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Vollständige Version anzeigen : Wie soll eine gerechte Gesellschaft aussehen?



John Donne
22.06.2004, 16:45
In einem früheren Strang ( Link (http://www.politikforen.de/showthread.php?t=3142) ) habe ich schon meine Ansichten zum Thema Chancengleichheit und ihr Verhältnis zur Gerechtigkeit, speziell der sozialen Gerechtigkeit, dargelegt. Leider beteiligten sich damals nur wenige andere Forenbenutzer an einer Diskussion zu dem Thema und so schlief ein. Vermutlich war vielen der Eingangsbeitrag zu lang, die Fragestellung und meine exemplarische Abhandlung des Themas zu eng und möglicherweise auch nicht konkret genug. Ich möchte also das Thema erweitern und allgemeiner Gerechtigkeit thematisieren. Da ich – schon vor einer Diskussion und also vorerst ohne Begründung – der Meinung bin, daß der Freiheitsbegriff aus diesem Feld nicht ausgeklammert werden sollte, mag auch er thematisiert werden. Ich bin der Meinung, daß dieses Themenfeld gerade in Zeiten, in denen die Themen Agenda 2010 sowie Globalisierung etliche Menschen zu Protesten bewegen, wieder sehr aktuell ist. Insbesondere interpretieren die meisten Ideologien diese Begriffe verschieden und priorisieren die Begriffe teilweise unterschiedlich. Mich interessiert dabei, wie die Benutzer von politikforen.de die Dinge grundsätzlich sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene sehen – und ob eine Differenzierung hier überhaupt einen Unterschied macht.

Dazu möchte ich konkrete folgende Fragen stellen:

1.Was ist an der momentanen Verteilung von Vermögen, Einkommen und Bildungschancen in Deutschland ungerecht?
2.Wie könnte eine gerechte Verteilung aussehen?
3.Muß eine gerechte Verteilung dabei auf die globale Situation Rücksicht nehmen?
4.Ist eine Definition von Armut, die Armut als relative Armut definiert, in jedem Fall sinvoll?
5.Sind Reichtum und Armut nur zwei Seiten einer Medaille oder ist Reichtum auch ohne Armut möglich?
6.Darf die Freiheit, die als ein elementares Element die Vertragsfreiheit enthält, im Sinne der Gerechtigkeit eingeschränkt werden? Wenn ja, wie weit? Welche Kriterien sind dabei anzuwenden?
7.Ist das Erbrecht unmoralisch oder sogar ungerecht?
8.Warum nicht „Jeder nach seinen Fähigkeiten – jeder nach seinen Bedürfnissen“?
9.Inwieweit ist Vermögen und Einkommen moralisch zu gebrauchen? Wie weit darf die persönliche Freiheit eingeschränkt werden, um einen unmoralischen Gebrauch von Vermögen und Einkommen zu verhindern? Wann ist der Gebrauch dieser Güter überhaupt unmoralisch?
10.Wann kann man davon sprechen, daß ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer ausbeutet?
11.Ist es unmoralisch, sich als Selbständiger durch sehr lange Wochenarbeitszeit, Urlaubs- und Freizeitverzicht quasi selbst auszubeuten?
12.Ist Produktivität ein gerechtes Kriterium zur Verteilung von Einkommen?

Zu einigen Punkten möchte ich direkt etwas schreiben, zu anderen werde ich zunächst die Beiträge anderer Forumsbenutzer abwarten und dann darauf eingehen.
Ich beginne mit Punkten, die – vielleicht nur mir – am klarsten sind und hoffe, die Länge des Beitrags wird nicht als Zumutung empfunden.

Ad 4)
Aus der suggestiven Form der Fragestellung kann man sich den Tenor meiner Antwort vermutlich herleiten: Nein, Armut in jedem Fall als relative Armut zu definieren, halte ich nicht für sinnvoll.

