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Vollständige Version anzeigen : Kampf der Systeme



Mark Mallokent
09.07.2007, 07:41
Um 400 nach Christus hatten wir auf der einen Seite einen Superstaat, ein riesiges Imperium, das fast ganz Europa und noch mehr umfaßte, auf der anderen Seite einige primitive Volksstämme. Eine riesige wohlorganisierte, gutbewaffnete Armee stand einigen verlotterten disziplinlosen Heerhaufen gegenüber.
Hundert Jahre später war das Imperium zusammengebrochen, hatten die „Barbaren“ gesiegt. Warum? Ganz einfach: Es lag am Kapitalismus. Das spätantike römische Reich war eine „Staatswirtschaft“. Jede wirtschaftliche Tätigkeit war vom Staat gelenkt. Eine riesige Bürokratie saugte die Bevölkerung aus. Die Steuerbelastung wurde immer höher. Die Menschen immer ärmer. Willen- und hilflos warfen sie sich einer obskuren östlichen Heilslehre in die Arme, die wenigstens nach dem Tod Freiheit vom Finanzamt verhieß.
Es waren unsere Vorfahren, die Germanen, die Europa von Joch der Bürokratie befreiten, die Freiheit und Unternehmungsgeist wiederherstellten, denen es selbst gelang, das Christentum mit dem Geist des Waagemuts und des freien Unternehmertum zu erfüllen. Während das östliche Christentum zu einer Staatsreligion wurde, und darum eine leichte Beute des Islams, erfüllte es im Westen die Menschen mit Mut und Zuversicht.
Wird es uns gelingen, uns unseren Vorfahren würdig zu erweisen? Das ist die Frage. :]

Biskra
09.07.2007, 15:57
Das ist jetzt aber eine dezent ahistorische Argumentation. ;) Subsistenzwirtschaft ist definitiv nicht Kapitalismus.

Mark Mallokent
09.07.2007, 16:35
Das ist jetzt aber eine dezent ahistorische Argumentation. ;) Subsistenzwirtschaft ist definitiv nicht Kapitalismus.

Natürlich war das Frühmittelalter noch kein Kapitalismus. Aber in dieser Zeit wurde gleichsam der Same gelegt. Du kennst vielleicht noch aus dem ML-Studium die Kategorie des "Noch-Nicht-Seienden". :]

Biskra
09.07.2007, 17:03
Natürlich war das Frühmittelalter noch kein Kapitalismus. Aber in dieser Zeit wurde gleichsam der Same gelegt. Du kennst vielleicht noch aus dem ML-Studium die Kategorie des "Noch-Nicht-Seienden". :]

Habe kein ML-Studium hinter mir. ;) Aber wenn du zum Kapitalismus kommen willst, dann brauchst du erst mal die Herauslösung aus der reinen Subsistenzwirtschaft, insofern wäre dein Same im Merkantilismus gelegt, jedoch nicht früher.

Mark Mallokent
09.07.2007, 17:36
Habe kein ML-Studium hinter mir. ;) Aber wenn du zum Kapitalismus kommen willst, dann brauchst du erst mal die Herauslösung aus der reinen Subsistenzwirtschaft, insofern wäre dein Same im Merkantilismus gelegt, jedoch nicht früher.

Ich schreibe gerade einen Aufsatz, wo ich nachweise, daß die Franken im achten Jahrhundert schon Schwerter nach Bagdad und Skandinavien exportiert haben. Hat sich was mit Merkantilismus. germane

Biskra
09.07.2007, 17:51
Ich schreibe gerade einen Aufsatz, wo ich nachweise, daß die Franken im achten Jahrhundert schon Schwerter nach Bagdad und Skandinavien exportiert haben. Hat sich was mit Merkantilismus. germane

Schon ins Ägypten der Pharaonen gelangte Bernstein von der Ostsee, der Handel dürfte so alt sein wie die Menschheit, das ist also kein Argument. Ach ja, die Römer betrieben natürlich auch schon Außenhandel. ;)

Mark Mallokent
09.07.2007, 18:00
Schon ins Ägypten der Pharaonen gelangte Bernstein von der Ostsee, der Handel dürfte so alt sein wie die Menschheit, das ist also kein Argument. Ach ja, die Römer betrieben natürlich auch schon Außenhandel. ;)

Na ja. Das Problem ist, daß wir das nicht quantifizieren können. Immerhin kann Handel seine potentiell kapitalistische Wirkung erst entfalten, wenn er grenzüberschreitend ist. Dann kann er nämlich nicht mehr staatlich kontrolliert werden. Und daß ist eben doch ein Unterschied zwischen der Antike, wo sich Handel weitgehend innerhalb der Reichsgrenzen abspielte, und dem Mittelalter. :]

Biskra
09.07.2007, 18:08
Na ja. Das Problem ist, daß wir das nicht quantifizieren können. Immerhin kann Handel seine potentiell kapitalistische Wirkung erst entfalten, wenn er grenzüberschreitend ist. Dann kann er nämlich nicht mehr staatlich kontrolliert werden. Und daß ist eben doch ein Unterschied zwischen der Antike, wo sich Handel weitgehend innerhalb der Reichsgrenzen abspielte, und dem Mittelalter. :]

Das ist im Mittelalter nicht anders als in der Antike, schon gar nicht kann man das sagen, wenn man die Prämisse nicht quantifizierbar voranstellt.
Kapitalismus ist quasi Investment. Du müsstest also nicht nach Zeichen für Handel suchen, sondern nach Zeichen für Investitionen der Franken z.B. in Bagdad. Oder andersrum. ;)

Mark Mallokent
09.07.2007, 18:31
Das ist im Mittelalter nicht anders als in der Antike, schon gar nicht kann man das sagen, wenn man die Prämisse nicht quantifizierbar voranstellt.Vergleichbar wäre das Mittelalter mit der frühen Antike. Aber spätestens seit Caesar ist Schluß damit und wir haben dieses riesige römische Reich.


