pennsylvanien wurde ich von Herrn Williams freundlich empfangen und erhielt sogleich die Erlaubnis, die Earle-Briefe einzusehen. Nachdem ich sie durchgesehen und über alles nachgedacht hatte, ging ich einige Stunden später tief erschüttert fort.
Man wird sich erinnern, daß Earles Bestrebungen achtzehn Monate, bevor es zu diesem zweideutigen und alles zermalmenden Schluß des Zweiten Weltkrieges kam, erfolgten. So hat es den Anschein, als ob die „vom Tode gezeichneten" Amerikaner von Roosevelts Beratern für diesen Zweck für gut genug gehalten wurden. Wäre mit dem Krieg im Jahre 1943 Schluß gemacht worden, was durchaus möglich gewesen wäre, dann hätte es Millionen weniger Tote gegeben sowie weniger Schulden, kein Geschrei, keine Sowjets in Europa und kein „Ost"- und „West"-Berlin. Es hätte auch keine Überschwemmung mit russischem Militärgeld gegeben, das nachher wieder in die Staaten einsickerte, um in großem Maße die wenigen Ein-Welt-Eingeweihten zu bereichern. Und es hätte keine Berlin-Mauer gegeben. Die eigentliche Mauer, um das amerikanische Volk zu betrügen, ist jedoch jetzt in wichtigen Kreisen in Washington errichtet worden und sie funktioniert in vollem Maße.
Kann man sich heute auch nur einigermaßen vorstellen, daß das deutsche Volk über den Commander Earle durch einen Frontgeneral einen äußerst vertrauenswürdigen Vorschlag für eine „Friedensverhandlung" unterbreiten lassen würde? Ich bezweifle es. Jedenfalls war die dem Commander Earle in Istanbul schließlich zugegangene geheime Antwort aus dem Büro des Präsidenten ausgesprochen zynisch, grausam und ausweichend.
General Patton wußte, was gespielt wurde. Aber er starb eines „frühen" Todes. Der Sekretär James Forrestal erkannte es ebenfalls. Auch er starb eines „frühen" Todes. Sicherlich hat es auch General Douglas MacArthur gewußt, Harry Truman jedoch anscheinend nicht; aber vielleicht wollte er es auch nicht wissen. Eine Kopie seines Briefes v. 28. Febr. 1947 an den Gouverneur Earle, die am Schluß dieses Kapitels mit einigen anderen angeführt ist, hätte weit besser mit „Alice im Wunderland" unterzeichnet werden können als von einem Präsidenten der Vereinigten Staaten (Anlage 1). Zwei dieser Briefe habe ich noch in Erinnerung. Beide sind datiert v. 24. März 1945 und waren vom Weißen Haus an den Commander George H. Earle in Philadelphia gerichtet.
Augenscheinlich hatte Commander Earle über seine Tochter Anna dem Präsidenten Roosevelt ein persönliches Geschenk zugehen lassen (Anlage 2). Der Umschlag trug den Stempel 9 Uhr Abends, Washington D. C. Bei der Durchsicht des Briefes erkennt man, daß George Earle den Plänen unserer „Alliierten", den Sowjets gegenüber, mißtrauisch geworden war. Aus diesem Grunde wurde er aber auch von den Beauftragten des Council of Foreign Relations, d. h. von einigen ihrer führenden Männer, die die dem amerikanischen Volke aufgezwungene Diplomatie des Zweiten Weltkrieges begünstigten, als äußerst gefährlich angesehen. Abgesehen von den beiden letzten Zeilen des Briefes, ist es für mich ganz selbstverständlich, daß einige der am linken Flügel stehenden Geheimagenten im Weißen Haus, die sich für derartige Aufgaben stets bereithielten, Annas Unterschrift sorgfältig geübt hatten.
Schon beim Lesen des ersten Absatzes zeigt sich an dem Hinweis, daß er im Falle der Durchführung seines vorgesehenen Programms, das sowjetische Verhalten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zu kritisieren, des Landesverrats für schuldig erklärt werden könne, die sorgfältig in Worte gekleidete Falle für Commander Earle. Kein Rechtsanwalt hätte wohl eine strengere und gefährlichere Ausdrucksweise finden können als die, die in diesem Brief steht.
Selbstverständlich wußten nur wenige Menschen, daß George Earle 1943 auf Grund zuverlässiger Zusagen in Istanbul die ersten notwendigen Schritte für Friedensverhandlungen mit Deutschland hätte tun können, wenn Roosevelt seine Weisung dazu gegeben und nicht geschwiegen hätte.
Der zweite Absatz fängt dann mit den überraschenden Worten an: „Da wir uns jetzt dem kritischen Stadium des Krieges gegen Deutschland nähern ..." und „ ... kostet uns vielleicht Tausende von Menschen". Im Hinblick auf Earles tapfere Bemühungen im Jahre 1943 war das in der Tat sehr geschmacklos, so daß ich beim Lesen dieses Briefes wirklich nur Bestürzung empfinden konnte.