Nach der Definition von relativer Armut ist derjenige arm, dem weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Nettoeinkommens zur Verfügung steht. Würde man nun alle Einkommen verzehnfachen, wären nach einer relativen Definition exakt dieselben Personen arm. Geht man davon aus, das eine Erhöhung aller Einkommen sich auch tatsächlich in der (erhöhten) Kaufkraft aller niederschlägt, würden die ehemals und immer noch Armen nun einen Lebensstandard genießen, der vorher den Reichen vorbehalten war. Armut immer relativ zu definieren bedeuetete, Personen, die in unserer deutschen Gesellschaft als arm gelten, mit denen, die beispielsweise denen, die in Indien als arm gelten, in einen Topf zu werfen, wobei das Niveau der Armut in Indien – das bei weitem nicht das ärmste Land der Erde ist – doch ein gänzlich anderes ist als hier in Deutschland. Relative Armut hat also in gewissen Fällen zusätzlich zu der zeitlichen Begrenzung (wie aus der Definition ersichtlich, ändert sich das Armutsniveau mit der Zeit) den Nachteil, nur lokal anwendbar zu sein.
Nicht verschwiegen werden soll allerdings die Tatsache, daß auch eine absolute Armutsdefinition (arm ist, wer aus den ihm zur Verfügung stehenden Mittel seinen elementaren, lebensnotwendigen Unterhalt nicht bestreiten kann) nicht in allen Fällen vollauf befriedigen kann. Demnach gäbe es in Deutschland wesentlich weniger Armut als offiziell und auch als subjektiv wahrgenommen.

Ad 5)
Legt man eine durchgängig relativ Armutsdefinition an, ist dieses Frage fast schon unter Punkt vier beantwortet worden – und zwar mit „Ja“. Klar ist nämlich, daß nicht alle Mitglieder einer Gesellschaft überdurchschnittlich viel verdienen können: das widerspricht der Definition von Durchschnitt.
Legt man allerdings eine relative Armutsdefinition an und erkennt, daß die Grundlage für Reichtum, nämlich Produktion und Handel, kein Nullsummenspiel ist, stellt sich die Sache völlig anders dar. Durch Produktion findet bis zu einem gewissen Grad echte Wertschöpfung statt. Und Handel ist deshalb kein Nullsummenspiel, weil üblicherweise zu beiderseitigem Vorteil gehandelt wird. Dazu dürfen die Verhandlungspositionen bezogen auf ihre Stärke nicht völlig verschieden sein. Und um an dieser Stelle dem sechsten Punkt vorzugreifen: Um eine völlig ungleiche Verteilung der Stärke von Verhandlungspositionen, die in Knebelverträge münden können, einigermaßen auszugleichen, halte ich durchaus Eingriffe in die Vertragsfreiheit der beiden Handelspartner für zulässig – als einer von wenigen Punkten, in denen dies zulässig, hier quasi geboten ist.
Ein Nullsummenspiel bedeutet kurz gesagt „des einen Gewinn ist des anderen Verlust“. Das diese Betrachtungsweise bezüglich wirtschaftlichen Handels naiv und unzutreffend ist, zeigt sich beispielsweise darin, daß die reichen Länder diejenigen sind, die viel handeln (und dabei kaufen und verkaufen, vor allem untereinander). Auf der anderen Seite ist Autarkie der Tod allen Reichtums, wie die Erfahrung der letzten Jahrzehnte an den Ländern mit freiwilliger (Nordkorea, Albanien) oder auch unfreiwilliger Autarkie (Embargo genannt) zeigt.
Ist aber Handel kein Nullsummenspiel, muß Reichtum nicht zwangsläufig (absolute) Armut erzeugen.
Anhänger der These, Handel sei ein Nullsummenspiel und Armut die Kehrseite der Medaille von Reichtum, neigen dazu, zu behaupten, es sei genug Reichtum vorhanden, er müsse nur gerecht verteilt werden. Unklar ist dabei sowohl, was diejenigen unter gerecht verstehen als auch, sofern ein klarer Gerechtigkeitsbegriff vorhanden ist, wie eine Verteilung aussehen muß, um gerecht zu sein. Ich bin der Meinung, es ist einfacher einen größeren Kuchen zu backen als die vorhandenen Stücke des Kuchens zu verteilen, wenn man eine Verteilung anstrebt, deren Gerechtigkeit sowohl sozialen als auch rechtsstaatlichen Ansprüchen – also verschiedenen Aspekten der Gerechtigkeit – genügen soll.
Ich möchte an dieser Stelle kurz darauf eingehen, daß man das Recht auch als Instrument der Klassenherrschaft betrachten kann, wie beispielsweise Lenin es in seinem Werk „Staat und Revolution“ tut, wobei er sich explizit auf Marx und Engels beruft. Ich teile allerdings Lenins Auffassungen sehr selten und so auch hier nicht. Allen Absurditäten des Rechtswesens zum Trotz halte ich den Rechtsstaat für eine elementare Bedingung der Freiheit und für in Deutschland auch in ganz weiten Zügen verwirklicht. Erwähnen wollte ich dies deshalb, weil bei einer Ablehnung des Rechtsstaates eine Verteilung natürlich auf rechtsstaatliche Erfordernisse keine Rücksicht zu nehmen hat und sich einzig an dem orientieren kann, was man als gerecht verkauft.

