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Lichtblau
02.08.2007, 09:03
1919 wurde die „Wirtschaftsvereinigung zur Förderung der geistigen Wiederaufbaukräfte“ gegründet. Dieser Verein gab das Geld für das Presseimperiums Alfred Hugenbergs, das mit seiner nationalistischen Propaganda maßgeblich zur Rechtsentwicklung in der Weimarer Republik beitrug. In der Wirtschaftsvereinigung saßen unter anderen für die Kohleindustrie der Kohlebaron Emil Kirdorf der fast den gesamten deutschen Kohlebergbau kontrollierte, für den Bergbau der Geschäftsführer des Bergbauvereins Freiherr von und zu Löwenstein, für die Stahlindustrie der Stahlindustrielle Albert Vögler und für die Rüstungsindustrie der Direktor der Krupp AG Alfred Hugenberg. Die Krupp AG zahlte allein über 10 Millionen Reichsmark in den Fond der Wirtschaftsvereinigung. (1)
Das Mitglied der Wirtschaftsvereinigung Ludwig Bernhard bezeichnete, in seinem Buch „Der Hugenberg-Konzern“ als ersten Punkt der „wesentlichen und lebengebenden Grundanschauungen“ des Konzerns:

„Mangel an Heimatgefühl und Nationalgefühl führt zur Aushöhlung und zur Schwächung eines Volkes gegenüber anderen Völkern. Heimat- und Nationalgefühl sind daher zu stärken.“(2)

Du willst ja eine nationale Linke.
Kannst du mir sagen warum die Industrie nationalistische Propaganda finanziert?



(1) Heidrun Holzbach, Das „System Hugenberg“, Die Organisation bürgerlicher Sammlungsbewegung vor dem Aufstieg der NSDAP, Stuttgart 1981, S. 94 f. und S. 56
(2) Ludwig Bernhard, Der Hugenberg-Konzern, Psychologie und Technik einer Großorganisation der Presse, Berlin 1928, S. 107

Theoderich
03.08.2007, 21:33
Kannst du mir sagen warum die Industrie nationalistische Propaganda finanziert?Das tat sie vor allem in dem von Dir genannten Zeitraum, jedoch, jetzt kommts, immer in Verbindung mir ihren reaktionären, antisozialistischen Kernaussagen. Am Ende der Manipulaton sollte dann folgender Gedanke stehen: "Ein Patriot kämpft gegen Spartakus, geht zu den Freikorps." (oder "gegen die Kommune und für Hitler").

Das heißt, daß nationale Gefühle, der Patriotismus, von den reaktionären Klassenkräften nur mißbaucht wurde(n), als Transportmittel für ihre zutiefst antinationalen, unpatriotischen Zielsetzungen.

Wir müssen also immer den jeweiligen Klasseninhalt betrachten, können nicht sagen, Nationalismus und Patriotismus wären per se schlecht, was übrigens nur jenen Kreisen nutzen würde, die auch heute noch den Patriotismus mißbrauchen, wenn auch nur noch rudimentär.

Stattdessen sollten wir uns von unserer Vaterlandsliebe von niemanden übertreffen lassen und betonen, daß es eine patriotische Pflicht darstellt, unser Land und Volk aus der Knechtschaft des nationalen und internationalen Kapitals zu befreien.

Eine internationalistische und nationale Linke sähe sich überdies in einer guten Tradition von deutschen Sozialisten und Kommunisten, ob Thälmann, Niekisch, Thalheimer, Ulbricht oder auch von Schnitzler (Aufzählung unvollständig), die selbst auch glühende Patrioten gewesen waren.


Es gibt in der Welt keinen abstrakten Nationalismus "an sich". In der soziologischen und philosophischen Literatur der kapitalistischen Länder häufen sich die Definitionen des Nationalismus "an sich", unabhängig von der historischen Etappe der gesellschaftlichen Entwicklung, der Gesellschaftsordnung und der Klassenkräfte, die den konkreten Inhalt des Nationalismus bestimmen.

Der Nationalismus der imperialistischen Kreise wird damit dem Patriotismus der Volksmassen gleichgesetzt, der ebenfalls als Nationalismus bezeichnet wird; der antiimperialistische Natioalismus der unterdrückten Völker verschmilzt in dieser Literatur mit dem Nationalismus der Kolonialherren.

