Sauerländer
25.08.2007, 22:54
Ich stimme Dir zu. Nur sollten Augenmass und Mittel stimmen. Wege differenziert gegangen werden. "Alle Ausländers raus" jedenfalls kann nicht der Weg sein.
Von "Alle raus!" spreche ich auch nicht, und das scheinen mir auch sonst eher wenige zu tun. Es gibt viele ethnische Minderheiten in diesem Land, mit denen kaum jemand ein Problem hat, weil sie erstens wenige und zweitens im Umgang unproblematisch sind (Denken wir etwa an diverse asiatische Völker).
Ich bin mir nicht sicher, wie viele Japaner in Deutschland leben, aber es sind wenig genug, dass es nicht überall japanische Stadtteile gibt, dass nicht an jeder zweiten Straßenecke ein japanisches Restaurant steht, dass nicht jeder Dritte, der an einem vorbeigeht, Japanisch spricht, dass man auf der Straße nicht japanischen Gangs ausweichen muss.
Es gibt aber Ethnien, die hier in einer Zahlenstärke präsent sind, dass sie beginnen, ihre Umgebung dauerhaft umzuprägen. Und das ist schlicht inakzeptabel, und muss durch Reduzierung der Zahlenstärke dieser Minderheit gelöst werden.
Auch dies ist korrekt. Das Problem hierbei ist schlicht, daß sich die Menschen eine Filterbrille aufsetzen und sich eben nur noch das herauspicken, was ihnen in den politischen Kram passt -dabei aber den Blick für das Gesamte verlieren. "Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht"
Ein politisches Leitinteresse ist unabdingbar. Sonst hat man gar kein Ordnungsmoment, und steht nach jeder Antwort mit zwanzig neuen Fragen da. Das ist auf Dauer nicht tragfähig. Aus einer übergroßen Menge muss man selektieren - und das tut man immer nach einem bestimmten Muster.
Ich für meinen Teil orientiere mich etwa im Bereich der Geschichtsschreibung tendenziell immer an Personen mit eher pessimistischer Sichtweise, blende eher optimistische Positionen (die ich meistens reichlich albern finde) aus, und bin mir dessen auch durchaus bewusst.
Ich tue mir schwer mit dem Begriff der "Volksidentität". Wir sollten das gesondert diskutieren. Ohne die ganzen Spammer. Für mich klingt das sehr schwammig.
Du hast unten (als Beispiel) schon das "Band der Sprache" angesprochen. Einverstanden. Dann kann sich aber jemand, der beispielsweise die Sprache perfekt spricht, in eine solche Gemeinschaft integrieren.
Wenn es NUR um die Sprache ginge, wäre das so, sicherlich. Dann könnte man, wenn man denn mehrere Sprachen fließend spricht, auch mehreren Nationen angehören. Das ist aber in meinen Augen abwegig. Worum es geht, ist das Zusammenspiel aus Sprache, Raum, Geschichte und Mentalität.
Es gibt zum Beispiel klassische Händlervölker. Dazu gehören die Deutschen nicht.
Es gibt eher fröhlich-lockere Völker. Auch dazu gehören sie nicht.
Eine Portion Ernst und Schwermut ist immer irgendwo Bestandteil des Deutschen.
Das wiederum sehe ich anders. Eine der "deutschen Tugenden", über die ja so gerne geschimpft wird, ist in meinen Augen die Toleranz. Diese wurde imho sehr intensiv gelebt (und wird es noch, bis auf wenige Ausnahmen, die sich damit außerhalb der "deutschen Werte" stellen, die sie zu verteidigen vorgeben.)
Toleranz ist in meinen Augen eine preußische Tugend, keine deutsche, und sie funktionierte in Preußen vor dem Hintergrund eines selbstzweckhaften, militärisch starken Staates, der alles akzeptierte, solange es sich in das Autoritätsgefüge eingliederte und effizient zur Stärkung des Staates beitrug. Preuße konnte daher prinzipiell jeder sein oder werden, die Staatszugehörigkeit war das einzige, was die Preußen gemeinsam hatten. So eine Art militärisch-autoritäre Version der USA.
Losgelöst vom preußischen Hintergrund halte ich Toleranz für keinen Wert, oder zumindest für keinen hohen.
Einspruch Euer Ehren. Betrachtet man alleine die 100 Jahre vor 1871, sahen sich sehr viele Deutsche weniger als Deutsche, sondern als Badener, Bayern, Westfalen, Preussen etc. Deutschland war nie ein homogenes Gebilde sondern immer ein Teppich von verschiedenen "Stämmen", wenn auch mit vielen Gemeinsamkeiten. Mit Europa verhält es sich imho heute ähnlich. In beiden Fällen kam die Einigung übrigens "von oben" und wurde nicht durch das Volk - anders als in Italien - erkämpft.
Mit Verlaub, vor allem dann, wenn es um die Abwehr äusserer Feinde ging (etwa Napoleon), hat auch damals ein Gefühl des Deutschseins bestanden. Deutschland ist nie -bis heute nicht- ein zentralistisches Einheitsgebilde gewesen wie England oder Frankreich. Deutschland blieb polyzentral-föderal, jedenfalls staatspolitisch. Aber die vielen Gemeinsamkeit der Stämme sind es, um die es geht, nicht irgendeine politische Theorie, etwa im Sinne der Staatsnation nach französischem Muster. Deutschsein ist schicksal und eine vollkommen apolitische Angelegenheit.
Und ich wage zu bestreiten, dass sich die europäischen Nationen so ähnlich sind wie die deutschen Stämme, auch wenn es eine Annäherung gibt, die gernichtmal in jeder Hinsicht schlecht sein muss.
Worüber definierst Du aber die Volkszugehörigkeit? Der Sprachbegriff alleine kann es nicht sein - da wären auch Luxemburger und Niederländer, Schweizer, evtl sogar Dänen eigentlich Deutsche, wenigstens sind sie "Indogermanen".