Ad 7)
Das Erbrecht ermöglicht es einem, neben kulturellem Wissen, Erziehung und Moral auch finanzielle Vermögen an seine Nachkommen, seine Familie weiterzugeben. Klar ersichtlich ist, daß jede Weitergabe der oben genannten Güter Ungleichheit schafft oder verstärkt. Es ist nicht mit Verdienst verbunden, in einer Familie geboren zu werden, die einem eines oder mehrere dieser Güter in hohem Maße zukommen lassen kann. Allerdings bedeutet die Tatsache, daß gewisse Ungleichheiten auf Geburt und ererbtem Vermögen, letzlich also der menschlichen Einrichtung Familie beruhen, weder, daß eine Gesellschaft diese Vorteile allen bieten könnte (um die Vorteile durch angeborene Anlagen, zu denen ich hier auch zähle, in einer bestimmten Familie geboren zu sein, auszugleichen), noch daß sie anderen weggenommen werden, indem sie manchen gegeben sind. Ist man wie ich der Meinung, daß es wünschenswert ist, Eltern, die fast instinktbedingt für eine möglichst gute Vorbereitung ihrer nachkommenden Generation sorgen, zu unterstützen, ist kein rationaler Grund ersichtlich, diese Vorbereitung auf nichtmaterielle Vorteile zu beschränken. Ich bin davon überzeugt, daß das Erbrecht, das übrigens finanziell eine Streuung des Kapitalbesitzes bewirkt, sich für eine Gesellschaft positiv auswirkt.
Bedenklich ungerecht wirken sich derartige Vorteile und Ungleichheiten erst aus, wenn die Familie die einzige oder wichtigste Möglichkeit in einer Gesellschaft ist, Einkommen, Vermögen oder auch Wissen zu erlagen.
Im letzten Punkt hat in Deutschland gerade die PISA Studie gezeigt, daß der Bildungserfolg von Kindern stark von dem in ihrem Elternhaus vorherrschenden Bildungsgrad abhängt. Eigentlich hätte dies kaum jemanden verwundern dürfen. Wenn die öffentliche Hand ihrem Bildungsauftrag kaum noch nachkommt, bevorteilt dies diejenigen, denen andere Bildungsquellen zur Verfügung stehen, naturgemäß noch mehr. Das Niveau an den Schulen, der Wert der Abschlüsse, die personelle und finanzielle Ausstattung der Schulen, die Zahl der Lehrerkräfte bezogen auf die Zahl der Schüler und die Rechtssicherheit der Lehrer und Lehrerinnen bezüglich der – nach wie vor ungeklärten – Frage, ob sie lediglichen Wissen vermitteln oder auch erziehen sollen: All das ist im letzten Vierteljahrhundert mehr oder weniger schlechter geworden. Ironischerweise erweist sich m.E. gerade dadurch die vielfach egalitäre Schulpolitk der Sozialdemokraten als sozial ungerecht. (Viele Punkte – außer der Wertigkeit der Abschlüsse durch etwas höheres Niveau – hat oder hätte zugegebenermaßen auch die Opposition nicht wesentlich besser gemacht.)
Ich bin der Meinung, das Erbrecht selbst ist werder ungerecht noch unmoralisch. Gerechtigkeit kann nicht bedeuten, daß echte Chancengleichheit besteht. Unmoralisch kann jedoch die Art und Weise sein, mit einem geerbten Vermögen, das ja niemals auf eigenem Verdienst beruht, umzugehen.

