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Vollständige Version anzeigen : Was kommt nach Neoliberalismus und Globalisierung?



Beverly
26.07.2007, 08:27
Der derzeitige Zustand der Welt im Zeichen von Neoliberalismus und Globalisierung, Kapitalkonzentration und Konzernherrschaft, "Kapitalismus pur" und "freiem Spiel der Kräfte", Postmoderne und "Ende des Fortschritts" wirft die Frage auf, was danach kommen mag.

So habe ich auf die Antwortmöglichkeit "es geht immer so weiter" verzichtet, weil ich das System für hochgradig instabil halte. Es verordnet den Menschen ein "Ende des Fortschritts" und verweigert ihn die (konservative) heile Welt, in der es auch ohne Fortschritt gemütlich sein mag.

Die politische Mitte hat es geschafft, politisch Radikale ganz an den Rand zu drängen, doch sie verweigert ihnen die gemütliche Nische, die "Flucht ins Private", welche den Verlust auf rote oder braune Blütenträume verschmerzen lässt.
Im Gegenteil: es sind nicht ideologische Kopfgeburten, sondern nicht enden wollende miese Alltagserfahrungen, die immer neue Radikale züchten und dafür sorgen, dass die Radikalen von ihren "Flausen" nicht lassen können.

Es gibt himmelschreiende Missstände, doch keine Möglichkeit, sie im Rahmen der Institutionen zu überwinden. Das System will nicht vor sich selbst gerettet werden, das macht es allen Rettern immer wieder klar.

IMHO agiert es bei der Erhaltung seiner Struktur völlig vernunftlos. All die Unzufriedenen und Möchtergern-Umstürzler, die das Internet entdeckt haben, um ihren Frust abzureagieren, wären in einen rational-vernunftgeleiteten System längst a. ins System kooptiert worden b. in einer Nische abgeschoben worden c. in Festungshaft, wo sie ungestört ihre Bücher schreiben können d. in KZ, GULAG oder tot :rolleyes:
In der Globalität der Totalität - oder umgekehrt, wer weiß das schon genau - landen sie nur auf "dem Markt" - wie alle anderen auch :rolleyes:

Die Frage ist also nicht, ob, sondern was nach den akuten Zuständen kommt:

1. Der zentralistische Weltstaat

Eine Weltregierung kassiert all die "Global Player" und Territorialstaaten ein und die Menschheit wird zentral mehr oder weniger sachrational regiert.

2. Der föderale Weltstaat

Wie 1., nur mit größerer Bedeutung von Gebietskörperschaften und mehr Rücksichtnahme auf nationale und kulturelle Besonderheiten.

3. Ethnopluralismus

Völker und Nationen wickeln die akute, kranke Ordnung ab und errichten ein Ordnungssystem mit autonomen Nationalstaaten. Keine Weltregierung, nur internationale Organisationen - Schiedsgerichte etc.

4. Weltweiter Anarchismus

Weder auf nationaler noch Weltebene gibt es Regierungen und Staat. Die Gemeinwesen verwalten sich selbst, Weltinstitutionen sind allenfalls Zweckverbände, auch hier z. B. ein Schiedsgericht.

Mark Mallokent
26.07.2007, 08:33
Die Eroberung des Weltraums. :] Vielleicht werden wir ja dort eine intelligente Spezies finden. :smoke:

Kreuzbube
26.07.2007, 08:50
Die Klimakatastrophe...!:))

Beverly
26.07.2007, 08:55
Ich habe für den "Föderalen Weltstaat" gestimmt.

Meine Gründe:

1. Systemalternativen, die "von unten" her etwas Neues, Besseres schaffen (Ethnopluralismus, Anarchismus) haben sich meines Erachtens erledigt. Zudem ist das System sehr "erfolgreich" darin, sie nicht zustande kommen zu lassen.

Der Ethnopluralismus - ein System autonomer Nationalstaaten - war historisch gesehen das Projekt von Leuten wie Strasser, Niekisch und Bucharin. Sie wollen in einem Staat Verhältnisse schaffen, die zumindest nach ihrer Ansicht besser waren als der Kapitalismus. Bucharin wollte den Sozialismus in der SU entwickeln und nicht - wie Trotzki - andere Länder mit Gewalt missionieren. Strasser war zwar rabiater Nationalist, er lehnte aber Imperialismus und Kolinialismus ab.
Doch die Strassers und Bucharins konnten sich in ihre Reihen nicht durchsetzen und heutige Neuauflagen des Projektes "Ethnopluralismus" scheinen mir sehr randständig. Zudem müssten auch "freie Völker" ein System wirksamer Kooperation entwickeln, um in einer globalisierten Welt nicht einzeln in die Ecke gestellt und fertiggemacht zu werden. Von grenzwertig reaktionären gesellschaftlichen Vorstellungen mancher potenzieller Teilnehmer - Iran - ganz zu schweigen.

Für den Anarchismus sind die meisten Menschen einfach noch nicht "reif" genug. Selbstorganisation, kollektiv - nicht vereinzelt - sein Leben selbst zu gestalten sind oberflächlich sogar sytemkompatibel. Aber akut tut das System alles, um solche Ansätze - Kooperativen, Tauschringe, Regionalwährungen - nicht zustande kommen zu lassen. Sind sie doch erfolgreich, werden sie halt verboten :rolleyes:

Es läuft also auf den Weltstaat als logischen, konsequenten und brutalen Endpunkt der Globalisierung hinaus. Irgendwann wird aus der Oligarchie eine Monokratie und ein "Global Player" wirft seine Mitkonkurrenten dem Mob zum Fraß vor. Darauf freue ich mich schon, das werden zünftige Schauprozesse :)
Da im Weltstaat "sachrational" agiert wird, bekommen die Global Player auch, was sie verdienen. Der Konzernherr oder Kriegstreiber wird nicht angeklagt, weil er zufällig US-Amerikaner ist, sondern weil er Konzernherr und Kriegstreiber ist.
Dem machohaften, reaktionärem, nationalfundamentalistischem Menschenmüll macht man nicht Herkunft oder Ideologie zum Vorwurf - wie das die Rechten in diesem Förum öderweise immer tun - sondern sein gewalttätiges Agieren.
Wie gesagt, es werden schöne Schauprozesse werden, RTLSat1ProSiebenVox übertragen alles live :) und die Zuschauer bestimmen das Strafmaß :)

Ich habe mich aber für "föderal" entschieden, weil man a. nationale und kulturelle Besonderheiten berücksichtigen muss und b. Nationalisten und Anarchisten Nischen bieten muss, wo sie leben können, ohne dass ihr bloßer Alltag sie zu Gegnern des Weltstaates macht.
Zudem glaube ich, dass auch ein föderaler Weltstaat als "Staat" zu sehr selbstreferenziell ist, um für alle Zeit Zukunft der Menschheit zu sein. Als Staat ist es seine vornehmste Aufgabe, ein System zu beseitigen, dass sich als menschheitsfeindlich herausgestellt hat - daher die Schauprozesse :) Langfristig sehe ich die Zukunft eher im Anarchismus. Ein Weltstaat müsste anarchoide Lebensinseln schaffen und fördern und sich langfristig selbt zurück nehmen.