Kapitalismus ist quasi Investment. Du müsstest also nicht nach Zeichen für Handel suchen, sondern nach Zeichen für Investitionen der Franken z.B. in Bagdad. Oder andersrum. ;)Da sieht es natürlich schlecht aus. Da muß man bis zum späten Mittelalter warten. :(

EinDachs
09.07.2007, 18:53
Um 400 nach Christus hatten wir auf der einen Seite einen Superstaat, ein riesiges Imperium, das fast ganz Europa und noch mehr umfaßte, auf der anderen Seite einige primitive Volksstämme. Eine riesige wohlorganisierte, gutbewaffnete Armee stand einigen verlotterten disziplinlosen Heerhaufen gegenüber.
Hundert Jahre später war das Imperium zusammengebrochen, hatten die „Barbaren“ gesiegt. Warum? Ganz einfach: Es lag am Kapitalismus. Das spätantike römische Reich war eine „Staatswirtschaft“. Jede wirtschaftliche Tätigkeit war vom Staat gelenkt. Eine riesige Bürokratie saugte die Bevölkerung aus. Die Steuerbelastung wurde immer höher. Die Menschen immer ärmer. Willen- und hilflos warfen sie sich einer obskuren östlichen Heilslehre in die Arme, die wenigstens nach dem Tod Freiheit vom Finanzamt verhieß.
Es waren unsere Vorfahren, die Germanen, die Europa von Joch der Bürokratie befreiten, die Freiheit und Unternehmungsgeist wiederherstellten, denen es selbst gelang, das Christentum mit dem Geist des Waagemuts und des freien Unternehmertum zu erfüllen. Während das östliche Christentum zu einer Staatsreligion wurde, und darum eine leichte Beute des Islams, erfüllte es im Westen die Menschen mit Mut und Zuversicht.
Wird es uns gelingen, uns unseren Vorfahren würdig zu erweisen? Das ist die Frage. :]

Nein. Meinst du das überhaupt ernst?

Die römische Bürokratie war zum Zeitpunkt des Zusammenbruches viel schwächer als etwa zur Zeit des Aufstieges. Eben die grandiose Verwaltung (sehr viel mehr gilt das übrigens dann noch für China) ermöglichten neben einem leistungsfähigen Militärapparat den Aufstieg Roms.
Von Staatswirtschaft kann man da nur sehr eingeschränkt sprechen.

Und das freie Unternehmertum unserer Germanenvorfahren äußerte sich in Plünderzügen und haben uns um ein paar hundert Jahre auf Subsistenzwirtschaft zurückgeworfen.

leuchtender Phönix
09.07.2007, 19:02
Nur das weströmische Reich wurde zerstört. Der andere Teil existierte als Byzantinisches Reich weiter.

Mark Mallokent
09.07.2007, 19:03
Nur das weströmische Reich wurde zerstört. Der andere Teil existierte als Byzantinisches Reich weiter.

Das ist aber schließlich auch untergegangen. :]

Biskra
09.07.2007, 19:05
Vergleichbar wäre das Mittelalter mit der frühen Antike. Aber spätestens seit Caesar ist Schluß damit und wir haben dieses riesige römische Reich.

Du meinst also, daß Binnenhandel nicht zählen würde?

Mark Mallokent
09.07.2007, 19:06
Nein. Meinst du das überhaupt ernst?

Die römische Bürokratie war zum Zeitpunkt des Zusammenbruches viel schwächer als etwa zur Zeit des Aufstieges. Eben die grandiose Verwaltung (sehr viel mehr gilt das übrigens dann noch für China) ermöglichten neben einem leistungsfähigen Militärapparat den Aufstieg Roms.
Von Staatswirtschaft kann man da nur sehr eingeschränkt sprechen.Zur Zeit des römischen Aufstiegs gab es überhaupt keine Bürokratie. Das ist erst eine Entwicklung der Kaiserzeit. Und das ging dann schließlich den Bach runter, weil keiner mehr die Beamtenmassen bezahlen konnte.


Und das freie Unternehmertum unserer Germanenvorfahren äußerte sich in Plünderzügen und haben uns um ein paar hundert Jahre auf Subsistenzwirtschaft zurückgeworfen.Das ist ein überholtes Bild. Technisch-wirtschaftlich gesehen waren die entstehenden Germanenreiche höher entwickelt als das römische Reich. :]

Biskra
09.07.2007, 19:07
Das ist aber schließlich auch untergegangen. :]

Ja, fast 1000 Jahre später.

Mark Mallokent
09.07.2007, 19:07
Du meinst also, daß Binnenhandel nicht zählen würde?

Rein wirtschaftlich zählt er schon. Aber er ist staatlich kontrollierbar und reglementierbar. Im Unterschied eben zum Außenhandel. :]

Mark Mallokent
09.07.2007, 19:08
Ja, fast 1000 Jahre später.

ES war aber auch vorher schon sehr reduziert. :]

Achsel-des-Bloeden
09.07.2007, 19:09
...
Das ist ein überholtes Bild. Technisch-wirtschaftlich gesehen waren die entstehenden Germanenreiche höher entwickelt als das römische Reich. :]
Technisch zogen die "Germanenreiche", von der Kriegskunst abgesehen, erst im 15.Jhdt. wieder mit den Römern auf!?
Dachte ich bislang ... :rolleyes:

Mark Mallokent
09.07.2007, 19:12
Technisch zogen die "Germanenreiche", von der Kriegskunst abgesehen, erst im 15.Jhdt. wieder mit den Römern auf!?
Dachte ich bislang ... :rolleyes:

Im Gegenteil: Dem frühen Mittelalter verdanken wir so wichtige Erfindungen wie die Wassermühle, die damaszenierten Schwerter, den Steigbügel, das Hufeisen und das Kummet. :]

Achsel-des-Bloeden
09.07.2007, 19:20
Im Gegenteil: Dem frühen Mittelalter verdanken wir so wichtige Erfindungen wie die Wassermühle, die damaszenierten Schwerter, den Steigbügel, das Hufeisen und das Kummet. :]Unstrittig ist "nur" das Kummet, die Wassermühle kannten jedoch bereits die Römer nicht nur als Schöpfwerk.