Von den Marxisten wird die progressive Rolle der nationalen Befreiungsbewegung und der antiimperialistischen Ideologie gebührend geschätzt. Lenin warnte einst vor einem abstrakten Herangehen an die Frage des Nationalismus sowie vor der Vermengung des Nationalismus einer unterdrückten Nation mit dem Nationalismus einer Unterdrückernation, des Nationalismus einer großen Nation mit dem einer kleinen Nation.
(Ideologie des Sozialdemokratismus in der Gegenwart, Staatsverlag der DDR, Berlin 1971)


Mein Volk, dem ich angehöre und das ich liebe, ist das deutsche Volk, und meine Nation, die ich mit großem Stolz verehre, ist die deutsche Nation, eine ritterliche, stolze und harte Nation. Ich bin Blut vom Blute und Fleisch vom Fleische der deutschen Arbeiter und bin deshalb als ihr revolutionäres Kind später ihr revolutionärer Führer geworden. Mein Leben und Wirken kannte und kennt nur eines: Für das schaffende deutsche Volk meinen Geist und mein Wissen, meine Erfahrungen und meine Tatkraft, ja mein Ganzes, die Persönlichkeit zum Besten der deutschen Zukunft für den siegreichen sozialistischen Freiheitskampf im neuen Völkerfrühling der deutschen Nation einzusetzen!
(Ernst Thälmann, 1944 in Bautzen)

--> Sozialismus, nationale Frage, sozialistischer Patriotismus (http://aufbruch.foren-city.de/topic,5,-sozialismus-nationale-frage-sozialistischer-patriotismus.html)
--> Aufbruch für eine neue, alte - patriotische Linke (http://aufbruch.foren-city.de/topic,408,-alte-statt-neue-linke.html)
--> Patriotische Linke - Programmdiskussion (http://aufbruch.foren-city.de/topic,558,-patriotische-linke-programmdiskussion.html)

Lichtblau
03.08.2007, 21:54
Und wozu soll denn der Patriotismus praktisch gut sein?
Warum soll ich denn mein Volk lieben, Humanismus bedeutet doch alle Menschen zu lieben.

Sage mir bitte wozu im Kampf um eine bessere Gesellschaft Nationalismus praktisch gut sein soll.

Theoderich
04.08.2007, 00:09
Ich sehe mich als deutschen Patrioten, übersetze Patriotismus jedoch lediglich als Verbundenheit mit dem Vaterland oder der Wahlheimat, aus welcher heraus ein gewisses Verantwortungsgefühl heraus erwächst. Mein Land oder Volk, gar die ganze Menschheit lieben, das tue ich nicht, das bleibt bestimmten mir Nahe stehenden Personen vorbehalten.

Da der Kampf für eine bessere Gesellschaft sich nun einmal im nationalen Rahmen abspielt, und nationale oder patriotische Gefühle und Denkweisen, wie in anderen Ländern eher religiöse, immer noch eine gewisse Rolle spielen, wäre es bereits in Anbetracht der Tatsache, daß ansonsten der Klassenfeind allein dieses Feld besetzt, töricht, diese zu negieren. Das hatte die KPD einst klar erkannt.

Der Kampf für ein sozialistisches Deutschland ist eine zutiefst patriotische, im besten Sinne nationale Angelegenheit. Dem steht nicht entgegen, daß Internationalismus, Völkerfreundschaft und antiimperialistische Solidarität eine große Rolle einzunehmen haben.


Der Patriotismus ist eins der tiefsten Gefühle, die durch das jahrhunderte- und jahrtausendelange Bestehen voneinander gesonderter Vaterländer eingewurzelt ist. (W. I. Lenin, Sämtl. Werke, Bd. 23, S. 371)
Patriotismus und Nationalgefühl der Völker stehen nicht im Widerspruch zur internationalen Einheit der Werktätigen, sie verbinden sich vielmehr mit ihr, denn der wahre Patriotismus besteht darin, die Befreiung des eigenen Landes und Volkes von jeder klassenmäßigen und nationalen Unterdrückung zu erstreben.
(Grundlagen der marxistischen Philosophie, Dietz Verlag Berlin 1961)
Der Kommunist Thälmann war ein deutscher Patriot aus Überzeugung. Sein Patriotismus erwuchs aus seiner innigen Verbindung zu den werktätigen Menschen, aus dem Bewußtsein, daß es eine Alternative gibt zu dem Deutschland des Kapitals.
(Egon Krenz zum 118. Geburtstag Ernst Thälmanns in: "junge Welt", 19.4.04)
Ernst Thälmann: "Wir Kommunisten lieben unser Volk und unser Land. Darum wollen wir frei sein von kapitalistischer Lohnsklaverei, frei von faschistischer Diktatur, frei von Konzentrationslagern und Unterdrückung. Weil wir unser Volk und Land lieben, kämpfen wir für Rätedeutschland … für ein freies, sozialistisches Deutschland. Wir bejahen die nationale Frage. Ich weise hin auf Lenin, der von dem Stolz der Großrussen sprach und trotzdem einer der größten Männer des Internationalismus gewesen und bis zu seinem Tode geblieben ist."
(Ernst Thälmann – Eine Biographie, Dietz Verlag Berlin 1980, S. 710)