Der zentralistische Weltstaat mag dem Mob schöne Schauprozesse an den Global Playern bieten und auch beim Strafmaß nicht geizen. "Strick oder Guillotine" :D ? Doch IMHO würde es zu einem System führen, wo man sich Stalins Russland oder Maos China auf die gesamte Welt übertragen vorstellen muss. Autoritär, selbstreferenziell, ein Imperium, dass so zerfallen wird wie all die Imperien davor. Dann fangen wir wieder bei Territorialstaaten und Liberalismus an - vorm Arsch :rolleyes:

Beverly
26.07.2007, 08:56
Die Eroberung des Weltraums. :] Vielleicht werden wir ja dort eine intelligente Spezies finden. :smoke:

schön, dass du zugibst, nicht intelligent zu sein :)

Mark Mallokent
26.07.2007, 09:00
schön, dass du zugibst, nicht intelligent zu sein :)

:bah: :bah: :bah: :bah: :bah: :bah: :bah:

Settembrini
26.07.2007, 12:22
So habe ich auf die Antwortmöglichkeit "es geht immer so weiter" verzichtet, weil ich das System für hochgradig instabil halte. Es verordnet den Menschen ein "Ende des Fortschritts" und verweigert ihn die (konservative) heile Welt, in der es auch ohne Fortschritt gemütlich sein mag.

Schade, dass du auf diese Antwortoption verzichtet hast; im Vergleich mit deinen anderen Vorgaben erscheint mir diese noch am wahrscheinlichsten.

LieblingderGötter
26.07.2007, 13:38
Föderaler Weltstaat:

Das beginnt heute,bzw.begann vor 50 Jahren und heißt heute "EU",die immer mehr Kompetenzen haben wird.Wenn die EU eine gemeinsame Armee und Aussenpolitik betreibt,dann ist es nur noch eine Frage der Zeit,wann aus der EU ein "EURASIA" werden wird,mit China,INdien,Russland etc.Ab dann werden wir unaufhörlich auf eine solche Weltregierung zustoßen.
Obs gut ist,ist eine andere Frage:rolleyes:

Beverly
26.07.2007, 14:15
Föderaler Weltstaat:

Das beginnt heute,bzw.begann vor 50 Jahren und heißt heute "EU",die immer mehr Kompetenzen haben wird.Wenn die EU eine gemeinsame Armee und Aussenpolitik betreibt,dann ist es nur noch eine Frage der Zeit,wann aus der EU ein "EURASIA" werden wird,mit China,INdien,Russland etc.Ab dann werden wir unaufhörlich auf eine solche Weltregierung zustoßen.
Obs gut ist,ist eine andere Frage:rolleyes:

Ich sehe in der EU auch eine "Vorstudie" zu einem föderalen Weltstaat. Was mich da am meisten stört, sind

a. neoliberale Ausrichtung, die das Projekt witzlos machen
b. zu großer Zentralismus und Vereinheitlichung, durch die viele osteuropäische Länder außen vor gehalten werden
c. undemokratische und undurchschaubare Entscheidungsstrukturen

Eine neoliberale Ausrichtung würde auch das Projekt Weltstaat witzlos machen. Allerdings glaube ich nicht, dass die Neoliberalen einen Weltstaat wollen, sie lassen lieber die bestehenden Territorialstaaten als Vollstrecker ihrer Interessen agiren.

Beverly
26.07.2007, 14:20
Schade, dass du auf diese Antwortoption verzichtet hast; im Vergleich mit deinen anderen Vorgaben erscheint mir diese noch am wahrscheinlichsten.

Wie stellst du dir noch z. B. weitere 200 Jahre Globalisierung und Neoliberalismus vor?

Ohne den Weltraum als neuen Expansionsraum halte ich das für ausgeschlossen. Den Weltraum erobern will das Kapital auch nicht, sonst hätten sie es gesagt und in Angriff genommen.

Da ticken die Menschen doch vorher aus und das System geht an seinen Widersprüchen zugrunde und im Gegensatz zu '45 werden die ausgetickten und desillusionierten Menschen dafür sorgen, dass das Kapital keinen neuen Zyklus aus Wiederaufbau, Sättigungskrise, Überschussvernichtung/Krieg und erneutem Wiederaufbau beginnen kann.

Roter Sturm
26.07.2007, 14:50
Ein zentralistischer Weltstaat wäre auf jeden Fall eine Katastrophe. Extrem schwerfällig, extrem bürokratisch, auch im 21. Jhdt. und vor allen Dingen glaube ich kaum, dass die freie Marktwirtschaft abgeschafft werden würde. Wenn es also keine offene Diktatur gibt, sondern eine repräsentative "Demokratie", wird es früher oder später wieder den gleichen Oligarchischen Mist geben, den wir heute auch schon global haben, aber noch viel extremer.

Bei einem föderalistischen Weltstaat wäre es vermutlich ähnlich.

Anders schaut es dagegen beim Ethnopluralismus aus. Um hier ein wirklich sinnvolles Gesellschaftsmodell, fernab von Kapitalismus, durchzusetzen, bräuchte es allerdings eine sehr große nationale Autarkie, von der wir uns immer stärker entfernen.

Hexenhammer
26.07.2007, 15:07
Was soll schon danach kommen: Ragnarök...

Beverly
26.07.2007, 16:04
Ein zentralistischer Weltstaat wäre auf jeden Fall eine Katastrophe. Extrem schwerfällig, extrem bürokratisch, auch im 21. Jhdt. und vor allen Dingen glaube ich kaum, dass die freie Marktwirtschaft abgeschafft werden würde. Wenn es also keine offene Diktatur gibt, sondern eine repräsentative "Demokratie", wird es früher oder später wieder den gleichen Oligarchischen Mist geben, den wir heute auch schon global haben, aber noch viel extremer.