Die Sprache allein als Kriterium ist natürlich schwierig. Um den gesamten germanischen Sprachraum kann es nicht gehen. Schwierig ist der Fall der Niederländer und Flamen. Zumindest die älteren Jahrgänge hier in Westfalen sprechen noch Platt - da besteht kaum ein Unterschied zum Niederländischen.
Tendenziell würde ich Niederländer und Flamen zu den Deutschen zählen, die Dänen jedoch eindeutig nicht. Dänemark hat auch nicht wie der niederländischsprachige Raum zum Reich gehört. Mit leichten Abstrichen im Osten (Das mag historisch deutsch sein, wie es will, jetzt ist es polnische dominiert, also was will man damit?) halte ich als deutsche Grenzen die Forderungen des Deutschen Kollegs für recht einleuchtend.
Das deutsche Volk dieser Zeit wusste aber gar nicht, daß es das deutsche Volk war. So haben sich beispielsweise die Bayern weniger als Deutsche verstanden als die Österreicher. Ich glaube zu wissen, wo Du hinwillst, aber ich finde es einfach schwierig, "den da" als Deutschen zu bezeichnen, weil er nördlich der Alpen lebt und "den da" außen vor zu lassen, weil er westlich des Rheins lebt.
Es ist ja auch -wie angedeutet- keine reine Frage des Raumes sondern eines Zusammenspiels mehrerer Faktoren. Natürlich, im Mittelalter hat man sich keinen Begriff von Nationalität gemacht, weil das damals eine Frage ohne Belang war. Machtbezug war der konkrete, personale Herrscher, nicht der abstrakte Staat, der neue Identifikationsmuster erforderte. Aber bestanden hat die Nation aös räumlich-kulturelle Größe bereits.
Man könnte sogar überlegen, ob das wieder eines dieser DInge ist, die in dem Moment entarten, wo sie Gegenstand bewusster Überlegungen werden.
Sind dann Niederländer auch Deutsche? Küstenbewohner der Nordsee? Elsässer?
Ich bezweifle, daß es "den Deutschen" überhaupt gibt. Es gibt den Bayern, den Saarländer, den Luxemburger. Alle sprechen Deutsch. Das ist ihre Gemeinsamkeit
So gesehen gäbe es auch zum Beispiel keine Amerikaner, und man müsste auch all den Separatisten auf der iberischen Halbinsel rechtgeben, die bestreiten, dass es Spanien überhaupt gibt.
Ich ahne Deine Richtung, bin auch teilweise bei Dir - aber auch ein Einstein (Jude) oder ein Francois (Franzose) waren Deutsche. Die meisten deutschen Nobelpreisträger waren Juden. Warum werden gerade die von extremrechter Seite ausgeblendet?
Mit den Juden wiederum ist es eine spezielle Problematik aufgrund des unklaren Status als Religionsgemeinschaft oder Volk. Handelt es sich bei den Juden um ein Volk, kann ein Jude kein Deutscher sein, weil er nunmal bereits einem anderen Volk angehört, genau wie ein Franzose, Engländer, wasauchimmer. Handelt es sich um eine Religionsgemeinschaft, kann der Jude genauso Deutscher sein, wie es der Katholik kann. Da zum einen die Juden sich selbst als Volk begreifen und zum anderen heute bereits ihren eigenen Staat haben (der nicht zu rechtfertigen wäre, wenn sie kein Volk wären), bin ich geneigt, sie wesentlich als Volk zu sehen. Andererseits bestand der Staat damals nicht, und viele Juden haben sich wesentlich stärker mit Deutschland als mit ihrem Judentum identifiziert. Im ersten Weltkrieg haben viele Juden für das Reich gekämpft und sich hohe Auszeichnungen erworben. Bis zu einem gewissen Grad ist es geradezu absurd: Damals war die Trennung wenig scharf, aber der Antisemitismus wurde stark. Heute ist der kein Thema, aber die Trennung ist schroff.
Wie isser denn jetzt, der Deutsche?
Vor allen Dingen: Kompliziert.:D
Da habe ich eine andere Wahrnehmung
Dann werden wir es in diesem Punkt bei der Feststellung unterschiedlicher Wahrnehmungen belassen müssen.
Stimmt. Andererseits kann es nicht sein, daß die Mechanismen, die augenscheinlich jetzt wieder zu greifen beginnen und in einem Genozid endeten, jetzt wieder zu greifen beginnen. Daß einige auf "erprobte Problemlösungen" zugreifen wollen und wenigstens geistig dazu auch bereit sind. Progrome sind mit Sicherheit kein Teil der Lösung, sondern des Problems.
Zum einen: Klar. Zum anderen sehe ich aber nicht, woher dieser Vergleich seine Berechtigung nimmt. Es ist ja nicht so, als stünden wir einen Meter vor einem neuen Nationalsozialismus.
Gegen ein "so soll es sein" ist nichts einzuwenden. Kritisch wird es imho bei "es darf nicht anders sein". Denn dadurch beginne ich mit einer Abwertung einer anderen Gruppe, die meine Werte oder Richtlinien nicht teilt. Ich verstehe Deine Intention. Deine Befürchtung ist, daß, extrem gesehen, die Gesellschaft sich in Individuen auflöst, die jeweils nur "sich selbst" sehen. Ich teile diese Befürchtung, sehe aber auch die andere Seite, die zu einem "NUR so und nicht anders" führt und jegliche Individualität unterdrückt und den Menschen zum Rädchen in der Maschine der Volksgemeinschaft degradiert.
Kann ich nachvollziehen. Andererseits aber kann man nicht ein "so soll es sein" in den Raum stellen, und dann auf die Frage "Sonst...?" antworten: "Sonst gar nichts."
Richtlinien, die folgenlos in den Raum gestellt werden, sind bloße Empfehlungen - "Sie sollten hier nur 30 kmh fahren - aber Sie haben von uns auch nichts zu befürchten, wenn Sie 150 fahren...":rolleyes:
Richtlinien müssen ergänzt werden durch die Gewährung von Privilegien für die, die sie befolgen, und Negaktivsanktionen für die, die sie missachten.