P.S.: Meinst Du die Schiffsmühle?

Biskra
09.07.2007, 19:22
Im Gegenteil: Dem frühen Mittelalter verdanken wir so wichtige Erfindungen wie die Wassermühle, die damaszenierten Schwerter, den Steigbügel, das Hufeisen und das Kummet. :]

Die Wassermühle gabs doch schon vorher oder?

Biskra
09.07.2007, 19:24
Rein wirtschaftlich zählt er schon. Aber er ist staatlich kontrollierbar und reglementierbar. Im Unterschied eben zum Außenhandel. :]

Der Außenhandel ist natürlich genauso reglementierbar, z.B. über Zölle, aber auch über Einfuhr- und Ausfuhrverbote.

EinDachs
09.07.2007, 19:26
Zur Zeit des römischen Aufstiegs gab es überhaupt keine Bürokratie. Das ist erst eine Entwicklung der Kaiserzeit. Und das ging dann schließlich den Bach runter, weil keiner mehr die Beamtenmassen bezahlen konnte.

Ich rätsle, wie du auf die Idee kommst, Rom hätte Beamtenmassen gehabt.
Und selbstverständlich hatte Rom von Anfang an Bürokratie. Das war ja ihr großer Vorteil gegenüber der primitiven Randvölker wie der Gallier.
Gallier hatten zuverlässigen keinen Abschöpfungsmechanismus, dadurch waren sie nicht in der Lage, entsprechende Armeen auszurüsten und zu erhalten und darum sind sie untergegangen.
Roms Probleme entstanden hauptsächlich aus imperialer Überdehnung udn waren eher militärischer, denn wirtschaftlicher Natur.


Das ist ein überholtes Bild. Technisch-wirtschaftlich gesehen waren die entstehenden Germanenreiche höher entwickelt als das römische Reich. :]

Ahem.
Rom hatte ein funktionierendes Gesundheitssystem und seine Eisenverarbeitung wurde qualitativ erst im 19 jhdt wieder eingeholt. Das Strassennetz war grandios und ermöglichten den von dir geschätzten freien Handel in vielen Regionen überhaupt erst. Durch die erfolgreichen Feldzüge gegen Piraterie erleichterte man den Seehandel.
Die Germanen hatten... ja, nenn du einfach mal einen Punkt wo sie überlegen waren...

Mark Mallokent
09.07.2007, 19:26
Die Wassermühle gabs doch schon vorher oder?

Nur vereinzelt. Ihre Ausbreitung fällt ins frühe Mittelalter. :]

Biskra
09.07.2007, 19:33
Nur vereinzelt. Ihre Ausbreitung fällt ins frühe Mittelalter. :]

Nun ja, ihre Funktionsweise wurde schon von Vetruv im 1.Jh erklärt. Bei den Steigbügelhaltern sieht es ähnlich aus, Ausbreitung in Europa im Mittelalter (um 800) durch Asiaten. Bekannt war der Steigbügelhalter allerdings schon den Skythen, später den Mongolen.

Mark Mallokent
09.07.2007, 19:37
Ich rätsle, wie du auf die Idee kommst, Rom hätte Beamtenmassen gehabt.
Und selbstverständlich hatte Rom von Anfang an Bürokratie. Das war ja ihr großer Vorteil gegenüber der primitiven Randvölker wie der Gallier.Wo hatten denn die republikanischen Römer eine Burokratie? Im republikanischen Rom gab es die Quaestoren, Aedilen und Praetoren. Die wurden jährlich gewählt und hatten die gesamte Verwaltung auf eigene Kosten durchzuführen. Das ist keine Beamtenschaft-


Gallier hatten zuverlässigen keinen Abschöpfungsmechanismus, dadurch waren sie nicht in der Lage, entsprechende Armeen auszurüsten und zu erhalten und darum sind sie untergegangen.Die römischen Armeen der republikanischen Zeit waren reine Milizarmeen. Da hatte sich jeder auf eigene Kosten auszurüsten.


Roms Probleme entstanden hauptsächlich aus imperialer Überdehnung udn waren eher militärischer, denn wirtschaftlicher Natur.Kein Militär funktioniert ohne entsprechende Wirtschaft.



Ahem.
Rom hatte ein funktionierendes GesundheitssystemNa ja. Es gab Ärzte.


und seine Eisenverarbeitung wurde qualitativ erst im 19 jhdt wieder eingeholt.Das ist ein großer Irrtum.


Das Strassennetz war grandios und ermöglichten den von dir geschätzten freien Handel in vielen Regionen überhaupt erst.
Das Straßennetz und überhaupt die öffentlichen Bauten waren in der Tat grandios, sie waren aber nur möglich, weil man in großem Ausmaß auf Sklavenarbeit zurückgreifen konnte. Das ging eben im Mittelalter nicht mehr.


Durch die erfolgreichen Feldzüge gegen Piraterie erleichterte man den Seehandel.
Die Germanen hatten... ja, nenn du einfach mal einen Punkt wo sie überlegen waren...Wie schon erwähnt: Überlegene Metallverarbeitung. Die "Damaszierung" ermöglichte es, lange Schwerter, wie Reiter sie benötigen, herzustellen. Die waren erheblich besser, als der römische gladius. Ansonsten siehe oben.

Mark Mallokent
09.07.2007, 19:40
Der Außenhandel ist natürlich genauso reglementierbar, z.B. über Zölle, aber auch über Einfuhr- und Ausfuhrverbote.