Bei einem föderalistischen Weltstaat wäre es vermutlich ähnlich.

Anders schaut es dagegen beim Ethnopluralismus aus. Um hier ein wirklich sinnvolles Gesellschaftsmodell, fernab von Kapitalismus, durchzusetzen, bräuchte es allerdings eine sehr große nationale Autarkie, von der wir uns immer stärker entfernen.

dem entnehme ich, dass die Frage des Wirtschaftssystems wichtiger als die Frage der politischen Weltordnung wäre

Beverly
26.07.2007, 16:05
Was soll schon danach kommen: Ragnarök...

darauf wird ja fleißig hin gearbeitet, doch so gesehen ist meine Frage: was kommt nach Ragnarök

Hexenhammer
26.07.2007, 16:09
darauf wird ja fleißig hin gearbeitet, doch so gesehen ist meine Frage: was kommt nach Ragnarök

Keine Angst, laut Edda ist das nicht das Ende, sondern der neue Anfang.

Beverly
26.07.2007, 16:52
Keine Angst, laut Edda ist das nicht das Ende, sondern der neue Anfang.

Das hieße, dass die Geschichte weitergeht, aber auf einem höheren Niveau, worin immer die Höherentwicklung bestehen mag.

Arminius66
26.07.2007, 21:25
Ich habe mal die weltweite Anarchie angekreuzt, Denn wenn die Globalisierung und der Konzernterrorismus auch die letzten Errungenschaften von Freiheit und Sozialer Absicherung vernichtet hat, werden sich weltweit die Unterdrückten erheben und sind dann nicht mehr aufzuhalten.

Orakel
26.07.2007, 22:07
Ich habe mal die weltweite Anarchie angekreuzt, Denn wenn die Globalisierung und der Konzernterrorismus auch die letzten Errungenschaften von Freiheit und Sozialer Absicherung vernichtet hat, werden sich weltweit die Unterdrückten erheben und sind dann nicht mehr aufzuhalten.

Anarchie klingt ja bei dir wie die Erfüllung aller Träume. Aber so wird es kommen. Weil jeder Mensch täglich Nahrung brauch und überleben will. Wir aber immer mehr werden auf dem Planeten, wird Tag X kommen und die Welt wird flächendeckend mit Krieg überzogen. Und die Kriege werden nicht von Staaten geführt. So nach dem Motto, jeder gegen jeden.
Und die daran Schuld sind sind dann leider alle schon tot.

Hexenhammer
26.07.2007, 22:49
Das hieße, dass die Geschichte weitergeht, aber auf einem höheren Niveau, worin immer die Höherentwicklung bestehen mag.

Oder, wenn es schlecht läuft, auf niedrigerem Niveau, wer weiß das schon.... Aber es ist doch ermutigend, wenn man darauf hoffen kann, dass sich überhaupt etwas ändert.... :)

Sauerländer
27.07.2007, 03:33
Das hieße, dass die Geschichte weitergeht, aber auf einem höheren Niveau, worin immer die Höherentwicklung bestehen mag.
Die Geschichte geht immer weiter, zumindest dann, wenn wir sie nicht wesentlich verstehen als zeitlich Ausdehnung des Handelns kulturschaffender Wesenheiten.
Unter diesem Gesichtspunkt könnte man eigentlich beruhigt sein - das finale Aus werden wir nicht produzieren, dafür sind wir viel zu jämmerlich unbdedeutend.
Wir werden es nichteinmal schaffen, diesen einen Planeten frei von jeder Art von Leben zu machen (auch wenn wir uns eifrig darum bemühen.

Nicht klar ist mir jedoch, wo das "höhere Niveau" in der Geschichte, auch in der Menschheitsgeschichte, seinen Ort haben soll. In der Geschichte hat nie etwas anderes stattgefunden als Umwandlung von Problemen. Lösungen hat es nie gegeben. Und das wird auch so bleiben. Auch wenn wir eine im Hinblick auf konkrete Inhalte gütliche, ja utopische Beantwortung gegenwärtig aktueller Fragen als gangbar annehmen, steht an deren Ende möglicherweise nichts anderes als ein Zustand, in dem es sich nicht existieren lässt. Worin läge letztlich die Reproduktions- und Antriebskraft einer Zivilisation, die alle Probleme, am Ende gar das der Sterblichkeit, gelöst hätte? Ergebnis wäre ein Überdruss von heute unvorstellbaren Ausmaßen, und die Selbstvernichtung aus grenzenloser Langeweile der letzte Ausweg.

Die Utopie liegt nicht in unserer Natur, und das zwiefach: Zum einen können wir sie nicht schaffen, zum anderen können wir auch nicht in ihr existieren, wenn sie uns gegeben wird.


"Wussten Sie, dass die erste Matrix als perfekte Welt geplant war, in der niemand hätte leiden müssen? Es war ein Desaster. Die Menschen haben sie nicht angenommen. Ganze Ernten fielen aus..."

Die Annahme der Höherstufung der Geschichte, des "Fortschritts", des "Anstiegs", ist letztlich nichts anderes als die säkularisierte Form der Erwartung Gottes.
Dem ziellosen Hauen und Stechen soll so ethischer Sinn abgewonnen werden, der seinen Halt in einer Gerichtetheit des Prozesses auf einen Zustand des Guten findet.

Bestreitet man eine solche Gerichtetheit (und es scheint mir zwingend, das zu tun), bleiben als Formen der Geschichtsbetrachtung nur noch die satirische, die bewusst jedes Suchen nach Orientierung aufgibg, und die im einen oder anderen Sinne zirkuläre.
In deren Sinne geht es nach dem Knall tatsächlich weiter.
Im Sinne einer absoluten Qualität jedoch bleiben Vorher und Nachher sich gleich.
Partikular-inhaltlich wird das Danach von seinem Pionierzustand leben und reifen, bis es seinerseits den Knall produziert.