Das kann nicht bedeuten "SO wird es gemacht, und jeder Abweichler wird erschossen."
Es kann aber auch nicht der Weg sein, es zu handhaben nach dem Motto "Solange alle einverstanden sind, könnt Ihr machen, was Ihr wollt, und trotzdem bekommt jeder gleich viel vom Kuchen."
Das mache ich an Aussagen über "Musels, die ruhig verrecken können" fest. Hier fehlt es an jeder menschlichen Achtung.
Ich habe das nicht so geäussert. Wer es tut, hat meines Erachtens einen Schatten. Andererseits ist das aber auch wieder eine Trotzreaktion auf poltiische Korrektheit, die keine Antipathie gegen Fremdgruppen irgendeiner Art zulässt.
Das wird sowieso eher kaum passieren. Franken hat sich auch nicht in Bayern und Bayern nicht in Deutschland aufgelöst, von daher betrachte ich die Horrorvision des multiethnischen "One-world"-Staates eher gelassen.
In einem fest verinstituinalisierten Sinne steht der noch fern, das ist klar, und eher bekommen wir wahrscheinlich Konzernstaaten oder sowas.
Es stimmt. Wir alle sind immer auch Teil von Kollektiven. Ich muß aber nicht ein anderes Kollektiv abwerten, um meines aufzuwerten. Da fängt doch der Ärger an.
Ich habe das Anderssein eines anderes Kollektivs und seiner Individuen zu akzeptieren, erwarte aber umgekehrt auch, daß mein Kollektiv akzeptiert wird. Dies muss sichergestellt sein.
Global natürlich. Aber nicht im Sinne eines gleichen Anspruchs der Kollektive auf einen bestimmten Raum. In diesem Haus wohnt MEINE Familie, Gäste haben sich anständig zu benehmen, WIR stellen hier die Regeln auf, wer uns nicht passt, fliegt raus.
Im Übrigen hat sich das Minderheitskollektiv immer dem Mehrheitskollektiv unterzuordnen (nicht mit "unterwerfen" verwechseln).
Wobei das nicht in einem demokratischen Sinne an der Mehrheitlichkeit hängt. Kehren hier 20 Gäste ein, ist die Familie in der Minderheit. Es ist immer noch UNSER und NUR unser Haus.
In den persönlichen Mikrokosmos heruntergebrochen: ich akzeptiere es, wenn mein türkischer Gast kein Schweinefleisch ist. Wenn mir etwas an ihm liegt, dann gebe ich ihm eben Schafsfleisch. Umgekehrt hat er aber auch zu akzeptieren, daß ich Alkohol trinke und meine Frau kein Kopftuch trägt. Ansonsten lassen wir eben den Kontakt sein.
Jepp.
Und da wird es mir schon wieder ZU simpel. Das "wir" und "ihr" ist ein ständiger Fluss, da Du ständig die Kollektive wechselst. Dein Firmenkollektiv ist ein anderes als Dein Freundeskreis, ist ein anderes als Deine Familie, ist ja auch ein anderes hier in diesem Forum.
Wenn Du nun sagst: "Türken in meiner Firma lehne ich grundsätzlich ab, da sie zu einem anderen ethnischen Kollektiv gehören" - dann fängt hier Rassismus und, nebenbei, auch Verrat an Deinem Firmenkollektiv an.
Es gibt kein Firmenkollektiv. Das ist ein rein individuelles Beschäftigungsverhältnis, für das ich bezahlt werde, und das ich jeder Zeit wieder verlassen kann. Am Arbeitsplatz mag man einzelne Freunde haben, aber ein wirkliches Kollektiv lassen nur wenige Berufe (etwa im Militär) entstehen.
Ich gehöre meiner Familie an, dem Stamm der Westfalen, der Nation der Deutschen. Da kann ich gar nichts wechseln.
Und grundsätzlich gilt bei den Kollektiven: Man mehreren angehören, sofern sie unterschiedlicher Art sind, aber immer nur einem der selben Art. Man kann nur EINER Familie angehören, EINER Nation, EINER Religion, EINER Kommune, EINER Armee, EINER Partei.
Ich würde nie sagen: Den Türken lehne ich ab.
Aber ich würde bei meinem Standpunkt bleiben, dass es von ihnen zu viele in Deutschland gibt, und das daran auch nichts geändert wird dadurch, dass er ein anständiger Kerl ist, mit dem ich vielleicht sogar gelegentlich ins Stadion ziehe oder ein paar Büchsen Efes verzimmere.
...und da hast Du soeben eine Wertung getroffen. Nicht Dein Kollektiv, willst Du nichts damit zu tun haben. Basta. Du verschliesst Dir damit selbst Erfahrungen und Lernprozesse. Das halte ich - auch für das eigene Kollektiv - für gefährlich.
Das hat nichts mit einer Wertung zu tun. Einen absoluten Wert dieser Leute behaupte ich nicht. Es geht nur um eine gruppenmäßige Beziehung, die in einer klaren Abgrenzung besteht, die auch wieder was mit den Verhaltensrichtlinien zu tun hat. Ich kann ja schwerlich beispielsweise Heterosexualität als Standard definieren und dann sagen: "Och, Du bist da irgendwie anders drauf, auch kein Problem."
Klare Abgrenzung ist da das Minimum.
Die Forderung von "Offenheit" ist letztlich nur die nach der Abwesenheit von Vorgaben.
Wie der Papst einmal so richtig sagte: "Es kann nicht darum gehen, Menschen zu verprellen. Aber es muss jemanden geben, der ganz klar sagt: DAS ist katholisch, und DAS ist es nicht."