Versucht hat man es in der Tat. Es gibt Ausfuhrverbote Karls des Großen für Waffen. Aber es hat nichts genützt. Die Händler haben einen kleinen Umweg an der Grenzstation vorbei gemacht. :]

Mark Mallokent
09.07.2007, 19:41
Nun ja, ihre Funktionsweise wurde schon von Vetruv im 1.Jh erklärt. Bei den Steigbügelhaltern sieht es ähnlich aus, Ausbreitung in Europa im Mittelalter (um 800) durch Asiaten. Bekannt war der Steigbügelhalter allerdings schon den Skythen, später den Mongolen.

So wichtig ist der Steigbügel auch nicht. Aber was die Wassermühle betrifft. Die hat sich erst ausgebreitet, als Sklaven nachgerade Mangelware wurden. So wurde eben menschliche Arbeitskraft durch Wasserkraft ersetzt. :]

EinDachs
09.07.2007, 19:58
Wo hatten denn die republikanischen Römer eine Burokratie? Im republikanischen Rom gab es die Quaestoren, Aedilen und Praetoren. Die wurden jährlich gewählt und hatten die gesamte Verwaltung auf eigene Kosten durchzuführen. Das ist keine Beamtenschaft-

Warum nicht? Erledigen die Jobs eines Beamten, nämlich Steuermittel einnehmen und verwalten.


Die römischen Armeen der republikanischen Zeit waren reine Milizarmeen. Da hatte sich jeder auf eigene Kosten auszurüsten.



Die Milizen erreichten aber bald ihre Grenzen, weshalb es ja dann die Umstellung zum Berufsheer unter Marius kam.


Kein Militär funktioniert ohne entsprechende Wirtschaft.

Ja, das ist richtig, aber der Wirtschaft ging es eigentlich gar nicht so schlecht.


Na ja. Es gab Ärzte.

Recht gute. Die führten sogar einfache Hirnoperationen durch.


Das ist ein großer Irrtum.

Nein, ist es nicht. Norisches Eisen hatte eine Qualität, die erst mit dem Aufkommen moderner Stahlverhüttung geschlagen werden konnte.


Das Straßennetz und überhaupt die öffentlichen Bauten waren in der Tat grandios, sie waren aber nur möglich, weil man in großem Ausmaß auf Sklavenarbeit zurückgreifen konnte. Das ging eben im Mittelalter nicht mehr.

Weil es an Know-how fehlte. Nicht an Leibeigenen, die konnte ja dann später auch wieder recht tolle Burgen bauen.


Wie schon erwähnt: Überlegene Metallverarbeitung. Die "Damaszierung" ermöglichte es, lange Schwerter, wie Reiter sie benötigen, herzustellen. Die waren erheblich besser, als der römische gladius. Ansonsten siehe oben.

Und dir fällt nicht die Ironie auf, die wissenschaftliche Überlegenheit des Frühmittelalters auf ein Verfahren zurückzuführen, das im antiken Damaskus perfektioniert wurde und bereits den Kelten in Grundzügen bekannt war?

Ausonius
09.07.2007, 20:02
@ Mark: eigentlich schätze ich deine historischen Beiträge, aber da ich weiß, dass du entsprechend vorgebildet bist, finde ich diese Einleitung hier etwas platt. Gehen wir mal in die Details:



Um 400 nach Christus hatten wir auf der einen Seite einen Superstaat, ein riesiges Imperium, das fast ganz Europa und noch mehr umfaßte, auf der anderen Seite einige primitive Volksstämme.

Das römische Reich war zu diesem Zeitpunkt eben kein Superstaat mehr; die Tetrarchie konnte nur für eine Weile die immanente verfassungsrechtliche Problematik des Reiches übertünchen. Um 350 gab es wieder einen schweren Bürgerkrieg, der zumindest den Westen des Reiches sehr stark destabilisierte. Nach der Schlacht bei Adrianopel wurden die Militärgrenzen des Westreichs mehr oder weniger kontinuierlich geschwächt, weil man die dort stationierten Truppen in Italien oder auf dem Balkan brauchte. Dagegen blieb der Osten des Reiches zunächst mehr oder weniger unberührt von den umwälzenden Entwicklungen und florierte auch wirtschaftlich weiter.


Eine riesige wohlorganisierte, gutbewaffnete Armee stand einigen verlotterten disziplinlosen Heerhaufen gegenüber.


Das war sie nicht mehr. Viele Forscher gehen davon aus, dass zahlreiche der besten Einheiten des Heeres in der Schlacht bei Mursa (351) unwiderbringlich vernichtet wurden. Die Armee hatte zudem nicht mehr das Ansehen und die Machtstellung der mittleren Kaiserzeit. Der Soldatenberuf zählte nur noch wenig (was sich auch finanziell bemerkbar machte), die Motivation war gering. Anders als in der mittleren Kaiserzeit waren die Einheiten auch nicht mehr gleichwertig gut; Eliteverbänden wie den comitatenses standen die meist schwachen Grenzschutztruppen gegenüber.



Warum? Ganz einfach: Es lag am Kapitalismus. Das spätantike römische Reich war eine „Staatswirtschaft“. Jede wirtschaftliche Tätigkeit war vom Staat gelenkt. Eine riesige Bürokratie saugte die Bevölkerung aus.

Das stimmt nicht ganz. Der Handel war sogar weiterhin sehr bedeutsam. Grund der für die Spätantike entscheidenden Reformen war die grassierende Inflation des 3. Jahrhundert, die zum Höchstpreisedikt führte. Die Steuerlasten stiegen, das ist richtig. Doch gerieten die armen Bauern weniger in Abhängigkeit des Staates (wie es im heutigen System wäre), sondern in die von mächtigen, großgrundbesitzenden Verpächtern. Außerdem ist auch hier wieder zwischen West- und Ostreich zu trennen.



Willen- und hilflos warfen sie sich einer obskuren östlichen Heilslehre in die Arme, die wenigstens nach dem Tod Freiheit vom Finanzamt verhieß.