Ich bin überzeugt, daß Roosevelt Earles bereits erwähntes Geschenk bekommen hatte, aber er wollte beim Schreiben nicht so weit gehen, als habe er ihm dafür zu danken - einem Freunde in demselben Brief zu danken, in dem er aber auch nahe daran war, die Glaubwürdigkeit und Verwendungsfähigkeit des Commanders als eines tüchtigen amerikanischen Marineoffiziers in Frage zu stellen.
Beim Lesen des zweiten Roosevelt-Briefes vom 24. März 1945 an Commander Earle (Anlage 3) in der gleichen Angelegenheit, merkt man deutlich, daß, wer auch immer diesen Brief für Roosevelts Unterschrift vorbereitet haben mochte, Angst davor hatte, die Sowjets auch nur mit Namen zu nennen, ja auch nur die etwas unklare Bezeichnung Russen zu gebrauchen. Offenbar hat der betreffende Berater diese Situation als besonders delikat angesehen. Auch wollte man wohl nicht, daß irgendjemand den Brief zu jener Zeit lesen oder sehen sollte aus Angst, „die Katze könnte aus dem Sack schlüpfen!"
In dem Brief steht das Wort „Landesverrat". Das ist ein starkes und häßliches Wort, vor allem, wenn es in Verbindung mit jemandem gebraucht wird, der als tapferer Offizier sein Leben zusammen mit vielen anderen eingesetzt hat und seinem Oberbefehlshaber genaue lebenswichtige und scharfsinnige Nachrichten zukommen ließ, Nachrichte über eine Organisation, die in Wirklichkeit nicht unser Verbündeter war, sondern selbst damals nur daran dachte, uns zur Ader zu lassen und zu vernichten, um ihren gottlosen Kult allen europäischen Nationen aufzuzwingen. Man kann sich wirklich nur fragen, wo erfolgte denn nun der tatsächliche „Landesverrat"?
Selbstverständlich hatte Roosevelt als Oberbefehlshaber das Recht, die Veröffentlichung von bestimmten Äußerungen seitens irgendeiner Persönlichkeit in den amerikanischen Streitkräften zu verhindern, bis sie ordnungsgemäß genehmigt waren.
Doch wovor fürchtete sich Roosevelt denn so sehr, daß er sich zu derart extremen Maßnahmen hinreißen ließ? Warum diese überraschende Behandlung gegenüber Commander Earle? Warum mußten die vielen Millionen Menschen noch sterben? Wozu noch achtzehn Monate länger ein Gemetzel? Warum? Ungefähr drei Wochen, nachdem Roosevelt diesen Brief an Commander Earle geschrieben hatte, starb er in Warm Springs in Georgia. Commander Earle aber befand sich in Samoa im südlichen Pazifik. Gut unterstützt durch unsere Waffen, wälzte sich die Sowjetarmee weiter gegen Westen nach Europa.
Zweifellos war an jenem 24. März 1945 die Gesundheit des Präsidenten sehr angegriffen. Offenbar hatten seine Berater schon damit gerechnet. Es ist also durchaus möglich, daß Roosevelt so etwas wie ein politischer Gefangener geworden war. Immerhin gab es aber auch noch Personen, die ihm näherstanden und die gar keinen Grund hatten, sich weiter so sorglos hinzugeben und den Befehlen der Ein-Welt-Planer zu gehorchen, es sei denn aus rein egoistischen Gründen.
Vielleicht hat Roosevelt in seinen letzten Tagen doch tiefer über die treffenden Äußerungen seines politischen und Studienfreundes George Earle nachgedacht. Und vielleicht ist er doch zu dem Schluß gekommen, daß er selbst der Betrogene war. Wenn er das aber nicht war, was war er dann? Und was waren wir?
Roosevelts großer Irrtum, fälschlich bezeichnet als „Mißgriff", nämlich die völlige Nichtbeachtung der rechtzeitig angebotenen Friedensverhandlungen, war für die Vereinigten Staaten und für die Welt so etwas wie eine nationale Katastrophe. Es war ein Sieg der Roosevelt-Berater und ihrer Pläne.
Man kann dazu nur noch wenig sagen und darauf hinweisen, daß die Schöpfer dieser trügerischen Götzenbilder auch heute noch fortwährend an der Arbeit sind, hochgeschätzt im Weißen Haus und auf dem Kapitol und eifrig damit beschäftigt, Nachrichten zu fabrizieren, ja selbst bestimmte Nachrichten zu unterschlagen. Commander Earle würde genau wissen, was ich damit meine. Doch auch heute sind augenscheinlich amerikanische Verluste noch ganz unwichtig.
(c) 1972 by Grabert-Verlag, 74 Tübingen Satz und Druck: Gulde-Druck, Tübingen Buchbindearbeiten: Großbuchbinderei Lachenmaier, Reutlingen
"Was wir im deutschen Widerstand während des Krieges nicht wirklich begreifen wollten, haben wir nachträglich vollends gelernt: Daß der Krieg schließlich nicht gegen Hitler, sondern gegen Deutschland geführt wurde."
Eugen Gerstenmaier, Widerstandskämpfer und ehem. Präsident des Deutschen Bundestages 1954-1969(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. 3. 1975)
Zwanzigstes Kapitel, Zwanzig Jahre später
Mein Gespräch bei Mittagessen mit dem früheren Gouverneur George Earle zwanzig Jahre später war erschütternd, denn was er mir da erzählte, war fast unglaublich. Mein Freund Edward W. Shober aus Philadelphia hatte das Zusammentreffen mit seinem Onkel George Earle veranlaßt. Wir trafen uns im Rittenhouse-Club in Philadelphia, einem der führenden gesellschaftlichen Clubs.