Umgekehrt gefragt: würdest Du es begrüßen, wenn diese netten Menschen wieder in die Türkei zurückgingen? Würdest Du sie zweckmässiger Weise vielleicht sogar notfalls zurückprügeln? "Alle Ausländers raus (sonst knallts)" würde Deine Bekannten ebenfalls treffen. Gesetzt den Fall, sie würden von rechtsestremen Schlägern grundlos angegriffen - auf welcher Seite stündest Du? Auf der des Volkskollektivs oder der Bekanntenkreiskollektivs?
Zunächstmal sind die Schläger in einer solchen Situation nicht das Volkskollektiv, sondern nur EINER seiner Aspekte. Zum zweiten stünde ich in einer solchen Situation, die keine mir bekannte weitere Vorgeschichte hat, wohl auf seiten meiner Bekannten. Aber nicht, weil sie meine Bekannten sind, sondern weil es den Geboten der Ordnung (ein etwaiges Personenrecht ist mir da eher zweitrangig) entspricht, dass man nicht rumzurennen und irgendwann zusammenzuschlagen hat.
Weiterhin: Ich kann mich ja schlecht hier hinstellen und sagen: "Es sind zu viele Türken hier, soundsoviel Prozent davon müssen raus - aber nicht der Murad, das ist ein netter Kerl." So eine Aussage wäre in sich illegitim. Entweder besteht die Notwendigkeit - das ist meine persönliche Bezoehung zu diesen Leuten für das politische Faktum zweitrangig. Oder sie besteht nicht - dann brauchen wir die Diskussion nicht zu führen.
Eine solche Entfernung kann natürlich nicht ablaufen wie die große Fuchsjagd. Die Leute haben häufig anständig hier gearbeitet und ihren Beitrag zu diesem Land geleistet. Das bedeutet, dass man ihnen Zeit und Spielraum geben muss, etwa im Rahmen von Rückführungsprogrammen, bei denen die finanzielle Unterstützung bei früher Ausreise hoch ist, und später immer geringer wird, bis zur Deadline, an der die Abschiebung steht. Der Zeitraum dafür würde Jahre umfassen muss, man kann ja nicht einfach über Nacht jemanden mitsamt seiner Familie aus dem Land werfen.
Unbestritten. Im Umkehrschluss kann aber auch ein "Wir" nicht "Wir ODER die" sondern nur ein "UND" beinhalten.
Selbstverständlich - global angelegt. Ein spezifischer Raum jedoch kann nur EINEM Kollektiv der jeweiligen Ebene zuzordnen sein. Insofern "bayrisch" eine Untergruppe zu "Deutsch" ist, können die Deutschen Bayern bevölkern, weil eben Bayern Deutsche sind. Es können aber nicht Franzosen Deutschland bevölkern, denn das sind nicht Gruppen in einem Unterordnungsverhältnis, sondern Parallelgruppen, von denen jeweils nur EINE einen Raum besetzen kann, was ihn der jeweils anderen entzieht.
Ich kann Fan von Borussia Dortmund und von Preußen Münster sein (solange Münster nicht aufsteigt und Dortmund keinen grausamen Absturz hinlegt), kann darüberhinaus mit Celtic Glasgow sympathisieren, solange man im internationalen Geschäft nichts miteinander zu tun hat - ich kann NICHT gleichzeitig Anhänger von Borussia Dortmund und Bayern München sein.
Ich kann nur Katholik ODER Protestant sein, nicht beides.
Und so kann eben auch ein Raum nur uns ODER denen zueigen sind, uns UND denen - das ist nicht möglich.
Du bist meiner Frage sehr elegant ausgewichen. Ich habe gefragt, wer Dir näher am Herzen liegt, näher an Deinem Kollektiv liegt, nicht, wie man mit in- und ausländischen Straftätern umgehen sollte (was ich im Übrigen wie Du sehe).
Dann kommt es immer noch darauf an, WARUM der deutsche Mörder zum Mörder wurde. Ich kann jedenfalls nicht feststellen, mich einem Volksgenossen, der ein Tätungsdelikt begangen hat, automatisch ferner zu fühlen als einem gesetzestreuen Fremdbürger, was vermutlich das ist, worauf Du hinauswolltest.
Das würde aber der von vielen Hintergrundrauschern ausgesprochenen These widersprechen, daß ausländische Straftaten unbeachtet und ungesühnt bleiben, während im Umkehrfall "immer vom bösen Deutschen" die Rede ist.
In dieser Plattheit sicherlich.
Da verrennst Du Dich jetzt imho etwas. Es ist nicht "der Liberalismus", der die Sündenböcke braucht - es sind diejenigen, die (möglicherweise) Opfer dieses Liberalismus sind.
Und gleichzeitig Täter. Das Ganze hat eine gewaltige Eigendynamik, so dass im besten Orwell´schen Sinne konkrete Personen, an denen man das System festmachen kann, kaum noch greufbar sind. Es ist ein Alptraum.
Und deswegen lautet Deine Antwort auf Abschaffung des Individuums zugunsten des Kollektivs der Volksgemeinschaft? Verstehe ich Dich richtig? Denn darüber reden wir doch dann in letzter Konsequenz?
Keineswegs. Eine Volksgemeinschaft, die aus abgeschafften Individuen besteht, ist infunktionabel.
"Du bist nichts, dein Volk ist alles? Das wäre dann eine Summe aus lauter Nullen", heisst es bei Ernst Jünger irgendwo.
Individuum und Kollektiv stehen in einem äußerst komplexen Wechselspiel.
Keine von beiden Seiten besteht für sich. Das Individuum kann auf Dauer kein sinnvolles Leben frissten in einer Umgebung, in der das Kollektiv keine klaren Vorgaben setzt. Zu denen müssen sich die Menschen dann immer noch individuell verhalten, es kann ihnen kein Staat und keine Partei in jeder Situation sagen "Tu jetzt dies, dann jenes, und dann das", und wäre das möglich, wäre es nicht wünschenswert.