Hier ist die Aggresivität der christlichen Bischöfe bei der Christianisierung Europas nicht zu unterschätzen.



Es waren unsere Vorfahren, die Germanen, die Europa von Joch der Bürokratie befreiten, die Freiheit und Unternehmungsgeist wiederherstellten, denen es selbst gelang, das Christentum mit dem Geist des Waagemuts und des freien Unternehmertum zu erfüllen.

Oje. Herrscher wie Chlodwig oder Theoderich adoptierten die intakten Teile der römischen Bürokratie. Dennoch reichte es nicht, die verwaltungstechnische Unerfahrenheit der germanischen Herrscher auszugleichen, und somit den 200 bis 300 Jahre lang dauernden Verfallsprozess der Zivilisation in Europa zu verhindern.

Die frühe fränkische Wirtschaft trägt im übrigen noch keine Züge eines irgendwie gearteten Unternehmertums; der Fernhandel spielte nur eine geringe Rolle, alle (!) Güter wurden vom König vergeben und wieder eingezogen. Bis zu den umfassenden dynastischen Umwälzungen im 7. Jahrhundert spielten also noch nicht mal die adligen "Unternehmungen" eine große Rolle. Es herrschten immer wieder chaotische bis anarchische Züge; die Praxis des "Wergelds" zeigt, dass die Könige (oder auch Herzöge) nicht die polizeiliche Sicherheit ihrer Untertanen gewährleisten konnten.

EinDachs
09.07.2007, 20:05
So wichtig ist der Steigbügel auch nicht. Aber was die Wassermühle betrifft. Die hat sich erst ausgebreitet, als Sklaven nachgerade Mangelware wurden. So wurde eben menschliche Arbeitskraft durch Wasserkraft ersetzt. :]

Das ist ja mal ein partieller Fortschritt.
Da leider Menschen die Lesen und Schreiben konnten ebenso Mangelware wurden wie die Sklaven und die Bevölkerung generell abnahm, würde ich den Gesamtgewinn nicht recht hoch einschätzen.

Biskra
09.07.2007, 20:08
So wichtig ist der Steigbügel auch nicht. Aber was die Wassermühle betrifft. Die hat sich erst ausgebreitet, als Sklaven nachgerade Mangelware wurden. So wurde eben menschliche Arbeitskraft durch Wasserkraft ersetzt. :]

Was deine Einschätzung zur Wichtigkeit des Steigbügels anbelangt, da widerspreche ich dir, man muss ja nicht gleich argumentieren, daß der Steigbügel den Feudalismus brachte, aber für die Kriegsführung war er ein entscheidender Vorteil.
Ich habe bis jetzt aber immer noch nicht so nachvollziehen können, warum die Germanen wirtschaftlich erfolgreicher gewesen sein sollen. Überhaupt frage ich mich, ob so eine Zusammenfassung überhaupt sinnvoll ist, wo es sich doch um unterschiedliche Stämme handelt, die auch wirtschaftlich unterschiedlich agierten. Langobarden und Friesen z.B.

Biskra
09.07.2007, 20:10
Und dir fällt nicht die Ironie auf, die wissenschaftliche Überlegenheit des Frühmittelalters auf ein Verfahren zurückzuführen, das im antiken Damaskus perfektioniert wurde und bereits den Kelten in Grundzügen bekannt war?

Der Name ist da sehr irreführend.

Mark Mallokent
09.07.2007, 20:29
Was deine Einschätzung zur Wichtigkeit des Steigbügels anbelangt, da widerspreche ich dir, man muss ja nicht gleich argumentieren, daß der Steigbügel den Feudalismus brachte, aber für die Kriegsführung war er ein entscheidender Vorteil.
Ich habe bis jetzt aber immer noch nicht so nachvollziehen können, warum die Germanen wirtschaftlich erfolgreicher gewesen sein sollen. Überhaupt frage ich mich, ob so eine Zusammenfassung überhaupt sinnvoll ist, wo es sich doch um unterschiedliche Stämme handelt, die auch wirtschaftlich unterschiedlich agierten. Langobarden und Friesen z.B.
Ich bezog mich im wesentlichen auf die Franken. Ich gebe ja zu, daß meine These etwas ungewöhnlich ist, aber mir scheint, daß man sich bei der Antike von der Monumentalität blenden läßt. Straßen, Paläste, etc. hat es auch in anderen Hochkulturen gegeben, sie sind aber immer mit enormem Aufwand an menschlicher Arbeitskraft verbunden gewesen. Dazu war das Frankenreich nicht in der Lage. Aber auf dem Gebiet der nörmalen Alltagstechnik war es jedenfalls nicht rückständiger als das römische Reich.

Mark Mallokent
09.07.2007, 20:37
Warum nicht? Erledigen die Jobs eines Beamten, nämlich Steuermittel einnehmen und verwalten.Der entscheidende Unterschied ist, daß diese römischen Beamten kein Gehalt bekamen. Sie waren ehrenamtlich tätig.


Die Milizen erreichten aber bald ihre Grenzen, weshalb es ja dann die Umstellung zum Berufsheer unter Marius kam.
Da war es mit der Republik auch bald vorbei.



Ja, das ist richtig, aber der Wirtschaft ging es eigentlich gar nicht so schlecht.In der frühen Kaiserzeit noch nicht. Aber das verschärfte sich immer mehr bis zur Spätantike. Und dann kollabierte das System.


Recht gute. Die führten sogar einfache Hirnoperationen durch.DAs sagt aber nichts über die Versorgung der breiten Massen.



Nein, ist es nicht. Norisches Eisen hatte eine Qualität, die erst mit dem Aufkommen moderner Stahlverhüttung geschlagen werden konnte.Das ist aber kein Massenware gewesen. Das durchschnittliche römische Schwert war von mäßiger Qualität.



