Stechlin
01.09.2007, 15:27
Über das Verhältnis der SPD zum Grundgesetz
Am 31. August 2005 erhielt der damalige Chefredaktuer der Frankfurter Rundschau, Dr. Wolfgang Storz, einen Brief von Inge Wettig-Danielmeier, Schatzmeisterin der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Sie schrieb: "In der Frankfurter Rundschau ist in den letzten Wochen so mancherlei zum Thema »Linkspartei« erschienen. Manches davon zutreffend, manches sehr einseitig, gelegentlich auch provozierend, einiges davon auch uninformiert.
Helga Grebing, die bei ihrer Emeritierung von Herbert Riehl-Heyse in der SZ als »Nestorin der Geschichte der Arbeiterbewegung« bezeichnet wurde, hat mir eine Analyse zugesandt, die einen interessanten Aspekt des Verhältnisses von SPD und Linkspartei beschreibt.
In der Frankfurter Rundschau gibt es ja zahlreiche Rubriken, die mir für eine Veröffentlichung dieses Beitrages geeignet scheinen.
Ich würde mich freuen, wenn dieser Beitrag über die Frankfurter Rundschau bald einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht werden könnte."
Storz antwortete darauf: "Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihren offenen und klaren Brief und Ihre Empfehlung.
Ich bin – wie Sie wissen – in hohem Maße daran interessiert, daß die Frankfurter Rundschau nicht einseitig, provozierend und uninformiert über die Linkspartei berichtet. Deshalb bitte ich Sie um ein Gespräch, denn nur anhand der von Ihnen zu nennenden Beispiele können wir dann versuchen, Fehler, die wir machen, zu korrigieren und auf Dauer abzustellen.
Sie haben mir diesen Brief offiziell als Schatzmeisterin der SPD und damit als Mehrheitseigentümerin geschrieben. Sie werden verstehen, daß ich allein deshalb Ihrer sehr eindeutig vorgetragenen Empfehlung, den Text von Helga Grebing in der FR abzudrucken, nicht nachkommen kann. Ich bin der festen Überzeugung, daß dies die redaktionelle Unabhängigkeit berührte."
Es folgten noch einige Korrespondenzen zwischen den beiden, aber zu einem, wie von Storz gefordert, Treffen kam es nicht mehr. Es sollte ganz anders kommen.
Am 16. Mai 2006 mußte Dr. Wolfgang Storz nach einem kurzem Gespräch mit der Geschäftsleitung binnen zwei Stunden das Verlagsgebäude der Frankfurter Rundschau verlassen, sein E-Mail-Anschluß wurde umgehend gesperrt.
Tags darauf erschien in der FR auf Seite 3 eine kurze Mitteilung, daß man den Chefredaktuer von seiner Funktion entbunden hatte. Das war´s.
Die Redaktuere der Zeitung waren allerdings so gar nicht zufrieden mit dem plötzlichen Rausschmiß ihres Vorgesetzten, und setzten einen Artikel in der Zeitung durch, der ihr Bedauern über die ruppige Kaderpolitik der Geschäftsführung zum Ausdruck brachte.
Im Fachjargon nennt man so etwas eine "amerikanische" Entlassung, wenn keine Gründe dafür angegeben werden.
Die Hintergründe für diesen Akt der bundesdeutschen "Pressefreiheit":
Die FR gehörte zu 90% der SPD-Holding "Deutsche Druck-und Verlagsgesellschaft" (DDVG), ein SPD-Parteiblatt sozusagen. Diese Blätter stehen im allgemeinen nicht hoch im Kurs, da die Leserschaft doch eben auf eine kleine werberelevante Klientel beschränkt bleibt. Da die FR das Attribut "linksliberale Zeitung" besaß, stand ihr Chefredaktuer, der ein sachliches und unvoreingenommenes Verhältnis zur Linkspartei.PDS pflegte, einem Verkauf des Blattes an potente Investoren natürlich im Wege.
Dem sollte Abhilfe geschaffen werden, was mit dem Rausschmiß von Storz auch geschah. Kurz darauf wurde die FR an den Verlag "Du Mond-Schauberg" verkauft, die SPD-Holding behielt 40% der Anteile.
Art. 5 [Recht der freien Meinungsäußerung]
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Eine SPD-Schatzmeisterin pfeift auf das Grundgesetz, mißachtet die Pressefreiheit, und das im Namen des Profits. Und wenn sich ein Chefredaktuer des grundgesetzlich verbrieften Rechts der freien Meinungsäußerung bedient, dann wird er auf die Straße gesetzt, wenn er sich auch noch erdreistet, über eine demokratisch legetimierte Partei, die in Bundestag und Länderparlamenten sitzt, vorurteilsfrei und gegen den Pressemainstreamn zu berichten. Dann muß Artikel 5 des GG schon mal in die zweite Reihe treten.
Daß sich die anderen Medien über diesen Vorfall, der alles Gerede von Freiheit und Demokratie ad absurdum führt, auffallend ausschwiegen, sollte nicht weiter verwundern. Die bundesdeutsche Presselandschaft dient primär nur einem Herrn und Meister: den Interessen des Profits. Und wer diesem entgegensteht, wird kalt gestellt.