Ich bin kein Freund der Moderne, und misstraue dem modernen Staat zutiefst. Noch mehr aber misstraue ich dem losgelösten, nichtgebundenen Individuum.
Von "Alle raus!" spreche ich auch nicht, und das scheinen mir auch sonst eher wenige zu tun. Es gibt viele ethnische Minderheiten in diesem Land, mit denen kaum jemand ein Problem hat, weil sie erstens wenige und zweitens im Umgang unproblematisch sind (Denken wir etwa an diverse asiatische Völker).
Ich bin mir nicht sicher, wie viele Japaner in Deutschland leben, aber es sind wenig genug, dass es nicht überall japanische Stadtteile gibt, dass nicht an jeder zweiten Straßenecke ein japanisches Restaurant steht, dass nicht jeder Dritte, der an einem vorbeigeht, Japanisch spricht, dass man auf der Straße nicht japanischen Gangs ausweichen muss.
Es gibt aber Ethnien, die hier in einer Zahlenstärke präsent sind, dass sie beginnen, ihre Umgebung dauerhaft umzuprägen. Und das ist schlicht inakzeptabel, und muss durch Reduzierung der Zahlenstärke dieser Minderheit gelöst werden.
Auch dies ist korrekt. Das Problem hierbei ist schlicht, daß sich die Menschen eine Filterbrille aufsetzen und sich eben nur noch das herauspicken, was ihnen in den politischen Kram passt -dabei aber den Blick für das Gesamte verlieren. "Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht"
Ein politisches Leitinteresse ist unabdingbar. Sonst hat man gar kein Ordnungsmoment, und steht nach jeder Antwort mit zwanzig neuen Fragen da. Das ist auf Dauer nicht tragfähig. Aus einer übergroßen Menge muss man selektieren - und das tut man immer nach einem bestimmten Muster.
Ich für meinen Teil orientiere mich etwa im Bereich der Geschichtsschreibung tendenziell immer an Personen mit eher pessimistischer Sichtweise, blende eher optimistische Positionen (die ich meistens reichlich albern finde) aus, und bin mir dessen auch durchaus bewusst.
Ich tue mir schwer mit dem Begriff der "Volksidentität". Wir sollten das gesondert diskutieren. Ohne die ganzen Spammer. Für mich klingt das sehr schwammig.
Du hast unten (als Beispiel) schon das "Band der Sprache" angesprochen. Einverstanden. Dann kann sich aber jemand, der beispielsweise die Sprache perfekt spricht, in eine solche Gemeinschaft integrieren.
Wenn es NUR um die Sprache ginge, wäre das so, sicherlich. Dann könnte man, wenn man denn mehrere Sprachen fließend spricht, auch mehreren Nationen angehören. Das ist aber in meinen Augen abwegig. Worum es geht, ist das Zusammenspiel aus Sprache, Raum, Geschichte und Mentalität.
Es gibt zum Beispiel klassische Händlervölker. Dazu gehören die Deutschen nicht.
Es gibt eher fröhlich-lockere Völker. Auch dazu gehören sie nicht.
Eine Portion Ernst und Schwermut ist immer irgendwo Bestandteil des Deutschen.
Das wiederum sehe ich anders. Eine der "deutschen Tugenden", über die ja so gerne geschimpft wird, ist in meinen Augen die Toleranz. Diese wurde imho sehr intensiv gelebt (und wird es noch, bis auf wenige Ausnahmen, die sich damit außerhalb der "deutschen Werte" stellen, die sie zu verteidigen vorgeben.)
Toleranz ist in meinen Augen eine preußische Tugend, keine deutsche, und sie funktionierte in Preußen vor dem Hintergrund eines selbstzweckhaften, militärisch starken Staates, der alles akzeptierte, solange es sich in das Autoritätsgefüge eingliederte und effizient zur Stärkung des Staates beitrug. Preuße konnte daher prinzipiell jeder sein oder werden, die Staatszugehörigkeit war das einzige, was die Preußen gemeinsam hatten. So eine Art militärisch-autoritäre Version der USA.
Losgelöst vom preußischen Hintergrund halte ich Toleranz für keinen Wert, oder zumindest für keinen hohen.
Einspruch Euer Ehren. Betrachtet man alleine die 100 Jahre vor 1871, sahen sich sehr viele Deutsche weniger als Deutsche, sondern als Badener, Bayern, Westfalen, Preussen etc. Deutschland war nie ein homogenes Gebilde sondern immer ein Teppich von verschiedenen "Stämmen", wenn auch mit vielen Gemeinsamkeiten. Mit Europa verhält es sich imho heute ähnlich. In beiden Fällen kam die Einigung übrigens "von oben" und wurde nicht durch das Volk - anders als in Italien - erkämpft.
Mit Verlaub, vor allem dann, wenn es um die Abwehr äusserer Feinde ging (etwa Napoleon), hat auch damals ein Gefühl des Deutschseins bestanden. Deutschland ist nie -bis heute nicht- ein zentralistisches Einheitsgebilde gewesen wie England oder Frankreich. Deutschland blieb polyzentral-föderal, jedenfalls staatspolitisch. Aber die vielen Gemeinsamkeit der Stämme sind es, um die es geht, nicht irgendeine politische Theorie, etwa im Sinne der Staatsnation nach französischem Muster. Deutschsein ist schicksal und eine vollkommen apolitische Angelegenheit.
Und ich wage zu bestreiten, dass sich die europäischen Nationen so ähnlich sind wie die deutschen Stämme, auch wenn es eine Annäherung gibt, die gernichtmal in jeder Hinsicht schlecht sein muss.
Worüber definierst Du aber die Volkszugehörigkeit? Der Sprachbegriff alleine kann es nicht sein - da wären auch Luxemburger und Niederländer, Schweizer, evtl sogar Dänen eigentlich Deutsche, wenigstens sind sie "Indogermanen".