Weil es an Know-how fehlte. Nicht an Leibeigenen, die konnte ja dann später auch wieder recht tolle Burgen bauen.Man sollte Leibeigene nicht mit Sklaven verwechseln.



Und dir fällt nicht die Ironie auf, die wissenschaftliche Überlegenheit des Frühmittelalters auf ein Verfahren zurückzuführen, das im antiken Damaskus perfektioniert wurde und bereits den Kelten in Grundzügen bekannt war?Die keltischen Schwerter waren grottenschlecht. Und das Damaszieren ist nicht in Damaskus erfunden worden.

Mark Mallokent
09.07.2007, 20:42
@ Mark: eigentlich schätze ich deine historischen Beiträge, aber da ich weiß, dass du entsprechend vorgebildet bist, finde ich diese Einleitung hier etwas platt. Gehen wir mal in die Details:




Das römische Reich war zu diesem Zeitpunkt eben kein Superstaat mehr; die Tetrarchie konnte nur für eine Weile die immanente verfassungsrechtliche Problematik des Reiches übertünchen. Um 350 gab es wieder einen schweren Bürgerkrieg, der zumindest den Westen des Reiches sehr stark destabilisierte. Nach der Schlacht bei Adrianopel wurden die Militärgrenzen des Westreichs mehr oder weniger kontinuierlich geschwächt, weil man die dort stationierten Truppen in Italien oder auf dem Balkan brauchte. Dagegen blieb der Osten des Reiches zunächst mehr oder weniger unberührt von den umwälzenden Entwicklungen und florierte auch wirtschaftlich weiter.



Das war sie nicht mehr. Viele Forscher gehen davon aus, dass zahlreiche der besten Einheiten des Heeres in der Schlacht bei Mursa (351) unwiderbringlich vernichtet wurden. Die Armee hatte zudem nicht mehr das Ansehen und die Machtstellung der mittleren Kaiserzeit. Der Soldatenberuf zählte nur noch wenig (was sich auch finanziell bemerkbar machte), die Motivation war gering. Anders als in der mittleren Kaiserzeit waren die Einheiten auch nicht mehr gleichwertig gut; Eliteverbänden wie den comitatenses standen die meist schwachen Grenzschutztruppen gegenüber.



Das stimmt nicht ganz. Der Handel war sogar weiterhin sehr bedeutsam. Grund der für die Spätantike entscheidenden Reformen war die grassierende Inflation des 3. Jahrhundert, die zum Höchstpreisedikt führte. Die Steuerlasten stiegen, das ist richtig. Doch gerieten die armen Bauern weniger in Abhängigkeit des Staates (wie es im heutigen System wäre), sondern in die von mächtigen, großgrundbesitzenden Verpächtern. Außerdem ist auch hier wieder zwischen West- und Ostreich zu trennen.




Hier ist die Aggresivität der christlichen Bischöfe bei der Christianisierung Europas nicht zu unterschätzen.



Oje. Herrscher wie Chlodwig oder Theoderich adoptierten die intakten Teile der römischen Bürokratie. Dennoch reichte es nicht, die verwaltungstechnische Unerfahrenheit der germanischen Herrscher auszugleichen, und somit den 200 bis 300 Jahre lang dauernden Verfallsprozess der Zivilisation in Europa zu verhindern.

Die frühe fränkische Wirtschaft trägt im übrigen noch keine Züge eines irgendwie gearteten Unternehmertums; der Fernhandel spielte nur eine geringe Rolle, alle (!) Güter wurden vom König vergeben und wieder eingezogen. Bis zu den umfassenden dynastischen Umwälzungen im 7. Jahrhundert spielten also noch nicht mal die adligen "Unternehmungen" eine große Rolle. Es herrschten immer wieder chaotische bis anarchische Züge; die Praxis des "Wergelds" zeigt, dass die Könige (oder auch Herzöge) nicht die polizeiliche Sicherheit ihrer Untertanen gewährleisten konnten.
Meine These ist in der Tat sehr überspitzt und vereinfacht. Ich meine aber, daß einen zutreffenden Kern enthält. Natürlich hatten die Germanen nie beabsichtigt, den Kapitalismus einzuführen, ich meine lediglich, daß sie unbeabsichtigt eine Voraussetzung für sein allmähliches Entstehen schufen.
Und was speziell die Bürokratie betrifft, so haben die germanischen Könige in der Tat versucht, diese zu bewahren, aber wie du mit Recht schreibst, mit geringem Erfolg. Aber ich wehre mich dagegen, daß man die weitgehende Dezentarlisation des frühen Mittelalters einfach als Verfallsprozeß deutet. Da entsteht eine Struktur, die enorm flexibel und anpassungsfähig war, gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Biskra
09.07.2007, 20:43
Aber auf dem Gebiet der nörmalen Alltagstechnik war es jedenfalls nicht rückständiger als das römische Reich.

Spontan fallen mir jetzt Fenster und Kanalisation als Beispiele ein. Es sei aber auch erwähnt, daß es so gut wie keine Bewegungsfreiheit gab (Grundherrschaft), was den Handel doch recht selten gemacht haben dürfte. Auch sind die Träger des Kapitalismus - um wieder auf den Ausgangstext zu kommen - ja bekanntlich die Städte, von denen es von römischen Siedlungen mal abgesehen so gut wie keine im Frankenreich gab, die vorherrschende Wirtschaftsform war die Selbstversorgung einer Grundherrschaft mit eigenen Betrieben (Schuster, Schmied etc.pp.).

Mark Mallokent
09.07.2007, 20:59
Spontan fallen mir jetzt Fenster und Kanalisation als Beispiele ein. Es sei aber auch erwähnt, daß es so gut wie keine Bewegungsfreiheit gab (Grundherrschaft), was den Handel doch recht selten gemacht haben dürfte. Auch sind die Träger des Kapitalismus - um wieder auf den Ausgangstext zu kommen - ja bekanntlich die Städte, von denen es von römischen Siedlungen mal abgesehen so gut wie keine im Frankenreich gab, die vorherrschende Wirtschaftsform war die Selbstversorgung einer Grundherrschaft mit eigenen Betrieben (Schuster, Schmied etc.pp.).

