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Vollständige Version anzeigen : Wir lesen Zeitung. Heute: FAZ



Gärtner
04.06.2007, 12:12
Tagespolitische Erwägungen sind bekanntlich Einwickelware für den Fisch von morgen. Halten wir uns also an die ewigen, die unvergänglichen, die geistigen Werte menschlicher Zivilisation, kurz, lesen wir das Feuilleton.

Bono hat letztens die BLÖD vergutmenscht ("Liebes Afrika"), doch nun fragen wir uns bebend, wer das Flaggschiff deutschen Denkens und Wesens, die FAZ, in seine greuliche Klaue bekommen hat.

"Konstantin der Große - Der legendäre Heidenchrist" (http://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407798B1CE808F1F6632/Doc~E9209A7C92D6F483898FCD53493B12812~ATpl~Ecommon ~Scontent.html) ist ein schöner nervtötender Artikel von Dirk Schümer über die Konstantinausstellung in Trier überschrieben, erschienen in der Onlineausgabe der FAZ. Ist die Thematik auch interessant, will sich rechter Lesegenuß dennoch nicht einstellen. Denn ziemlich bald schon stößt der geneigte Leser auf die Aufzählung von "Katholiken, Ariern, Donatisten". Nunja, es ist auch ziemlich schwierig, den Unterschied zwischen Führers Rassegedöns bzw. einem linguistischen Terminus und der spätantiken, vom Katholizismus abweichenden Lehre der Arianer zu begreifen. Lexika sind bekanntlich teuer und die Bibliothek hatte auch schon zu.

Und schon stolpert man über den nächsten Unsinn. "Bis zur ersten Ketzer- und Heidenverbrennung sollte es nicht mehr lange dauern.". Wie gesagt, wir reden über die Zeit des römischen Kaisers Konstantin, der im Jahre des Herrn 337 die noch kurz vor Toresschluß getauften Augen schloß. Die Hexenverfolgungen setzten bekanntlich jedoch erst im Hochmittelalter ein, einzelne Vorfälle und Exzesse zuvor stießen durchweg auf kirchliche Ablehnung. Aber schöner gruseln mit Fiktion als sich an der lahmen Wirklichkeit orientieren, nicht wahr?

Und wieso Konstantins Mutter, die zwischenzeitlich sogar den Titel einer Regierenden Kaiserin erhielt, im FAZ-Artikel als "Konstantins obskure Mutter Helena" diffamiert wird, muß ebenfalls das Geheimnis des offensichtlich auf dem Boulevard großgewordenen Autors bleiben. Vielleicht aber schlägt in seiner Brust auch nur das Herz eine Society-Reporters, den die illegitime und nicht standesgemäße Ehe "zur linken Hand" von Konstantins Vater mit dessen großer Liebe, der bithynischen Kneipenwirtin Helena empört. Helena, die Dodi al-Fayed der Antike! Rolf Seelmann-Eggebert, übernehmen Sie!

Daß dann von "augustäischer" Kunst die Rede ist, kann nun nicht mehr weiter erschrecken. Der attributive Namensgeber hieß zwar nicht "Augustaeus", wie der verwirrte Leser vermuten könnte, vielmehr ist der aus der Weihnachtsgeschichte wohlbekannte Kaiser Augustus gemeint, das heißt, er ist nicht gemeint, denn der lebte 300 Jahre vor den in der Trierer Austellung gemeinten Epoche und damit auch vor Konstantin.

Zum Schluß hin dann noch der gescheiterte, ärgerliche Versuch, den dummen Leser, der ja von Kaisers in der Antike keine Ahnung hat, mal die richtige Sicht der Dinge mundgerecht vorzukauen: Konstantin war ein Monarch, der absolut herrschte, im FAZ-Pamphlet lernen wir uns ordentlich vor ihm fürchten, der er doch "dieser Autokrat, dessen Ästhetik sehr viel näher bei Stalin steht als bei Mutter Theresa", war. Da werden mal eben munter Darstellungs- und Rezeptionsepochen aus 2000 Jahren verwurstet und zu einem ungenießbaren Besserwisserschleim verkocht und historische Protagonisten in neu/altlinker Manier denunziert. Semper aliquid haeret.

Die Bebilderung ist ebenfalls schön – und man sollte den dazugehörigen Texten ebenfalls die Gnade des Ignorierens schenken. Der Herr Papa des nachmaligen Christenretters hieß Constantius, nicht Constantinius. Obendrein zeigt das solchermaßen betextete Bild denn auch nicht den Kaiservater, sondern eine Replik des weltbekannten Marmorkopfs Konstantins selbst, der im Innenhof des Kapitolinischen Museums in Rom zu besichtigen ist. Und weiter: Die Darstellung der sogenannten Ada-Handschrift, eines Evangeliars in kostbarem Zellenschmelz-Einband, wird zwar korrekt als "karolingisch" bezeichnet, dann jedoch historisch als "wahrscheinlich vor 326 in Trier entstanden" einrubriziert. Da bleibt kein Auge trocken.