Die Sprache allein als Kriterium ist natürlich schwierig. Um den gesamten germanischen Sprachraum kann es nicht gehen. Schwierig ist der Fall der Niederländer und Flamen. Zumindest die älteren Jahrgänge hier in Westfalen sprechen noch Platt - da besteht kaum ein Unterschied zum Niederländischen.
Tendenziell würde ich Niederländer und Flamen zu den Deutschen zählen, die Dänen jedoch eindeutig nicht. Dänemark hat auch nicht wie der niederländischsprachige Raum zum Reich gehört. Mit leichten Abstrichen im Osten (Das mag historisch deutsch sein, wie es will, jetzt ist es polnische dominiert, also was will man damit?) halte ich als deutsche Grenzen die Forderungen des Deutschen Kollegs für recht einleuchtend.
Das deutsche Volk dieser Zeit wusste aber gar nicht, daß es das deutsche Volk war. So haben sich beispielsweise die Bayern weniger als Deutsche verstanden als die Österreicher. Ich glaube zu wissen, wo Du hinwillst, aber ich finde es einfach schwierig, "den da" als Deutschen zu bezeichnen, weil er nördlich der Alpen lebt und "den da" außen vor zu lassen, weil er westlich des Rheins lebt.
Es ist ja auch -wie angedeutet- keine reine Frage des Raumes sondern eines Zusammenspiels mehrerer Faktoren. Natürlich, im Mittelalter hat man sich keinen Begriff von Nationalität gemacht, weil das damals eine Frage ohne Belang war. Machtbezug war der konkrete, personale Herrscher, nicht der abstrakte Staat, der neue Identifikationsmuster erforderte. Aber bestanden hat die Nation aös räumlich-kulturelle Größe bereits.
Man könnte sogar überlegen, ob das wieder eines dieser DInge ist, die in dem Moment entarten, wo sie Gegenstand bewusster Überlegungen werden.
Sind dann Niederländer auch Deutsche? Küstenbewohner der Nordsee? Elsässer?
Ich bezweifle, daß es "den Deutschen" überhaupt gibt. Es gibt den Bayern, den Saarländer, den Luxemburger. Alle sprechen Deutsch. Das ist ihre Gemeinsamkeit
So gesehen gäbe es auch zum Beispiel keine Amerikaner, und man müsste auch all den Separatisten auf der iberischen Halbinsel rechtgeben, die bestreiten, dass es Spanien überhaupt gibt.
Ich ahne Deine Richtung, bin auch teilweise bei Dir - aber auch ein Einstein (Jude) oder ein Francois (Franzose) waren Deutsche. Die meisten deutschen Nobelpreisträger waren Juden. Warum werden gerade die von extremrechter Seite ausgeblendet?
Mit den Juden wiederum ist es eine spezielle Problematik aufgrund des unklaren Status als Religionsgemeinschaft oder Volk. Handelt es sich bei den Juden um ein Volk, kann ein Jude kein Deutscher sein, weil er nunmal bereits einem anderen Volk angehört, genau wie ein Franzose, Engländer, wasauchimmer. Handelt es sich um eine Religionsgemeinschaft, kann der Jude genauso Deutscher sein, wie es der Katholik kann. Da zum einen die Juden sich selbst als Volk begreifen und zum anderen heute bereits ihren eigenen Staat haben (der nicht zu rechtfertigen wäre, wenn sie kein Volk wären), bin ich geneigt, sie wesentlich als Volk zu sehen. Andererseits bestand der Staat damals nicht, und viele Juden haben sich wesentlich stärker mit Deutschland als mit ihrem Judentum identifiziert. Im ersten Weltkrieg haben viele Juden für das Reich gekämpft und sich hohe Auszeichnungen erworben. Bis zu einem gewissen Grad ist es geradezu absurd: Damals war die Trennung wenig scharf, aber der Antisemitismus wurde stark. Heute ist der kein Thema, aber die Trennung ist schroff.
Wie isser denn jetzt, der Deutsche?
Vor allen Dingen: Kompliziert.:D
Da habe ich eine andere Wahrnehmung
Dann werden wir es in diesem Punkt bei der Feststellung unterschiedlicher Wahrnehmungen belassen müssen.
Stimmt. Andererseits kann es nicht sein, daß die Mechanismen, die augenscheinlich jetzt wieder zu greifen beginnen und in einem Genozid endeten, jetzt wieder zu greifen beginnen. Daß einige auf "erprobte Problemlösungen" zugreifen wollen und wenigstens geistig dazu auch bereit sind. Progrome sind mit Sicherheit kein Teil der Lösung, sondern des Problems.
Zum einen: Klar. Zum anderen sehe ich aber nicht, woher dieser Vergleich seine Berechtigung nimmt. Es ist ja nicht so, als stünden wir einen Meter vor einem neuen Nationalsozialismus.
Gegen ein "so soll es sein" ist nichts einzuwenden. Kritisch wird es imho bei "es darf nicht anders sein". Denn dadurch beginne ich mit einer Abwertung einer anderen Gruppe, die meine Werte oder Richtlinien nicht teilt. Ich verstehe Deine Intention. Deine Befürchtung ist, daß, extrem gesehen, die Gesellschaft sich in Individuen auflöst, die jeweils nur "sich selbst" sehen. Ich teile diese Befürchtung, sehe aber auch die andere Seite, die zu einem "NUR so und nicht anders" führt und jegliche Individualität unterdrückt und den Menschen zum Rädchen in der Maschine der Volksgemeinschaft degradiert.
Kann ich nachvollziehen. Andererseits aber kann man nicht ein "so soll es sein" in den Raum stellen, und dann auf die Frage "Sonst...?" antworten: "Sonst gar nichts."
Richtlinien, die folgenlos in den Raum gestellt werden, sind bloße Empfehlungen - "Sie sollten hier nur 30 kmh fahren - aber Sie haben von uns auch nichts zu befürchten, wenn Sie 150 fahren...":rolleyes:
Richtlinien müssen ergänzt werden durch die Gewährung von Privilegien für die, die sie befolgen, und Negaktivsanktionen für die, die sie missachten.