Gerade daß die Träger des Kapitalismus die Städte waren, erscheint mir immer zweifelhafter. Diese erwähnten Grundherrschaften waren erstaunlich entwickelt und imstande auch technische Prozesse zu beherrschen. Der gesamte Eisenerzabbau und dessen WEiterverarbeitung ist im Rahmen solcher Grundherrschaften geleistet worden.
Aber ich sehe ein: Ich muß da wohl noch etwas dran arbeiten. :]

Ausonius
09.07.2007, 21:04
Natürlich hatten die Germanen nie beabsichtigt, den Kapitalismus einzuführen, ich meine lediglich, daß sie unbeabsichtigt eine Voraussetzung für sein allmähliches Entstehen schufen.

Aber du unterschätzt hier, dass das spätrömische System trotz der stärkeren staatlichen Regulierung auch kapitalistischer war als die germanische Wirtschaft. Es gab dort Wirtschaftsformen, die den einfallenden Germanen zunächst noch völlig fremd waren - die Pacht, die Geldverleihung.
P.s.: und nicht zu vergessen, überhaupt erst einmal die Währung.

Und die Wurzeln des heutigen, durch Firmen dominierten Kapitalismus liegen doch sehr viel später - ich würde sie ins Spätmittelalter setzen, wo einige kirchliche Organisationen, etwa der Deutsche Orden, auf einmal Geschäfte nach Art heutiger Finanzdienstleister tätigten, die besondere Rechtsausstattung der Städte das Einzelunternehmertum ermöglichte und die Fernexpeditionen nach Übersee auch eine Privatwirtschaft im großen bis ganz großen Stil ermöglichten.



Aber ich wehre mich dagegen, daß man die weitgehende Dezentralisation des frühen Mittelalters einfach als Verfallsprozeß deutet.

Ich halte das nicht für eine Frage von Dezentralisierungen und Zentralisierung. (im übrigen war das spätrömische Reich schon sehr dezentralisiert). Der Verfall lag darin begründet, dass die germanischen Nachfolgestaaten quantitativ nicht die nötige Bevölkerung aufbrachten und qualitativ nicht das Wissen und die Bildung, um die römischen Strukturen aufrecht zu erhalten. Auch fehlte die Erfahrung mit staatlichen Strukturen, die in vieler Hinsicht etwas neues für die Germanenvölker darstellten. Nimmt man als Gradmesser für den Erfolg einer Gesellschaft den Wohlstand, so ging dieser immer weiter zurück.


Da entsteht eine Struktur, die enorm flexibel und anpassungsfähig war, gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht.


In einer Hinsicht würde ich dir recht geben - die Kirche als fortschrittlichstes Element des frühen Mittelalters im Westen entwickelte diese flexiblen Strukturen. Da gegen war die Flexibilität einer der wenigen Punkte, der sich vom Merowinger- zum Karolingerreich hin noch verschlechterte. Denn erst im 7. Jahrhundert entwickelte sich beginnend die Lehnsherrschaft, eigentlich ein unheimlich starres System und sicher nicht mit liberal-kapitalistischen Vorstellungen vereinbar. Auch das grundherrliche Prinzip führte ja tendenziell nicht zur Kapitalbildung und wirtschaftlichen Dynamik, sondern einer erzwungenen Zerspaltung des Grundbesitzes unter den Erben und damit hin zu Kleinstaaterei. Der erste wirkliche Schritt in Richtung Kapitalismus ergibt sich meines Erachtens erst in der Privilegienpolitik vieler adliger Grundherren ab dem Hochmittelalter, wenn sie Städte mit Ausschank- und anderen Handelssonderrechten ausstatteten. Und das ist - wie gesagt - nur der erste Schritt.

Biskra
09.07.2007, 21:05
Gerade daß die Träger des Kapitalismus die Städte waren, erscheint mir immer zweifelhafter. Diese erwähnten Grundherrschaften waren erstaunlich entwickelt und imstande auch technische Prozesse zu beherrschen. Der gesamte Eisenerzabbau und dessen WEiterverarbeitung ist im Rahmen solcher Grundherrschaften geleistet worden.
Aber ich sehe ein: Ich muß da wohl noch etwas dran arbeiten. :]

OK, aber Autarkie und Freihandel sind nicht gerade vereinbar, das gibst du sicherlich zu. Und was die Städte als Träger des Kapitalismus anbelangt, nun ja, man könnte natürlich auch sagen, erst die landwirtschaftlichen Revolutionen machten den Kapitalismus möglich.

EinDachs
10.07.2007, 18:02
Der entscheidende Unterschied ist, daß diese römischen Beamten kein Gehalt bekamen. Sie waren ehrenamtlich tätig.

Also da würd ich an deiner Stelle noch mal nachschlagen.
Das römische Steuersystem war viel, aber keine ehrenamtliche Benefizaktion.
In der Tat wurden Steuerdistrikte an den meistbietenden versteigert, der dann auf diesem Gebiet die Steuern für seine Privatkasse einheben konnte und selbstverständlich auf Profit aus war. Das ganze erinnert vage an das mittelalterlich-frühneuzeitliche Pfründesystem, war aber sehr viel ausgetüftelter udn komplexer.
In jedem Fall nichts ehrenamtliches, auch wenn die obersten Beamten nur ein sehr bescheidenes Entgelt erhielten (was sie übrigens durch Korruption oft wieder ausgleichen konnten).


Da war es mit der Republik auch bald vorbei.

Ja. Stimmt.



In der frühen Kaiserzeit noch nicht. Aber das verschärfte sich immer mehr bis zur Spätantike. Und dann kollabierte das System.