Bei mehreren früheren Gelegenheiten hatte ich mit Ed über vieles gesprochen, was unser Land gegen den Wunsch und Willen der meisten Amerikaner in den Zweiten Weltkrieg getrieben hatte. Unsere nachherigen Verluste an Menschenleben, Material und Vorräten schienen nur ein Mittel für den im voraus geplanten Sieg der Sowjets gewesen zu sein.
Ebenso hatten wir im einzelnen darüber gesprochen, wie wir durch Wilson mit Hilfe von Bundesrichter Brandeis und anderen geschickt in den Ersten Weltkrieg hineinmanövriert worden waren. Auch in diesem Kriege hatten wir am Schluß nichts anderes als große Menschenverluste und Material zu beklagen.
„Curtis, kennst du meinen Onkel George Earle?" fragte er mich. „Nein, das heißt doch. Ich habe viel von ihm gelesen und gehört, warum?" „Ja", sagte er, „er könnte dir eine merkwürdige Geschichte erzählen über deinen früheren Schwiegervater Roosevelt und über sich selbst, so daß dir deine Haare zu Berge stehen würden. Er müßte diese Geschichte dir eigentlich selbst erzählen und das amerikanische Volk müßte sie auch wissen."
„Worum handelt es sich denn, Ed?"
„Nun, es handelt sich um ein deutsches Friedensangebot zur Beendigung des Zweiten Weltkriegs, das uns durch die höchsten Autoritäten unterbreitet wurde sowie um andere sehr wertvolle Informationen, die er im Jahre 1943 in Istanbul bekam. Die Sowjets taten damals so, als ob sie unsere Verbündeten wären, aber in Wirklichkeit hatten sie es sehr eilig, sich in Europa als unsere potentiellen Feinde festzusetzen. Sie wurden damals von uns weitgehend durch militärische Hilfe und mit Kriegsmaterial unterstützt. Du wirst dich noch erinnern, daß Präsident Roosevelt meinen Onkel zu seinem persönlichen Marineattaché im neutralen Istanbul ernannte, um sichere Informationen zu bekommen, was eigentlich auf dem Balkan und in Deutschland vor sich ginge. In diesem Sinne arbeitete er aber offenbar viel zu gut, als daß es den Politikern in New York und Washington, die den Krieg wollten, recht war."
George Earle war einer der ersten „Idealisten", die das New Deal unterstützten. Er bewunderte Roosevelt und dessen politische Philosophie. Zur rechten Zeit warf er einen fünfstelligen Scheck in den Klingelbeutel der Demokratischen Partei. Natürlich wurde diese Geste seinerseits von dem Finanzkommitee gebührend anerkannt.
Obgleich ich mit vielen von George Earles politischen Ansichten nicht übereinstimmte, war ich doch durch Eds Bemerkungen neugierig geworden und sagte ihm, daß ich seinen Onkel sehr gerne treffen möchte. Er erzählte mir noch, daß Roosevelt und seine Regierung seinen Onkel sehr herumgestoßen hätten, so daß ich noch neugieriger wurde und die Begegnung kaum abwarten konnte. Trotzdem war ich in keiner Weise auf so furchtbare Schläge vorbereitet, wie sie mir George Earles in ruhiger Weise vorgetragene Darstellung zwei Wochen später beim Mittagessen versetzte.
Wie ich mir so Eds Onkel am Mittagstisch ansah, hatte ich einen Mann von mittlerer Größe vor mir, dessen ganzes Interesse nur dem Wohl und der Zukunft seines Landes galt. Nach meinem Empfinden war er von keinerlei Ressentiments mehr erfüllt, sondern nur noch von einer tiefen Enttäuschung über die Vereitelung jener Pläne, die im Interesse seines Landes im Zweiten Weltkrieg gemacht worden waren. Weder lokale noch nationale Politik wurden vom Gouverneur erwähnt. Im Hinblick auf die Bedeutung des vorliegenden Themas wären diese auch nur „Kinkerlitzchen" gewesen. Sein wertvoller und rechtzeitig gegebener Rat wurde unverschämterweise ignoriert. Durch die „Palast-Garde" des Weißen Hauses, vielleicht aber sogar durch seinen alten Freund Roosevelt, der ganz unter ihrem Einfluß stand, wurde er behutsam auf ein totes Gleis geschoben. Und George Earle hatte viele Vertrauensposten innegehabt. Daher hatten seine Worte auch Gewicht.
Im Ersten Weltkrieg war er Marineoffizier, kommandierte einen U-Boot-Jäger und wurde seiner Tapferkeit wegen ausgezeichnet; 1933 bis 1934 war er amerikanischer Botschafter in Österreich; 1935 bis 1939 Gouverneur von Pennsylvanien und von 1940 bis 1942 Botschafter in Bulgarien; im Jahre 1942 ging er wieder als Fregattenkapitän in den aktiven Dienst der Marine und war Erster Artillerie-Offizier auf dem Transporter „Hermitage", der den großen amerikanischen General George S. Patton und seine Truppen nach Nordafrika brachte.