Das kann nicht bedeuten "SO wird es gemacht, und jeder Abweichler wird erschossen."
Es kann aber auch nicht der Weg sein, es zu handhaben nach dem Motto "Solange alle einverstanden sind, könnt Ihr machen, was Ihr wollt, und trotzdem bekommt jeder gleich viel vom Kuchen."
Das mache ich an Aussagen über "Musels, die ruhig verrecken können" fest. Hier fehlt es an jeder menschlichen Achtung.
Ich habe das nicht so geäussert. Wer es tut, hat meines Erachtens einen Schatten. Andererseits ist das aber auch wieder eine Trotzreaktion auf poltiische Korrektheit, die keine Antipathie gegen Fremdgruppen irgendeiner Art zulässt.
Das wird sowieso eher kaum passieren. Franken hat sich auch nicht in Bayern und Bayern nicht in Deutschland aufgelöst, von daher betrachte ich die Horrorvision des multiethnischen "One-world"-Staates eher gelassen.
In einem fest verinstituinalisierten Sinne steht der noch fern, das ist klar, und eher bekommen wir wahrscheinlich Konzernstaaten oder sowas.
Es stimmt. Wir alle sind immer auch Teil von Kollektiven. Ich muß aber nicht ein anderes Kollektiv abwerten, um meines aufzuwerten. Da fängt doch der Ärger an.
Ich habe das Anderssein eines anderes Kollektivs und seiner Individuen zu akzeptieren, erwarte aber umgekehrt auch, daß mein Kollektiv akzeptiert wird. Dies muss sichergestellt sein.
Global natürlich. Aber nicht im Sinne eines gleichen Anspruchs der Kollektive auf einen bestimmten Raum. In diesem Haus wohnt MEINE Familie, Gäste haben sich anständig zu benehmen, WIR stellen hier die Regeln auf, wer uns nicht passt, fliegt raus.
Im Übrigen hat sich das Minderheitskollektiv immer dem Mehrheitskollektiv unterzuordnen (nicht mit "unterwerfen" verwechseln).
Wobei das nicht in einem demokratischen Sinne an der Mehrheitlichkeit hängt. Kehren hier 20 Gäste ein, ist die Familie in der Minderheit. Es ist immer noch UNSER und NUR unser Haus.
In den persönlichen Mikrokosmos heruntergebrochen: ich akzeptiere es, wenn mein türkischer Gast kein Schweinefleisch ist. Wenn mir etwas an ihm liegt, dann gebe ich ihm eben Schafsfleisch. Umgekehrt hat er aber auch zu akzeptieren, daß ich Alkohol trinke und meine Frau kein Kopftuch trägt. Ansonsten lassen wir eben den Kontakt sein.
Jepp.
Und da wird es mir schon wieder ZU simpel. Das "wir" und "ihr" ist ein ständiger Fluss, da Du ständig die Kollektive wechselst. Dein Firmenkollektiv ist ein anderes als Dein Freundeskreis, ist ein anderes als Deine Familie, ist ja auch ein anderes hier in diesem Forum.
Wenn Du nun sagst: "Türken in meiner Firma lehne ich grundsätzlich ab, da sie zu einem anderen ethnischen Kollektiv gehören" - dann fängt hier Rassismus und, nebenbei, auch Verrat an Deinem Firmenkollektiv an.
Es gibt kein Firmenkollektiv. Das ist ein rein individuelles Beschäftigungsverhältnis, für das ich bezahlt werde, und das ich jeder Zeit wieder verlassen kann. Am Arbeitsplatz mag man einzelne Freunde haben, aber ein wirkliches Kollektiv lassen nur wenige Berufe (etwa im Militär) entstehen.
Ich gehöre meiner Familie an, dem Stamm der Westfalen, der Nation der Deutschen. Da kann ich gar nichts wechseln.
Und grundsätzlich gilt bei den Kollektiven: Man mehreren angehören, sofern sie unterschiedlicher Art sind, aber immer nur einem der selben Art. Man kann nur EINER Familie angehören, EINER Nation, EINER Religion, EINER Kommune, EINER Armee, EINER Partei.
Ich würde nie sagen: Den Türken lehne ich ab.
Aber ich würde bei meinem Standpunkt bleiben, dass es von ihnen zu viele in Deutschland gibt, und das daran auch nichts geändert wird dadurch, dass er ein anständiger Kerl ist, mit dem ich vielleicht sogar gelegentlich ins Stadion ziehe oder ein paar Büchsen Efes verzimmere.
...und da hast Du soeben eine Wertung getroffen. Nicht Dein Kollektiv, willst Du nichts damit zu tun haben. Basta. Du verschliesst Dir damit selbst Erfahrungen und Lernprozesse. Das halte ich - auch für das eigene Kollektiv - für gefährlich.
Das hat nichts mit einer Wertung zu tun. Einen absoluten Wert dieser Leute behaupte ich nicht. Es geht nur um eine gruppenmäßige Beziehung, die in einer klaren Abgrenzung besteht, die auch wieder was mit den Verhaltensrichtlinien zu tun hat. Ich kann ja schwerlich beispielsweise Heterosexualität als Standard definieren und dann sagen: "Och, Du bist da irgendwie anders drauf, auch kein Problem."
Klare Abgrenzung ist da das Minimum.
Die Forderung von "Offenheit" ist letztlich nur die nach der Abwesenheit von Vorgaben.
Wie der Papst einmal so richtig sagte: "Es kann nicht darum gehen, Menschen zu verprellen. Aber es muss jemanden geben, der ganz klar sagt: DAS ist katholisch, und DAS ist es nicht."