Mit der Bitte um konstruktive Kritik
Grüße
John

Kaiser
22.06.2004, 16:49
Gerechtigkeit ist ein recht wages normatives Konstrukt unter das jeder etwas anderes versteht.

Die Debatte über eine gerechte Gesellschaft ist daher so alt wie die Menschheit selbst...

und ebenso mühselig wie sinnlos.

DichterDenker
23.06.2004, 19:07
*grummel*

Ich hab jetzt einen ewig langen Beitrag zu dem Thema geschrieben und mein PC stürzt ab... :wand: :motz: :angry:
Allso nochmal in kurzform:

zu 1: Laut Studien erhalten Kinder aus gutgestellten Familien oft eine bessere Ausbildung als Kinder aus schlechtgestellten. Außerdem gibt es noch einige Berufsstände die die Gesellschaft "erpressen" können um ein höheres Gehalt zu erhalten (zB Piloten).

zu 2: Ehrlich gesagt - keine Ahnung. ;)

zu 3: Das kommt darauf an - wird die "Gerechtigkeit" in einem weltoffenem System erreicht ja, in einem isolatorischen System nein.

zu 4: Ja, in jedem Fall. In einem reicheren Land muss man mehr konsumieren um zu "überleben", zB ist ein Deutschland jemand der sich keinen Fernseher leisten kann schon fast gesellschaftlich "unten durch" und wenn man sich nichtmal eine Wohnung und saubere Kleidung leisten kann wird man aus dieser Lage niemals herauskommen.

zu 5: Wohlstand ist ohne Armut möglich. Reichtum ist überdurchschnittlicher Wohlstand, Armut unterdurchschnittlicher. Daher ist Reichtum immer von der Armut anderer abhängig.

zu 6: Meinst du um die Leute "vor sich selbst zu schützen"? Wenn ja, muss ich anmerken das die meisten die jemand "nur" "vor ihm selbst schützen" wollen, ihn meist in Bahnen lenken wollen die ihnen gefallen.

zu 7: Es ist in jedem Fall ungerecht.

zu 8: Das kann man eigentlich fast als rethorische Frage stehenlassen. Letztlich gibt es aber zwei Probleme die man umschiffen müsste. 1. Angebot und Nachfrage - haben zuviele Leute die gleichen Fähigkeiten, gibt es u.U. Überschüsse und Mangelerscheinungen. Dass ließe sich nur durch extrem gute Organisation (letztlich nur in einer Diktatur/Monarchie oder ähnlichem) ausgleichen. 2. Die Menschen sind habgierig. Ich glaube zwar nicht das habgier ein Grundzug der Menschen ist, er hat sich halt im Laufe der Gesellschaft so herausentwickelt und wird sogar weiter gefördert (Werbung), aber m.E. lässt sich die Gesellschaft davon auch nicht mehr befreien.

zu 9: Einen einzigen Grundsatz würde ich aufstellen: Man darf sein Vermögen nicht verwenden um andere wissentlich zu schädigen.