In jedem Fall ging es der Wirtschaft aber auch in der Spätantike um welten besser als zur Zeit der "kapitalistischen" Germanen. Rom bot bereits Versicherungsdienstleistungen und ein dichtes Handelsnetz an und waren wohl in jeder Hinsicht der germanischen Wirtschaft und Kultur überlegen.


DAs sagt aber nichts über die Versorgung der breiten Massen.

Schon klar, dass das nur für eine schmale Oberschicht verfügbar war, aber die Lebenserwartung eines römischen Bürgers war dennoch um die 50. Bei den Germanen dürfte die sehr viel niedriger gewesen sein.


Das ist aber kein Massenware gewesen. Das durchschnittliche römische Schwert war von mäßiger Qualität.

Das durchschnittliche germanische aber eben auch. Meist war das verstärkter Rost. Die damaszierten Schwerter waren ja auch nur für eine kleine Elite.
Also wenn es um "Spitzentechnologie" geht, waren die Römer wohl in den meisten Kategorien vor den Germanen, es sei den diese haben es sich von den Römern abgesehen (Mühlen)


Man sollte Leibeigene nicht mit Sklaven verwechseln.

Ich seh da qualitativ recht wenig Unterschied. Sklaven konnten sich zumindest freikaufen, das würde also sogar fast für Sklaverei sprechen.



Die keltischen Schwerter waren grottenschlecht. Und das Damaszieren ist nicht in Damaskus erfunden worden.

"Erfinden" kann man sowas auch nur schwer, weil es in der Natur bereits vereinzelt vorkommt. Insofern wars vielleicht zu salopp von mir formuliert. Damaskus hatte da eine sehr frühe Vorreiterrolle in der Technik. Das man sie nach dieser Stadt benannt hat, spricht da Bände.
In jedem Fall war es nichts, was die Germanen echt für sich reklamieren können. Sie haben ein bereits bekanntes Prinzip verbessert. Bezeichnenderweise hatten sie keine Schrift, um uns mit eigenen Worten davon zu erzählen.

Reichsadler
10.07.2007, 18:10
Die Bürokratie in Republikszeiten war weitaus höher als die in der Kaiserzeit. Der Untergang Roms ging einher mit der Christianisierung, der damit verbundenen Änderung der Lebensweise und der Schwäche. Desweiteren wäre Rom wahrscheinlich auch schon davor untergegangen, hätten die Germanen die Motivation gehabt.

Neutraler
10.07.2007, 19:29
Das Römische Reich war immer von Imperialismus, Bürokratismus und Kapitalismus geprägt. Von daher kann es nicht daran liegen, dass Rom letztendlich von Barbaren überrannt wurde.

Ausonius
12.07.2007, 16:38
Der Untergang Roms ging einher mit der Christianisierung, der damit verbundenen Änderung der Lebensweise und der Schwäche.

So sah das auch der GröFaz. Der Denkfehler hieran ist, dass es gerade die Kirche war, die als einzige Institution des römischen Reiches a). dauerhaft überlebte, b.) flächendeckend überlebte, c.) sogar schon rasch wieder expandierte und d). von den germanischen Nachfolgereichen postwendend und ohne größere Streitigkeiten akzeptiert wurde.

Meiner Meinung nach war es die Stagnation des politischen Systems und der Niedergang der römischen Armee als wichtigsten Stütze des Reiches, was schlussendlich zum Untergang führte.


@ Mark: hast du keine Lust mehr auf diesen Strang? Ich fand dieses Thema sehr schön, mal was anderes als die ewige NPD- und Muselkacke und der andere Prollshit.

EinDachs
12.07.2007, 16:51
So sah das auch der GröFaz. Der Denkfehler hieran ist, dass es gerade die Kirche war, die als einzige Institution des römischen Reiches a). dauerhaft überlebte, b.) flächendeckend überlebte, c.) sogar schon rasch wieder expandierte und d). von den germanischen Nachfolgereichen postwendend und ohne größere Streitigkeiten akzeptiert wurde.

Meiner Meinung nach war es die Stagnation des politischen Systems und der Niedergang der römischen Armee als wichtigsten Stütze des Reiches, was schlussendlich zum Untergang führte.

Ich seh in der Reichsteilung den Schlüssel im Untergang Westroms. Dadurch dass die wirtschaftlich entwickelteren Gebiete im Osten die Armee bezahlten, die zum Großteil im Westen standen, schwächte man die innerrömische Verständigung.
Christentum mag wohl mit eine Rolle spielen, aber eher eine Untergeordnete.


@ Mark: hast du keine Lust mehr auf diesen Strang? Ich fand dieses Thema sehr schön, mal was anderes als die ewige NPD- und Muselkacke und der andere Prollshit.

Dem schließe ich mich an.
Ich bin zwar ganz anderer Meinung was die Eingangsthese angeht, aber es ist erfrischend eine andere Diskussion zu führen, noch dazu eine, in der niemand den anderen beschimpft und denunziert.

Ausonius
12.07.2007, 17:29
Ich seh in der Reichsteilung den Schlüssel im Untergang Westroms. Dadurch dass die wirtschaftlich entwickelteren Gebiete im Osten die Armee bezahlten, die zum Großteil im Westen standen, schwächte man die innerrömische Verständigung.

Da ist auf jeden Fall was dran; allerdings bezweifeln viele Historiker, dass Theoderich 395 schon endgültig eine Reichsteilung intendierte. Zunächst einmal vererbte er die Reichshälften einfach an seine Söhne Arcadius und Honorius; dieser Fall trat in den Jahrzehnten zuvor ja gleich mehrfach auf, ohne dass es zu einer endgültigen Reichsteilung kam.
Ich denke, es waren die kurz darauf folgenden heftigen Germaneneinfälle, die zum Auseinanderdriften des Reiches führten. Davon blieb der Ostteil nämlich weitgehend verschont, während die Barbarenvölker bei ihren Wanderungen nahezu allesamt eine West-Süd-Richtung einschlugen.