Im FAZ-Redaktionsstübchen scheint es weder eine Internetanbindung (die den einen oder anderen Blick z.B. auf Wikipedia erlauben würde) noch eine Schlußredaktion zu geben. Naja, ist ja auch nur das Onlinedingsda. Und überhaupt, die FAZ ist ja sowieso nur eine Evangelenzeitung. Da wollen die Leser den alten Kram vor 1517 eh nicht so genau kennen. Reicht, wenn man irgendeinen schlampigen Unsinn dahinrotzt.

Ach... ich sehe gerade... diese Sudelei wurde bereits in der samstäglichen Holzausgabe dem interessierten Publikum unterbreitet... na, wie auch immer: Gatekeeper bei der Arbeit. Der Mann lebt als Europa-Korrespondent der FAZ in Venedig, es ist kaum zu fassen. Selber schuld, wer für derlei Schund am Kiosk oder im Abo auch nur einen Cent springen läßt. Dies Feuilleton taugt zum Einwickeln nur noch für Elritzen, denn übersetzt macht es seinem Namen alle Ehre:

Blättchen.

John Donne
04.06.2007, 13:03
Bei der FAZ - ich gestehe, mein Abo ist selbstverschuldet - mache auch ich eine schleichenden Abwärtstrend aus. Der von Dir dargelegte Artikel, den ich in meiner Printausgabe gar nicht gefunden habe (er scheint als nur auf faz.net zu stehen), ist in der Tat qualitativ keinesfalls auf dem Niveau, dessen sich die FAZ üblicherweise - und m.E. oft zurecht - rühmt. Ich gestehe, der FAZ gegenüber hin und hergerissen zu sein: Sie hat lange die bewährte und m.E. einzig richtige Rechtschreibung beibehalten, ist jedoch letztlich unerwartet eingeknickt. Allerdings sehe ich auf dem Markt der deutschen Tageszeitungen für mich keine Alternative. Es gibt Momente, in denen ich erwäge, zur NZZ zu wechseln, die ich sehr schätze. Allerdings ist es eben eine schweizer und keine deutsche Zeitung.

Grüße
John

Gärtner
04.06.2007, 13:44
Mir ist es auch um die Austellungsmacher und Museumsleute zu tun, die sich für diesen Schundartikel sicher herzlich bedanken werden.

Dieses Machwerk war zweifellos eine ungeliebte Auftragarbeit des Autors, der sich nach der Devise "Aus schwarz mach weiß, schon wird der älteste Käse interessant" am Sujet gerächt hat. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Mcp
04.06.2007, 13:49
Die Wortschöpfung "Begierdekatholik" werde ich mir allerdings merken. :)

Ausonius
04.06.2007, 13:52
Ich habe oft den Eindruck, wenn es bei den Qualitätsmedien um historische Themen geht, schalten die Redakteure einen Gang runter, weil man sich nur mit Büchern und nicht nervigen Politikern, Anwälten oder Pressesprechern rumschlagen muss.

Dieser Artikel über Konstantin ging mir zum Glück durch die Lappen, aber die mittlerweile häufigen Spiegel-Titelstorys zu geschichtlichen Themen verursachen auch regelmäßig bei mir Magenverstimmungen. Besonders negativ habe ich aus jüngster Zeit die Story zur Merowingerausstellung in Erinnerung.

Biskra
04.06.2007, 16:46
Die karolingische Ada-Handschrift, "wahrscheinlich vor 326 in Trier entstanden", echt kolossal! :)) Eigentlich würde man um 800 in Aachen vermuten, aber hier muss selbst Heribert Illig umschreiben. :rofl:

Salazar
04.06.2007, 16:56
Bei der FAZ - ich gestehe, mein Abo ist selbstverschuldet - mache auch ich eine schleichenden Abwärtstrend aus. Der von Dir dargelegte Artikel, den ich in meiner Printausgabe gar nicht gefunden habe (er scheint als nur auf faz.net zu stehen), ist in der Tat qualitativ keinesfalls auf dem Niveau, dessen sich die FAZ üblicherweise - und m.E. oft zurecht - rühmt. Ich gestehe, der FAZ gegenüber hin und hergerissen zu sein: Sie hat lange die bewährte und m.E. einzig richtige Rechtschreibung beibehalten, ist jedoch letztlich unerwartet eingeknickt. Allerdings sehe ich auf dem Markt der deutschen Tageszeitungen für mich keine Alternative. Es gibt Momente, in denen ich erwäge, zur NZZ zu wechseln, die ich sehr schätze. Allerdings ist es eben eine schweizer und keine deutsche Zeitung.

