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Vollständige Version anzeigen : "Nordkoreas Traum vom Kapitalismus"



Cicero1
20.06.2007, 15:06
"(...)Bis 2020 soll in Nordkorea eine riesige Sonderwirtschaftszone entstehen. Entwickelt wird das Projekt nicht von staatlichen Planern, sondern vom südkoreanischen Großkonzern Hyundai.(...)

(...)Der Plan ist einfach: Nordkorea liefert billige Arbeitskräfte und Boden. Von Südkorea kommen Planung und Design, Kapital, Produktionstechnologien, Rohstoffe, Energie und private Investoren. 16.000 Hektar Brachland und Hügel um die Stadt Kaesong, die vor 600 Jahren der blühende Sitz eines Königreichs war, verpachtete Nordkorea an Hyundai.(...)

(...)Die meisten Arbeiter kommen bislang aus Kaesong, wo 160.000 Menschen leben. Jeden Morgen holen 50 Hyundai-Busse mehr als 13.000 Mitarbeiter für die 23 südkoreanischen Unternehmen aus der Stadt ab und bringen sie abends wieder nach Hause. Südkoreas Arbeitgeber mussten die verschüchterten jungen Frauen anfangs erst einmal anlernen.Der Bekleidungskonzern Shinwon trainierte sie einen Monat als Näherinnen. Heute, drei Jahre später, sagt der Shinwon-Präsident Hwang Woo Seung, hätten sich die Investitionen ausgezahlt.

In einer langgestreckten Fabrikhalle arbeiten 880 Nordkoreaner und acht südkoreanische Manager. Hwang zahlt für eine 48 Stunden-Woche den staatlichen Einheitslohn von 57,50 Dollar pro Monat. Das Geld erhält ein Verwaltungskomitee. Nach Abzügen von 30 Prozent sogenannter Sozial- und Krankheitsvorsorge bleiben den Arbeiterinnen 42,5 Dollar. Sie erhalten sie in koreanischer Währung zum Bankkurs, der bei kaum fünf Prozent des Schwarzmarktkurses liegt. Den Arbeitern bleibt soviel wie einem mittleren Verwaltungsfunktionär in der Provinz. Zudem stellt die südkoreanische Fabrik Kleidung und Essen. Eine über Dolmetscher befragte Arbeiterin sagt, dass der Lohn für sie und ihre Familie in Kaesong ausreiche. In Südkorea müsse er einer Näherin das zehn bis 15fache zahlen, sagt Hwang. In China käme er auf mehr als 65 Dollar pro Kopf. Der Textilverband in Seoul schätzt, dass die Kosten in Kaesong nur ein Drittel der Kosten in China ausmacht. (...)

(...)Seit letztem Dezember schreibt Shinwon schwarze Zahlen. Für den Konzern arbeiten mehr als 10.000 Angestellte in Textilwerken in Indonesien, Guatemala und Chinas Qingdao. Kaesong entwickle sich aber am besten, behauptet Firmenchef Hwang. 14 Prozent seines Umsatzes entstünden hier. Einer der Gründe ist wohl, dass Hwang Hochpreis-Textilien zuschneiden lässt, die er in Südkorea zwischen 100 und 400 Dollar pro Stück verkauft.(...)"

http://www.welt.de/wirtschaft/article951152/Nordkoreas_Traum_vom_Kapitalismus.html


Zwei Drittel niedrigere Kosten als in China und bis zu 93 % niedrigere Löhne als in Südkorea - was das für einfache Produktionstätigkeiten in den alten Industrieländern bedeutet, dürfte jedem klar sein.

Don
20.06.2007, 16:04
Zwei Drittel niedrigere Kosten als in China und bis zu 93 % niedrigere Löhne als in Südkorea - was das für einfache Produktionstätigkeiten in den alten Industrieländern bedeutet, dürfte jedem klar sein.

Das bedeutet gar nichts.
Erstens funktioniert das in einer relativ kleinen free trade zone. Die den Namen nicht verdient, wie das richtig geht haben Indien und China gezeigt. Viel mehr wird das auch nicht, weil das der Anfang vom Ende Nordkoreas wäre, immerhin bekommen die Arbeiter dort vermutlich vernünftiges Essen und sonstige Annehmlichkeiten, die Buschtrommel wird's richten.