Begreifen wir "Globalisierung" und "Neoliberalismus" wesentlich als politisches bzw ökonomisches Phänomen ohne Verzahnung, ist im Grunde simpel, was daraus zu folgen hat. Einem blinden Wirtschaftsmechanismus muss eine rationale Planung entgegengestellt werden, und das geht natürlich nur auf der gleichen Ebene, die der bisherige Wirtschaftsverlauf hergestellt hat. Der Weltstaat im einen oder anderen Sinne ist dann zwingend, es sei denn man löst sich von diesem klassischen Mittel gesellschaftlicher Organisation völlig ins kritisch-Individuelle (Anarchismus), womit man allerdings -und damit kommen wir zum Problem- auch nur einen Teil der Begleitmusik zur eigentlichen Problematik spielt.
Wird nämlich "Neoliberalismus" (diesen unscharfen Begriff einmal so annehmend), wird nämlich Globalisierung verstanden als jeweiliger Aspekt eines viel gewaltigeren Prozesses, in dem abstrakter Markt und abstrakter Staat, urbanisiert, technisiert, beschleunigt und effizienzgesteigert ihre ganz eigene Dynamik besitzen, wird es praktisch unmöglich, den Punkt zu finden, wo bewusste Steuerung überhaupt ansetzen könnte. Wenn das Steuerungsinstrumentarium selber Teil dessen ist, was eigentlich gesteuert werden müsste, und ein Subjekt, das vor den Einsatz dieses Instrumentariums zurückgenommen werden könnte, im Grunde gar nicht zu erkennen ist, und man auch erwägen müsste, ob ein solches Subjekt bewusst reflektierend als selbst durch diesen Prozess erst gewordenes überhaupt eine Alternative dazu wollen könnte - dann kann man die Sinnfrage stellen, und zwar reichlich grundsätzlich.

Ein zentralistischer Weltstaat bietet keine Alternative, er wäre im Grund nur die andere Seite der Medaille, die wir längst haben. Bestenfalls würde er als zweckrationale Technokratie den Unfug subtiler gestalten.
Der föderale Weltstaat wirft die Frage nach der Souveränität auf (die sich im Hinblick auf die konkreten Menschen in anderer Form gleich nochmal stellt).
Die Anarchie widerspricht sich als tragende Globaluniversalordnung selbst.
Für den Ethnopluralismus gilt in anderer Form im Grunde das Gleiche.


Die letzteren Beiden haben ihre Momente, in denen sie eher unbewusst/unabsichtlich Teile dessen treffen, um was es geht. Als das, was sie an sich selbst sind, sind sie jedoch bestenfalls unwirksam.

Beverly
27.07.2007, 09:34
(...)
Die Utopie liegt nicht in unserer Natur, und das zwiefach: Zum einen können wir sie nicht schaffen, zum anderen können wir auch nicht in ihr existieren, wenn sie uns gegeben wird.
(...)


"Schöne neue Welt" von Aldous Huxley beweist das in satirischer Form. Es geht zwar allen gut, aber alle sind blöd. Kündigt sich auch in der Realität an: die meisten, denen es gut geht, sind blöd.

Eine Erzählung von mir mit dem bezeichnenden Titel "Im goldenen Käfig" beweist es in ernsthafter Form: die zugrunde liegende Utopie vermeidet gröbsten Fehler - Verblödung, Vereinheitlichung - und generiert jene Herausforderungen, die dem Menschen guttun.
Aber die Geschiche endet mit den Selbstmord der Protagonistin :rolleyes:

Trotzdem hätte ich gern einen Zustand - "Realutopie" ? - sozusagen einen Level über dem, was wir jetzt haben.

Sauerländer
27.07.2007, 10:03
"Schöne neue Welt" von Aldous Huxley beweist das in satirischer Form. Es geht zwar allen gut, aber alle sind blöd. Kündigt sich auch in der Realität an: die meisten, denen es gut geht, sind blöd.

Wie heisst es so schön bei Hannes Wader im Tankerkönig:
"Ich pflanzte Hanf im Blumenpott, rauchte abundzu einen Joint, hörte -die MP auf dem Bauch- die Hitparade im Kofferradio, und war glücklich.
Aber wie alle glücklichen Leute nach ner Weile schon nahe am Verblöden."


Eine Erzählung von mir mit dem bezeichnenden Titel "Im goldenen Käfig" beweist es in ernsthafter Form: die zugrunde liegende Utopie vermeidet gröbsten Fehler - Verblödung, Vereinheitlichung - und generiert jene Herausforderungen, die dem Menschen guttun.
Aber die Geschiche endet mit den Selbstmord der Protagonistin :rolleyes:

Es kann sich auch das Problem einstellen, dass ein Indivudalmensch schlicht seine Mission erfüllt hat, und seine Existenz ein Stück leerer wird.
Otto von Bismarck wusste: "Wer einen gleichwertigen Gegner überlebt hat, wird ab da oft bemerken, dass ihm etwas Wichtiges fehlt."


Trotzdem hätte ich gern einen Zustand - "Realutopie" ? - sozusagen einen Level über dem, was wir jetzt haben.
In der Vorstellung der meisten Denker zirkulären Geschehens ist der Zirkel als solcher nicht aufzubrechen. Staatskunst jedoch vermag es, zu beschleunigen oder verlangsamen, also das Verweilen in den höheren Abschnitten zu verlängern, dass in den niederigen zu verkürzen.
Das wäre immerhin ein Anfang.
Und als Tritt in den Hintern, als Bewusstseinsanschub können da sicherlich auch Utopien ihre Wirkung entfalten.

-jmw-
27.07.2007, 21:31
Was kommt nach der Globalisierung?

Kommt drauf an, wann "danach" sein würd.
In den nächsten fuffzig bis hundert Jahren gäb's wahrscheinlich einen "Rückfall" ins Nationalstaatliche, derzeit noch verbreitetstes Konzept.
Bei hinreichender Entwicklung von EU, VN u.ä. Organisationen wär auch ein Weltstaat denkbar, wobei sich die Frage stellt, warum dieser die Globalisierung nicht gleich wieder aufnehmen sollt / würd.

Weltweite Anarchie übrigens ist utopisch, den Menschen wird jede Fähigkeit dazu systematisch aberzogen seit geraumer Zeit, was man schon daran merkt, dass Anarchisten selber so wenig auf die Beine stellen.

Sauerländer
28.07.2007, 13:59
Weltweite Anarchie übrigens ist utopisch, den Menschen wird jede Fähigkeit dazu systematisch aberzogen seit geraumer Zeit, was man schon daran merkt, dass Anarchisten selber so wenig auf die Beine stellen.
Ich bin mir nicht sicher, ob das nur ein Ergebnis von Erziehung ist, oder nicht vielmehr mit dem Entwicklungsstand einer Gesellschaft überhaupt einhergeht.
Aber die Anarchoprimitivismusdebatte hatten wir -glaube ich- schonmal.