Grüße
John

Ein "Abwärtstrend" ist leider bei eigentlich allen Tageszeitungen in fast jedem Land festzustellen. :( Die FAZ ist trotz aller Mängel mMn eine der besten, wenn nicht die beste Tageszeitung überhaupt. Gerade auf dem deutschen Markt gibt es eigentlich keine gleichwertigen Alternativen. Die NZZ schlägt zwar gelegentlich, öfter im Feulleton das Niveau der FAZ aber die ist eben, wie du sagtest schweizerisch, mit einem viel zu umfangreichen Lokalteil :D. Man kann nur hoffen, dass die Konservativen unter den Herausgebern die Mehrheit behalten (denn die stehen im Zweifel auch für die "Konservierung" der journalistischen Standards), damit solche Leichtgewichte wie Schirrmacher nicht allein das Ruder in die Hand bekommen.

Nebenbei: Musste heute in meinem Deutschabi einen Artikel aus der FAZ erörtern :yeah:

Kenshin-Himura
04.06.2007, 17:09
Ein "Abwärtstrend" ist leider bei eigentlich allen Tageszeitungen in fast jedem Land festzustellen. :( Die FAZ ist trotz aller Mängel mMn eine der besten, wenn nicht die beste Tageszeitung überhaupt.

Volle Zustimmung. Vielleicht berichtet der Gelehrte ja mal genauso kritisch über den ,,Spiegel".

John Donne
04.06.2007, 17:29
Ein "Abwärtstrend" ist leider bei eigentlich allen Tageszeitungen in fast jedem Land festzustellen. :( Die FAZ ist trotz aller Mängel mMn eine der besten, wenn nicht die beste Tageszeitung überhaupt. Gerade auf dem deutschen Markt gibt es eigentlich keine gleichwertigen Alternativen. Die NZZ schlägt zwar gelegentlich, öfter im Feulleton das Niveau der FAZ aber die ist eben, wie du sagtest schweizerisch, mit einem viel zu umfangreichen Lokalteil :D. Man kann nur hoffen, dass die Konservativen unter den Herausgebern die Mehrheit behalten (denn die stehen im Zweifel auch für die "Konservierung" der journalistischen Standards), damit solche Leichtgewichte wie Schirrmacher nicht allein das Ruder in die Hand bekommen.

Nebenbei: Musste heute in meinem Deutschabi einen Artikel aus der FAZ erörtern :yeah:

Das entspricht sehr weitgehend auch meiner Meinung. Ich hoffe, Du kamst mit dem FAZ-Artikel gut zurecht.

Grüße
John

Gärtner
04.06.2007, 17:40
Volle Zustimmung. Vielleicht berichtet der Gelehrte ja mal genauso kritisch über den ,,Spiegel".

Über den eigenen Brötchengeber äußere ich mich grundsätzlich nicht.

Salazar
04.06.2007, 17:56
Ich hoffe, Du kamst mit dem FAZ-Artikel gut zurecht.

Grüße
John

Ja, ging schon :). War nicht besonders schwer und ich konnte die Meinung des Autors (Kohler) recht gut nachvollziehen. Sollte also vernünftig verlaufen sein.

Salazar
04.06.2007, 17:57
Über den eigenen Brötchengeber äußere ich mich grundsätzlich nicht.

Nette Einstellung :D

Kenshin-Himura
04.06.2007, 17:58
Über den eigenen Brötchengeber äußere ich mich grundsätzlich nicht.

Sieht aber in deinem Blog anders aus. :]

Gärtner
04.06.2007, 18:04
Nette Einstellung :D

Sie sollte nachvollziehbar sein.

Life is strange and world is bad.

Quo vadis
04.06.2007, 19:30
Sie sollte nachvollziehbar sein.



hey Geleerter--biste der Freak hier.....(in seiner Freizeit Gärtnert und pflanzt er gerne).:))


http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/0,1518,471667,00.html

Siehst richtig Links aus, von wegen älterer Herr, eher ein 69-er Kind von 68-er Revolluzern.Manuel Andrag läßt grüßen.......:))

klartext
05.06.2007, 01:28
Seitdem die Redakitonen bei den meisten Zeitungen " verschlankt " wurden und immer mehr freiberufliche Zeilenhändler beschäftigt werden, ist das Niveau vieler Flaggschiffe rapide gesunken.
Ganz besonders schlimm hat es die SZ erwischt, ich habe sie deshalb vor längerer Zeit abbestellt.