Kurz bevor Roosevelt und Churchill sich 1943 in Casablanca trafen, um die kurzsichtige Politik der „bedingungslosen Kapitulation" Deutschland gegenüber zu verkünden, ernannte Roosevelt den Kapitän Earle zu seinem persönlichen Marineattaché in der Türkei. Roosevelt schickte seinen Freund George Earle dorthin, weil es sich um eine sehr delikate Mission handelte. Bei Beginn unseres Essens erzählte ich dem Gouverneur Earle, daß ich auch in den beiden Weltkriegen in der Marine, Armee und bei der Luftwaffe gedient hätte und daß ich 1956 zu gegebener Zeit in die „Mothball-Brigade" der Luftwaffe versetzt worden wäre.
Ich redete ihn mit „Gouverneur" an, was ihm lieber zu sein schien als „Kapitän". Der Gouverneur eröffnete das Gespräch, wie es sich für einen Marineartillerie-Offizier gehört, mit einer vollen Breitseite. Er sagte: „Dall, als ich Roosevelts Marineattaché in Istanbul war, erzählte ich ihrem früheren Schwiegervater, wie schnell wir den Zweiten Weltkrieg hätten beenden können, d. h. innerhalb von etwa zwei Jahren. Er wollte jedoch nicht auf mich hören, oder soll ich besser sagen, er durfte nicht auf mich hören. Können Sie sich das vorstellen?" Ich zuckte mit den Wimpern und erwiderte: „Inwiefern, Herr Gouverneur?" „Nun", sagte er, „haben Sie vielleicht zufällig gelesen, was ich Fowler von den Human Events in Washington erzählt habe, und was er über diese Sache geschrieben hat?"
„Gelesen habe ich es noch nicht", erwiderte ich, „aber ich habe davon durch einen Freund gehört."
Der Gouverneur erzählte mir dann in allen Einzelheiten eine erschütternde Geschichte, so daß ich das Essen vor mir auf dem Tisch gänzlich vergaß.
Im Frühjahr 1943 kam er nach Istanbul. Anscheinend wurde der Gouverneur kurze Zeit vorher in einem ganz bekannten Restaurant in Bulgarien mit einigen wichtigen Nazis in einen Krach verwickelt. Die Nazis hatten von dem Orchester im Restaurant verlangt, „Deutschland über alles" zu spielen, was auch geschah. George Earle begegnete dann dieser musikalischen Aufführung dadurch, daß er dem Dirigenten des Orchesters eine brandneue Banknote hinschickte mit der Bitte „Tipperary" zu spielen, was er auch tat. In dem darauf folgenden Handgemenge soll Kapitän Earle mit einer Flasche auf einen der Deutschen eingeschlagen haben. Diese Ereignis hat in der internationalen Öffentlichkeit viel Aufsehen erregt, vor allem aber mit großer Genugtuung in Washington von den dem Weißen Haus nahestehenden politischen Kreisen aufgenommen worden sein. Aus diesem Vorfall entwickelte sich später ein bemerkenswertes Echo in wichtigen Antinazi-Kreisen, das dann in Istanbul seinen Widerhall fand.
Der Gouverneur erzählte mir, daß eines Morgens jemand an seine Hotelzimmertür klopfte. Er öffnete und sah einen breitschultrigen, mittelgroßen Mann in Zivil vor sich, der um ein persönliches Gespräch bat. Er stellte sich als Admiral Canaris vor, Leiter des deutschen Geheimdienstes.
Der Kern dieser Unterhaltung mit Canaris war, daß es viele vernünftige Deutsche gäbe, die ihr Vaterland liebten, aber gegen Adolf Hitler eine Abneigung hätten, weil sie das Gefühl hätten, daß Hitler die deutsche Nation in den Abgrund brächte. Er führte dann weiter aus, daß die kürzlich von Roosevelt und Churchill in Casablanca verkündete „bedingungslose Kapitulation" bei den deutschen Generälen niemals Widerhall finden würde. Sollte allerdings Präsident Roosevelt auch nur andeuten, daß er eine ehrenvolle Übergabe von der deutschen Armee annehmen würde, dann könnte der wirkliche Feind der westlichen Zivilisation, die Sowjets, aufgehalten werden. Die deutsche Armee würde dann gegen die östliche Front marschieren, um den zermalmenden Anprall der durch Roosevelts Pacht- und Leihlieferungen stark gemachten, gut ernährten und bewaffneten Sowjet-Armee gegen den Westen aufzuhalten.
Die Sowjets hätten das Ziel, sich als die führende Macht in Europa festzusetzen, und betrögen, unterstützt durch viele hohe Agenten in den Vereinigten Staaten, das amerikanische Volk.
Der Gouverneur führte aus, daß er zuerst erschrocken gewesen sei, aber dann vorsichtig dem Admiral und seinen überraschenden Vorschlägen gegenüber reagiert habe. Hierauf erfolgte eine Zusammenkunft mit dem deutschen Botschafter Franz von Papen, einem gläubigen Katholiken, der gegen Hitler war.