zu 10: Wenn die Arbeiter weniger verdienen als:
Wert der Produktion - Verschleiß der Maschinen - Organisation. Jetzt kann man natürlich noch darüber streiten welches Gehalt für einen Manager der alles organisiert angemessen ist.

zu 11: Nein.

zu 12: Nicht umbedingt. In der Theorie ja, in der Praxis ist es insofern ungerecht, da mancher wegen gesellschaftlicher Zwänge usw nicht seine Höchstleistung bringen kann. Zudem könnten Resourcen verloren gehen, da nicht jeder der unproduktiv ist keine Leistung bringt. Ein Philosoph/Wissenschaftler usw der 15 Jahre auf der faulen Haut liegt um nur eine bahnbrechende Entdeckung zu machen leistet m.E. viel mehr als jemand der Tag für Tag in die Arbeit geht...

P.S.: Schön das du mal wieder da bist John Donne ;)

Kaiser
23.06.2004, 21:24
zu 5: Wohlstand ist ohne Reichtum möglich. Reichtum ist überdurchschnittlicher Wohlstand, Armut unterdurchschnittlicher.


Wie denn? Wohlstand basiert auf harte Arbeit. Harte Arbeit basiert auf Gier. Gier basiert auf die Hoffnung auf Reichtum.

Deswegen hat keiner der kommunistischen Staaten einem dem Westen vergleichenbaren Wohlstand hervorgebracht.

DichterDenker
23.06.2004, 21:33
Wie denn? Wohlstand basiert auf harte Arbeit. Harte Arbeit basiert auf Gier. Gier basiert auf die Hoffnung auf Reichtum.

Oh, hab mich verschrieben, werds ausbessern...
Obwohl ich dein Argument dennoch wiederlegen muss. Arbeiten kann man auch um Wohlstand zu erlangen. Vielleicht macht es in der heutigen Gesellschaft wirklich keiner, aber zur Gier habe ich ja schon etwas geschrieben unter dem Aspekt der relativen Armut...

Kaiser
23.06.2004, 21:44
Oh, hab mich verschrieben, werds ausbessern...
Obwohl ich dein Argument dennoch wiederlegen muss. Arbeiten kann man auch um Wohlstand zu erlangen. Vielleicht macht es in der heutigen Gesellschaft wirklich keiner, aber zur Gier habe ich ja schon etwas geschrieben unter dem Aspekt der relativen Armut...

Der Drang des Menschen nach Mehr ist ihm in die Wiege gelegt. Wenn du ihm nur deine Art des "Wohlstands" als erreichbares Ziel vorgibt, wirst du schnell merken wie sehr die Motivation leidet. Und danach verschwindet dann auch dein "Wohlstand".

Gier ist der einzig wirkliche Schrittmacher von Wohlstand jeglicher Definition.

DichterDenker
23.06.2004, 22:12
Der Drang des Menschen nach Mehr ist ihm in die Wiege gelegt. Wenn du ihm nur deine Art des "Wohlstands" als erreichbares Ziel vorgibt, wirst du schnell merken wie sehr die Motivation leidet. Und danach verschwindet dann auch dein "Wohlstand".

Das ist schon richtig. Allerdings muss dieses mehr nicht umbedingt bedeuten "mehr als jeder andere" sonder es könnte zB auch bedeuten "mehr als je zuvor", "mehr als ich mir vorstellen kann", usw.. Wie gesagt, die(se) Gesellschaft beeinflusst die Leute in der Regel dahin das es "mehr als jeder andere" heißt. Bestes Beispiel: "Mein Haus, mein Auto, ... "
Und wie gesagt: Ich glaube das es ohnehin zu spät ist das zu ändern...

Kaiser
24.06.2004, 16:52
Das ist schon richtig. Allerdings muss dieses mehr nicht umbedingt bedeuten "mehr als jeder andere" sonder es könnte zB auch bedeuten "mehr als je zuvor", "mehr als ich mir vorstellen kann", usw.. Wie gesagt, die(se) Gesellschaft beeinflusst die Leute in der Regel dahin das es "mehr als jeder andere" heißt. Bestes Beispiel: "Mein Haus, mein Auto, ... "
Und wie gesagt: Ich glaube das es ohnehin zu spät ist das zu ändern...