Volkov
28.07.2007, 14:12
Die Eroberung des Weltraums. :] Vielleicht werden wir ja dort eine intelligente Spezies finden. :smoke:

Das kommt dazu.

Ich vermute es kommt noch die wirtschaftliche weltweite Anarchie. Dann kann man sagen: China lässt grüßen. "Made in germany" ist jetzt schon veraltet, es müsste heißen mittlerweile "Made by Siemens" oder sowas. Bei der weltweiten Expansion von Unternehmen muss ich sagen hat man vom Sozialismus sogar was gelernt: Das System "Kombinat" auf weltweiter Ebene. Jedes Teil kommt von einem anderen Hersteller. Ja klar, ein Kombinat war eng zusammengeschlossen aber international betrachtet ist es dasselbe.

Ja, Leute. Time will tell, sooner or later....Time will tell !

-jmw-
28.07.2007, 15:10
Ich bin mir nicht sicher, ob das nur ein Ergebnis von Erziehung ist, oder nicht vielmehr mit dem Entwicklungsstand einer Gesellschaft überhaupt einhergeht.
Du meinst je entwickelter, desto abhängiger voneinander und daher desto unanarchischer?


Aber die Anarchoprimitivismusdebatte hatten wir -glaube ich- schonmal.
Joa, nee, öhm...
Keine Ahnung.

Sauerländer
28.07.2007, 15:12
Du meinst je entwickelter, desto abhängiger voneinander und daher desto unanarchischer?

Das ist zwar sehr simplifiziert, aber darauf läuft es letztlich hinaus.

Joa, nee, öhm...
Keine Ahnung.
Ist ein Weilchen her.:D

-jmw-
28.07.2007, 15:30
Das ist zwar sehr simplifiziert
's ist ja auch vorlesungsfreie Zeit! :))


aber darauf läuft es letztlich hinaus.
Aha.
Okay.

Seh ich nicht so.
Halte das eher für 'ne Erziehungs-/Kultursache.


Ist ein Weilchen her.:D
Nun, wird schon stimmen, wenn Du's sagst. :)

Sauerländer
28.07.2007, 15:47
's ist ja auch vorlesungsfreie Zeit! :))
:D :D

Seh ich nicht so.
Halte das eher für 'ne Erziehungs-/Kultursache.
Natürlich hängt es auch mit der Erziehung zusammen. Die jedoch wiederum hängt in meinen Augen wesentlich mit den Umständen zusammen, die die Erziehenden prägen, wie auch die sonstigen Prägungen der Heranwachsenden wesentlich aus dem Gesamtumfeld entspringen.
Und dass man nur als Rädchen im Getriebe wirksam wird, ohne das große Ganze und die Partizipation daran aufgeschmissen ist, sich dieses große Ganze einen Scheiss um die Wünsche schert, die der Einzelne hegt, und sich letztlich jeglichen Sinnhaftigkeitserwägungen entzieht - das ist meines Erachtens eine Grunderfahrung in der modernen Gesellschaft.
Man kann trefflich darüber streiten, ab wo man solche Zustände annimmt, ob nun Industrialisierung oder gar schon Sesshaftwerdung dazu führt, ob die Ballung in riesigen Städten Problem oder Resultat ist, ob der moderne, abstrakt-allgegenwärtige Staat Quell oder Folge des Problems ist (oder beides), aber in meinen Augen kann man Erziehung/Kultur nicht auf den Ausschnitt bewussten Entscheidens (und Prägens) reduzieren, sondern muss die Gesamtumgebung berücksichtigen.

Und da wird -so nehme ich an- Konsens bestehen, dass in lange zurückliegenden Zeiten schonmal freiheitlichere Zustände herrschten.

-jmw-
28.07.2007, 15:51
Nur kurz, muss zum Einkauf:


Die jedoch wiederum hängt in meinen Augen wesentlich mit den Umständen zusammen
'türlich.


ob der moderne, abstrakt-allgegenwärtige Staat Quell oder Folge des Problems ist (oder beides)
Beides.

EDIT: Aber eher Folge, weil "Staat" ja auch nur eine besondere Form zwischenmenschlichen Verhaltens ist (There is no "State." There are only individuals acting in a statist manner. Max O'Connor) und dies widerrum auch und besonders kulturbedingt.


aber in meinen Augen kann man Erziehung/Kultur nicht auf den Ausschnitt bewussten Entscheidens (und Prägens) reduzieren, sondern muss die Gesamtumgebung berücksichtigen.
Kann man nicht, richtig.


Und da wird -so nehme ich an- Konsens bestehen, dass in lange zurückliegenden Zeiten schonmal freiheitlichere Zustände herrschten.
Ich streite das erstmal ab, bis ich aus'm Laden zurück bin.

Beverly
28.07.2007, 17:23
Was kommt nach der Globalisierung?

Kommt drauf an, wann "danach" sein würd.
In den nächsten fuffzig bis hundert Jahren gäb's wahrscheinlich einen "Rückfall" ins Nationalstaatliche, derzeit noch verbreitetstes Konzept.
Bei hinreichender Entwicklung von EU, VN u.ä. Organisationen wär auch ein Weltstaat denkbar, wobei sich die Frage stellt, warum dieser die Globalisierung nicht gleich wieder aufnehmen sollt / würd.

Weltweite Anarchie übrigens ist utopisch, den Menschen wird jede Fähigkeit dazu systematisch aberzogen seit geraumer Zeit, was man schon daran merkt, dass Anarchisten selber so wenig auf die Beine stellen.

Ohne darin der Weisheit letzten Schluss zu sehen, bin ich unter der Voraussetzung der Unmöglichkeit globaler Anarchie für den Weltstaat. Der Territorial- bzw. Nationalstaat hat sich erledigt, seine Betreiber frönen dem Ausverkauf - schlanker Staat, Privatisierung, Weltmarktöffnung und wie sie das Gift alles etikettieren. Ein funktionierendes Gemeinwesen werden die wohl nicht mehr auf die Beine stellen - sie haben ja bei seiner Zerstörung fleißig mitgemacht.
Funktionierende anarchistische Systeme oder als Gemeinwesen wieder instand gesetzte Nationalstaaten würden Weltstaats-Fantasien im Reich der Science Fiction lassen. Ohne sie halte ich ihn für besser als das ewige Jetzt der Globalisierung.