Eine geheime Zusammenkunft sollte dann mitten in der Nacht an einem einsamen Platz unter Bäumen, fünf oder sechs Meilen außerhalb von Istanbul, stattfinden, wo sich der Gouverneur und der deutsche Botschafter mehrere Stunden lang hätten unterhalten sollen.
Der Gouverneur erzählte mir dann weiter, daß er sehr bald von der Aufrichtigkeit des Angebotes der Antinazi-Deutschen überzeugt worden sei. Als er dann noch weiter über die geheimen Pläne der sowjetrussischen Streitkräfte unterrichtet worden war, schickte er sofort ein Geheimtelegramm auf diplomatischem Wege an Roosevelt in Washington, in dem er Bericht erstattete. Dann wartete er auf die gewünschte Antwort. Doch keine kam! Wie vereinbart, rief ihn Admiral Canaris nach dreißig Tagen telefonisch an und fragte: „Haben Sie irgendwelche Nachrichten?"
Der Gouverneur erwiderte: „Ich warte auf Nachrichten. Habe aber bis jetzt keine." Der Admiral sagte: „Das tut mir wirklich sehr leid." Darauf sei Stille gewesen.
Kurz darauf entwickelte sich die Angelegenheit weiter. In einer privaten Unterhaltung in Istanbul hörte dann der Gouverneur von der Gattin des deutschen Botschafters, der Baronin von Papen, einige gegen Hitler gerichtete Bemerkungen. Darauf traf er den Baron Kurt von Lersner, der die Orientgesellschaft, eine deutsche kulturelle Organisation, leitete. Letzterer erzählte Earle, daß er über ihn in der Presse gelesen hätte und auch seine Ansichten über die Nazis kenne, daher hätte er das Gefühl, daß sie über gewisse Dinge derselben Meinung wären. Ein Zusammentreffen der beiden an demselben entlegenen Platz, spät in der Nacht, wurde schnell verabredet. Das Gespräch dauerte mehrere Stunden.
Dort stellte Baron von Lersner dieselbe Frage an Earle. Es handelte sich darum, ob, falls die Antinazi-Kräfte in Deutschland die deutsche Armee an die amerikanischen Streitkräfte ausliefern würden, sie dann mit einer Mitarbeit der Alliierten rechnen könnten, um die Sowjets aus Mitteleuropa herauszuhalten. Von Lersner sagte weiter, wenn Roosevelt einer „ehrenvollen Übergabe" zustimmen würde, würden sie Hitler, falls er von seinen eigenen Leuten nicht vorher umgebracht sein sollte, an die Amerikaner ausliefern. Weiterhin würde die Sowjet-Armee in Schach gehalten und an den Grenzen abgeriegelt werden.
Nochmals erklärte der Gouverneur, er würde ein dringendes verschlüsseltes Telegramm an das Weiße Haus schicken, um Präsident Roosevelt zu bitten, das Angebot der Antinazis zu prüfen. Aber es kam immer noch keine Antwort.
Darauf erfolgte ein zweites Zusammentreffen mit von Lersner, der als neuen Plan vorschlug, Hitlers abgelegenes östliches Hauptquartier zu umzingeln und dann die deutsche Armee an die Ostfront zu schicken, bis ein Waffenstillstand abgeschlossen werden könnte. Gouverneur Earle erzählte, daß er ferner eine äußerst dringende Botschaft vorbereiten und an Präsident Roosevelt in Washington schicken würde, diesmal aber nicht mit der diplomatischen Post, sondern durch die Armee und Marine, um ganz sicher zu gehen, daß diese wichtige Botschaft auch Roosevelt erreichen würde. Er sagte, er hätte das Gefühl, daß Roosevelt und seine Hauptberater unter dem bezaubernden Einfluß von Stalin stünden oder, daß Roosevelt irrtümlicherweise meinte, er könne Stalin „bezaubern", überdies sei das Weiße Haus wirklich nicht der richtige Ort, die Verhältnisse in Sowjet-Rußland angemessen zu überprüfen und zu enthüllen. Bei dieser aufschreckenden Bemerkung des Gouverneurs zuckte ich wieder mit den Augen und schwieg.
Dann fuhr er fort und sagte, er hätte das sichere Gefühl, daß ein starker „Einfluß" aus dem Weißen Hause den Präsidenten beherrscht hätte, der den festen Willen erkennen lasse, das ganze deutsche Volk auszumerzen, ohne Rücksicht darauf, wie viele amerikanische Soldaten auf dem Schlachtfeld, zur See und in der Luft ihr Leben opfern müßten, nur um dieses abscheuliche Ziel zu erreichen.
In Istanbul waren Pläne ausgearbeitet worden, nach denen der Gouverneur nach der erhofften günstigen Antwort von Roosevelt hinsichtlich einer ehrenvollen Übergabe zu einem geheimen Ort in Deutschland fliegen sollte, um dort von Hitlers Feinden weitere Einzelheiten über die Übergabebedingungen zu bekommen, die dann sofort an das Weiße Haus zwecks weiterer Aktionen geleitet werden sollten. Ein Flugzeug in der Nähe von Istanbul wartete. Es wartete und wartete vergebens.