Menschen definieren sich ausschließlich über Vergleiche mit andere. Die Gier nach mehr liegt weniger in dem Wunsch besser zu leben als mehr zu besitzen als der Nachbar.

Diese Mentalität findest du mit in einem "Ätsch, ich bin besser als du" bis zu dem bekannten "Mein Auto, mein Haus, meine Jacht"...

DichterDenker
24.06.2004, 17:16
Kaiser, ich widerspreche dir nicht. Ich behaupte lediglich das diese Haltung nicht die einzig mögliche ist und das sie sich aus der Gesellschaft herausentwickelt hat.

Kaiser
24.06.2004, 17:18
Kaiser, ich widerspreche dir nicht. Ich behaupte lediglich das diese Haltung nicht die einzig mögliche ist und das sie sich aus der Gesellschaft herausentwickelt hat.

Möglicherweise ist es nicht die einzig "mögliche" Lebensweise doch sie ist die einzig mit dem Menschen wirklich "kompatible" Lebensweise.

Das zeigen 4000 Jahre Menscheitsgeschichte recht deutlich.

John Donne
25.06.2004, 18:44
@DichterDenker: Danke dafür, daß Du Dir trotzdem die Zeit genommen hast, nochmal zu antworten.

zu 1:
Das stimmt, darauf bin ich in meinen Ausführungen zur 7. Frage eingegangen. Für mich bedeutet das allerdings nicht automatisch eine Ungerechtigkeit. Als ungerecht empfände ich erst erst, wenn die Ausbildungsmöglichkeiten für die sozial Schwachen derart schlecht wären, daß man eine gute - auch eine sehr gute - Ausbildung ohne ein erhebliches finanzielles Polster gar nicht erst erlangen könnte - auch, wenn man bereit ist, für die Zeit der Ausbildung keinen so hohen Lebensstandard zu haben. Deinem beitrag und Deiner Antwort auf die siebte Frage entnehme ich, daß Du hier eine direkte Verknüpfung zum Erbecht siehst. Die sehe ich auch, allerdings sehe ich das Hauptübel im Bildungswesen momentan darin, daß auf breitester Front die schulische (Hoch- und Berufsschulen eingeschlossen) Ausbildung es an Qualität vermissen läßt. Und das begünstigt die sozial Stärkeren unnötig. Ihre Chancen sind besser und werden es immer sein. Das hat auch nicht zwingend etwas mit Geld zu tun. Ich bin davon überzeugt, daß ganz alltägliche Dinge wie Tischgespräche, die Lesekultur im Elternhaus und überhaupt deren Umgang mit Medien einem Kind ganz neue Möglichkeiten eröffnen oder auch verbauen können. Da all das Zeit kostet, spielt auch die investierte Zeit eine große Rolle.


zu 2:
Eine ehrliche Antwort. Ich glaube, man kann sich ihr in jedem Fall nur annähern, erreichen wird man sie nicht. Meiner Meinung nach würden in einer gerechten Gesellschaft würden (juristische und immer auch menschliche) nicht über einen Kamm geschoren, sondern sehr individuell behandelt. Da dies Zeit und Geld kostet und beides knappe Ressourcen sind, ist dies nicht perfekt erreichbar (abgesehen davon gilt immer noch: Nur schnelles Recht ist gutes Recht. Mir persönlich dauert die Rechtsfindung oft viel zu lange, was wohl auch an der Überlastung des Rechtssystems liegt, die wiederum ihren Grund darin findet, daß - leider - immer mehr Leute wegen jeder Kleinigkeit klagen.
Letztendlich kann ich natürlich auch keine befriedigende Antwort geben.