Der Weltstaat als Ordnung schaffende Instanz ist meines Erachtens die Antithese zur Globalisierung, die auf der Zerstörung von Ordnung basiert. Territorialstaaten sind hilflose Spielbälle der Global Player - die werden nicht so blöd sein, einen wirksamen Weltstaat zu schaffen, der sie dann ... :D

Angesichts dieser Zukunftsaussichten für die "Global Player" wäre vielleicht sogar ein Weltstaat in seiner zentralistischen Variante besser als die akuten Zustände.

-jmw-
28.07.2007, 17:54
Ein Weltstaat würde aber Anarchie (Wie das schon klingt! "Nichtstaatlich geordnetes Gemeinwesen" müsst man sagen.) wohl dauerhaft verunmöglichen, denn dieser Weltstaat wäre heute und in nächster Zukunft wohl ein liberal-demokratischer semi-kapitalistischer Staat, eine bloss grössere Ausgabe der jetzigen und würd dies in Gesetze giessen, die man im Weltmasstabe nicht mehr würde ändern können.
Wer will das???
Kleine Einheiten kann man leichter verändern, drum wär ich für den Nationalstaat.

Aldebaran
28.07.2007, 18:27
Ohne darin der Weisheit letzten Schluss zu sehen, bin ich unter der Voraussetzung der Unmöglichkeit globaler Anarchie für den Weltstaat. Der Territorial- bzw. Nationalstaat hat sich erledigt, seine Betreiber frönen dem Ausverkauf - schlanker Staat, Privatisierung, Weltmarktöffnung und wie sie das Gift alles etikettieren. Ein funktionierendes Gemeinwesen werden die wohl nicht mehr auf die Beine stellen - sie haben ja bei seiner Zerstörung fleißig mitgemacht.

Das sehe ich nicht so. Die Schwächung des Territorial- oder Nationalstaates ist eine temporäre Erscheinung, die nur durch die militärisch-politische Dominanz des Westens bzw. der USA möglich ist. Nur in einem weltweit einigermaßen garantierten Ordnungsrahmen ist ein schwacher Staat auch für die Wirtschaft möglich und interessant. Es muss ja jemanden geben, der Freihandel, Patent- und Gläubigerschutz usw. auch notfalls wirklich durchsetzen kann.

Die "erste Globalisierung" des 19. Jhs. basierte auf der Vorherrschaft Großbritanniens - und dem liberalen Konsens in Europa. Erst in diesem Rahmen waren z.B. Auslandsinvestitionen möglich. Vorher, in der Zeit des Merkantilismus, war die Wirtschaft in den großen Handelsmächten klar auf den Staat angewiesen; Handel und Kolonisierung gingen Hand in Hand.

Mit dem Aufstieg Chinas und vielleicht auch Indiens wird die Vorherrschaft der USA enden und damit auch das Modell der "Entstaatlichung". Die ersten Zeichen sind längst da: Scheitern der Doha-Runde, bilaterale Handelverträge und Handelsblöcke, staatliche Rohstoffsicherungspolitik und Staatsfonds. In Japan beginnen die Unternehmen wieder, sich über Kreuz zu verflechten, in Europa denkt man nicht mehr an die volle Privatisierung von EADS, in den USA verschärft man die Bedingungen für Auslandsinvestitionen, in Russland werden ausländische Ölkonzerne aus der Förderung gedrängt usw.

Dass man gelernt hat, die operative Führung von Unternehmen besser nicht Beamten zu überlassen, darf man nicht als Verbschiedung des Staates aus der Wirtschaft überinterpretieren. Auch heute noch setzen die Staaten die Rahmenbedingungen und können selbst die "global player" nichts anderes, als die Rosinen herauspicken.

Welche Macht haben denn die "global player" wirklich? Shell muss große Einbußen hinnehmen, weil ein paar bewaffnete Stammeskrieger auf Schlauchbooten das Nigerdelta unsicher machen und niemand will oder kann verhindern, dass große Ölkonzerne aus Venezuela herausgeekelt werden, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Die wahrscheinlichste (nähere) Zukunft ist wohl die, die Du "Ethno-Pluralismus" genannt hast, also eine System konkurrierender, partiell kooperierender Staaten mit China und den USA an der Spitze.



Funktionierende anarchistische Systeme oder als Gemeinwesen wieder instand gesetzte Nationalstaaten würden Weltstaats-Fantasien im Reich der Science Fiction lassen. Ohne sie halte ich ihn für besser als das ewige Jetzt der Globalisierung.

Der Weltstaat als Ordnung schaffende Instanz ist meines Erachtens die Antithese zur Globalisierung, die auf der Zerstörung von Ordnung basiert. Territorialstaaten sind hilflose Spielbälle der Global Player - die werden nicht so blöd sein, einen wirksamen Weltstaat zu schaffen, der sie dann ... :D

Angesichts dieser Zukunftsaussichten für die "Global Player" wäre vielleicht sogar ein Weltstaat in seiner zentralistischen Variante besser als die akuten Zustände.


Der Weltstaat wäre das Schlimmste, was passieren könnte. Je größer ein Staat ist, desto geringer ist der Konkurrenzdruck durch andere Staaten. Großstaaten pflegen deshalb ihren Niedergang lange Zeit ignorieren zu können - man denke z.B. an das Römische Reich oder China im 19. Jh. Ihre Masse verhindert einen sofortigen Untergang, was zu jahrhundertelanger Agonie führen kann.

Ein Weltstaat hätte überhaupt keine Konkurrenz. Träte eine Fehlentwicklung ein, wäre sie nicht mehr korrigierbar. Die Machtelite könnte den Staat völlig verkommen lassen, ohne dass ihr von außen dadurch Gefahr drohen könnte.

Und warum sollte ein Weltstaat für die global player ein Problem sein? Er wäre die Krönung der Globalisierung, nicht ihr Ende.

Rikimer
28.07.2007, 19:53
Die Frage ist also nicht, ob, sondern was nach den akuten Zuständen kommt:

Zunächst kommt wahrscheinlich:


1. Der zentralistische Weltstaat

Eine Weltregierung kassiert all die "Global Player" und Territorialstaaten ein und die Menschheit wird zentral mehr oder weniger sachrational regiert.