Zweitens wird das nur mit ausgewählten Firmen aus Südkorea gemacht, die Logistik ist enorm schwerig und der bürokratische Aufwand gigantisch.

Hyundai macht das aus patriotischen Gründen. Eine sehr hintergründige subversive Aktion eigentlich. Es ist für diesen Konzern nämlich völlig wurscht ob er $52 dort oder $65 in China oder Vietnam bezahlt. Was nicht mehr so wurscht ist ob er vier Wocchen braucht um einen LKW über die Grenze zu kriegen.

Da kostet eine Stunde Verspätung der Ware mehr als der Monatslohn der gesamten Belegschaft.

-jmw-
20.06.2007, 21:49
Gut für Hyundai, dass ich hier nix zu sagen hab.
Sondern würden jetzt ihre Konten und das Land für ihre Produkte gesperrt.

politisch Verfolgter
20.06.2007, 22:10
Der mittelalterliche Nordkorea-Feudalismus ist vom mod. Feudalismus sicherlich nutzbar.
Doch wir benötigen den value bezahlender Nutzer, womit wir im Westen sofort zu beginnen haben.
Dazu müssen der Sozialstaat und der ÖD auf max. 10 % reduziert werden.

Cicero1
21.06.2007, 13:53
Das bedeutet gar nichts.
Erstens funktioniert das in einer relativ kleinen free trade zone. Die den Namen nicht verdient, wie das richtig geht haben Indien und China gezeigt.

Man muss das Ganze als Beginn einer Entwicklung sehen und nicht als deren Endpunkt:


Ziel ist, die ganze Stadt zur Sonderwirtschaftszone mit mehr als 500 000 Beschäftigten zu machen. Wo Geld fließt, da ist die Ideologie für Nordkoreas Funktionäre zweitrangig.
http://www.br-online.de/politik/ausland/themen/2006/00528/



Viel mehr wird das auch nicht, weil das der Anfang vom Ende Nordkoreas wäre, immerhin bekommen die Arbeiter dort vermutlich vernünftiges Essen und sonstige Annehmlichkeiten, die Buschtrommel wird's richten.

Wie die Beispiele China oder Vietnam zeigen, muss Kapitalismus nicht das Ende der Herrschaft kommunistischer Machthaber bedeuten. Auch die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien zeigen dies. Ostasiaten können sehr pragmatisch sein.


Zweitens wird das nur mit ausgewählten Firmen aus Südkorea gemacht

Ja, am Anfang. Es wird aber schon jetzt um multinationale Konzerne geworben.


Hyundai macht das aus patriotischen Gründen. Eine sehr hintergründige subversive Aktion eigentlich. Es ist für diesen Konzern nämlich völlig wurscht ob er $52 dort oder $65 in China oder Vietnam bezahlt. Was nicht mehr so wurscht ist ob er vier Wocchen braucht um einen LKW über die Grenze zu kriegen.

Natürlich war dies am Anfang ein politisches Projekt, aber:


Doch während europäische Unternehmen Aufrufe aus Seoul, in Kaesong zu investieren, vorerst nicht befolgen, wittern südkoreanische Mittelständler reale Chancen. "Kaesong ist ein Ausweg für Südkoreas Unternehmen, die zu Hause unter hohen Kosten leiden", sagt Ryu. 57,50 $ im Monat verdient ein einfacher Arbeiter in Kaesong, weit weniger als sein Kollege in China. Die Angestellten der Textil-, Schuh- und Elektrohersteller sehen ihr um Sozialabzüge gekürztes Gehalt erst nach dem Umtausch in Won zum offiziellen Kurs. Der liegt etwa bei einem Zwanzigstel dessen, was man auf dem Schwarzmarkt für die Dollar erhalten würde.