Don
05.06.2007, 08:57
Ach... ich sehe gerade... diese Sudelei wurde bereits in der samstäglichen Holzausgabe dem interessierten Publikum unterbreitet... na, wie auch immer: Gatekeeper bei der Arbeit. Der Mann lebt als Europa-Korrespondent der FAZ in Venedig, es ist kaum zu fassen. Selber schuld, wer für derlei Schund am Kiosk oder im Abo auch nur einen Cent springen läßt. Dies Feuilleton taugt zum Einwickeln nur noch für Elritzen, denn übersetzt macht es seinem Namen alle Ehre:

Blättchen.


Bisher begab ich mich dem Glauben, unsere Redaktionsstuben ließen hauptsächlich auf naturwissenschaftlich-technischem Gebiet das erforderliche Mindestmaß an Wissen und Sorgfalt um darüber zu schreiben und zu informieren vermissen.

Liegt wohl auch an meinem gering ausgeprägten Interesse an zeitlich eher entfernten historischen Details.
So vermutete ich dort bei den Schreiberlingen naiverweise eine etwas ausgeprägtere Kompetenz, wohl beruhend auf deren häufig herablassend zelebrierten Selbstdarstellung als letzte Bastion des humanistischen Bildungsideals.

Nun zerbröselst Du auch diesen Teil meines Weltbilds.
Naja, sonderlich kompakt war's eh nicht. :D

Biskra
05.06.2007, 14:59
Seitdem die Redakitonen bei den meisten Zeitungen " verschlankt " wurden und immer mehr freiberufliche Zeilenhändler beschäftigt werden, ist das Niveau vieler Flaggschiffe rapide gesunken.
Ganz besonders schlimm hat es die SZ erwischt, ich habe sie deshalb vor längerer Zeit abbestellt.

Interessant, ging mir bei der SZ genauso. Hinzu kam noch der miserable Service.

Gärtner
06.06.2007, 00:22
hey Geleerter--biste der Freak hier.....(in seiner Freizeit Gärtnert und pflanzt er gerne).:))
Wenn du meinst, o rechtschreibgestörter Freund: ja. Ich schrub das mit Bedacht:

http://img117.imageshack.us/img117/8384/gartenqk3.jpg


Siehst richtig Links aus
Ach? Für deinen Geschmack müßte ich wohl Glatze tragen.

Nun, melde dich noch einmal in 30 Jahren, wollen sehen, was die Natur uns dann geliefert hat.

Don
06.06.2007, 12:01
Die Kamille sieht etwas traurig aus.
Oder liege ich da botanisch daneben?
http://img117.imageshack.us/img117/8384/gartenqk3.jpg

Gärtner
06.06.2007, 12:23
Ja, das ist Echinacea, der Rote Sonnenhut. Der klappt die Blütenblätter schon mal gern nach unten.

Don
06.06.2007, 12:30
Naja, bin auch kein Gärtner. Aber meine Mutter hatte stets Unmengen Kamille im Garten weil sie ständig diesen ekelhaften Tee brühte.
Sieht in der Erinnerung sehr ähnlich aus...
http://www.heilkraeuter.de/lexikon/kamille-01.jpg

Quo vadis
06.06.2007, 13:46
Ach? Für deinen Geschmack müßte ich wohl Glatze tragen.



mitnichten, ich habe ja selber kaum kürzere Haare als du.:)) Worauf ich abstellte war der für Linke typische Spaßbremsenphänotyp und das halt obligatorische, verkniffene "Gesäß im Gesicht tragen".Ansonsten noch viel Spaß mit den Blümlies.;)

derNeue
06.06.2007, 15:59
[B]...
Ach... ich sehe gerade... diese Sudelei wurde bereits in der samstäglichen Holzausgabe dem interessierten Publikum unterbreitet... na, wie auch immer: Gatekeeper bei der Arbeit. Der Mann lebt als Europa-Korrespondent der FAZ in Venedig, es ist kaum zu fassen. Selber schuld, wer für derlei Schund am Kiosk oder im Abo auch nur einen Cent springen läßt. Dies Feuilleton taugt zum Einwickeln nur noch für Elritzen, denn übersetzt macht es seinem Namen alle Ehre:

Blättchen.

Du hast ja so recht. Also gib Dir endlich einen Ruck: schreib fürs Geldverdienen für den SPIEGEL und abonniere zur Weiterbildung die Junge Freiheit. Oder bekommt man dann keine Aufträge mehr?

Sterntaler
06.06.2007, 16:01
Wenn du meinst, o rechtschreibgestörter Freund: ja. Ich schrub das mit Bedacht:

http://img117.imageshack.us/img117/8384/gartenqk3.jpg


Ach? Für deinen Geschmack müßte ich wohl Glatze tragen.

Nun, melde dich noch einmal in 30 Jahren, wollen sehen, was die Natur uns dann geliefert hat.

was is'n das für'n Unkraut? Setzt deinen Aluhelm ab, da siehste besser.