Als aus Washington auf diese dringenden Botschaften immer noch keine Antwort kam, wurde der Gouverneur immer enttäuschter und immer mehr entmutigt. Endlich kam tatsächlich eine Art Antwort an. Sie besagte, daß er mit dem Oberkommandierenden in Europa Vorschläge für einen auszuhandelnden Frieden ausarbeiten sollte. Hätte man sich ein undurchführbareres oder tragischeres Vorgehen denken können?
Vollkommen erschüttert bemerkte ich, daß es sicherlich für ihn eine herzzerbrechende „Abfuhr" gewesen sein müßte. Ich hatte das bestimmte Gefühl, daß es so gewesen war.
Blitzschnell erinnerte ich mich an General Eisenhowers abwegigen Entschluß, daß unsere amerikanischen Truppen weder Berlin noch Prag einnehmen sollten, obwohl die Bevölkerung in Prag inbrünstig darum gebeten hatte, sich den Amerikanern ergeben zu dürfen. Man behauptet, dieser Entschluß Eisenhowers sei ein offenkundiger Fehler gewesen; das stimmte indessen nicht. Er selbst hat nämlich die Entscheidung getroffen und den Befehl gegeben, den Vormarsch der amerikanischen Truppen aufzuhalten, um die Ankunft der Sowjetarmee abzuwarten, wodurch dieser die Möglichkeit gegeben wurde, als „erste" einzutreffen. Auf diese Weise wurde einer feindlichen Macht ein großer Abschnitt der westlichen Zivilisation in die Hände gegeben. Das Bild, daß man sich von General Eisenhowers Gedankengängen zu jener Zeit machen will, ist, wenn man es so nennen soll, leicht zu erklären. Es ist kein Wunder, daß Stalin seiner Zeit so viel Lob an ihn verschwendete. Diese Erweiterung der Ziele der auf weite Sicht arbeitenden Weltfinanz lag jedoch nicht im Interesse zahlloser guter Amerikaner in Uniform, die ihrem Vaterlande das höchste Opfer brachten.
Nun mußte die westliche Zivilisation jahrzehntelang für diese und auch für andere sorgfältig geplanten „Irrtümer" bezahlen. In Wirklichkeit waren es jedoch keine Irrtümer, sondern sie spiegelten das auf weite Sicht geplante Ziel von Baruchistan wider, das General Eisenhower nur allzu gut bekannt war. Welche Aussichten hatte da noch George Earle, um an Roosevelt heranzukommen?
Ganz benommen saß ich am Mittagstisch und erinnerte mich, daß die Invasion in der Normandie erst ein ganzes Jahr später erfolgte.
Unsere Unterhaltung näherte sich dem Ende. Ich fragte den Gouverneur: „Was geschah dann?"
Er antwortete: „Ich war erschüttert, voller Enttäuschung und fühlte, daß ich nicht mehr von Nutzen sein konnte. Daher ging ich in die Staaten, zurück nach Hause. Der Zweite Weltkrieg nahm weiter seinen geplanten Verlauf, bis die Sowjets sich über Europa ausgebreitet hatten." Dann fügte er hinzu: „Nach einiger Zeit jedoch entschloß ich mich, meine Ansichten und Beobachtungen über unsere sogenannten Alliierten, die Sowjets, bekanntzugeben, um das amerikanische Volk aufzurütteln. Es sollte erfahren, was in Wirklichkeit geschah.Ich setzte mich mit dem Präsidenten in Verbindung, um ihn über mein Vorhaben zu unterrichten. Er reagierte indessen vollkommen ablehnend und verbot mir streng, meine Ansichten zu veröffentlichen. Als ich dann darum bat, wieder aktiven Dienst in der Marine tun zu dürfen, wurde ich nach dem weit im südlichen Pazifik liegenden Samoa geschickt. Dort würden meine großen Erfahrungen mit den zwiegesichtigen Sowjets und unsere verpaßte Gelegenheit, nutzloses Gemetzel aufzuhalten und den großen Sieg der Sowjets in Europa zu verhindern, keinen Eindruck auf die friedlichen Samoaner machen."
Ich fand keine passenden Worte der Erwiderung. Es kam mir vor, als ob ich nicht einer New-Deal-politischen Persönlichkeit, einem früheren Gouverneur von Pennsylvanien, gegenübersaß, sondern einem sehr tapferen Marineoffizier.
Seit jenem unvergeßlichen Essen sind sechs Jahre oder noch mehr verflossen. Kürzlich sprach ich wieder mit dem Gouverneur und erzählte ihm, daß ich an diesem Buch schriebe. Ich bat ihn um seine Erlaubnis, die seinerzeit beim Essen besprochenen Einzelheiten verwerten zu dürfen. Er war mir gegenüber sehr zuvorkommend und ging sogar so weit, daß er mir den Vorschlag machte, durch seinen Neffen Verbindung mit seinem Freund B. Norris Williams, dem Direktor der Historischen Gesellschaft von Pennsylvanien, aufzunehmen. Ich sollte ihn dann bitten, die Sammlung seiner persönlichen Briefe, die dort bei den Akten lagen, zu lesen und zu prüfen. Diese vorher genannten George-Earle-Briefe sind von überaus weitreichender Bedeutung. Gott allein weiß, wieviel Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn Roosevelt den Wunsch und die Möglichkeit gehabt hätte, zu kabeln: „George, sage ja, schicke nähere Einzelheiten, FDR."