Danach der Zusammenbruch:


4. Weltweiter Anarchismus

Weder auf nationaler noch Weltebene gibt es Regierungen und Staat. Die Gemeinwesen verwalten sich selbst, Weltinstitutionen sind allenfalls Zweckverbände, auch hier z. B. ein Schiedsgericht.

MfG

Rikimer

Beverly
29.07.2007, 12:00
Ein Weltstaat würde aber Anarchie (Wie das schon klingt! "Nichtstaatlich geordnetes Gemeinwesen" müsst man sagen.) wohl dauerhaft verunmöglichen, denn dieser Weltstaat wäre heute und in nächster Zukunft wohl ein liberal-demokratischer semi-kapitalistischer Staat, eine bloss grössere Ausgabe der jetzigen und würd dies in Gesetze giessen, die man im Weltmasstabe nicht mehr würde ändern können.
Wer will das???
Kleine Einheiten kann man leichter verändern, drum wär ich für den Nationalstaat.

@-jmw-,

ich glaube wir sind uns darin einig, kein System zu wünschen, dass die akuten Zustände per Gesetz und mit Zwang weltweit durchsetzt und verewigt.

Aber trotzdem hast du auf den Punkt gebracht, wo sich beim Thema "Weltstaat" die Diskussionen im Kreis drehen, die Standpunkte unvereinbar sind oder wir auch nur aneinander vorbei reden. Es fängt schon an mit deiner Wortwahl "semi-kapitalistisch". Was ist das? Ein Widerspruch in sich selbst, weil Kapitalismus total und nicht "semi" ist? Man stelle sich einen "semi-kapitalistischen" Weltstaat vor, der z. B. entscheidet, dass all die Billionen Dollar und Euro Kapital, die um den Globus zirkulieren, gefälligst wieder produktiv zu investieren sind. Schluss mit Steueroasen, einheitlicher Spitzensteuersatz weltweit.
"Semi" und "kapitalistisch" scheinem mir da nicht zusammen zu passen, dann lass uns lieber über den "pur-kapitalistischen" Weltstaat weiter diskutieren.
Vielleicht haben wir den schon :rolleyes: - ich stelle ihn mir als ein System vor, in dem auf politischer Ebene UN-Weltsicherheitsrat, WTO und US-dominierte NATO enger zusammenrücken, ihre Kooperation institutionalisieren und verrechtlichen. Vorstudien dazu haben sie mit dem ersten Krieg gegen den Irak 1991 schon abgeliefert. Aber es wird meines Erachtens eine "globale Oligarchie" bleiben, die - aus gutem Grund - auf vieles verzichtet, was einen Weltstaat erst zum Staat macht.

Beverly
29.07.2007, 12:16
Das sehe ich nicht so. Die Schwächung des Territorial- oder Nationalstaates ist eine temporäre Erscheinung, die nur durch die militärisch-politische Dominanz des Westens bzw. der USA möglich ist. Nur in einem weltweit einigermaßen garantierten Ordnungsrahmen ist ein schwacher Staat auch für die Wirtschaft möglich und interessant. Es muss ja jemanden geben, der Freihandel, Patent- und Gläubigerschutz usw. auch notfalls wirklich durchsetzen kann.

Die "erste Globalisierung" des 19. Jhs. basierte auf der Vorherrschaft Großbritanniens - und dem liberalen Konsens in Europa. Erst in diesem Rahmen waren z.B. Auslandsinvestitionen möglich. Vorher, in der Zeit des Merkantilismus, war die Wirtschaft in den großen Handelsmächten klar auf den Staat angewiesen; Handel und Kolonisierung gingen Hand in Hand.

Mit dem Aufstieg Chinas und vielleicht auch Indiens wird die Vorherrschaft der USA enden und damit auch das Modell der "Entstaatlichung". Die ersten Zeichen sind längst da: Scheitern der Doha-Runde, bilaterale Handelverträge und Handelsblöcke, staatliche Rohstoffsicherungspolitik und Staatsfonds. In Japan beginnen die Unternehmen wieder, sich über Kreuz zu verflechten, in Europa denkt man nicht mehr an die volle Privatisierung von EADS, in den USA verschärft man die Bedingungen für Auslandsinvestitionen, in Russland werden ausländische Ölkonzerne aus der Förderung gedrängt usw.

Dass man gelernt hat, die operative Führung von Unternehmen besser nicht Beamten zu überlassen, darf man nicht als Verbschiedung des Staates aus der Wirtschaft überinterpretieren. Auch heute noch setzen die Staaten die Rahmenbedingungen und können selbst die "global player" nichts anderes, als die Rosinen herauspicken.

Welche Macht haben denn die "global player" wirklich? Shell muss große Einbußen hinnehmen, weil ein paar bewaffnete Stammeskrieger auf Schlauchbooten das Nigerdelta unsicher machen und niemand will oder kann verhindern, dass große Ölkonzerne aus Venezuela herausgeekelt werden, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Die wahrscheinlichste (nähere) Zukunft ist wohl die, die Du "Ethno-Pluralismus" genannt hast, also eine System konkurrierender, partiell kooperierender Staaten mit China und den USA an der Spitze.




Der Weltstaat wäre das Schlimmste, was passieren könnte. Je größer ein Staat ist, desto geringer ist der Konkurrenzdruck durch andere Staaten. Großstaaten pflegen deshalb ihren Niedergang lange Zeit ignorieren zu können - man denke z.B. an das Römische Reich oder China im 19. Jh. Ihre Masse verhindert einen sofortigen Untergang, was zu jahrhundertelanger Agonie führen kann.

Ein Weltstaat hätte überhaupt keine Konkurrenz. Träte eine Fehlentwicklung ein, wäre sie nicht mehr korrigierbar. Die Machtelite könnte den Staat völlig verkommen lassen, ohne dass ihr von außen dadurch Gefahr drohen könnte.

Und warum sollte ein Weltstaat für die global player ein Problem sein? Er wäre die Krönung der Globalisierung, nicht ihr Ende.

Dass ein Weltstaat ein Horrorszenario sein könnte, will ich nicht bestreiten. Aber ich sehe das Horrorszenario ohne den Weltstaat schon so "prächtig" gedeiehen, dass ich nicht glaube, dass die Nutznießer des Horrors für ihre Interessen einen Weltstaat brauchen. OK, ich wiederhole mich da ständig, aber sei's drum.