Viel wichtiger ist es natürlich, anderen Ländern Vorschriften zu machen, wie Pressefreiheit zu funktionieren hat. Die FR gibt dabei ein gutes Lehrstück ab, wie man es nicht machen sollte.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2007/08-30/018.php?sstr=der%7Ceingriff
Am 31. August 2005 erhielt der damalige Chefredaktuer der Frankfurter Rundschau, Dr. Wolfgang Storz, einen Brief von Inge Wettig-Danielmeier, Schatzmeisterin der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Sie schrieb: "In der Frankfurter Rundschau ist in den letzten Wochen so mancherlei zum Thema »Linkspartei« erschienen. Manches davon zutreffend, manches sehr einseitig, gelegentlich auch provozierend, einiges davon auch uninformiert.
Helga Grebing, die bei ihrer Emeritierung von Herbert Riehl-Heyse in der SZ als »Nestorin der Geschichte der Arbeiterbewegung« bezeichnet wurde, hat mir eine Analyse zugesandt, die einen interessanten Aspekt des Verhältnisses von SPD und Linkspartei beschreibt.
In der Frankfurter Rundschau gibt es ja zahlreiche Rubriken, die mir für eine Veröffentlichung dieses Beitrages geeignet scheinen.
Ich würde mich freuen, wenn dieser Beitrag über die Frankfurter Rundschau bald einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht werden könnte."
Storz antwortete darauf: "Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihren offenen und klaren Brief und Ihre Empfehlung.
Ich bin – wie Sie wissen – in hohem Maße daran interessiert, daß die Frankfurter Rundschau nicht einseitig, provozierend und uninformiert über die Linkspartei berichtet. Deshalb bitte ich Sie um ein Gespräch, denn nur anhand der von Ihnen zu nennenden Beispiele können wir dann versuchen, Fehler, die wir machen, zu korrigieren und auf Dauer abzustellen.
Sie haben mir diesen Brief offiziell als Schatzmeisterin der SPD und damit als Mehrheitseigentümerin geschrieben. Sie werden verstehen, daß ich allein deshalb Ihrer sehr eindeutig vorgetragenen Empfehlung, den Text von Helga Grebing in der FR abzudrucken, nicht nachkommen kann. Ich bin der festen Überzeugung, daß dies die redaktionelle Unabhängigkeit berührte."
Es folgten noch einige Korrespondenzen zwischen den beiden, aber zu einem, wie von Storz gefordert, Treffen kam es nicht mehr. Es sollte ganz anders kommen.
Am 16. Mai 2006 mußte Dr. Wolfgang Storz nach einem kurzem Gespräch mit der Geschäftsleitung binnen zwei Stunden das Verlagsgebäude der Frankfurter Rundschau verlassen, sein E-Mail-Anschluß wurde umgehend gesperrt.
Tags darauf erschien in der FR auf Seite 3 eine kurze Mitteilung, daß man den Chefredaktuer von seiner Funktion entbunden hatte. Das war´s.
Die Redaktuere der Zeitung waren allerdings so gar nicht zufrieden mit dem plötzlichen Rausschmiß ihres Vorgesetzten, und setzten einen Artikel in der Zeitung durch, der ihr Bedauern über die ruppige Kaderpolitik der Geschäftsführung zum Ausdruck brachte.
Im Fachjargon nennt man so etwas eine "amerikanische" Entlassung, wenn keine Gründe dafür angegeben werden.
Die Hintergründe für diesen Akt der bundesdeutschen "Pressefreiheit":
Die FR gehörte zu 90% der SPD-Holding "Deutsche Druck-und Verlagsgesellschaft" (DDVG), ein SPD-Parteiblatt sozusagen. Diese Blätter stehen im allgemeinen nicht hoch im Kurs, da die Leserschaft doch eben auf eine kleine werberelevante Klientel beschränkt bleibt. Da die FR das Attribut "linksliberale Zeitung" besaß, stand ihr Chefredaktuer, der ein sachliches und unvoreingenommenes Verhältnis zur Linkspartei.PDS pflegte, einem Verkauf des Blattes an potente Investoren natürlich im Wege.
Dem sollte Abhilfe geschaffen werden, was mit dem Rausschmiß von Storz auch geschah. Kurz darauf wurde die FR an den Verlag "Du Mond-Schauberg" verkauft, die SPD-Holding behielt 40% der Anteile.
Art. 5 [Recht der freien Meinungsäußerung]
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Eine SPD-Schatzmeisterin pfeift auf das Grundgesetz, mißachtet die Pressefreiheit, und das im Namen des Profits. Und wenn sich ein Chefredaktuer des grundgesetzlich verbrieften Rechts der freien Meinungsäußerung bedient, dann wird er auf die Straße gesetzt, wenn er sich auch noch erdreistet, über eine demokratisch legetimierte Partei, die in Bundestag und Länderparlamenten sitzt, vorurteilsfrei und gegen den Pressemainstreamn zu berichten. Dann muß Artikel 5 des GG schon mal in die zweite Reihe treten.
Daß sich die anderen Medien über diesen Vorfall, der alles Gerede von Freiheit und Demokratie ad absurdum führt, auffallend ausschwiegen, sollte nicht weiter verwundern. Die bundesdeutsche Presselandschaft dient primär nur einem Herrn und Meister: den Interessen des Profits. Und wer diesem entgegensteht, wird kalt gestellt.
Viel wichtiger ist es natürlich, anderen Ländern Vorschriften zu machen, wie Pressefreiheit zu funktionieren hat. Die FR gibt dabei ein gutes Lehrstück ab, wie man es nicht machen sollte.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2007/08-30/018.php?sstr=der%7Ceingriff