In der Historischen Gesellschaft von Pennsylvanien wurde ich von Herrn Williams freundlich empfangen und erhielt sogleich die Erlaubnis, die Earle-Briefe einzusehen. Nachdem ich sie durchgesehen und über alles nachgedacht hatte, ging ich einige Stunden später tief erschüttert fort.
Man wird sich erinnern, daß Earles Bestrebungen achtzehn Monate, bevor es zu diesem zweideutigen und alles zermalmenden Schluß des Zweiten Weltkrieges kam, erfolgten. So hat es den Anschein, als ob die „vom Tode gezeichneten" Amerikaner von Roosevelts Beratern für diesen Zweck für gut genug gehalten wurden. Wäre mit dem Krieg im Jahre 1943 Schluß gemacht worden, was durchaus möglich gewesen wäre, dann hätte es Millionen weniger Tote gegeben sowie weniger Schulden, kein Geschrei, keine Sowjets in Europa und kein „Ost"- und „West"-Berlin. Es hätte auch keine Überschwemmung mit russischem Militärgeld gegeben, das nachher wieder in die Staaten einsickerte, um in großem Maße die wenigen Ein-Welt-Eingeweihten zu bereichern. Und es hätte keine Berlin-Mauer gegeben. Die eigentliche Mauer, um das amerikanische Volk zu betrügen, ist jedoch jetzt in wichtigen Kreisen in Washington errichtet worden und sie funktioniert in vollem Maße.
Kann man sich heute auch nur einigermaßen vorstellen, daß das deutsche Volk über den Commander Earle durch einen Frontgeneral einen äußerst vertrauenswürdigen Vorschlag für eine „Friedensverhandlung" unterbreiten lassen würde? Ich bezweifle es. Jedenfalls war die dem Commander Earle in Istanbul schließlich zugegangene geheime Antwort aus dem Büro des Präsidenten ausgesprochen zynisch, grausam und ausweichend.
General Patton wußte, was gespielt wurde. Aber er starb eines „frühen" Todes. Der Sekretär James Forrestal erkannte es ebenfalls. Auch er starb eines „frühen" Todes. Sicherlich hat es auch General Douglas MacArthur gewußt, Harry Truman jedoch anscheinend nicht; aber vielleicht wollte er es auch nicht wissen. Eine Kopie seines Briefes v. 28. Febr. 1947 an den Gouverneur Earle, die am Schluß dieses Kapitels mit einigen anderen angeführt ist, hätte weit besser mit „Alice im Wunderland" unterzeichnet werden können als von einem Präsidenten der Vereinigten Staaten (Anlage 1). Zwei dieser Briefe habe ich noch in Erinnerung. Beide sind datiert v. 24. März 1945 und waren vom Weißen Haus an den Commander George H. Earle in Philadelphia gerichtet.
Augenscheinlich hatte Commander Earle über seine Tochter Anna dem Präsidenten Roosevelt ein persönliches Geschenk zugehen lassen (Anlage 2). Der Umschlag trug den Stempel 9 Uhr Abends, Washington D. C. Bei der Durchsicht des Briefes erkennt man, daß George Earle den Plänen unserer „Alliierten", den Sowjets gegenüber, mißtrauisch geworden war. Aus diesem Grunde wurde er aber auch von den Beauftragten des Council of Foreign Relations, d. h. von einigen ihrer führenden Männer, die die dem amerikanischen Volke aufgezwungene Diplomatie des Zweiten Weltkrieges begünstigten, als äußerst gefährlich angesehen. Abgesehen von den beiden letzten Zeilen des Briefes, ist es für mich ganz selbstverständlich, daß einige der am linken Flügel stehenden Geheimagenten im Weißen Haus, die sich für derartige Aufgaben stets bereithielten, Annas Unterschrift sorgfältig geübt hatten.
Schon beim Lesen des ersten Absatzes zeigt sich an dem Hinweis, daß er im Falle der Durchführung seines vorgesehenen Programms, das sowjetische Verhalten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zu kritisieren, des Landesverrats für schuldig erklärt werden könne, die sorgfältig in Worte gekleidete Falle für Commander Earle. Kein Rechtsanwalt hätte wohl eine strengere und gefährlichere Ausdrucksweise finden können als die, die in diesem Brief steht.
Selbstverständlich wußten nur wenige Menschen, daß George Earle 1943 auf Grund zuverlässiger Zusagen in Istanbul die ersten notwendigen Schritte für Friedensverhandlungen mit Deutschland hätte tun können, wenn Roosevelt seine Weisung dazu gegeben und nicht geschwiegen hätte.
Der zweite Absatz fängt dann mit den überraschenden Worten an: „Da wir uns jetzt dem kritischen Stadium des Krieges gegen Deutschland nähern ..." und „ ... kostet uns vielleicht Tausende von Menschen". Im Hinblick auf Earles tapfere Bemühungen im Jahre 1943 war das in der Tat sehr geschmacklos, so daß ich beim Lesen dieses Briefes wirklich nur Bestürzung empfinden konnte.