zu 3: Gegenfrage: Kann es Gerechtigkeit in einer isolatorischen Gesellschaft überhaupt geben? Ich gestehe, mir liegt in weiten Teilen die von Karl Raimund Popper verfochtene "offene Gesellschaft" sehr nah (wobei dieses "offen" auch nicht nur der Gegensatz von "isolatorisch" ist, dieses aber meinem Empfinden nach ausschließt). Ich glaube deshalb, daß eine gerechte Gesellschaft nicht isolatorisch sein kann. Gerecht bedeutet für mich beispielsweise auch, daß es immer möglich sein muß, eine Gesellschaft zu verlassen. Lebend.

zu 4:
Das sehe ich wie im Eingangsbeitrag dargelegt eben anders.

zu 5:
siehe 4.

zu 6:
Ich verstehe diesen Punkt sehr allgemein, d.h. ohne Einschränkung des Zwecks. Das "Vor-sich-selbst-Schützen" ist sicher ein Punkt, der die Vertragsfreiheit im weitesten Sinne einschränkt. Im deutschen Recht findet er seinen Niederschlag beispielsweise darin, daß bei sehr wichtigen, nicht alltäglichen Rechtsgeschäften wie dem Erwerb oder Verkauf von Immobilien nicht nur die Schriftform, sondern auch der Weg zum Notar vorgesehen ist, dessen vornehmste Pflicht es ist, die Beteiligten vollständig über den Handel aufzuklären. Wichtiger ist die Einschränkung der Vertragsfreiheit allerdings im Arbeitsrecht, da hier die eine Seite (Arbeitgeber) regelmäßig die wesentlich bessere Verhandlungsposition hat. Insgesamt bin ich durchaus der Meinung, daß die Vertragsfreiheit - in einem angemessenen Rahmen, der keinesfalls extensiv auszulegen ist, sondern so eng wir möglich und soweit wie nötig zu sein hat, einzuschränken ist. Einen solchen Rahmen festzulegen ist sicher nicht einfach, davon werden diverse Gerichte ein Lied singen können.

zu 7:
Ich stehe zu meinen Ausführungen im Eingangbeitrag.

zu 8:
Das war eigentlich auch als rhetorische Frage gedacht: Ich halte die Verwirklichung für utopisch. Ich sehe ähnliche Probleme wie Du. Die Frage ist dann doch, ob es nicht hieße, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, wenn sich die Forderung nur in einer Diktatur, Monarchie oder sonstigen nicht offenen Gesellschaft verwirklichen ließe.

zu 9:
Dem von Dir aufgestellten Grundsatz kann ich in jedem Fall zustimmen. Ich halte es für sehr schwer, weitere allgemeine Grundsätze diesbezüglich aufzustellen, die nicht durch Auslegung doch die Freiheit beschnitten.

zu 10:
Unabhängig davon, wie eine Formel für die Kosten exakt aufgeschlüsselt aussieht: Warum sollte ein Firma einen Arbeitnehmer anstellen, wenn er für sie keinen finanziellen Gewinn erwirtschaftet?
Um es klarzustellen: Ich bin sehr dafür, daß Arbeitgeber ihren sozialen Aufgaben gerecht werden. Dennoch sind sie keine Wohltätigkeitsvereine. Im Durchschnitt wird doch jede Firma an jedem Mitarbeiter einen kleinen Gewinn erwirtschaften wollen. Permanent lediglich kostendeckend zu wirtschaften ist der Tanz am Abgrund.

zu 11:
Ich finde auch nicht, daß das unmoralisch ist. Ob die "Jagd nach Geld" jeden Preis wert ist, wage ich zu bezweifeln. Aber sicherlich gibt es persönliche Präferenzen: Dem einen ist mehr Freinzeit wichtiger, dem anderen mehr Geld. Leider sind das sehr oft konkurrierende Ziele.
"Jagd" ist allerdings ein guter Ausdruck, denn Geld ist ein scheues Reh.

zu 12:
Ein guter Ansatz. Ich werde am Wocheende detailliert darauf eingehen.

Grüße
John