Umgekehrt gefragt: würdest Du es begrüßen, wenn diese netten Menschen wieder in die Türkei zurückgingen? Würdest Du sie zweckmässiger Weise vielleicht sogar notfalls zurückprügeln? "Alle Ausländers raus (sonst knallts)" würde Deine Bekannten ebenfalls treffen. Gesetzt den Fall, sie würden von rechtsestremen Schlägern grundlos angegriffen - auf welcher Seite stündest Du? Auf der des Volkskollektivs oder der Bekanntenkreiskollektivs?
Zunächstmal sind die Schläger in einer solchen Situation nicht das Volkskollektiv, sondern nur EINER seiner Aspekte. Zum zweiten stünde ich in einer solchen Situation, die keine mir bekannte weitere Vorgeschichte hat, wohl auf seiten meiner Bekannten. Aber nicht, weil sie meine Bekannten sind, sondern weil es den Geboten der Ordnung (ein etwaiges Personenrecht ist mir da eher zweitrangig) entspricht, dass man nicht rumzurennen und irgendwann zusammenzuschlagen hat.
Weiterhin: Ich kann mich ja schlecht hier hinstellen und sagen: "Es sind zu viele Türken hier, soundsoviel Prozent davon müssen raus - aber nicht der Murad, das ist ein netter Kerl." So eine Aussage wäre in sich illegitim. Entweder besteht die Notwendigkeit - das ist meine persönliche Bezoehung zu diesen Leuten für das politische Faktum zweitrangig. Oder sie besteht nicht - dann brauchen wir die Diskussion nicht zu führen.
Eine solche Entfernung kann natürlich nicht ablaufen wie die große Fuchsjagd. Die Leute haben häufig anständig hier gearbeitet und ihren Beitrag zu diesem Land geleistet. Das bedeutet, dass man ihnen Zeit und Spielraum geben muss, etwa im Rahmen von Rückführungsprogrammen, bei denen die finanzielle Unterstützung bei früher Ausreise hoch ist, und später immer geringer wird, bis zur Deadline, an der die Abschiebung steht. Der Zeitraum dafür würde Jahre umfassen muss, man kann ja nicht einfach über Nacht jemanden mitsamt seiner Familie aus dem Land werfen.
Unbestritten. Im Umkehrschluss kann aber auch ein "Wir" nicht "Wir ODER die" sondern nur ein "UND" beinhalten.
Selbstverständlich - global angelegt. Ein spezifischer Raum jedoch kann nur EINEM Kollektiv der jeweiligen Ebene zuzordnen sein. Insofern "bayrisch" eine Untergruppe zu "Deutsch" ist, können die Deutschen Bayern bevölkern, weil eben Bayern Deutsche sind. Es können aber nicht Franzosen Deutschland bevölkern, denn das sind nicht Gruppen in einem Unterordnungsverhältnis, sondern Parallelgruppen, von denen jeweils nur EINE einen Raum besetzen kann, was ihn der jeweils anderen entzieht.
Ich kann Fan von Borussia Dortmund und von Preußen Münster sein (solange Münster nicht aufsteigt und Dortmund keinen grausamen Absturz hinlegt), kann darüberhinaus mit Celtic Glasgow sympathisieren, solange man im internationalen Geschäft nichts miteinander zu tun hat - ich kann NICHT gleichzeitig Anhänger von Borussia Dortmund und Bayern München sein.
Ich kann nur Katholik ODER Protestant sein, nicht beides.
Und so kann eben auch ein Raum nur uns ODER denen zueigen sind, uns UND denen - das ist nicht möglich.
Du bist meiner Frage sehr elegant ausgewichen. Ich habe gefragt, wer Dir näher am Herzen liegt, näher an Deinem Kollektiv liegt, nicht, wie man mit in- und ausländischen Straftätern umgehen sollte (was ich im Übrigen wie Du sehe).
Dann kommt es immer noch darauf an, WARUM der deutsche Mörder zum Mörder wurde. Ich kann jedenfalls nicht feststellen, mich einem Volksgenossen, der ein Tätungsdelikt begangen hat, automatisch ferner zu fühlen als einem gesetzestreuen Fremdbürger, was vermutlich das ist, worauf Du hinauswolltest.
Das würde aber der von vielen Hintergrundrauschern ausgesprochenen These widersprechen, daß ausländische Straftaten unbeachtet und ungesühnt bleiben, während im Umkehrfall "immer vom bösen Deutschen" die Rede ist.
In dieser Plattheit sicherlich.
Da verrennst Du Dich jetzt imho etwas. Es ist nicht "der Liberalismus", der die Sündenböcke braucht - es sind diejenigen, die (möglicherweise) Opfer dieses Liberalismus sind.
Und gleichzeitig Täter. Das Ganze hat eine gewaltige Eigendynamik, so dass im besten Orwell´schen Sinne konkrete Personen, an denen man das System festmachen kann, kaum noch greufbar sind. Es ist ein Alptraum.
Und deswegen lautet Deine Antwort auf Abschaffung des Individuums zugunsten des Kollektivs der Volksgemeinschaft? Verstehe ich Dich richtig? Denn darüber reden wir doch dann in letzter Konsequenz?
Keineswegs. Eine Volksgemeinschaft, die aus abgeschafften Individuen besteht, ist infunktionabel.
"Du bist nichts, dein Volk ist alles? Das wäre dann eine Summe aus lauter Nullen", heisst es bei Ernst Jünger irgendwo.
Individuum und Kollektiv stehen in einem äußerst komplexen Wechselspiel.
Keine von beiden Seiten besteht für sich. Das Individuum kann auf Dauer kein sinnvolles Leben frissten in einer Umgebung, in der das Kollektiv keine klaren Vorgaben setzt. Zu denen müssen sich die Menschen dann immer noch individuell verhalten, es kann ihnen kein Staat und keine Partei in jeder Situation sagen "Tu jetzt dies, dann jenes, und dann das", und wäre das möglich, wäre es nicht wünschenswert.
Ich bin kein Freund der Moderne, und misstraue dem modernen Staat zutiefst. Noch mehr aber misstraue ich dem losgelösten, nichtgebundenen Individuum.