Ich bin überzeugt, daß Roosevelt Earles bereits erwähntes Geschenk bekommen hatte, aber er wollte beim Schreiben nicht so weit gehen, als habe er ihm dafür zu danken - einem Freunde in demselben Brief zu danken, in dem er aber auch nahe daran war, die Glaubwürdigkeit und Verwendungsfähigkeit des Commanders als eines tüchtigen amerikanischen Marineoffiziers in Frage zu stellen.
Beim Lesen des zweiten Roosevelt-Briefes vom 24. März 1945 an Commander Earle (Anlage 3) in der gleichen Angelegenheit, merkt man deutlich, daß, wer auch immer diesen Brief für Roosevelts Unterschrift vorbereitet haben mochte, Angst davor hatte, die Sowjets auch nur mit Namen zu nennen, ja auch nur die etwas unklare Bezeichnung Russen zu gebrauchen. Offenbar hat der betreffende Berater diese Situation als besonders delikat angesehen. Auch wollte man wohl nicht, daß irgendjemand den Brief zu jener Zeit lesen oder sehen sollte aus Angst, „die Katze könnte aus dem Sack schlüpfen!"
In dem Brief steht das Wort „Landesverrat". Das ist ein starkes und häßliches Wort, vor allem, wenn es in Verbindung mit jemandem gebraucht wird, der als tapferer Offizier sein Leben zusammen mit vielen anderen eingesetzt hat und seinem Oberbefehlshaber genaue lebenswichtige und scharfsinnige Nachrichten zukommen ließ, Nachrichte über eine Organisation, die in Wirklichkeit nicht unser Verbündeter war, sondern selbst damals nur daran dachte, uns zur Ader zu lassen und zu vernichten, um ihren gottlosen Kult allen europäischen Nationen aufzuzwingen. Man kann sich wirklich nur fragen, wo erfolgte denn nun der tatsächliche „Landesverrat"?
Selbstverständlich hatte Roosevelt als Oberbefehlshaber das Recht, die Veröffentlichung von bestimmten Äußerungen seitens irgendeiner Persönlichkeit in den amerikanischen Streitkräften zu verhindern, bis sie ordnungsgemäß genehmigt waren.
Doch wovor fürchtete sich Roosevelt denn so sehr, daß er sich zu derart extremen Maßnahmen hinreißen ließ? Warum diese überraschende Behandlung gegenüber Commander Earle? Warum mußten die vielen Millionen Menschen noch sterben? Wozu noch achtzehn Monate länger ein Gemetzel? Warum? Ungefähr drei Wochen, nachdem Roosevelt diesen Brief an Commander Earle geschrieben hatte, starb er in Warm Springs in Georgia. Commander Earle aber befand sich in Samoa im südlichen Pazifik. Gut unterstützt durch unsere Waffen, wälzte sich die Sowjetarmee weiter gegen Westen nach Europa.
Zweifellos war an jenem 24. März 1945 die Gesundheit des Präsidenten sehr angegriffen. Offenbar hatten seine Berater schon damit gerechnet. Es ist also durchaus möglich, daß Roosevelt so etwas wie ein politischer Gefangener geworden war. Immerhin gab es aber auch noch Personen, die ihm näherstanden und die gar keinen Grund hatten, sich weiter so sorglos hinzugeben und den Befehlen der Ein-Welt-Planer zu gehorchen, es sei denn aus rein egoistischen Gründen.
Vielleicht hat Roosevelt in seinen letzten Tagen doch tiefer über die treffenden Äußerungen seines politischen und Studienfreundes George Earle nachgedacht. Und vielleicht ist er doch zu dem Schluß gekommen, daß er selbst der Betrogene war. Wenn er das aber nicht war, was war er dann? Und was waren wir?
Roosevelts großer Irrtum, fälschlich bezeichnet als „Mißgriff", nämlich die völlige Nichtbeachtung der rechtzeitig angebotenen Friedensverhandlungen, war für die Vereinigten Staaten und für die Welt so etwas wie eine nationale Katastrophe. Es war ein Sieg der Roosevelt-Berater und ihrer Pläne.
Man kann dazu nur noch wenig sagen und darauf hinweisen, daß die Schöpfer dieser trügerischen Götzenbilder auch heute noch fortwährend an der Arbeit sind, hochgeschätzt im Weißen Haus und auf dem Kapitol und eifrig damit beschäftigt, Nachrichten zu fabrizieren, ja selbst bestimmte Nachrichten zu unterschlagen. Commander Earle würde genau wissen, was ich damit meine. Doch auch heute sind augenscheinlich amerikanische Verluste noch ganz unwichtig.
(c) 1972 by Grabert-Verlag, 74 Tübingen Satz und Druck: Gulde-Druck, Tübingen Buchbindearbeiten: Großbuchbinderei Lachenmaier, Reutlingen
"Was wir im deutschen Widerstand während des Krieges nicht wirklich begreifen wollten, haben wir nachträglich vollends gelernt: Daß der Krieg schließlich nicht gegen Hitler, sondern gegen Deutschland geführt wurde."
Eugen Gerstenmaier, Widerstandskämpfer und ehem. Präsident des Deutschen Bundestages 1954-1969(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. 3. 1975)