Du beschreibst weiter oben eigentlich nur Umschichtungen innerhalb des Komplexes von Politik und Wirtschaft, Staat und Konzernen. IMHO ändern die nichts am grundlegenden - in meinen Augen menschenverachtenden - Charakter des Gesamtsystems.
Du schreibst sinngemäß: "der Weltstaat ist das Ende jeder Konkurrenz."
Dieses Ende hatten wir schon 1989ff., als der Sozialismus zusammenbrach und der Ostblock kapitalistisch wurde - ganz ohne Weltstaat. Der wäre damals in der allgemeinen Besoffenheit über den Fall des Eisernen Vorhangs vielleicht schon möglich gewesen - aber die Akteure wollten ihn damals ebensowenig wie heute :rolleyes:

Beverly
29.07.2007, 12:30
:D :D

Natürlich hängt es auch mit der Erziehung zusammen. Die jedoch wiederum hängt in meinen Augen wesentlich mit den Umständen zusammen, die die Erziehenden prägen, wie auch die sonstigen Prägungen der Heranwachsenden wesentlich aus dem Gesamtumfeld entspringen.
Und dass man nur als Rädchen im Getriebe wirksam wird, ohne das große Ganze und die Partizipation daran aufgeschmissen ist, sich dieses große Ganze einen Scheiss um die Wünsche schert, die der Einzelne hegt, und sich letztlich jeglichen Sinnhaftigkeitserwägungen entzieht - das ist meines Erachtens eine Grunderfahrung in der modernen Gesellschaft.

Damit hast du das Lebensgefühl vieler Menschen auf den Punkt gebracht.



Man kann trefflich darüber streiten, ab wo man solche Zustände annimmt, ob nun Industrialisierung oder gar schon Sesshaftwerdung dazu führt, ob die Ballung in riesigen Städten Problem oder Resultat ist, ob der moderne, abstrakt-allgegenwärtige Staat Quell oder Folge des Problems ist (oder beides), aber in meinen Augen kann man Erziehung/Kultur nicht auf den Ausschnitt bewussten Entscheidens (und Prägens) reduzieren, sondern muss die Gesamtumgebung berücksichtigen.

Und da wird -so nehme ich an- Konsens bestehen, dass in lange zurückliegenden Zeiten schonmal freiheitlichere Zustände herrschten.

Ich glaube, dass sich in allen Epochen und auf allen Kulturstufen Zustände der Gemeinschaftlichkeit mit solchen der Entfremdung abwechselten. Das kann ein schleichender Prozess sein, es kann aber auch sehr rasant geschehen. Für unstrittig halte ich, dass wir akut auf einen Höhepunkt der Entfremdung zusteuern.

Eridani
29.07.2007, 13:12
[QUOTE=Beverly;1505830]Der derzeitige Zustand der Welt im Zeichen von Neoliberalismus und Globalisierung, Kapitalkonzentration und Konzernherrschaft, "Kapitalismus pur" und "freiem Spiel der Kräfte", Postmoderne und "Ende des Fortschritts" wirft die Frage auf, was danach kommen mag............................................... ..

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Ich fürchte, da sich der Mensch in seinem unendlichen Wachstumsgehabe sich nicht bremsen können wird- die Erdoberfläche aber endlich ist - wird das kommen, was schon der Ex-Grüne Herbert Gruhl in seinem Buch :" Himmelfahrt ins Nichts" vor 15 Jahren postulierte ; der langsame, schleichende Untergang, die letzten Kriege um Nahrung, Wasser und Energie---bis schließlich die Natur diesen Irrläufer der Evolution aus ihrem Kreislauf getilgt haben wird.....

E:

-jmw-
29.07.2007, 13:30
Aber trotzdem hast du auf den Punkt gebracht, wo sich beim Thema "Weltstaat" die Diskussionen im Kreis drehen, die Standpunkte unvereinbar sind oder wir auch nur aneinander vorbei reden. Es fängt schon an mit deiner Wortwahl "semi-kapitalistisch". Was ist das?
Das ist mein Unvermögen, mich von dem Begriff "Kapitalismus" zu trennen und stattdessen "staatsfreies Wirtschaften" zu sagen.


Man stelle sich einen "semi-kapitalistischen" Weltstaat vor
Geht ganz einfach: BRD + V.S.A. + Japan, das Ganze a bissl grösser und fertisch.


Vielleicht haben wir den schon :rolleyes: - ich stelle ihn mir als ein System vor, in dem auf politischer Ebene UN-Weltsicherheitsrat, WTO und US-dominierte NATO enger zusammenrücken, ihre Kooperation institutionalisieren und verrechtlichen. Vorstudien dazu haben sie mit dem ersten Krieg gegen den Irak 1991 schon abgeliefert. Aber es wird meines Erachtens eine "globale Oligarchie" bleiben, die - aus gutem Grund - auf vieles verzichtet, was einen Weltstaat erst zum Staat macht.
Möglich, ja.

Eridani
29.07.2007, 16:08
Das ist mein Unvermögen, mich von dem Begriff "Kapitalismus" zu trennen und stattdessen "staatsfreies Wirtschaften" zu sagen.
Geht ganz einfach: BRD + V.S.A. + Japan, das Ganze a bissl grösser und fertisc
Möglich, ja.
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Viele Gefahren global sind real und werden für uns immer mehr Bedeutung bekommen. Stichwort: Überbevölkerung, Armutswanderungen, Wassermangel, Ressourcenmangel, Umweltzerstörung durch Massentourismus, Islam-contra-Westen.
Diese Gefahren treten aber hinter einer noch größeren Gefahr zurück, die einfach keiner erkennt: Das exorbitante Wachstum in China.
!
In Japan fehlt Autofabriken der Stahl, weil die Chinesen wie die Verrückten Autos bauen, der Sprit wird immer teurer, weil 1 Mrd. Chinesen jetzt so leben wollen wie wir. Selbst Milch(?) soll jetzt knapper werden. Jedenfalls müssen wir aufpassen, dass die flinken, kleinen, gelben Wiesel uns nicht die Haare vom Kopf fressen.

Fakt ist leider, dass auf Grund der ökonomischen Gegebenheiten 6,6 Mrd. Menschen nicht wie ein westeuropäischer Facharbeiter leben können. Dass wird bald ein echtes Problem werden....

E:

Freiherr
29.07.2007, 16:48
Da bekommt "gelbe Gefahr" doch einen ganz neuen Klang.