Arbeiter aus Nordkorea gelten als besonders lernwillig. Ihre Produktivität habe bereits 85 Prozent der Arbeitsleistung eines Südkoreaners erreicht, behauptet Hwang Won-seong vom Textilhersteller Shinwon. Zum Erfolg trage bei, dass Management und Arbeiter die gleiche Sprache sprechen - weshalb Shinwon in Kaesong arbeitsintensivere und hochwertigere Waren herstellen lässt als in China oder Indonesien. Ein Vorteil ist auch die Nähe zum Absatzmarkt: Die Kollektion von Sommerkleidern im Ausstellungsraum ist auf den südkoreanischen Geschmack abgestimmt.
http://ftd.de/politik/international/:Baustelle%20Kapitalismus/215257.html

politisch Verfolgter
21.06.2007, 14:27
Mit dem Abbauversuch des Elends, also mit der weniger gleichmäßigen Verteilung des Elends dort wird die Verteilung der Güter in D nicht leistungsgerechter, eher im Gegenteil.
Das Elend dort nimmt etwas ab und die Spaltung hierzulande nimmt weiter zu.

Cicero1
21.06.2007, 14:32
Das Elend dort nimmt etwas ab und die Spaltung hierzulande nimmt weiter zu.

Ja, mit der Globalisierung ist dies wie bei kommunizierenden Röhren - man nähert sich gegenseitig an.

politisch Verfolgter
21.06.2007, 14:37
Dagegen hilft nur user value. Dann bleibt das von den Betriebslosen erwirtschaftete Kapital für seine Erwirtschafter marktwirtschaftlich wirksam.
Genau das ist vernetzungsoptimiert zu globalisieren.

Staatsfeind
21.06.2007, 20:20
Die Regierung ist aber schon lange nicht mehr Kommunistisch außer auf dem Papier der Namensgebung.
In China herscht eine Kapitalistische Einheitspartei die sich Kommunistisch schimpft.
China ist Staatskapitalistisch !!

Anarch
21.06.2007, 20:34
@Staatsfeind. Ich stimme zu. Und auch Nordkorea scheint in Richtung mehr Marktorientierung zu driften, denn staatskapitalistisch ist es bereits.

Zynixer
22.06.2007, 08:56
Ja, mit der Globalisierung ist dies wie bei kommunizierenden Röhren - man nähert sich gegenseitig an.

Das ist, so vermute ich auch, die tatsächliche und langfristige Tendenz, diese Sonderwirtschaftszonen werden eine Entwicklung auslösen, die einen Weg zur Öffnung und vielleicht Demokratisierung darstellen.................

kolibri
22.06.2007, 10:38
Das ist, so vermute ich auch, die tatsächliche und langfristige Tendenz, diese Sonderwirtschaftszonen werden eine Entwicklung auslösen, die einen Weg zur Öffnung und vielleicht Demokratisierung darstellen.................ACK, allderdings gibt es da noch folgende Option:
http://www.carryabigsticker.com/images/be_nice_150.gif
:D

Zynixer
22.06.2007, 11:00
Und auch Nordkorea scheint in Richtung mehr Marktorientierung zu driften, denn staatskapitalistisch ist es bereits.

In welchen Staaten wurde neben den Modellen kapitalistisch und staatskapitalistisch noch ein dritter Weg eingeführt?

Sanosuke_Sagara
23.06.2007, 00:11
Das ist, so vermute ich auch, die tatsächliche und langfristige Tendenz, diese Sonderwirtschaftszonen werden eine Entwicklung auslösen, die einen Weg zur Öffnung und vielleicht Demokratisierung darstellen.................

Diese Demokratisierung wird auf jeden Fall durch diese Globalisierung eintreten. Deswegen sind ja sowohl die Kommunisten als auch Diktatur-Befürworter sehr aengstlich vor der Globalisierung. Ob diese Angst berechtigt ist, ist eine andere Frage.

Zynixer
24.06.2007, 07:22
Diese Demokratisierung wird auf jeden Fall durch diese Globalisierung eintreten. Deswegen sind ja sowohl die Kommunisten als auch Diktatur-Befürworter sehr aengstlich vor der Globalisierung. Ob diese Angst berechtigt ist, ist eine andere Frage.

Eigentlich sind Kommunisten keine Globalisierungsgegner,
das trotzkistische Prinzip der Weltrevolution war ja Globalisierung,
bis er es mit Eispickel-Globalisierungsgegnern zu tun bekam........